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vogel ist ein Mensch, der eigens angestellt wird, um zu lehren und von Manila . Niemand spricht von ihm mit Gleichgültigkeit, und doch nie die Wahrheit zu sagen. Um zu bilden und dabei ganz das ist fennzeichnend für den Mann. Für ihn gilt das Wort: heimlich zu vernichten. Um so lange Unwissenswertes in eine junge Es gehört Feser dazu, um die Menschen zu entzünden, sowohl Seele zu stopfen, bis sie zu dumm ist oder zu müde oder zu schlau, zum Haß als auch zur Liebe! um über das Wissenswerte selbst nachzudenken. Ein Pechvogel ist ein Lehrer, wie ihn die Menschen wollen, und wenn er fein ganzer Schuft ist, wird er wenigstens einmal rot in seinem Leben und sagt die Wahrheit, wie ich. Amen!"

Und er nahm seinen Hut und ging; ging an dem Mann Gottes vorüber, der vor der Tür stand und lauschte. Wenige Tage später hieß es, daß der traurige Geselle aus Amt und Brot gesetzt worden sei. Der Mann Gottes erzählte es den Kollegen, während sie auf dem Korridor hin und her gingen, und lachend sagte er zulegt: Er wollte ja immer der Klügere sein, der Herr Kollege. Nun hat er sich gründlich das Maul verbrannt."

Die Mondfälber aber, die alles gehört hatten, glaubten plößlich zu wissen, was aller Weisheit letzter Schluß auf dieser Erde sei: man durfte sich nicht das Maul verbrennen! Und weil sie doch in dieser Welt gut fortkommen wollten, fingen sie an, recht vorsichtig zu werden und wieder nur" Bäh" oder auch gar nichts zu sagen, um sich ja nur nicht das Maul zu verbrennen. Bis sie wieder so dumm schienen wie an dem Tag, da sie vom Mond gefallen waren. Um das zu lernen, waren sie so lange in die Schule gegangen...

Die in Wien lebende Dichterin Marie Eugenie delle Grazie hat diese sinnvolle Erzählung ihrem jüngst erschienenen Buch des Lebens" eingefügt, dem wir sie mit Genehmigung des Verlages Breitlopf u. Härtel, Leipzig , entnehmen.

Ein malaiischer Vorposten des Sozialismus.

Von Edmondo Peluso.

Die Dampfer, die regelmäßig zwischen Hongkong und Manila fahren, find winzige Schiffe. Auf dem Rücken dieses häßlichen Gelben Meeres, das man das Chinesische nennt, erscheinen fie wie Nußschalen, die in einer trüben Sauche schwimmen. Doch so klein diese Fahrzeuge auch sind, so tapfer leisten sie den tückischen Tai­funen Widerstand, welche diese entlegenen Gebiete des größten Weltmeeres in regelmäßiger Wiederkehr aufivühlen. Wenn dieser Orkan über die Wasserfläche zicht, bilden sich ungeheure Wogen, deren Schivall sich schier bis zum Himmel emporzubäumen scheint, um dann, jäh zusammenbrechend, in tiefe Mulden zu sinken. Mit großer Anpassungsfähigkeit schmiegen sich diese beweglichen Nuß­schalen dem wildbewegten Wasser an, steigen mit dem Schuvalle zum Himmel, um dann jäh in den Abgrund zu gleiten, auf und ab, gehorsam dem grimmigen Willen des Taifuns hingegeben. Drei lange Tage mußten wir an Bord des Tamings" ver­bringen. Wir hatten uns an unsere Betten festbinden müssen und schwankten wie in einer Schaufel hin und her. So frank waren alle Reisenden, daß sie kaum das bißchen Tee hinunter­brachten, das der chinesische Boy, der sich selbst mühselig auf den Beinen hielt, zeitweilig darreichte. Tiefes Schweigen herrschte an Bord, nur unterbrochen von dem Stöhnen der armen seekranken Reisenden. Die Maschine feuchte und stampfte und unverzagt und unentivegt fämpfte sie mit stählernen Armen ihren heroischen Kampf wider die titanischen Gewalten der See.

