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Auf Rollschuhen  .

roteste von. wertfchenfa

Ich stand an dem Büfettischchen, lehnte mich an die Jeiche Barriere, die den Asphaltplatz der Rollschuhbahn umgab, auf dem mit Lärm und lustigem Gelächter die Paare dahinflogen, und dachte bei mir:

Was ist los?" fragte er erstaunt. Was soll das bedeuten" Ich drüdte seine Sände, schüttelte fie, wand mich hin und her und sagte, um mein tattloses Vorgehen zu entschuldigen, mit Bitternden Lippen: Wie geht es Ihnen? Sie... et

Ah, guten Morgen!. Tennen mich nicht?"

frei!"

Ich sehe Sie heute zum erstenmal! Geben Sie meine Hände

Und das ist alles? Das ist ja eine wahre Kleinigkeit, auf Er riß sich los. Meine Füße ließen sich die bequeme Gelegen diesen Räderchen dahinzugleiten! Mir scheint, ich habe das Geheit nicht entgehen, ihrem Herrn einen Schabernad zuzufügen, heimnis dieses Sports entbedt: man muß sich nur bemühen, nicht rutschten nach verschiedenen Seiten aus, und ich ließ mich schwer zu fallen und die Hälfte der Aufgabe ist gelöst. Und wenn man auf den Asphaltboden nieder. nicht sogleich hinstürzt, so werden die weiteren Schritte feinerlei Mühe mehr verursachen.. Um sich von der Stelle zu bewegen, ist es nur erforderlich, jemanden, der sich in der Nähe befindet, zu bitten, uns einen leichten Stoß in den Rücken zu versehen. Die Rollschuhe sind derart bewegliche Dinge, daß sie uns in einem Moment an die entgegengesetzte Seite des Plazes bringen werden. Es gilt einen Versuch.

Ich winkte einem der Diener, setzte mich auf den Diwan, streckte die Füße aus und sagte in dem Ton eines verwegenen, tollfühnen Sportsmannes:

"

Ein Paar Rollschuhe! Die besten, die es gibt! und daß fie unbedingt auf Rädern sind!"

Sie sind ja sowieso alle auf Rädern," erwiderte der Diener, indem er an meinem Fuß einige Schrauben festdrehte. " So?" sagte ich ein wenig verwirrt. Das ist eine ausgezeichs nete Sitte."

" Fertig, mein Herr!"

Ich stellte meine gefattelten Füße auf die Erde und bewegte fie behutsam hin und her weh, ich fühlte keinen festen Boden unter mir: meine Füße schienen in der Luft zu baumeln. Ist das... immer so?" fragte ich schüchtern. Wie meinen Sie?"

"

So.. glatt."

Gewiß, da sind doch Räder. Bitte, auf die Bahn."

Ich erhob mich vom Diwan, jedoch im selben Augenblid glitt ein Fuß mit großer Schnelligkeit zur Seite und ich ließ mich wieder auf meinen Blaz nieder. Ich hatte in meinem Leben schon oft auf verschiedenen Sofas gesessen, aber noch niemals hatte ich dar­über eine so aufrichtige Befriedigung verspürt wie heute.

Nie hätte ich früher geglaubt, daß man ein solches einfaches, billiges, mit Wolle ausgeftopftes Kissen so lieben und eine solche Anhänglichkeit dafür verspüren könnte. Um feinen Preis wollte ich mich davon trennen.

Bitte, auf die Bahn."

" Sihi," lachte ich. Hihi... Ich will hier noch ein wenig fiten, mein Lieber. Man wird müde so den ganzen Tag über. Hier ist es bei Euch sehr nett: warm und gemütlich."

Er ging fort, und ich blieb siken, seufzte jämmerlich und be­rührte von Zeit zu Zeit vorsichtig mit dem schlüpfrigen Fuß den Boden.

