Unterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 44.

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Gyldholm.

Mittwoch, den 4. März.

Eine Landarbeitergeschichte von J. Skjoldborg . Jest beugt sie sich über das eigene Kind in der Wiege: Es ist wohl in der Ordnung, daß Du auch ein Tröpfchen friegst, wo ich nun einmal aufgeknöpft habe!"

1914

Per weiß nicht recht, was er darauf antworten soll. Hm- n- ja er war es wohl."

glauben!" seufzt Niels und senkt den Kopf. ,, Es ist hart, wenn die Kinder sich so vergessen, könnt ihr

Pers und Sophies Augen fallen auf seinen gebeugten Rücken. Der verblichene hintere Teil seiner Weste hat einen dunkleren Flicken und sie wissen, daß er den selbst eingesetzt hat, denn so sauber fann seine Frau es nicht machen. Er tut ihnen so leid, denn sie mögen Kutscher Niels gern leiden. Doch Und es ist, als tönten seine traurigen Worte noch immer fort in der sie umgebenden Stille.

Sie wendet sich zu Niels, der Pers und Sophies Kind in den Schlaf zu lullen sucht: Es ist doch gut, daß man wenigstens nur eins aufs mal friegt," sagt sie. Wische sagen sie nichts. Wische lul..."

Sie erhebt sich und knöpft die Taille zu. Jetzt muß ich mich schnell nachy Jens' Kindern umsehen, ehe sie das Haus abbrennen, und ich versprach auch bei Palles' vorzuschauen."

Die Tageshelle erlischt mit der untergehenden Sonne und die Schatten der Dämmerung schleichen vom Walde und dem ganzen Gyldholmschen Gebäudekompler heran und verschlingen die kleinen, grauen Häuser.

Wer hier ein Heim hat, sucht es auf vor Anbruch der Nacht.

Zuerst kommen die großen Kinder aus der Schule und trippeln in der Dunkelheit über den gefrorenen, holperigen Erdboden. Und sobald sie angelangt sind, erhellt sich eine ganze Reihe von Fenstern.

Einige Stunden später ertönen die schweren Schritte der Männer und das unsichere Vorwärtstasten alter, steifer Beine. Zulegt kommen die Frauen vom Melfen.

Per Holt findet seinen Jungen bei den Kindern des roten Jens. Sie geben nach Haus, wo Per Feuer macht und den Kaffeekessel in den Ofen stellt.

Als Per und Sophie vor ihrem schwarzen Kaffee und Schwarzbrot ſizen, sagt er: Der Kammerherr sprach heute mittag mit mir."

So? Was wollt er denn von Dir?"

Er fragte, ob ich nicht Lust hätte, ins Weidenhäuschen zu ziehen. Es würde wohl zum Frühjahr leer werden." ,, Und was hast Du geantwortet?"

,, Was zum Teufel sollt' ich denn damit?" Er beißt mit den prächtigen weißen Zähnen in die dicke Brotscheibe.

Nach einer Weile sagt sie tauend: Ja, aber Per, wär' es denn nicht ganz nett, ein paar Kühe zu haben?"

Dann müßte ich tags auf dem Gute schuften und nachts zu Hause!, weg damit... Teufel auch, ist der Kaffee heiß!"

Nach einer Weile meint Sophie doch: Wolle und Maren standen sich so gut im Weidenhäuschen."

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" Ja, so' ne Lausegesellschaft! Nein! Hier ist die Sache so einfach, wenn wir fertig sind, dann sind wir fertig.' " Jaja", Sophie gähnt- ,, es mag ja auch viel Sche­rerei dabei sein." Nach der Mahlzeit pfeift Per eine Melodie und lärmt und spielt so lange und so derb mit dem Jungen, bis der Kleine zuletzt zu weinen anfängt.

Du bist ein richtiger Waschlappen", sagt er und wirft ihn aufs Bett.

Nach einer Weile geht er aber doch wieder zum Jungen hin und schmeichelt ihm, bis er lacht, und seine schwarzen Augen strahlen, so oft der Kleine herzhaft mit den Beinen ſtrampelt.

Da öffnet sich die Tür. Es ist Kutscher Niels, der Ma­terialkutscher, der da kommt.

Wie immer, ist er gut frisiert, die grauen Haarlocken sind sorgfältig an den Ohren vorgeschoben und der Knoten des Halstuchs ist derart, daß ihn nicht viele so gut zu binden verstehen wie Niels.

