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dicht. Endlich gelingt es einem der beiden Rivalen, fich mit von proletarischer Seite die Literatur dieses Gebiets eigenartig seinem Boot hart an die unterste Stufe des Fallreeps zu drängen. bereichert werden könnte. Der Proletarier reist in fremden Mit einem energischen Griff hat er uns in seine Barke bugsiert. Ländern, als Weltreisender, mit andern Zielen, andern Mitteln, Ein paar Ruderschläge treiben uns aus dem Bereich des Dampfers. als sonst gereist wird, und oft auch stecken ihm Augen von be Dann fliegt das Segel auf: ein schmubig- gelber Lappen, in den sonderer Art im Kopfe. Wenn hier systematisch gesammelt und fich augenblics ein frischer Wind gejezt hat. Auf und nieder gebaut würde, ließe sich die geographische Literatur unserer Arspringen wir über die Wellen und ein weiß grüner Schaum beiterbibliotheken bemerkenswert nach einer für Proletarier gurgelt um die Spitze unseres Bootes. In einer kleinen halben wichtigen Seite hin erweitern und bereichern. Das läge über das Stunde sind wir angelangt: der Barkenführer hilft uns die Buch Lessens hinaus; aber wir glauben, daß dieses Buch eine Stiege des molenartigen Holzsteges erklimmen. Art hat, die ihm in Arbeiterkreisen viel Anerkennung einbringen wird, und wünschen ihm diese Anerkennung schon deshalb, unt dem Borivärts- Verlag Mut zu machen, ein Unternehmen, wie wir es andeuteten, zu wagen.
Eine dichte, etwas unheimlich ausschauende Gesellschaft hat sich um uns geschart. Es sind meist hohe, kräftig gebaute Gestalten in schmierigen, blauen Pluderhosen, buntgenähten Westen, gelblich- weißen Hemdsärmeln, mit weißen Frießmüßen oder bunten Turbantüchern. Jeder bietet seine Dienste an. Aber unser Barkenführer, der sich unaufgefordert zu unserem Cicerone gemacht, hat rasch alle aus dem Felde geschlagen. Wir haben bereits den Molensteg hinter ans, und unsere Bässe hat der Hafenbeamte zur Aufbewahrung übernommen.
Durch einen alten, hohen Torbogen aus der Venetianerzeit geht es in die Stadt hinein. Eine enge, staubige, ungepflasterte Straße gilt als die größte Sehenswürdigkeit Durazzos. Es ist eine Bazarstraße, in der die Schmiede hämmern, die Schuhmacher das Leder klopfen und die Schneider mit den Scheren Klappern. Teppiche und Schnitarbeiten stehen zum Verkauf; primitive Arbeitsgeräte und Tschibuts warten auf ihre Käufer. Ein unangenehmer, undefinierbarer Duft schwängert die enge Gaffe, deren niedrige, nur wenige Fenster aufweisende Häuschen meist in der gleichen gelbgrünen Farbe gehalten sind. Wir werden natürlich weidlich angestaunt, denn ein à la franca gekleideter Mensch pflegt sich nur selten in das enge Gassennes Durazzo zu verirren. Alle zwanzig Schritt stredt ein Bettler seine schmußige Hand aus, einen Bakschisch heischend, aber sämtliche Qualen der mohammedanischen Hölle auf unser Haupt herabflehead, wenn wir ihm nichts geben.
Gar bald haben wir genug von diesem Straßenbilde mit feinen Unrathaufen und seinen mitten auf dem Weg liegenden toten Hunden oder Kazen, um deren Kadaver dicke, schwarz- grüne Fliegen in Unmengen fummen. Wir atmen auf, als wir die Stadt im Rücken haben und einer kleinen Anhöhe zustreben, die ein ruinenhaftes Gemäuer frönt.