Neben mir wurden einem Herrn Nollschuhe angeschnallt, der fich in derselben Lage wie ich befand. Aber in diesem Menschen lebte der Geist eines Helden! In der Zeit Jwans des Schrecklichen hätte er gleich Jermat Sibirien erobert, bei einer Begegnung mit einem Tiger ihm einen Fauftschlag vor die Stirn versezt und das betäubte und überraschte Tier an einem Strid nach Hause ge­schleift... Dieser Mensch hatte die Seele eines Helden! Er saß nicht halbe Stunden lang auf dem Diwan  , zögerte nicht unnötig, sondern stand sofort auf, recte sich zu voller Höhe und plumpste auf den Büfettisch mit seiner ganzen Schwere.

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Wenn schlechte Beispiele ansteckend sind, so sind es die guten gleichfalls: ich erhob mich, und mich fest an den Diener lehnend, mit der ganzen stürmischen Zärtlichkeit, deren meine anschmiegende Natur fähig ist, begab ich mich zur Barriere.

Und dann blieb ich allein, flammerte mich trampshaft an das Geländer und gab mir den Anschein, als interessiere mich die Beschaffenheit des Plafonds auf das höchste.

Warum laufen Sie denn nicht?" fragte mich ein Herr, der an einem fleinen Tischchen in der Nähe saß, freundschaftlich. " Ich... Taufe ja."

Lassen Sie doch die Barriere los! Halten Sie sich nicht daran dann geht es leichter."

Ich befolgte den Rat. Aber meine Füße( nie hätte ich in meinen eigenen Extremitäten so viel Schläue und Bosheit vermutet) bemerkten dieses Manöver und liefen sogleich nach beiden Seiten so weit auseinander, daß es mich große Mühe kostete, sie wieder zusammenzubringen. Dabei machte ich eine Bewegung, welche an die populärste Figur im Cakewalt erinnerte, und flammerte mich mit frampfhafter Haft aufs neue an das Geländer an. Nur Mut, nur Mut!" rief mir mein Gönner zu. Schmiegen Sie sich nicht so an die Barriere wie an eine geliebte Frau. Hände frei und weg von der Barriere."

Er scheint au wissen, was man tun muß, dachte ich und löste mich vom Geländer. Und jetzt war es, als ob ich in der Luft schwebe. Die Rollschuhe fuhren selbständig auf dem Asphalt umher, als wären sie lebendig, ich warf mich nach hinten zurück, wand mich wie ein Aal und endlich, als ich sah, daß ein schmachvolles Fallen unvermeidlich sei, ergriff ich mit Blizesschnelle einen vor­übergleitenden Läufer an beiden Händen.

" Sie sind gefallen?" fragte mich mein Gönner teilnehmend. Ich machte mir etwas an den Rollschuhen zu schaffen. Nein, ich habe mich bloß so hingesetzt. Ich muß die Riemen fester schnallen. Sie werden vom Laufen lose.

Nachdem ich an einem der Riemen herumhantiert hatte, kroch ich vorsichtig bis zum Geländer und fand in ihm aufs neue einen alten, treuen, bewährten Freund.

Sobald Sie merken, daß Sie fallen," sagte der Herr, der am Tischchen saß,( jebt vermute ich, daß es bloß ein zufälliger Bu schauer war, der sich zum erstenmal an dem neuen Sport ergößte), sobald Sie merken, daß Sie fallen so heben Sie sofort einen Fuß auf.. Das Gleichgewicht wird auf diese Weise wieder hergestellt."

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Aufs neue trennte ich mich schweren Herzens von der Bar­riere... Den Rat meines Gönners zu befolgen, war um so leichter, als ich sogleich ausglitschte. Und ich befolgte ihn sogar auf eine zwiefache Weise. Er hatte mir geraten, ein Bein aufzu heben, und ich hob beide auf. Es war allerdings schon nach dem Fall, und ich mußte bazu mit dem Rücken den Asphalt berühren, aber ich sah doch, daß es in Wirklichkeit nicht so schrecklich war, zu fallen. An mir vorbei flog ein eleganter Herr, graziös vornüber ge neigt und leicht, ohne Anstrengung, auf der Asphaltfläche dahin gleitend. Ich will es ihm nachmachen, dachte ich. Falle ich, nun gut, was ist denn weiter dabei?

