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Auf dem Grunde der staubigen Landstraßengräben leuch tete es gelb und rot und blau. Da waren der rotblühende wilde Sauerampfer, der gelbe Rainfarn und die feinen Glockenblumen. Aber am schönsten von allen ist doch die Kornblume und der leuchtende Mohn; einzeln stehen fie zwischen den Kornähren und lächeln den Vorüberfahrenden zu. 3u beiden Seiten dehnen sich in der hügeligen Land­schaft die weiten reichen Kornfelder bis ins Unendliche. Dicht über der Erde hin streicht der süße Sommerduft: hoch oben in der klaren Luft segeln die reizenden Sommerwolfen... und wohin man blickt, liegt alles in Sonnenschein gebadet. Die Menschen auf dem Wagen wachen auf und schauen boller Freude ringsum.

Sogar die Kinder reißen die Augen weit auf. Niemals vorher haben Per und Sophie eine Wagenfahrt in das Land hinein gemacht. Und niemals haben sie fich träumen lassen, daß es so festlich sein würde. Der sanfte Windhauch gleicht einer freundlichen Hand auf ihrer Wange. Die Sorgen verschwinden. Sie glauben an die Zukunft... Jetzt muß Miffel wieder etwas sagen; man kann doch nicht imer nur sißen und schauen.

Auch er freut sich über diese Fahrt; er hat sich ja auch so halb verschämt die Blumen und dergleichen betrachtet; aber bon solchen Dingen kann man ja nicht reden.

Dann spudt er aus und sagt: Es wird schon gehen, Per, wenn Du nun dort drüben hinkommst."

" Ja," antwortet Ber, es wird schon gehen. Die Ernte fteht vor der Tür, und Arbeit im Moor gibt es genug dort, wo wir wohnen sollen. Also wird es schon gehen, Mikkel!" Es war am Ende ganz gut, daß Du aus dem Leben da auf dem Gute herauskarit, Per."

"

Ja, es war eine Sklaverei dort. Draußen bei den Bauern wird es wohl ein anderes Leben sein. Glaubst Du nicht auch, Miffel?"

Mittel fneift die Augen zu und blinzelt; das geschicht, wenn er sein Gehirn anstrengt und nachdenkt. Ja, Per, ich weiß nicht recht- ja- ja doch wisser Weise!"

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in ge­

Man ist jedenfalls ein freier Mann." Ver nimmt sich ein frisches Stück Kautabak. ( Forts. folgt.)

Weil's eben Frühling war.

Von Karl Marburger.

Der Franz hatte sofort gesehen, daß die Mizi etwas auf dem Herzen hatte. Und sie hielt damit nicht zurück. Ihre Mutter hatte erfahren, daß sie mit ihm gehe". Da war sie wütend geworden und hat es ihr verboten. Sie sei ja noch ein grab, faum siebzehn Jahre. Und auch er, der Franz, habe zu derlei noch Zeit. Er sei ja noch nicht einmal militärfrei. Das könne schön werden, wenn sie sich ba in etwas einlassen. Nein, es habe keinen Sinn, und wenn sie noch einmal mit ihm gehe, dann... Da hatte sie, die Mizi, geweint und gesagt, daß sie ohne ihn nicht leben könne. Doch da schimpfte die Mutter noch mehr und auch der Vater, der dazugekommen, meinte, daß es etwas" gäbe, wenn sie sich den Franz nicht aus dem Kopf schlägt. Und der Vater hält Wort. Mit dem ist nicht zu spaßen. Sie aber kann ohne ihren Franz nicht leben und..

