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編
Unterhaltungsblatt des Vorwärts
Nr. 53.
21]
Gyldholm.
Dienstag, den 17. März.
1914
Zug von Menschen näher kommen, so lang, so lang ja, er zieht sich über den ganzen Hügel hin, bis hinunter auf die von Pappeln eingezäunte Landstraße, gleitet und gleitet immer seinem Hut hervorzieht.
Eine Landarbeitergeschichte von J. Skjoldborg. weiter vorwärts, wie ein Band, das ein Zauberkünstler aus
13.
Von den Gyldholmer Häusern bewegt sich eine Schar den Fallinger Kirchweg entlang. Ein Leichenzug. Es sind nicht viele einige Frauen und die meisten Männer aus den Kätnerhäusern. Sonst niemand.
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Auf jedem der drei kleinen Sargdeckel liegt ein einzelner Mooskranz. Die Häusler haben alle zusammengelegt, um sie zu erstehen. Mehr nicht.
Es ist eine stumme Schar. Nur, wenn sie sich ablösen beim Tragen der Särge, wird etwas gemurmelt.
Sophie ist nicht mit dabei.
Per geht mit zu Boden gesenkten Blicken. Seine Haltung ist schlaff, und sein Antlik ist leblos. Es hat den Ausdruck desjenigen, der in etwas Bodenloses, etwas Dunkles blickt, in etwas, das kein Ende hat.
So folgt er in seinem ärmlichen Anzug. Er trägt seine Arbeitshofen. Sie sind gebürstet, gestopft und gewaschen; was getan werden konnte, ist getan, um ihnen ein ordentliches Aussehen zu geben.
Der große Paul trägt seinen Rock aus selbstgewebtem Stoff, fein Staatsgewand wenn auch die ursprüngliche blaue Farbe verblichen, die Nähte weißlich schimmern und das Einfaffungsband eine jägergrüne Farbe angenommen hat. Di langen Schöße schlagen ihm an die Beine, während die Knie bei jedem Schritt einfniden vor Steifheit, die mit den Jahren zugenommen hat. Der rote Jens hat seinen schwammigen Körper in einen schmuzig- grauen Rod gezwängt da kann auch niemand sehen, wie seine Weste aussieht; sein Haar und sein langer roter Bart sind heute mit einem Ramm bearbeitet worden. Tammes macht, wie gewöhnlich, den wohlhabendsten Eindruck mit seinem rot- weißen Halstuch aus Halbseide. Aber er ist noch schiefer als vorher; die linke Schulter ist weitaus die höchste. Jakobus wankt vorwärts in allugroßen Stiefeln, die nach Ofenschwärze glänzen und deren Spigen sich nach oben frümmen. Er bewegt das eine Bein, als wäre an der Hüfte irgend etwas nicht in Ordnung. Palle mit den großen Ohren hat Holzschuhe an den Füßen, und seine Hosen sind allzu kurz; man sieht ein großes Stück seiner blauen Strümpfe. Krän Sows und Niels Rön sind ebenfalls da und noch einige andre. Sie gehen, als hätten ihre Muskeln jegliche Spannfraft verloren, steif, unsicher und nickend wie auf Holzbeinen.
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Und troßdem sobald diejenigen, die den Sarg tragen, nicht mehr Schritt halten, treten die anderen für ihn ein, als wären sie alle miteinander Soldaten gewesen, gewohnt in Scharen zu gehen und unter Kommando zu stehen.
Per Holt aber geht für sich allein.
Es ist ein stiller Zug, der diesmal Gyldholm verläßt. Von Lärm und Ausgelassenheit ist hier nichts au spüren. Mitten in die Stille hinein dröhnt ein Schuß über die breiten Felder. Noch einer. Schuß auf Schuß. Es schallt und hallt unaufhörlich von den Flintenschüssen im GyldHolmer Entenpark, wo die hohen Herrschaften zur Jagd versammelt sind.
Unter diesem lustigen Knallen durchschreitet der Leichenzug die Pforte des mit Strauchwerk bewachsenen Knicks, der die Grenze des Ritterguts Gyldholm bildet.
Im Bauernlande erregt der Zug auch keine Aufmerksamkeit. Jeder kümmert sich dort um seine Angelegenheiten und das tägliche Leben geht seinen gewohnten Gang. Die Leute wissen, daß die drei kleinen Särge die Leichen der Kinder enthalten, die auf Gyldholm bei einem Unglücksfall ums Leben famten. Aber niemand von ihnen fennt die Eltern oder überhaupt irgendeinen der Gutsleute, niemand verkehrt mit ihnen.
