209

" Aber, Kinder!" Der Mann Gottes lächelte weise und über­Tegen. Habt Ihr denn vergessen, was der Herr zu Adam und feiner Gefährtin gesagt, noch im Paradiese gesagt hat? Wachset und vermehret Euch! Nun seht..." Dann sprach er über die zehn Gebote.

unb

gefebt balle, erhob es sich und fragte mit der unschuldigsten iene, gleichgültig t weil niemals irgendwelche Barafiten ober bie fich denten ließ, ob ber liebe Gott die Menschen noch immer sonstige Feinde dieses Würmchens für ihr Sterben verantwortlich aus Lehm mache. gemacht werden konnten. Aber Harms ging natürlich nicht darauf los, um partout zu er fahren, wie lange so ein Würmchen lebt, bis es das Zeitliche fegnet. Das mag uns allen ja ziemlich gleichgültig sein, und man macht keine wissenschaftliche Untersuchungen und fährt nicht eigens nach Neapel , um solche Dinge zu erfahren. Harms tam es viel­mehr darauf an, die Veränderungen festzustellen, die die Organe und Zellen so eines Würmchens erfahren, wenn es alt wird und stirbt. Und hier hat Harms allerlei beobachtet, was von der größten Bedeutung ist.

Das Mondkalb saß und dachte nach. Wie die Tiere sich ver­mehrten, hatte ihnen der traurige Gefelle gesagt. Sie legten Gier oder brachten lebendige Junge zur Welt. Wie war es nun bei den Menschen? Da und dort hieß es oft plötzlich, ein Kind sei zur Welt gekommen". Daß die kleinen Kinder dann wuchsen, fah das Mondkalb mit eigenen Augen. Wie aber kommen sie zur Welt, wenn der liebe Gott sie nicht mehr schuf? Danach wollte es den traurigen Gefellen fragen. Wenn er schon tat, als ob er alles beffer wiffe, würde man ja hören... Und als er in der nächsten Stunde seine Naturgeschichte" aufschlug, stand richtig schon das Mondkalb da. Wie vermehren sich die Menschen?" fragte es. Fragte es mit der blauesten Miene, die auf dem Mond zu haben war. Und die anderen Mondkälber redten die Hälfe lang. Wie? Dem Lehrer fiel fast das Buch aus der Hand.

Eine Weile saß er still und tat, was man den Mondkälbern schon lange verboten hatte: er kaute an seinem Daumennagel. Endlich sprach er furz: Indem sie lebendige Junge zur Welt bringen."

Die Mondfälber sagten nichts; rissen aber Mund und Augen auf. Sie hatten bisher gemeint, bei den Menschen müsse alles ganz anders zugehen als bei den Tieren. Nun wußten sie es besser. Sogar besser, als es der Mann Gottes wissen wollte. Das gab ein neues Getuschel.

In der Unterrichtspause durften die Mondkälber sich auf den Korridoren ergehen. Auch das neugierige Mondkalb tat so; und ein Zufall fügte, daß der Lehrer und der Mann Gottes eine ganze Weile vor ihm hergingen, ohne zu merken, daß das Mondkalb mit offenen Ohren hinter ihnen drein schlich. Denn sie sprachen laut mit einander und nicht gerade freundlich, der Lehrer und der Mann Gottes.

laffend.

" Jetzt kann ich Ihnen nicht länger die Stiefel austreten", sagte der Lehrer ärgerlich. Was wollen Sie damit sagen?" fragte der andere herab Wenn Sie es schon nicht wissen oder so tun... Zur Zeit meines Großvaters, der auch Lehrer war, mußte der Schulgehilfe die Kanonenstiefel des geistlichen Herrn austreten, wenn sie zu eng waren. Die wirklichen Stiefel; ich muß jetzt Ihre geistigen austreten."

