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Bungen sterbenstrank daheim, gepflegt und gewartet von seinem wohl kaum verdienen würde. Skutari , der kommerzielle Stapel jungen Weibe. Das Fieber raste wie ein verheerender Wildbach plaß für ganz Nordalbanien, vermittelt durch Medua den bei durch den herkulischen Körper; es warf ihn auf dem Lager auf iveitem größten Teil der gesamten Ein- und Ausfuhr dieses Geund schüttelte ihn, daß die Bettstatt krachte. Seine fieberglänzenden, bietes. Mit Landeserzeugnissen über und über vollgepfropfte blauen Augen starrten immer und immer wieder in den Stuben- Barken tamen in langer Reihe an unser auf hoher See verankertes winkel. Dort sah er in seinem Fieberwahn den Tod in Gestalt Schiff, seine Frachträume mit Sisten bud Kästen, mit Körben und eines Tigers auf dem Boden liegen und mit tückischen gelben Ballen füllend. Das währte stundenlang und bot dem Auge gar Katzenaugen zu sich herüber blinzeln. mannigfaltige, bunte Bilder. Die Barkenführer, welche die Lebhaftigkeit der Südländer mit dem würdigen Ernst der Moslims verbanden, waren fast durchweg prächtige Gestalten.
Der vielbeschäftigte Kaffenarzt tam, sah, schrieb und ging; das Weib eilte ihm immer bis zur Stiege nach; wenn sie nach einer Weile, wieder leise in das Zimmer kam, waren ihre Augen verweint.
" Was flennst? Meinst, ich hab schon die Reiseftiefel an? Dummes Weib!" So tröstete sie der Todkranke in lichten Augenblicken.
Reine Minute hab mirs besonnen, meines Nächsten Leben zu retten! dafür soll meines hin sein?" Er recte die fieberheißen Hände gen Himmel empor:
Wills Gott, gilts Gott ... es gibt noch eine Gerechtigkeit!" Dann irrten feine Augen wieder in den Stubenwinkel, wo er Tag und Nacht den Tiger auf der Lauer liegen sah: „ Glotz nur her... verfluchte Tigerfak; du wirst mich nicht fassen!"
Er wurde immer kränker. Der Doktor gab keine Hoffnung mehr. Er möge seine Sache mit Gott in Ordnung bringen, ließ er ihm durch das Weib sagen.
Aber der Wachmann wollte nichts davon wissen: Und so wahr ich auf die ewige Seligkeit hoff... und in Sünden bin; aber jetzt brauch ich mit Goit noch kein Ordnung zu machen: Ehender bricht Welt und Himmel ein!"
Der Tiger im Winkel erhob sich und schlich sich mit weichen Pfoten von der Ecke gegen die Mitte des Zimmers. Dort legte er fich wieder auf die Lauer und blingelte mit seinen gelben Katzenaugen zum Bett hinüber. Das Weib schluchzte laut.
Weib und Kind... haltet ruhig! Mir kann und kann nichts geschehen; es gibt noch eine Gerechtigkeit." Der Tiger erhob sich und schlich leise näher. Knapp vor dem Bette duckte er sich zum Sprung. Seine Schnauze berührte den Bettrand; sein glühender Atem streifte den Kranken.
Das trostlose Weib zündete die Sterbeferze an. Der kranke Riese feuchte und atmete schwer. Große Schweißtropfen perlten auf seiner Stirn.
Aber er starrte dem Tiger furchtlos in die glühenden Augen: Spring mich an, wenn du kannst..." lallte er.„ Ghender fugelt himmel und Welt durcheinander!"
Der Tiger sprang auf. Mit einem Sage war er auf dem Bett und warf sich über ihn her. Der Wachmann feuchte; seine Arme schlugen in der Luft herum; er wehrte sich verzweifelt um sein Leben. Es half nichts. Der 335er mußte sich ergeben. Die riesigen Arme begannen sich zu lösen; der gewaltige Brustkorb wollte sich nimmer heben.