Nein,

Sie konnte den Satz nicht vollenden. Und auch der Franz fchwieg. Das war ihm zu plötzlich gekommen. Er konnte sich nicht in den Gedanken finden, daß er nicht mehr mit der Mizi. bas überlebt auch er nicht. Ja, aber was ist da zu machen? Ohne Wissen der Eltern alles beim alten lassen? Das wird nicht gehen. Jetzt werden die Eltern die Mizi knapp halten. Aber er fönnte hingehen und ihnen sagen, daß er es ernst mit der Mizi meine und daß er sie heiraten wolle. Gleich im nächsten Jahre, bis er nur bie Sachen mit dem Militär vom Halse habe. Das sagte er der Mizi. Sie aber war dagegen, denn es nüße nichts. Sie kenne thren Vater, und wenn der einmal Rein" gesagt, dann bleibt es dabei.

Da schwiegen sie wieder und gingen nebeneinander einher, den Blick zu Boden gesenkt. Sie hatten beide denselben Gedanken, aber ste scheuten davor, ihn auszusprechen. Doch endlich drängte er sich dem Franz über die Lippen, und die Mizi willigte rasch ein: wenn fie nicht zusammen leben dürfen, dann wollten sie vereint sterben. Einen anderen Ausweg gibt es nicht. Und schon morgen sollte es fein. Sie möge vorgeben, daß sie zu einer Freundin gehe, er wird fich im Geschäfte freimachen, dann werden sie sich am Nachmittag begegnen und nach Weidlingau hinausfahren. Dort nehmen sie in einem Gasthofe ein Zimmer, schließen sich ein, und dann kann es an das Sterben gehen. 9 atürlich durch Gift... Das ist das sicherste. Der Franz wird es schon beschaffen können. Wenn nicht Arsenif, dann Phosphor... Ja, sie werden vereint sterben.

Als sie nach einer Stunde voneinander schieden, sprachen sie lein Wort. Nur die Hände drückten sie sich innig, und in die Augen

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sahen fie fich lange und bedeutungsvoll. In dem Blide lag das Gelöbnis: morgen um vier Uhr bei der Hundsturmer Linie. Dann schieben fic.

aus. Schlafen haite er nicht gefonnt. Er hatte an seine Eltern Etwas vor drei war der Franz zur Stelle. Er sah übernächtigt gedacht und an die Zeit, da er nach Wien   gekommen. Das war zwei Jahre her. Und dann gedachte er der Stunde, in der er Mizi kennen gelernt. Und wie schön die Zeit geworden. Wie sie ihm ab­gehalten vom Trinken und anderen Dingen, denen seinesgleichen ausgesetzt. Und wie schön das alles hätte enden fönnen, wenn... Ja, wenn! Dann hatte er noch einen Brief an die Eltern ge­schrieben. Er bat fie um Verzeihung wegen seiner Tat, aber ohne Mizi könne er nicht leben. Wohlverwahrt trug er den Brief in der Tasche.

Wie er wartend einherschritt, gab er sich den gleichen Gedanken hin. Ach, wie schön hätte die Zukunft werden können, wie rosig hatte er sie sich gedacht.

"

die Mizi vor ihm. Herrgott, wie schön sie heute war! Wie sie sich Ein leises Servus, Franal!" ließ ihn aufbliden. Da stand herausgeputzt hat! Dieses rosa Kleid, der lilafarbene But... wie gut sie das fleidete. Und um den Hals das goldene Kreuz...

Er sah sie an, erst entzückt; doch bald umdüfterte sich sein Blick. Und jetzt reichte er ihr die Hand mit einem wehmütigen Servus". Dann gingen fie der Stadtbahn zu. Schweigend, in Gedanken ver­sunken. Er löfte die Karten, und sie bestiegen den Zug. Bug fauste dahin, Schönbrunn  - St. Veit- Hütteldorf- Weid­Hand in Hand saßen sie da, ohne ein Wort zu sprechen. Der

lingau.

Sie waren am Ziele und traten auf die Straße.

Hell leuchtete die Sonne, und vom Walde herüber kam der würzige, Tuft aufbrechender Knospen. Neberall, wohin sie blidten, neues, junges Leben. Frische Blätter und Blütenkeime auf den Bäumen, auf dem Boden kurzes, saftgrünes Gras. Ei, wie schön das war!