"

Wieso?" Der Mann Gottes lachte sichtlich belustigt. Der traurige Gefelle zuckte die Achseln. Wieso?" rief er empört. Ich trage Naturgeschichte vor, nach Ihnen... Das andere können Sie sich denken."

" Gar nichts kann ich mir denken", rief der Mann Gottes über Tegen. Wir, Sie und ich, haben in voller Uebereinstimmung den Lehrplan zu erledigen. Unserer Instruktion gemäß."

" Schön. Nun sagen Sie mir nur eins: wie ich es anstellen foll, den Verstand der Schüler auszuschalten, wenn er die Wider­sprüche merft, troß unserer Instruktion?"

" Das ist Ihre Sache! Schließlich( er lachte wieder) haben vir beide unseren Amtsschimmel. Wenn Sie immer hübsch still darauf fizzen bleiben, wird er Sie nie abwerfen. Merken sie fich das!"

" Ja," sagte der andere, so geht es, wenn man ein Bechvogel ist und von Eltern stammt, die Pechvögel waren, in drei Gene­rationen."

Darauf schieden die beiden von einander; der Mann Gottes mit einem herablaffenden Nicken, der traurige Geselle mit einer ingrimmigen Berbeugung; das Mondkalb drüdte fich.

( Schluß folgt.)

Harms hat jeweils diejenigen Tiere, die schlaff geworden und furz vor dem Tode waren, herausgeholt und mikroskopisch unter­sucht. Er hat dabei bei den schlaff gewordenen Tieren eine Dege neration der Zellen in den Organen nachweisen können: die Bellen sind in ihrem Aussehen verändert, die Zellstruktur ist un­deutlich geworden. Aber ganz besonders auffallend sind die Ber­änderungen, die man in den Nervenzellen der sterbenden Würmer findet. Diese Veränderungen sind schon vorhanden, wenn die Tiere erst anfangen, schwach zu werden. Untersucht man ver­schiedene Stadien, d. h. eine fortlaufende Reihe von Tieren, die sich mit zunehmender Schwäche mehr und mehr dem Tode nähern, So kann man eine Reihe von in Zerfall begriffenen und voll­ständig zerfallenen Nervenzellen feststellen. So ein Würmchen hat bekanntlich ein Nervensystem, in dem man einige Anhäufungen von Nervenzellen, Nervenzellenknoten, unterscheidet, die unserem Gehirn und Rückenmark entsprechen. Harms hat nun gefunden, daß die ersten Veränderungen gerade in jenen Nervenzellengruppen vorhanden sind, von denen die Nerven für die Nieren, für die Blut­gefäße und für die Kiemen abgehen.