In finsterer Todesruhe lag er auf dem Strohsack. Sein brechendes stahlhartes Blauauge irrte Gerechtigkeit suchend von der Welt ins Jenseits.
Aber Himmel und Erde fielen nicht durcheinander. Die Natur Tag in tiefem Frieden. Draußen grünte und blühte es; die Luft war weich und lind und hell schien die Sonne bis in Mutters Tobsuchtszelle. Da saß sie wohlbewacht in ungeftillter Todessehnsucht; tobte und schrie:
" Neunmal verflucht der Hund, so mich aus dem Wasser gefischt!" Braver 335er; warum mußtest Du gerade zur Stelle sein, als Eine ins Wasser sprang?
Sandig, eintönig, an Sümpfen und Fieber reich, zicht sich zwischen Medua und Valona am Adriatischen Meer ein Küstenstrich, der die westliche Grenze des albanischen Landes bildet. Die großen Seeschiffe pflegen nur selten die Hafenstädte dieser Küste anzulaufen. Wer Bilder vom Leben und Treiben der albanesischen Küstenbewohner mit sich nehmen will, der muß schon einen jener Transportdampfer besteigen, die allwöchentlich den Weg von Triest nach Korfu machen.
In Dulcigno , der montenegrinischen Grenzstadt, waren wir auf das Schiff gegangen. Die Berge der Crnagora, die sich grau und troßig gen Himmel redten, wurden kleiner und kleiner, bis fie ganz verschwunden waren. Nur landeinwärts dämmerten noch am fernen Horizont, in goldene Lichtnebel gehüllt, die schneeund eisgekrönten Bergriefen des albanischen Innenlandes auf. Die Küste aber lag flach und sandig da. Ganz selten zeigten sich uns die Spuren einer menschlichen Ansiedelung. Und in ge= messener Entfernung vom Ufer glitt der vielen Sandbänke halber unser Schiff dahin.
Ein halbes Duhend elender Baraden an einer Bucht, die von einer lehmfarbenen, fandbankähnlichen Landzunge gen Süden abgeschlossen ist: Das ist der Hafen von Medua, der ersten albanischen Ortschaft auf unserem Wege. Das landeinivärts geregene Stutari gibt diesem Hafen seine Bedeutung, die er sonst
Bei den Albanesen trägt sich fast jeder Stamm anders. Gewöhnlich kleiden sie sich jedoch in blaue Pluderhosen oder in weite, weiße Beinfleider. Eine knopflose, weiße oder blaue, oft bunt ausgestiďte Weste gibt dem Anzug etwas Malerisches. Den bei den Mohammedanern fahl rasierten Kopf deckt eine weiße, tütenförmige Friesmüße oder der mit dem Turbantuch umwickelte rote Fez. Auf seine Waffen, deren er ein ganzes Arsenal bei fich zu tragen liebt, ist der Albanese sehr stolz. Reich ausgelegte Pistolen, prächtige Messer schauen aus dem mit Messingnägeln oder Steinen verzierten Lederleibgurt. Die Flinte, meist eine uralte Konstruktion, hängt ihm über der Schulter, wenn er einen Gang ins Nachbardorf, oder in die Stadt vorhat. Die Häuser der Albanesendörfer machen einen unschönen und unscheinbaren Eindruck, zumal mit dem Anbringen von Fenstern soviel wie nur irgend möglich gespart zu werden pflegt.