Und gleich hinter den letzten übelduftenden Häusern beginnt auch die wunderbarste Wildnis. Eichengestrüpp klettert die Hügel Hinan. Große, blaßblaue Thymianblüten tupfen das dunkle Grün des üppigen Grasteppichs. Die weit gebuchteten Blätter einer großen Wolfsmilchart bilden kleine Büsche. Ein Dornengestrüpp hat forallenrote Beerenfrüchte angesetzt. Alte Mauerreste sind in diesem Grasmeer versunken und lugen nun hier und da braun und bröcklig aus dem üppigen Grün hervor. Ein runder, zerfallener Turm steigt auf, dann der weite Bogen eines riesigen Portals und graugrün verwetterte, Haushohe Mauern.
Das sind die Ueberreste vom Palast der Amalasuntha, der Tochter des Gothenkönigs Theoderich, die hier in Durazzo Hof hielt. Die Türken, welche die Trümmer wohl ehemals als Kastell benußten, haben an den Ruinen in ihrer Art herumgebaut. Sie nahmen als Baumaterial, was sie fanden. Und so sieht man heute in der ursprünglich byzantinischen Ringmauer Stulpturfragmente aus der altgriechischen Zeit, aus der spätrömischen und aus der normannischen Epoche hineingekleistert. An der imponierenden Größe und Gewaltigkeit dieser Ruinen hat aber die türkische Flickarbeit glücklicherweise nichts zu mindern vermocht. Ein herrlicher Ausblick winkt. Klein, grau, unscheinbar und unwirtlich liegt unten die Stadt. Flach dehnt sich das Küstenland gen Norden, Osten und Süden. Im Westen aber leuchtet das blaue Meer, auf dem flinke Segelbarken gleiten und fern ein paar Dampfer schwarzgraue Rauchfahnen über den sonneblinkenden Horizont ziehen.
Abwärts führt uns der Weg wieder der Stadt zu. Dort hat sich unsere Anwesenheit bereits in ausgiebigjter Weise herumgesprochen. Denn kaum sind wir in den dicht am Hafen gelegenen öffentlichen Garten eingetreten, in dem sich ein Kaffeehaus befindet, als auch schon eine Bande türkischer Musikanten hinter uns her ist. Und richtig: wir mußten den Höllenlärm über uns ergehen lassen und ihn obendrein noch mit einem Backschisch gebührend bezahlen. Als man aber dann damit anfing, durch die offenstehenden Fenster des Kaffeehauses hindurch uns, gleichfalls Backschisch heischend, mit Blumen, Blättern, Grashalmen und ähn lichen Dingen förmlich zu bombardieren, machten wir, daß wir unseren Paß zurückerhielten und in unsere Barfe kamen, die uns über die recht bewegte See zum Dampfer zurückbrachte.
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Lessens Buch ist eine Frucht geordneten Reisens. Es ist zusammengewachsen aus einer Reihe überlegter Fahrten, die aus besonderer Neigung darauf ausgingen, einen Ueberblick über die Balkanländer mit ihrem bunten Gemisch von Völkern und Kulturen zu gewinnen. Mit offen- empfänglichen Augen ist Lessen durch die Gebiete gereist, die von Strom und Gebirge so merkwürdig aufgeteilt, zerschnitten und verbunden sind, und wo Abendland und Morgenland , Europa und Asien sich in einer Arbeit der Geschichte von Jahrtausenden fortwährend übereinandergeschichtet, gekreuzt und ineinandergeschoben haben. Lessen hat nicht zu einem engeren wissenschaftlichen Zweck forschen wollen, er wollte Natur und Menschen wandernd schauen, und dabei hat ihm eine glüdliche Gabe geholfen: ohne Scheuflappen aufzunehmen. Er hat die Kunst, aufzugehen in dem, was der Augenblid ihm in den Weg führt; er hat die Lust, sich unermüdlich am farbigen Abglanz des Lebens zu entzüden. Er drängt den Europäer zurück, der die Dinge des Orients leicht mit dem Vorurteil einer überlegenen Kultur betrachtet, er taucht ein in das seltsame Getriebe in Dörfern und Städten, auf Schiffen, Straßen und Märkten, und läßt sich aufmerksam rundum blickend treiben. Eine erstaunliche Fülle sattfarbig atmender Augenblicksbilder ist das Ergebnis dieser Art zu reisen, und aus der Fülle sammelt sich eine Reihe Eindrücke zu einem Gesamtbilde der Landschaft, der Menschen, der Kultur, das sich nun von dem Bilde des Abendlandes fremd und eigen abhebt.
