Unterhaltungsblatt des Vorwärts
Nr. 56.
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Gyldholm.
Freitag, den 20. März.
Eine Landarbeitergeschichte von J. Skjoldborg . Drinnen in der Scheune steht Kirsten Sows in der Heu bodenöffnung und nimmt aus Pers Wagen das Heu entgegen. Sie schwißt, daß die Tropfen herunterfallen, und die graugesprenkelten Haarsträhnen kleben an ihrem Gesicht. Um sie herum türmt sich das Heu hoch auf.
Der Verwalter sieht, daß die anderen Wagen, die in einer langen Reihe hinter Ber halten, beinahe abgeladen haben, und er ruft daher hinauf zu ihr:„ Tummelt Euch mal ein bißchen, Alte!"
Ber blickt finster auf ihn herab und sagt, der Verwalter wisse wohl, daß Kirsten gestern gefallen sei und ihren einen Arm verlegt habe.
Was zum Teufel schert Sie denn das!"
.Recht und Unrecht geht uns alle an!" antwortet Ber fest. Mir scheint, Sie befassen sich mit Dingen, die für Sie noch verhängnisvoll werden können, Per Holt!"
,, Das wird sich zeigen!"
Der Verwalter öffnet halb den Mund, als wolle er fragen, was das zu bedeuten habe. Aber als würde ihm plötzlich etwas flar, bricht er ab und geht die Wagenreihe hinunter, wobei er die Beobachtung macht, daß der Ausdruck der Männer ganz anders ist als sonst.
Vor dem Scheunentor hält er an und stößt den Stock auf die Erde. Grübelnd schaut er vor sich hin und flüstert: Was bereitet sich hier vor!"
Der große Paul fommt aus der Schmiede mit großen Heugabel direkt auf ihn zu.
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einer Hören Sie, Paul, Sie sind ein älterer, vernünftiger Mann, was ist denn eigentlich hier auf dem Gut los?" Ich weiß von nichts. Aber alles hat ja seine Zeit, Herr Verwalter!"
,, Was meinen Sie damit?"
" Gar nichts!" antwortet Paul und lacht in seinen Bart. So ist es überall, wohin der Verwalter an diesem Vormittag kommt. Es ist, als wäre die Luft mit irgend etivas geladen.
Um die Mittagszeit sondert sich Tammes, der Vorknecht, ab. Er will augenscheinlich nicht mit den anderen zusammen fein.
" Ja, ich kenne sie; sie sind ja wie Kinder."
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„ Da haben Sie wirklich recht, Sörensen, ganz wie Kinder."
fort!
,, Wer ist der Anstifter?"
,, Das ist dieser Ber Holt."
,, Gut! Er soll fort. Er muß unter allen Umständen Ist er sonst ein tüchtiger Arbeiter?"
„ Das ist er. Aber seit dem Unglück mit den Kindern hat er sich auf den Sozialismus geworfen."
Ja, diese Geschichte mit den Kindern war ja dummaber die Stätnerfrauen sind auch merkwürdige, unordentliche und gleichgültige Geschöpfe. Daß sie nicht besser aufpassen!" „ Das schlimmste ist ja, daß die Frau jezt ganz unbrauchbar ist."
" Ja, aber wir haben ja eine ausgezeichnete öffentliche Versorgung, Sörensen!"
a, das ist fürwahr nicht zu viel für ihn!" „ Nein, er soll fort, ich will doch mal versuchen, dieses Gift mit der Wurzel auszurotten. Warten wir also ab, was daraus wird. Es wird mich doch interessieren, zu sehen, ob diese Leute, die seit vielen Jahren hier im Stammhause Unterkunft gefunden haben, wirklich Ernst machen. Nal Wir nehmen sie also überlegen, von oben herab!" lächelt der Stammerherr, grüßt leicht im Fortgehen und wendet sich dem weißen Gitter zu, wo um das alte Schloß herum Zierlichkeit und Stille herrscht.
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Ach ja, Sörensen!" Der Kammerherr dreht sich um. Wollen Sie dafür sorgen, daß der Zimmermann die linke Schleuse des Fischparks nachsieht. Ich kann nicht begreifen, wo die Karauschen bleiben."
