Was aber bedeutet tiefe Stille?

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Die Leute sehen ihn von der Seite an. Es ist ihnen, als Täge noch etwas andres als Sorge hinter dieser Stille ver­borgen.

Per läßt sich mit niemand ein. Absolut mit niemand. Er sieht aus, als kehrten alle seine Gedanken seiner Um­gebung den Rücken und als seien dagegen alle feine Sinne wach, um in sein Inneres zu horchen. Als sollte und müßte Don dort irgend etwas kommen.

Und es ist etwas ganz Neues, was da kommt. Vielleicht ist Per deshalb so still.

und deshalb geht er vielleicht auch so eigentümlich umher. Aber die Leute sehen ihn von der Seite an, als könnten fie ihn trop des Geschehenen nicht recht begreifen.

Und vielleicht begreift er sich selber nicht, er ahnt nur, daß etwas geschehen wird...

Per kann die Särge und Totenhemden nicht auf Kredit bekommen. Nirgends. Nicht in Derum oder Falling, nicht in Darum und ebensowenig in der Stadt. Nicht dort, wo man ihn kennt, und auch nicht, wo man ihn nicht fennt.

Als er von diesem Gang heimkehrt, legt er die Hand auf den Tisch und ballt sie, daß sich die Haut über den Knöcheln spannt, und dann zieht er die Unterlippe hoch.

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Geld besitzt er nicht. Wertgegenstände auch nicht mit Ausnahme eines vier Wochen alten Ferkels, das er auf Kredit

bekommen hat.

So geht er denn direkt zum Verwalter und verlangt Er bittet nicht darum. Er verlangt es. Die Arbeiter werden aufmerksam und stuzzen schauen ihn verstohlen an,

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Geld.

und

Und der Verwalter läßt seinen scharfen Blick auf ihm ruhen, indem er langsam, einräumend antwortet, daß es sich wohl werde machen lassen, auf Grund der außerordentlichen Umstände.

Und als wäre Per hier der Herr, fährt er fort: Sophie

Tommt nicht zum Melken."

" 1

Ja, ja, das mag ja in diesen Tagen so hingehen." Sie kommt auch später nicht!"

,, Was tut sie nicht?"

" Sie wird überhaupt nicht mehr zur Arbeit aufs Gut kommen."

Der Verwalter fäßt vor Verwunderung den Mund offen stehen und zieht die Augenbrauen in die Höhe. ,, Komnien Sie auch nicht?!"

" Ich werde pünktlich zur Stelle sein Bause bleiben bei den Kindern!"

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aber sie soll zu Darf ich wohl fragen, ob Sie den Verstand verloren Haben, Mann?" ruft der Verwalter.

Doch Pers Stimme übertönt alles andere: ,, Sie kommt nicht!"

So fest sagt er die Worte, als wären sie in Stein gehauen. Der Verwalter läuft um sich selbst herum und schlägt dröhnend den eisenbeschlagenen Stock auf den Boden: Ich glaube, hol's der Kuckuck... hm... Das könnte ia' ne nette Wirtschaft werden!"

Und als wiißte er nicht recht, wie er diese Sache nehmen habe, fährt er zum Tor hinaus, als brenne ihm Boden unter den Füßen.

zu

der

Die Arbeiter aber starren stumm auf Ver, der sich mit Anspannung aller Kräfte über die Arbeit her macht.

Man wird nicht klug aus ihm.

Abends, wenn er auf dem Strohlager neben Sophie liegt, in dem mit Sod und dem Leichengeruch der drei Kinder angefüllten Zimmer da werden seine Züge schlaff. Alle Willenskraft scheint ihn zu verlassen. Es ist, als gäbe er jede Hoffnung auf.

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Völlig unbeherrscht, läßt er seinen Tränen freien Lauf. In den Tränen, die während einer ganzen Nacht fließen, kann vieles untergehen und manches Neue erstehen.

( Forts. folgt.)

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in die man sie hier hineinzwängen wollte. So lief fie mit zer rissenen Aermeln herum und stieß mit den nackten Ellenbogen oft recht unsanft um sich. Lehrer und Mondkälber aber taten, als sähen und spürten sie nichts.

Eines Tages tam die Erdkunde an die Reihe. Erdkunde und Astronomie waren die heimliche Liebe des traurigen Gesellen. Und weil er immer darüber las, ließ er eines Tages ein Buch liegen, in dem ganz andere Dinge von dem Werden und dem Alter der Erde standen, als der Mann Gottes lehrte. Natürlich machten sich die Mondkälber darüber her und lasen, lasen, bis ihnen zu Mut war, als wären sie eben erst vom Mond heruntergefallen und nicht schon so und so viele Jahre in eine Schule gegangen.

gann, schlug er ein anderes Buch auf. Ein Buch, dem man förm Als der traurige Geselle aber über die Erde zu sprechen be­lich ansah, wie lange es schon neben dem Alten Testament " ge= Tegen hatte. Und er sprach von allem, nur nicht von dem Alter der Erde.

Nun gab das Mondkalb ein Zeichen... Wie lange die Erde schon da sci, wollte es wissen?

" Seit sie der Liebe Gott erschaffen hat," kam es kurz zurüd. Wie lange ist das her?"

Hats Euch der Mann Gottes nicht gesagt?"