Und sie freuten sich der Frühlingspracht, sogen fie in sich ein, und ein mächtiges Sehnen ging in ihnen auf, den Frühling zu ge­nießen. Vor Abend fonnten sie ja nicht in den Gasthof, und da wäre es wohl das beste, cin wenig in den Wald zu gehen. Dort könne man den Abend erwarten.

standen. Sie gingen in den Wald, feft aneinander geschmiegt, Der Franz hatte den Vorschlag gemacht, und sie war einver­immerhin auf dem wohlgepflegten Fußwege, bis an die Stelle, wo die hier oben noch seichte, niedrige Wien   den Weg kreuzt. An der Böschung ließen sie sich nieder. Sie bettete den Kopf an seine Schultern, er umschlang ihre Taille, und in wehmütigem Schweigen erwarteten sie den Abend.

Früh, viel zu früh brach die Dämmerung herein. Und die Zwei rissen sich von dem schönen Flecken Erde   los und gingen hin­unter nach dem Dorfe. Unten, dicht am Walde, stehen Gasthäuser. Vor jedem ein kleines Gärtchen. In einem derselben ließen sie sich nieder. Es war so schön im Freien.

Der Kellner kam, und sie bestellten Speise und Trank. Aber sie rührten kaum daran. Schweigend saßen sie dort und starrten in die Luft. Das ging fo bis gegen acht Ühr. Dann brachen sie anf. Franz ging voraus und mietete ein Zimmer im nächsten Gasthofe, das er gleich bezahlte. Dann holte er Mizi, und sie gingen hinauf in ihr Zimmer.

Da waren sie nun; allein und entschlossen zu sterben. Sie um. armten und füßten sich, innig und leidenschaftlich. Dann ließen sie sich auf das Kanapee nieder und saßen dort, Lippe an Lippe, in inniger Umarmung eine Stunde lang. Endlich löfte sich Franz los. Es sei Zeit, an die Tat zu schreiten. Und Mizi fügte sich.

Sie falteten die Hände und sprachen ein. Gebet. Das letzte! Es war kurz, aber innig. Und ohne zu zaudern, schritt Franz hin an den Waschtisch, füllte zwei Gläser mit Wasser und stellte sie auf den Tisch. Dann entnahm er der Tasche ein fleines Paket..

Aufinerksam betrachtete ihn die Mizi. Jezt frug sie leise: " Ist das' s Gift?"

" Ja," sagte er. Weißt,' n Arsenik hab' ich nicht bekommen. Aber Streichhölzeln hab' ich g'lauft und die Köpfeln abg'schabt. Dös wirkt auch."

Wieder entstand eine Kleine Pause. ..Mizl

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Mizl daß dös so hat fommen müssen!"

Sie schwieg und sah ihn wehmütig an. Dann näherte sie sich ihm und umschlang ihn. Und die Tränen flossen über ihr Gesicht, während sie Kuß um Kuß auf seine Lippen drückte. Und er er­widerte die Küsse. Sie wurden erhitzt und verwirrt. Auch die duftgesättigte Waldesluft wirkte nach. Fieberhaft füßten sie sich, bis sie erschöpft und abgespannt innehielten.

Da fam auch der Franz wieder zu sich. Traurig sagte er: ' s must nig!' s muß sein! Geh'n mir's an!" richtete den Blick fragend auf Mizi. Die nickte mit dem Kopfe. Doch gleich sagte sie:

Er

sich's

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" No ja, Franzl, aber doch nit so im G'wand.". " Ja, dös hast schon recht!"

"

Weißt, ich hab' mir g'dacht, daß i' n Tod erwarten will, wie g'hört, und da" sie stockte und wurde rot.

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Na, und...? Was hast denn sagen wollen, Mizl?" Den Blick zu Boden, fuhr sie leise, verschämt fort: Na, da hab' ich mir g'denkt, daß

.. weißt

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Na, man kann do nit

a so sich hinlegen a so hab' ich's g'meint... man darf sich doch ka Schand antun, auch nicht als Toter. no, und