Abends, als die Häusler auf dem Heimwege den tief ausgetretenen Steig gehen, und Per Holt die kleinen ArbeiterBüschen davor zum Trocknen aufgehängt sind, wirft er einen häuser vor sich liegen sieht, und die Lappen, die auf den Blick aufs Schloß hinüber und sagt:„ Wenn der Kammerherr daß diese Varaden hier mit unserm armseligen Kram ihm uns nicht nötig hätte, glaubt Ihr denn, er würde erlauben, gerade vor der Nase lägen?"
Und nach einer Weile bemerkt Palle, der in seinen allzu geht, dann darf er nicht länger in seinen großen Stuben furzen Hosen einhertrottet:„ Wenn der Sozialismus durch herumspazieren, der Bursche!"
"
antwortete Per Holt lächelnd. ,, Es ist ja nicht sicher, daß es so zugehen wird, Palle!"
„ Ja, dann wird' ne andere Zeit kommen, das will ich
Der Verwalter sucht ihn auf. Hören Sie, Tammes, was ist denn eigentlich los? Es gibt hier irgend etwas!" " Ich weiß von nichts, gar nichts," antwortet Tammes meinen, he!" ängstlich und vorsichtig.
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Per Holt will wohl irgend etwas in Szene setzen " Ich halte mich außen vor, da weiß ich doch, daß ich nichts damit zu tun habe!"
Bevor sie sich trennen, sagt Per mit einer Stimme, die wie?" wie ein Appell klingt, und so laut, daß die Häusermanern den Schall zurückgeben:„ Wir sind also einig alle mitein" Sa!" antwortete es im Chor.
„ Dachte ich mir's doch!" Der Verwalter entfernt sich. Am Nachmittag gehen der Kammerherr und der Verwalter eine Weile zusammen.
„ Ich glaube, fie streiken, Herr Kammerherr!"
ander?"
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Am nächsten Mittag stehen drei, vier Häusler an der " Streifen? Das können sie ja nicht, mein Lieber, da Ece des Meiereigebäudes. Sie scheinen nicht nach Hause sie der Gesindeordnung unterworfen sind." gehen zu wollen. Dagegen sehen sie sich um, teils ängstlich, als fürchteten fie, entdeckt zu werden, teils als erwarteten sie jemand.
,, Darauf werden sie wohl keine Rücksicht nehmen." Nein, Rücksicht nehmen die ja sicher nicht! Na, num soll das also wieder losgehen! Dieser verdammte Sozialismus! Ja, es ist wirklich sehr bedauerlich, Sörensen, daß dieses moderne Gift das hübsche Verhältnis, das immer hier im Stammhause geherrscht hat, untergräbt und das ruhige Glück und die Zufriedenheit dieser armen Menschen zerstört. Sehr bedauerlich!"
,, Reiner hat ja direkt etwas gesagt, aber ich fann es an hundert Kleinigkeiten merken, und ich fann es ihnen ansehen." Ja, ja, jawohl! Aber das kommt doch recht ungelegen in dieser Jahreszeit."
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, Ach, die drohen nur, um den Kammerherrn zu zwingen." " Zwingen, ja zwingen das ist eben diese widerwärtige Art und Weise!"
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Wenn aber der Kammerherr tut, als wäre es im ganz gleichgültig, ob sie bleiben oder gehen, dann werden sie bald einer nach dem anderen ankommen und betteln, ob sie bleiben dürfen."
„ Glauben Sie?"
Dann gesellt sich noch einer, dann zwei und dann noch einer zu ihnen. Und dann kommit Per Holt.
Alle Gyldholmer Häusler versammeln sich zu einem Haufen, und je mehr der antwächst, desto dreister wird die Haltung des einzelnen.
Sie sind alle gekommen mit Ausnahme von Tamme3, der sich überhaupt nicht sehen läßt.
Dagegen zeigt sich der Reiter der Meierei in der Tür und hinter ihm ein paar Mädchen, die große, erstaunte Augen machen. Der Jäger kommt aus dem Gyldholmer Wäldchen und geht zur Schmiede, wo er und der Schmied die Köpfe zufammenstecken und tuscheln, während sie zu den Häuslern binüberblicken.
Die Schar setzt sich, nach dem weißen Gitter zu, in Bewegung. Per öffnet die Pforte.
Und so überschreiten die Gyldholmer Häusler zum erstenmal in ihrem Leben die feine scharfe Linie, die die Grenze bildet zwischen ihrem Leben und dem Leben des Kammerherrn.