Unterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 54.

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Gyldholm.

Mittwoch, den 18. März.

Eine Landarbeitergeschichte von J. Stjoldborg. Sobald der Führer, der dem Aussehen nach ein echter Arbeitertypus ist, den Mund öffnet, schwellen wie von innerem Druck die Adern seines rotfledigen Gefichts an. Seine Worte haben einen stimmungsvollen Klang, der fast mehr wirft als die eigentlichen Worte, die er spricht, und mit besonderer Bucht betont er einzelne Ausdrüde mit einer agitatorischen Betonung, die aus voller Brust kommt. Seine geübte Stimme tönt über die Versammlung hin, daß seine Worte deutlich gehört werden bis an die äußerste Mauer des Kirch­hofes:

Wir sind hier versammelt, um unserem Arbeitsgenossen unsere Teilnahme an seinem großen Kummer auszudrüden. Wir bitten Sie, nicht vergessen zu wollen, wer das zu ver­antworten hat, was hier geschehen ist. Wir hoffen, daß jeder rechtschaffen denkende Mann und jedes Weib mit uns darauf hinarbeiten wird, solche Zustände zu schaffen, daß die Eltern nicht gezwungen sind, um der Beschaffung des trockenen Brotes willen ihre kleinen Kinder sich selbst, allen möglichen Zufälligkeiten und ihrem traurigen Geschickt zu überlassen, auf daß Unglücksfälle, wie dieser hier, in Zukunft verhütet werden können."

Ja, das ist im Grunde richtig. Derlei muß eigentlich gesagt werden!" bemerkt Pastor Hornum   und reicht dem Führer zum Abschied die Hand.

Per Holt danft; er lüftet seinen Hut, der einen fettigen Rand hat. Dann hebt er den Kopf und blickt auf die tausend Mäuner hin, die ihm so nahe stehen, weil sie mit ihm fühlen. Ein Junte fann im Nu zünden.

Per sammelt die vielen Blide in seiner Seele wie in einent Brennpunkt.

Und seine Augen leuchten vor Stärfe und Mut. Ein Zug von Entschlossenheit liegt auf seinem Gesicht, während ihm der Sommerwind sanft durchs Haar streicht. Eine Schar Gyldholmer Häusler steht dranken vor den Häusern.

14.

1914

-

Per - ,,, davon

,, Wir brauchen uns hier ja nur umzusehen. All die ge­Tegnete Gottesgabe, die hier vor unsern Augen liegt" fönnten wir Kätner zu Hunderten leben, wenn wir nur deutet mit der Hand hinaus auf die Felder dürften, aber jetzt gehört alles einer Familie!"

,, Wir andern leben aber doch auch, Per," bemerkt der große Paul.

„ Leben!? Seine Kühe leben auch; denn er kann sie nicht entbehren. Und uns muß er auch am Leben erhalten, damit seine Felder bestellt werden können. Aber ich glaube faum, daß er einen großen Unterschied macht zwischen uns und seinen Tieren. Er hätschelt wahrhaftig seine Hunde und Pferde mehr als uns, von seinem Wild gar nicht zu reden!"

Bei diesen Worten zeigen die Gesichter der Häusler ein mehr oder minder deutliches Lächeln der Bestätigung. Niels Rön nicht beifällig, und Balle steht mit offnem Mund da und hört start interessiert zit.

za, und wenn solch ein Mann dafür nun irgend etwas ausrichtete. Aber was tut er für uns? Er ist uns überall im Wege. Und was tut er für das Land, solch ein Mann? Mehr als andre Leute etwa? Wie?"

„ Für das Land? Ja, was zum Teufel soll er für das Land tun?" Der rote Jens stößt die Worte hervor und blickt die andern an, als wollte er sagen: was meint er damit?

Aber Jakobus tut sich wichtig:„ Da weiß ich doch, daß er die hohen Steuern bezahlt. Dafür muß auch jemand da sein!" Er schielt überlegen nach) Per hinüber, als wollte er jagen: was sagst Du mun dazu?

Alle sehen Per erwartungsvoll au.

Ach du lieber Himmel! Das bißchen Geld."

,, Du bist mächtig flott geworden, Ber," ruft einer unter allgemeiner Heiterfeit.

,, Glaubt Ihr, es könnte mit dem verglichen werden, was wir andern bezahlen können, wenn Gyldholm in Dörfer nm­gewandelt würde? Und hier wäre ausgezeichnet Plaz dafür! Die könnten hier jo nett liegen, ein Dorf neben dem andern mit Hunderten von Menschen!" Ber spricht, als ob das, wo­von er redet, wirklich da vor seinen Augen läge.„ O ja, der Mann könnte großartig entbehrt werden, Jakobus!"