Am frühen Morgen des dritten Tages, als wir uns eben anschickten, in die Bai von Luzon einzufahren, hörte der Taifun auf, plötzlich, wie mit einem mächtigen Ruck. Der Kontrast war so groß und so überraschend, daß wir unseren Augen kaum trauen mochten. Als wir es schließlich dennoch wagten, aus den Kajüten hervorzukriechen und auf Deck zu steigen, bot sich unseren Bliden ein entzückendes Schauspiel. Die schmutziggelbe Patina des Meeres hatte sich, schier plötzlich, in tiefleuchtendes Blau verwandelt und auch der Himmel, vorher so trübselig grau gewesen, lachte her­nieder in zarter schimmernder Bläue, überflutet von goldigem Sonnenlicht.

Die nahe Küste grüßte uns im vollen Schmud ihrer grünen, sippig schwellenden, verführerisch lockenden tropischen Pflanzungen. Diese ersten Stunden inmitten der tropischen Natur genossen wir in wahrer Verzückung, denn diese Natur ist von verschavenderischer Fülle in der Pracht ihrer Flora und in der Pracht statuenhafter Weiblichkeit, deren Anblick uns die tagalischen Frauen darbieten. D, wie sehr nehmen diese tropischen Wunder das Herz gefangen, solange man jung ist und solange man sich in den Gnadengaben der Natur ersättigen kann.

Doch das Staunen mäßigt sich, die Sinne gewöhnen sich an alle die phantastischen Schaustücke, die ihnen dieses märchenhafte Land zur Beute hinwirft, das Bedürfnis nach nüchterner und flarer Betrachtung fehrt wieder. So gewann auch ich wieder den Zusammenhang mit meinen sonstigen Interessen, und da war es denn in Manila mein ersies, die Bekanntschaft des Dominador Gomez zu suchen.

Das ist ein Mann, dem das philippinische Volk mit Be­geisterung ergeben ist, den aber die amerikanischen Obrigkeiten, mit ihnen das spanisch- tagalische Bürgertum, aus tiefstem Herzens­grund hassen: Dominador Gomez ist der Führer des Proletariats

Seit der Abschaffung der feudalistischen spanischen Herrschaft und Besißnahme der Inseln durch die Amerikaner, die die Phi­lippinen in fapitalistischer Weise ausbeuten, hat er die Saat des Klassenbewußtseins durch seine Zeitung Los Obreros"( Die Ar­beiter") ausgestreut.

Als Neuling in den Tropen wählte ich natürlich die Mittags­stunde, um meinen Besuch abzustatten. Mittag in den Tropen ist die Zeit, wo jeder zu Hause bleibt, um Siesta zu halten. Die steilen Sonnenstrahlen schießen Feuer wie Pfeile herab auf das hölzerne Dach meines Carromatus( malaischer Wagen) und der schlaftrunkene Cochero fährt mich träge zu Gomez' Haus. Er verläßt sich auf den munteren fleinen australischen Pony, der mit hurtigem Schritte die Stadt bis beinahe zu ihrer Grenze durchtrabt. Endlich hält das Pferd, der Kutscher scheint zu er wachen; wir sind angelangt. Gomez' Haus ist ein niedliches Cottage, das hinter einem tropischen Garten aufragt. Gomez ist leider nicht zu Hause. Seine Frau, ehedem eine spanische Schönheit, öffnet mir die Tür, bloß um mir mitzuteilen, daß ihr Mann augenblicklich auf seiner Klinik zu treffen sei. Als ich dort ankomme, empfängt mich ein lebhafter und anmutig be­treue Pförtner des Dr. Gomez, der niemanden durchläßt, von tweglicher, aber schier zwerghaft fleiner Eingeborener. Es ist der dessen Recht, hier zu erscheinen, er sich nicht überzeugt hat. Mein Anspruch auf eine Unterredung mit Gomez leuchtete ihm ein und er weist mir den Weg ins Operationszimmer. Dr. Gomez ist gerade mit der Behandlung eines Kranken beschäftigt. Mit der Pinzette in der rechten und blutiger Watte in der linken Hand nimmt er meine Vorstellung entgegen.