Die Hände auf dem Rüden haltend, stürzte ich mich wie ein Wirbelwind in die Menge der Läufer. Ich fiel nur zweimal hin, riß aber ungefähr zehn Menschen um, warf dann einen unbe fannten diden Herrn rüdlings auf die Barriere und ließ mir schließlich, ermüdet, aber mit mir selbst zufrieden und von ver­schiedenen Segenswünschen und Komplimenten begleitet, die Roll­schuhe abschnallen.

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Den nächsten Tag warf ich nur zwei Personen um und berührte die Barriere nur selten, meistenteils nur, um ihr gönnerhaft auf den elastischen Rüden au flopfen. Am dritten Tag riß ich niemanden zu Boden( mich dagegen hat man umgeworfen irgendein ungeschickter Bär der Teufel soll ihn holen und eine unbekannte, zum Verzweifeln unbegabte junge Dame), die Barriere betrachtete ich mit Verachtung, als etwas lächerliches, unnötiges, und hielt mich demonstrativ in einiger Entfernung von diesem leberbleibsel einer längst überwundenen Ungeschicklichkeit und Furcht... An den erschreckten, von Angst verzerrten Gesichtern vorüberfliegend, rief ich ihnen gönnerhaft zu:" Nur Mut!", und jetzt wenn man mir sogar einen Preis für das Laufen anböte, so würde ich ihn ohne jedes Zaudern, ohne Widerspruch und falsche Bescheidenheit annehmen.

Kleines Feuilleton.

Aus den Sturm- und Drangjahren des deutschen Naturalismus. Johannes Schlaf  , der mit seinem Genossen Arno Hola zusammen als Verfasser des Papa Hamlet" und der Familie Selide" in der ersten Reihe der jungen Dichterschar des modernen deutschen Naturalismus gestanden und sich dann zum still- behaglichen Schilderer von Dingsda entwidelt hat, berichtet in seiner Weise, gemächlich, genau und intim seine Erinnerungen aus den Tagen der Freien Bühne" und der Entstehung des naturalistischen Dramas. In dem neuesten Auffage diefer in der Cottaschen Monatsschrift Der Greif" erscheinenden Erinnerungsreihe erzählt Schlaf allerlei hübsche und kennzeichnende Einzelheiten aus jenen Sturm und Drang­jahren des deutschen Naturalismus. Ist es doch höchst charakteristisch, wenn Holz und Schlaf bei der Ausarbeitung der grotest schauerlichen Nachtstimmung gegen Ende des Papa Hamlet", um den Reflex eines Nachtlichtes gegen einen darumgelegten Zeitungs­bogen und in einem dunklen Zimmer ganz genau wiederzugeben, das Zimmer verdunkeln, in einem blauen Wasserglas ein Nacht­lichtchen anzünden und einen Zeitungsbogen darum herumlegen! Schlaf bekennt freilich, daß ihm schon damals diese Bastelei von Milieubagatellen" nicht recht habe gefallen wollen; und in dem Be­dürfnis, einmal etwas so recht aus einem Guß und und in einem Zuge aus dem vollen Drange eigensten inneren Erlebens heraus zu neben, entwarf er die Familie Selice", die er wesentlich als seine Arbeit in Anspruch nimmt.

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Es war die Zeit, da die Freie Bühne" gegründet und Haupt manns Vor Sonnenaufgang" aufgeführt wurde. Ueber das Schidial, das die Familie Selide" in diesem Kreise fand, erzählt Schlaf das

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