" Ja," sagt Niels Rön bestimmt und nickt, und Balles

Es besteht jetzt ein angenfälliger Unterschied zwischen Per Angen glänzen und hängen voll Bewunderung an Ber. Holt und den anderen.

Er sieht aus wie jemand, der viel erlebt hat. Der un­flare und unftäte Schatten flüchtiger Gedanken ist nicht mehr in seinem Gesichtsausdruck vorhanden. Sein Blick ist fest und ruhig wie der eines Menschen, der nicht bloß etwas weiß, sondern auch etwas will.

Die andern dagegen tragen fein Zeichen innerer Erlebnisse auf ihrer Stirn. Ihr Ausdruck zeugt nicht von starkem individuellem Leben, sondern zeigt nur den halbverwischten Allgemeinausbrud, mit Augen wie betaute Scheiben.

Ber ist magerer geworden, aber desto dentlicher treten die scharf gemeißelten Linien seiner fräftigen Züge hervor. Der fest zusammengepreßte Mund gibt seinem Gesicht eine straffe Haltung. Und in zwei tiefen Falten, die von den Najen­flügeln bis an die Mundwinfein hinunterlaufen, liegt viel Bitterfeit verborgen.

Es ist ein Sonntagnachmittag. Und der Sonnenglang liegt auf allen jungen Sproffen und Knospen und dem frisch­grünen Roggen der Gyldholmer Felder. Auch auf den roten Dächern und weißen Mauerflächen des Schlosses.

Bei den schmutzig grauen Arbeiterhäusern wird durch das strahlend helle Licht die Aermlichkeit mir noch augenfälliger. Hier und da kommen Frauen zum Vorschein mit nackten Armen, die mager und vertrocknet sind, unit spiben, roten Ellenbogen. Sie hängen Lafen und ausgewaschene Rumpen zum Trocknen auf die Büsche und eilen wieder hinein. Und dort, wo die Männer stehen, hängt ein beflecktes Unterbett, auf das die Sonne brennt.

Ver hält in seiner linken Hand ein Exemplar des„ Sozial­demokraten" und mit dem Rücken der Rechten schlägt er auf das Papier und sagt:„ Bitte schön, Ihr könnt es selber lesen! Hier steht es mit deutlichen Buchstaben bitte!"

Man antwortet ihm Sa- a"," Jawohl",„ A- aber".

Jakobus schiebt die luterlippe vor und spigt den Mund, als dächte er eifrig nach.

Der große Paul richtet seine steife, knochige Gestalt empor, aber langsamt, als müßte sie mit Vorsicht behandelt werden, damit sie in den Gelenken nicht zerbreche:., Ja, aber die Macht, Ber? Sie sind die Starken und werden die Starken bleiben!"

"

Da dreht sich Ber wie ein Wirbelwind hernnt und schwenkt den Sozialdemokraten":" Gerade darum müssen wir zujanunenhalten, damit wir auch stark werden können. Seht die Arbeiter in der Stadt an! Es ist ja nicht lange her, daß Ihr sie hier draußen gesehen habt. Die halten zusammen! Dort ist Stärke! Ueber die ganze Welt geht die Organisation der Arbeiter!"

Bei den Worten über die ganze Welt" strahlen Bers schwarze Augen, und einen Widerschein davon gewahrt man auch in den Angen der andern.

Da beginnt Jakobus mit dem Kopf zu wackeln und alle sehen ihn an.

„ Nun will ich Euch mal was sagen. Die Mächtigen, die jest leben, die haben die Hand am Krug. Aber bei den Sozialisten werden wohl auch welche mächtig werden, und dann legen sie, hol mich der Satan, die Hand am Krng! Da weiß ich nicht, was das beste ist." Er sieht sich selbstbewußt nm. Ja, das wird, weiß Gott  , auch nie anders werden," sagt der rote Jens überzeugt und abwehrend. Und plößlich ver­zieht sich sein rotes, brutales Gesicht zu einem verschmitten Lächeln und er ruft:„ Und wir haben ja auch Starten und Weib und Branntwein was zum Teufel sollen wir denn noch mehr, ha, ha!"

Ber antwortet:„ Derlei fannst Du gern für Dich behalten. Und ich will Tir uur sagen, daß Dein Gewäich. ja, bas ist wirklich danach!" lächelt er höhnisch