Das ist es also, was Harms an seinen fleinen sterbenden Würmchen gefunden hat. Und wir haben gesagt, diesem Befunde komme die größte Bedeutung zu. Wieso denn? Da müssen wir der Tatsachen gedenken, die man über die Altersveränderungen beim Menschen festgestellt hat. Die Zellen der Organe erfahren im Alter eine Atrophie", einen Schwund, fie sehen kleiner und verändert aus. Das geht in allen Organen so, in Leber, Nieren, Lunge, Darm, Herz und Nervensystem. Alle Organe lassen darum im Alter in ihrem Dienste nach, ohne daß sie dabei ganz in ihrem Dienste zu versagen brauchen. Aber da kommt ein Moment hinzu, das den Stand der Dinge im altern­den Organismus sehr kompliziert. Die Nervenzellen nämlich und die Zellen des Herzensmustels, der Herzpumpe, haben mehr als alle anderen Zellen im Bellenstaat gelitten, fie find viel weiter in der Atrophie vorgeschritten als die Bellen sonst. Gewiß, das Herz versagt doch nicht so bald im Dienst, auch wenn man ein recht schwaches und krantes Herz hat; und der Greis stirbt auch noch nicht daran, daß seine geistigen Fähigkeiten wegen der Atrophie seiner Nervenzellen nachlassen. Aber nun stelle man sich vor, daß die Veränderungen im Nervensystem auch diejenigen Nervenzellen befallen, welche die Herzarbeit regulieren: da wird das Herz, das an und für sich schon schwach geworden ist und nur mit Mühe und Not seine Arbeit tut, plötzlich ganz im Dienst versagen. Ga muß plößlich zusammenklappen, wenn der Nervenzellenapparat in Gehirn, der der Herzarbeit vorsteht, schließlich in die Brüche ge gangen ist. Dieser Apparat ist in jenem Teile des Gehirns ge­legen, den die Anatomen das" Verlängerte Mart" nennen, und das das Verbindungsstüd zwischen Gehirn und Rüdenmark ist. So bald aber das Herz stillgestanden ist, sind alle Bellen im Körper ohne Blut und sie müssen alle sterben. Und so hat der Sensen­mann sein Wert vollbracht. Die Aerzte wissen sehr wohl, daß bei den meisten Krankheiten das Sterben vom Herzen ausgeht, d. h. daß das Sterben bei ziemlich allen Krankheiten damit beginnt, daß das Herz versagt, und darum gewinnt die Vermutung, daß auch der Tod aus Altersschwäche so feinen Anfang nimmt, daß das schwache Herz versagt, an Wahrscheinlichkeit. Aber es ist doch bis. lang bloß eine Vermutung, daß dieses Versagen des Herzens auf einen Zusammenbruch der Nervenzellen beruht, die der Herzarbeit vorstehen.

Und nun kehren wir zu unserem Würmchen zurück, das

Neues über den Tod aus Altersschwäche. sarms untersucht hat. Harms hat uns mit aller Sicherheit ge­

Von Dr. Alex Lipschüh. Dieses Mal soll die Rede sein von der Altersschwäche eines Heinen zierlichen Würmchens, der im Golf von Neapel zu Hause ift. Hydroides pectinata ist sein Name und es ist ein anspruchs­lofes Würmchen, das nur wenige Millimeter lang wird und das fich auch in den Abflußbecken der Zoologischen Station in Neapel wohl fühlte, wo ein Marburger Zoologe, W. Harms, es nun unter fucht hat. Harms hat im" Zoologischen Anzeiger" einen ausführ­lichen Bericht über die Altersschwäche und den natürlichen Tod dieses fleinen Würmchens veröffentlicht, und wir werden bald sehen, wie so ein kleines nichtssagendes Würmchen uns doch eine ganze Menge zu erzählen weiß über den Tod aus Altersschwäche schlechtweg.

Harms hat insgesamt 560 Tiere in Beobachtung gehabt und er hat gefunden, daß das Würmchen im Durchschnitt fünfviertel Jahr lebt. Daß es ein natürliches" Sterben bei den Tieren war, d. h. nicht ein Sterben aus Krankheit, sondern ein Tod aus Altersschwäche", darauf konnte mit Wahrscheinlichkeit geschlossen

zeigt, daß das Sterben des fleinen Wurmes eingeleitet wird durch einen mehr und mehr zunehmenden Verfall der Nervenzellen, die dem Blutkreislauf vorstehen. Und das ist es, was wir brauchen: den Nachweis, daß zunächst der Nervenzellenapparat zusammen bricht, von dem die Blutversorgung abhängt. Diesen Nachweis hat Harms an seinem Würmchen erbracht, und die Vermutung, die auf Grund von Beobachtungen am Menschen schon mehrfach in der Wissenschaft ausgesprochen worden ist, hat jetzt ihre Bestäti­gung erfahren: Unser im Alter veränderter Körper stirbt vom Herzen aus, indem zunächst die Nerven 3 ellen im Dienst versagen, die der Herzarbeit vorstehen.

Kleines Feuilleton.

Kunst.

Die Venus des Velasquez. Durch die Untat einer

werden, weil das Würmchen sonst gegen äußere Umstände sehr modernen Bilderstürmerin ist ein Meisterwerk der Malerei beschädigt