Ein Reisezug des Buches geht durch Bosnien , Montenegro , Albanien , Griechenland bis Athen . Ein anderer zieht von Serbien durch die wenig beschrittenen Gebiete über Nisch hinaus nach esküb, durch das Amselfeld, nach Saloniki und von hier durch das inselbesäte Alegäische Meer nach Konstantinopel . Mit furgen Streifa zügen durch Bulgarien und Rumänien schließt das Buch, dessen Inhalt Ilse Schüße- Schur durch Federzeichnungen anschaulich ergänzt hat. Gebunden kostet das Buch 1,50 M. Bu wünschen wäre, daß der Verlag ihm eine Karte der Balkanländer einfügte. Eben weil es von vielen Arbeiterlesern in gutem Griff als eine Art Einführung in diese Länder in die Hand genommen werden wird.
Kleines Feuilleton.
Verkehrswesen.
Gin Tunnel unter dem Oeresund. Die dänischen Ingenieure Quistgaard und Ohrt haben an die schwedische und an die dänische Regierung ein Gesuch um Erteilung der Erlaubnis zur Anlage und zum Betrieb einer Eisenbahn eingereicht, die Dänemark und Schweden durch einen unter dem Deresund zu bauenden Tunnel verbinden soll. Ueber die Einzelheiten dieses Planes faun folgendes mitgeteilt werden:
Die Bahn soll von der Ostküste Seelands( etwas südlich von Kopenhagen ) zunächst auf einem Erdwall nach der kleinen Insel Amager übergeführt werden und sodann diese durchqueren. An der Ostküste der Insel Amager geht die Bahn in den Tunnel ein, der zuerst unter dem sogen." Drogdenlauf" nach dem Inselchen Saltholm führt, wo die Bahn wieder über Land von der West- bis zur Ostküste gehen soll. Von der Ostküste Saltholms aus geht die Bahn zum zweitenmal in den Sundtunnel ein, der unter der sogen. Flint- Rinne" bis zur Westküste Schwedens führt. Dort wird bei Limnhamn, etwas südlich von Malmö , gelandet, und die Bahn schwingt nunmehr in einem Bogen bis zur Staatsbahnstation Malmö , wo die Spur der Deresundbahn sich mit dem Gleise der Bahn nach Trelleborg vereinigt. Die größte Tiefe des Tunnels wird 30 Meter betragen. Die Bahn soll eingleisig gebaut werden; doch soll die Anlage so ausgeführt werden, daß man später zum doppelspurigen Betrieb wird übergehen können. Die Spurweite wird 1,435 Meter, die Maximalſteigung 1: 100 betragen. Die Bahn soll mit Elektrizität betrieben werden.
Das Anlagefapital wird auf etwa 100 Millionen Mark an= geschlagen. Man meint, daß die Anlage im Laufe von fünf Jahren wird fertig sein können. Es handelt sich im ganzen um eine Tunnellänge von 13 Kilometern. Die Strecke, durch die der Derefund- Tunnel geführt werden soll, ist nach der bestimmten Annahme der Konzessionssuchenden eine Stalksteinschicht. Es ist be= antragt worden, daß die Konzession einer Aktiengesellschaft übertragen wird, wenn nicht der dänische und der schwedische Staat selbst die Aufgabe lösen wollen.
Wir entnehmen diese Schilderung eines in den letzten Tagen und Jahren vielgenannten Plazes den Neisebildern, die unser Genosse Ludwig Lessen unter dem Sammeltitel: Kreuz und Quer durch den Balkan " soeben erscheinen ließ. Daß der Vorwärts- Verlag dieses Buch herausgebracht hat, glauben wir schon um des Stoffgebiets willen anerkennen zu sollen. Die Neigung für Schriften der Länderkunde ist in Arbeiterkreisen seit anderthalb Jahrzehnten sehr gewachsen, und es ist sicher, daß Berantw. Redakteur: Alfred Wielepp, Neukölln.- Drud u. Verlag: Vorwärts Buchdruckerei u.Verlagsanstalt Paul Singer& Co..Berlin SW.
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