" Ja", rief da Mondkalb. Aber das könne es wirklich nicht glauben. Denn so dumm man auch auf dem Mond sei: das Alter der Erde kenne man dort genau; weil der Mond eben schon so lange neben der Erde herlaufe. Und dafür reichten die" Sechs­tausend der Bibel" nicht.

Seine Zippen öffneten sich, um endlich, endlich einmal auch der Ueber die Stirn des traurigen Gesellen ging ein Leuchten. Wahrheit die Ehre zu geben. Einer Wahrheit, die sogar den Mondfälbern schon geläufig war. Aber zu rechter Zeit besann er sich, lachte, zuckte die Achseln und rief:" Ja, liebe Kinder, bei uns ist das wieder anders. Denn bei uns geht der Amtsschimmel spazieren und Ihr glaubt gar nicht, wie hungrig das Bich ist. Sogar das Alter der Erde hat er aufgefressen, ganz und gar." Darauf lehrte er, wie es im Buche stand.

" Amtsschimmel? Amtsschimmel?" Das brummte im Kopf des Mondkalbes herum. Wo hatte es das Wort schon gehört? fellen vor ihm hergegangen war. Er hatte es zuerst ausgesprochen. Richtig! Damals, als der Mann Gottes mit dem traurigen Ge­Da fonnte wohl auch er darüber die beste Auskunft geben. Und weil das Mondkalb schon einmal im Zug war, fragte es den Mann Gottes gleich in der nächsten Stunde, was denn ein Amtsschimmel" sei. Wie der hierherkomme, fragte der Mann Gottes zurück. Das Mondtalb aber meinte mit seiner unschuldigsten Miene, es habe das Wort gehört, wisse sich aber keinen Vers darauf zu machen. und so bitte es recht schön...

Der Mann Gottes lag gerade mit einem Nachbar im Streit. Es war ein langwieriger Prozeß, der ihn viel Galle und Geld foftete und noch immer kein Ende nehmen wollte, so sehr er sich auch im Recht glaubte. Denn da war der lange Zug von Instanz zu Instanz. Und half kein Gelauf und fein Drängen und nicht ein­mal Frau Protektion. Solcher Prozeß mußte seinen Weg gehen, den selben Weg, den alle Prozesse dieser Art gingen und immer gegangen waren und in Ewigkeit gehen werden. Amen!

Amtsschimmel! Amtsschimmel!" So hatte der Mann Gottes

jahrelang gehöhnt, gelästert, getobt. Nun führte ihm die Frage des Mondkalbes das verhaßte Vieh sozusagen am Zügel vor. Und die Galle lief ihm aufs neue über.

" Was ein Amtsschimmel ist, mein liebes Kind? Na, wenn einer, so kann ich es Dir genau sagen. Das ist eine Bestie, die nicht unser Herrgott erschaffen hat, sondern die Dummheit der Menschen. Erschaffen, damit der Teufel von Zeit zu Zeit sein helles Vergnügen habe an all dem Unsinn, der auf dem Amts­schimmel daherreitet. Der Amtsschimmel: Das ist der dumme faule Brauch, ist die Ehrfurcht der Gehirnweichen vor dem Buch­staben und dem Paragraphen und das Heiligtum der Leute, die überhaupt nichts mehr denken wollen. Ja, dieser Amtsschimmel..." Seine Stimme überschlug sich.

Schau!" Dachte das Mondkalb. So spricht du heute, da mals aber..." Und mit der unschuldigsten Miene fragte es, ob man deshalb nicht flug tue, gerade auf diesem Schimmel immer hübsch still zu sitzen.

Der Mann Gottes aber, der längst nicht mehr wußte, was er damals gesagt hatte, wurde nun erst recht böse. Stillsitzen? O ja! aber um es zu können, muß man erst ein Esel werden, ein Esel oder ein Lügner!" Das Mondkalb hatte genug.

Am nächsten Tage gerieten der Mann Gottes und der traurige Geselle wieder einmal aneinander. Diesmal mußte es ein ernst­licher Streit gewesen sein, denn der traurige Geselle war toten­

Mondkalb, Pechvogel, Amtsschimmel. blaß als er in die Schulstube trat, und machte ein Geficht.

[ Schluß]

" Jetzt ist die rechte Stunde", dachte das Mondkalb. Es stand auf und fragte, was ein Bechvogel sei.

Von Eugenie delle Grazie. Da geschah das Unerhörte... Der traurige Geselle schnellte Zwei Jahre vergingen, die Lesebücher wurden dicker und bicker. plöglich von seinem Stuhl empor, jäh, heftig. Nicht anders als Die Mondfälber dümmer und dümmer. Manchmal bekamen sie habe ihn eine unsichtbare Hand an seinem dünnen Schulmeister­geradezu Kopfschmerzen. Denn sie mußten nun von einer Stunde schopf emporgerissen, gerade dort, wo es am websten tat. Seine zur anderen vergessen, was der Mann Gottes von ihrem Glauben, Augen brannten, seine Lippen zitterten, und mit einer Stimme, der traurige Geselle von ihrem Wissen forderte. Troß der Ueber- in der alle Qualen aufschluchzten, die er so lange erduldet, und einstimmung des Lehrplanes und der reingefegten Lehrbücher. jede Schmach, die seine Mannheit beleidigt hatte, rief er: Was Fran Wahrheit war zu groß und zu stark geworden für die Kleider, lein Pechvogel ist, willst Du wissen, mein liebes Kind? Ein Pech­