Ein ganzer Trupp Albanesen ist an Bord unseres Schiffes. gekommen. Etwas Stolzes und Trotziges blitzt ihnen aus den Augen. Vornehm und selbstbewußt schreiten sie das Deck der Länge nach auf und ab oder stehen plaudernd und lachend in Gruppen beieinander. Auch eine Schar von Frauen hat sich eingefunden. Es sind weißgekleidete, mullverschleierte Türkinnen, welche einer jungen Mutter, die einen Säugling im Arm hält, das Geleit geben. In einer Ecke des Schiffsraumes haben sie sich zusammengestellt. Ihre Unterhaltung wird nur im Flüsterton geführt. Der kleine Türkensäugling, der schon den Fez als Kopfbedeckung trägt und über und über mit Amuletten behängt ist, bildet den Mittelpunkt dieser Gruppe. Als dann die Schiffs= glocke das erste Zeichen zur Abfahrt gibt und es an das Abschiednehmen geht, will das Küssen, mit dem Mutter und Kind bedacht werden, gar kein Ende nehmen. Das Baby hat es den Frauen, ganz besonders angetan. Wieder und immer wieder führen sie ihre Lippen an seine Stirn, seine Wangen und seine kleinen Hände. Als sie dann unten in der mit Teppichen und Polstern ausgelegten Barke Plaz genommen und der Wind sich in das matt grüne Segel gesezt, glichen die dem Strande Zugleitenden in ihren langen, weißen Gewändern und Hauptschleiern einer Schaumwelle auf dem blauen Spiegel des Meeres, die langsam der Küste zurollt...
Es ging weiter gen Süden. Auf Deck war es bereits bunter und lebhafter geworden als bisher. Auch wir Kajütenpassagiere hatten einen neuen Reisebegleiter bekommen: einen Beamten in europäischer Kleidung und mit europäisch geschnittenem, bereits ergrauendem Epißbart, den seine Regierung nach Durazzo versetzt hatte.
Wir wurden bald bekannt miteinander. Er sprach französisch und so konnten wir uns wenigstens einigermaßen verständigen. Seine Versehung hatte ihn jedoch in eine so freudige Aufregung gebracht, daß er für nichts anderes Interesse hatte, als für seinen zufünftigen Aufenthaltsort. In den glühendsten Farben suchte er uns alle Herrlichkeiten Durazzos zu schildern. Und der Schluß seiner begeisterten Ergüsse war immer:" Durazzo grande ville! Durazzo belle ville!"( Durazzo ist eine große und schöne Stadt.) Troß seiner europäischen Allüren beachtete der Mann aber streng die Vorschriften seiner Religion: er genoß nichts von dem, was die Schiffsküche bot, sondern hielt sich an den auf streng rituelle Art zubereiteten Inhalt seines recht geräumigen Esborratforbes, aus dessen Tiefen er ein gebratencs Hühnchen nach dem anderen hervorangelte; auch Brot, Obst und Süßigkeiten fehlten ihm nicht als Zuspeise und Nachtisch.
Das Schiff ist wieder auf offenem Meere vor Anker gegangen. Am fernen, flachen Küstensaum eine Handvoll Häuser. Ein paar Minarets streben schlank und starr über braungrüne Dächer empor. Ein Holzsteg, primitiv und unbeholfen, schiebt sich in die Sec. Barken mit braunen, gelben oder schmuzigroten Segeln tummeln sich im Hafen. Ein paar Ruderboote schießen, in der Richtung auf unser Schiff zu, über die bewegten Wellen; bald ist unser Dampfer dicht von Barfen und Booten umschwärmt, deren Führer im lauten Lärm sich durch Geschrei und lebhafte Bewegungen zu überbieten suchen.
Wir liegen vor Durazzo , dem alten Dyrrhachion, wohin die Römer ihren größten Redner Cicero verbannt hatten, wo vor nahezu zwei Jahrtausenden blutige Schlachten zwischen Cäsar und Pompejus geschlagen wurden, und auf dessen Besitz die Serben jüngst noch so überaus großen Wert legten.
Auf unserem Dampfer ist es lebendig geworden. Für viele ist das Ende der Reise gekommen. Ihre Angehörigen oder Freunde, die mit einer der Barten bis dicht an den Riesenleib des Schiffes herangekommen, haben sie bereits gesichtet. Jetzt drängt alles dem Fallreep zu: jeder möchte als erster an Land kommen. Auch wir sind die steile Stiege hinuntergeklettert. Ein paar Barkenführer liegen sich unseretwegen bereits in den Haaren. Die Schimpfworte in einer uns fremden Sprache fliegen hagel