Doch ist er tief betrübt.

Die Runzeln und tiefen Falten seines Gefichts zeugen von Kummer und schweren Gedanken, wenn auch sein ur­sprünglich fröhliches Gemüt noch immer hindurchschimmert. Sorgen und Mißgeschick sind es, die diese Furchen ge­graben haben, so wie auch eine rane Witterung eine ursprüng­lich milde Natur verwüsten kann.

Ein Weilchen sibt er zögernd da, als würde es ihm schwer, sein Anliegen vorzubringen. Dann sagt er: Jekt hat der Bursche bekannt. Also war er's doch, der Teine Uhr genom­men hat!"

,, Die Uhr ist taput und nichts mehr wert!"

Na ja, Niels das ist ja auch nicht so schlimm." Doch, doch ich hab' mir gedacht, ich wollte Dir zehnt Kronen als Entschädigung geben, wenn Du damit einverstan den bist." Nein, laß das, Niels. Du hast eine große Familie, kümmere Dich nicht darum, Niels!"

Ich bin arm, Per, aber ehrlich bin ich, soweit ich's sein

kann!"

Ich will keinen roten Heller von Dir haben, Niels!" Doch Niels fährt in seinem ruhigen, traurigen Ton fort: ,, Was Recht ist, muß Recht bleiben. Er ist mein Junge, und daher muß ich dafür büßen. Aber mehr als eine Krone alle vierzehn Tage fann ich nicht gut entbehren, Per. Bist Du damit zufrieden?"

Per streckt die Hand aus, legt sie ihm sanft auf die Schulter und sagt herzlich: Du sollst gar nicht mehr daran denk, Niels!"

Kutscher Niels sitt und ringt die Hände. ,, Ach, ja erst quält man sich ab, um sie groß zu ziehen, und nachher muß man so was erleben!"

Und immer noch sitt er und ringt die Hände. Dann steht er auf, um heimzukehren in das alte Forst­haus, in das er hineingezogen, um mit seiner Familie mehr für sich zu sein.

Beim Gutenachtsagen hellt sich für einen Augenblick sein sorgenvolles Antlig etwas auf.

Per und Sophie aber haben die Empfindung, als hätte der Ernst des Lebens sie gestreift.

Sie umgeben ihre eigenen beiden Kleinen mit ganz be­sonderer Sorgfalt und Liebe und dann begeben sie sich schweigend zur Ruhe.

7.

In den Gyldholmer Kätnerhäusern herrscht ein unge­wohntes Leben.

Man merkt es an vielen Kleinigkeiten.

Vom frühen Morgen an schon stieg eine dichte Rauchsäule aus Per Holts Schornstein empor, als stünde etwas ganz be­sonderes auf dem Feuer. Und die Kinder rotten sich mit Vor­liebe vor Pers Tür zusammen. Von beiden Seiten kommen sie herangeschlichen oder auch gelaufen, als dächten sie an gar nichts und hielten nur so zufällig inne. Sie gehen in den Hof, wieder in den Hof gegenüber, wieder auf den Weg hinaus und dann hinaus auf den Weg, dann an Pers Tür vorbei, dann wieder an Pers Tür vorbei. Auf diese Weise bewegen sie sich unausgesetzt in Form einer 8, in deren Mitte Per Holts Woh­mung liegt.

Und kommen sie an der Tür vorbei, so haben sie nur geht. Sie horchen, spähen und riechen, um womöglich einen Augen, Ohren und Gedanken für das, was da drinnen vor­Laut, einen Schimmer oder einen Duft aufzufangen.

Schon lange hat man von dem Tauffest gesprochen, das Per heute abhalten will. Auch heute wieder stehen die Weiber an den Häusereden und unterhalten sich über diese Be­gebenheit.

und es soll füße Gerstensuppe und Kalbsbraten geben. Vierzehn Personen sind zu dieser Festlichkeit eingeladen, steckt die Nase in die Luft. Sie müssen sich's ja leisten können!" sagt Bolette und

Oh, Per und Sophie sind ja noch junge Leute", bemerkt eine ältere Frau entschuldigend, und dies wird wohl das einzige Fest sein, das sie in ihrem Leben feiern!"

" Ja, derlei hört nachher von selber auf", feufzt eine andere.