Das, was an seiner Erscheinung zunächst auffällt, ist der Glanz seiner Augen; seine ganze Seele, scheint sich auszugeben im brennenden Lichte dieser Blide, und auf wen diese Blicke fallen, dem ist es, als grübe sich eine Sonde in das tiefste Innere. Ueber diese Augen wölbte sich eine breite Stirn; rund, wohl­geformt und doch energisches Wesen bekundend, tritt das Kinn hervor. Die Gestalt ist nicht groß, aber bei näherer Bekanntschaft mit dem Manne scheint auch sie sich zu ganz beträchtlichem Maße emporzureden. Ich war sehr überrascht, wahrzunehmen, daß Gomez ein Eingeborener von echtem Schrot und Korn, ein Voll­blutmalaie ist. Hatte man doch in den amerikanischen Zeitungen gelesen, daß die Regierung ihn als Abgeordneten von Manila nicht anerkenne, weil er ein Spanier sei. Konnte ein Spanier fo echt tagalisch aussehen wie dieser Dr. Gomez? Lächelnd gab er mir die Aufklärung, wieso es tomme, daß ihm der Verdacht spanischer Herkunft anhafte. In Manila von echt tagalischen Eltern geboren, hatte er in Barcelona Medizin studiert und dann als Militärarzt einige Jahre in spanischem Dienste verbracht. Diese Jahre haben ihn aber der Heimat durchaus nicht entfremdet, denn er diente auf den Philippinen. Die Amerikaner haben, um ihn los zu werden, fein anderes Auskunftsmittel, als daß sie seine Nationalität bestreiten.

Unter spanischer Herrschaft gab es auf den Philippinen noch ganz mittelalterliche Verhältnisse. Es fehlte die Industrie, selbst der Handel war vernachlässigt und für die Tagalen gab es nicht nur feine politische Freiheit, sondern auch keine Möglichkeit, sich wirtschaftlich emporzuarbeiten. Unter der Herrschaft der Ameri­faner änderte sich das Bild gar rafch. Mit ihrem Kapital bea gannen sie den natürlichen Reichtum des Bodens in intensiver Weise auszubeuten und unterließen es dabei nicht, eine schmale Schicht der eingeborenen Bevölkerung an dieser Ausbeutung mit zu interessieren, um so die Masse desto besser unterdrücken zu ( fönnen. Unsere Revolution", sagte mir Gomez und die Er­oberung unserer Unabhängigkeit haben in erster Linie denen Vor­teil gebracht, die nichts dafür gelan haben. Unsere besten Männer, unsere wahren Heroen aber sind gefallen oder sie leben nur in elender Sklaverei. Es ist also bei uns genau so gegangen wie bei anderen Nationen, die sich aus den Fesseln des Feudalismus befreit haben."

Ich wollie nun, daß Gomez mit mir in einen schattigen Kaffeehausgarten gehe, wo wir zwanglos plaudern könnten. Er aber widerriet mir dies, weil es meinem Aufenthalt auf den Philippinen nicht förderlich sein könne, öffentlich in seiner Gesell­schaft gesehen zu werden. Ich war entrüstet, daß solche Bedenken möglich seien unter einer Regierung, die ständig das Wort Frei­ Heit " im Munde führt; aber schließlich hatte Gomez recht, denn er mußte ja die herrschende Gewalt des Landes kennen. Ich ver­sprach ihm, demnächst die Deputiertenbersammlung( Asamblea Filipina) zu besuchen, um ihn dort zu hören. Es war mir ge­fagt worden, daß er der beste Redner des Hauses sei und weder in tagalischer noch in spanischer Sprechweise dort einen Eben­bürtigen finde. Ich habe später auch Gelegenheit gehabt, mich zu überzeugen, daß, was das Spanische betrifft, dies wahr ist. Er riet mir noch, bevor ich wegging, ich selbst durch Augen­schein zu überzeugen, in welcher elenden Lage sich die Arbeiter­flasse Manilas befinde, wie maßlos sie ausgebeutet und auf welches tiefe Niveau der Lebenshaltung sie herabgedrückt wird.

" Besuchen Sie einmal die Tabatfabrik und Sie werden era staunt sein!" Dieser Rat litte die Wirkung, daß ich schon am nächsten Tage die Compani General de Tabacas besuchte. Was