Auf dem ganzen Kirchwege ist niemand zu sehen außer der kleinen Schar Leidtragender.
Da geschieht etwas, das die ganze Gegend mit einem Schlage aufgeweckt.
Auf der Landstraße, die zur Stadt führt, sieht man einen
die Weiber, wo sie auf den Dorfgassen zusammenstehen und Die Männer halten auf den Feldern mit der Arbeit inne, plaudern, schweigen, und alle Fenster füllen sich mit neu gierigen Gefichtern.
Aber es sind auch mehr als tausend fremde Männer. Und Fahnen sind auch da.
Dieser lange Zug von Arbeitern aus der Stadt, die dent Kameraden vom Lande ihre Teilnahme bezeugen wollen, stößt an der alten Fallinger Schmiede in einem rechten Winkel mit dem Leichenzug zusammen.
Die blanke Sonne liegt auf allen Dingen, auf den dunkeln, verschliffenen Gyldholmer Häuslern und auf den festlich gekleideten Arbeitern aus der Stadt.
Gerade der Gegensatz des Dunkeln und Hellen im Aus sehen der beiden Lager, die hier zusammentreffen, fällt auf. Auf der einen Seite die Wenigen und Berzagten. Auf der andern Seite die große Anzahl, die schon allein den einzelnen Mut verleiht. Die Gyldholmer Häusler, deren ganzer Anzug und ganzes Aussehen von der größtmöglichsten Armut zeugt, gegenüber den weißen Kragen und den hohen Hüten des Sozialistenzuges.
Der Führer der Arbeiter wechselt einige Worte mit Ber Holt, und darauf begibt sich der mächtige Zug mit drei roten Fahnen an der Spiße nach der Fallinger Kirche.
Auf dem Kirchhof kommt der alte Pastor Hornum am Arm des Küsters dahergewackelt. Er ist ein schöner Greis. Die weiße Halskrause und das silbergraue Haar stehen seinen feinen, fast weiblichen Zügen vortrefflich. Der würdigen Priestergestalt sieht man eine vererbte Bildung und ein reichliches Auskommen an.
Pastor und Rüster stehen still und blicken erstaunt die Menschenmenge an, die sich der Kirchhofsmauer nähert. sch glaube wahrhaftig, es sind die Arbeiter aus der Stadt!" sagt der Küster.
"
,, Sieh an, das ist wirklich hübsch!" antwortet der Pastor und rückt an seiner Brille.
,, Es sind drei rote Fahnen an der Spize!" Der Küster blickt Ehrwürden etwas ängstlich an.
" Ja, es ist aber trotzdem hübsch, Hansen."
Pastor Hornum steht augenscheinlich unter dem Einfluß Eindrucks, den das Mächtige ausübt, selbst wenn es nur von Volksmassen hervorgerufen wird.
des
,, Ja, ja, das ist es wahrlich!" wiederholt er.
Die beiden geistlichen Beamten, die sich seit unzähligen Jahren in aller Gemütlichkeit eine große Anzahl Verrich tungen miteinander ausgeführt haben, werden etwas nervös beim Anblick der wachsenden Volksmenge hier auf dem stillen Friedhofe, wo sonst nur wenige versprengte Kirchgänger wandeln, und bei dem Gedanken, als Mittelpunkt in einer fo großen Versammlung fungieren zu sollen.
Sie einigen sich dahin, daß die Särge vor der Beerdigung in die Kirche hineingebracht werden sollen, eine Ehre, die sonst eigentlich nur größeren Bauern und anderen besseren Leuten widerfährt an Tagen, wo das Wetter so schön ist wie heute.
Bald eilen von allen Seiten die Frauen des Dorfes herbei, abgehegt und atemlos von der allzugroßen Eile. Mit hungrigen Augen verschlingen sie all die Fremden, und sie drängen sich vor bis zur Kirchentür, um mit hinein zu kommen.
Die Gyldholmer Häusler find nahe daran, über ihre eigenen Beine zu stolpern, so erstaunt sind sie, und so gaffen sie. Doch wechseln sie in aller Eile hastig ein paar halbgeflüsterte Worte.
Der große Paul schüttelt lächelnd den Kopf:„ Was für' nt Begräbnis das hier wird!"
,, Es waren wahrhaftig nicht halb soviel da, als der alte Kammerherr begraben wurde!" antwortet der rote Jens.
,, Nein, so etwas hat man in seinem ganzen Leben noch nicht gesehen!" bemerkt Krän Sows, der, den Mund voll Speichel, nicht auszuspucken wagt.