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Selbständigkeit, oft genug noch bedrückt durch die Pflicht, für Eltern gleiche, ausgetretene Pfade wandeln, daß ihnen alles Eigene und und Geschwister mitzuforgen. Berfönliche fehlt, vergessen fie. Auch die Mode hilft, in Unter drückung und Knechtschaft zu halten, weil sie gewohnheitsmäßig gedankenlos macht.
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Kulturgeschichtliches.
Außerhalb dieser Dinge, dieser subjektiven Erwägungen aber steht noch der Beruf als Objekt. Es zeigt uns, daß die Berufswahl relativ schwerer und verantwortungsvoller wird als sie früher, war. Alle Berufe und ihre Organisationen, selbst die gelverkschaft fichen, erheben abwehrend die Hände: wählt jeden anderen Beruf, Eine Aerztin vor zweihundert Jahren. Unserem nur gerade diesen nicht! Ueberfüllung, Bedarfsverschiebung, industrielle Bedrängung oder Ablösung, hygienische Gefahren, soziale Jahrhundert ist es nicht ausschließlich vorbehalten, daß auch die Mißstände und ähnliches mehr wird an die Band gemalt. Da Frau im ärztlichen Berufe Treffliches leisten konnte. Schon vor fast neben hört man freilich auch wieder freundliche Einladungen: Christina Leporin geboren, die eine gelehrte, hochgeachtete und ge zweihundert Jahren, im Jahre 1715 wurde in Quedlinburg Dorothea Handwerksmeister verlangen Lehrlinge, und die Presse der Hand- fchickte Aerztin war. Ihre erste, gründliche wissenschaftliche Auswerksmeister sieht es als Berrat am Handwerk an, wenn die Hand- bildung und Anleitung zur Praris erhielt sie von ihrem Vater, dem werkersöhne ein Metier außerhalb des Handwerks ergreifen. Na- Quedlinburger Arzte Leporin . Sie widmete fich ihrer ärztlichen türlich nach Möglichkeit ein höheres, ein reinliches, adrettes Metier. Tätigkeit mit großem Geichid auch noch nach ihrer Berheiratung Denten wir an den Kaufmannsberuf. Wir brauchen es uns nicht erst mit dem Prediger Ergleben, der sie zur Mutter von vier eigenen beweisen zu lassen, wie überfüllt dieser Beruf ist, in dem man jetzt und fünf Stieflindern machte. Ihre weitverbreitete, ärztliche schon das Einjährige mitbringen muß, um eine Lehrstelle zu er- Tätigkeit entfremdete fie ihren häuslichen Pflichten nicht, Langen. Im Bankfach, einer Eliteabteilung des Kaufmanns- Sie stand im Rufe einer berufes, ist es ebenso schlimm, im Bostfach nicht minder. Der An- Mutter. Bald aber wurde sie von den Aerzten der Stadt und Umvorzüglichen Hausfrau drang zu den Lehrerseminaren ist riesengroß, so daß 75 Prozent gebung fo heftig angefeindet, daß fie, um öffentlich den Beweis ihrer abgewiefen werden müssen, und so ähnlich steht es mit den Tech- wissenschaftlichen Kenntnisse zu geben, nach Halle ging und vor der nifern und den akademischen Berufen der Architekten, der Ober- bortigen medizinischen Fakultät ruhmvoll eine strenge Prüfung be lehrer, die zu Behntausenden auf Stellungen warten. Je größer stand, öffentlich disputierte und am 12. Juni 1754 den medizinischen ihre Zahl wird, um so mehr unterliegen sie genau so wie der un- Doktorhut empfing. Mit diesem geschmückt, febrte sie nach Quedlin gelernte Arbeiter der Konjunktur, und sie werden genau so wie burg zurlid, wo fie bis zu ihrem Tode im Jahre 1762 in segens Siefe zum Spielball des Stapitalismus. Stellenlosigkeit aber trifft reicher Braris als Herztin weitertwirfte. König Friedrich der Große fie verhältnismäßig noch schwerer wie den Arbeiter, denn die wußte von dieser Aerztin und beschützte sie stets wohlwollend gegen Sphäre ihres Berufes ist enger und das Angebot von Kräften des- alle Angriffe nahrungsneidischer männlicher Kollegen. halb in demselben Verhältnis intensiver.
Anthropologisches.
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Ein Ausblick? Nein, feiner! Nicht einmal der, daß bei steigender Konjunktur die in Rüdgangszeiten angesammelten freien Arbeitskräfte alle ein Unterkommen finden werden. Denn in dem- Die verschiedenen Arten des 8wergwuchses. felben Maße, als der Arbeitsmarkt sich anfüllt mit Arbeitslosen Der Begriff des Bwerges ist an eine doppelte Eigenschaft gebunden, ungelernter, gelernter oder gelehrter Art, gedeihen die technischen einmal felbstverständlich an das erheblic unter der normalen Größe und industriellen Fortschritte, die Menschenkraft sparen und zurüdgebliebene Längenmaß des Körpers, dann aber auch an eine Menschenkraft ausschalten, also Menschen überflüssig machen. Wie gewisse Mißgestaltung. Ist ein Mensch bei auffälliger Sleinheit das industrielle. Proletariat, so wird auch das gelehrte Broletariat größer und größer, und es ist nur ein Trost dabei, daß diese Entwidelung zugleich auch die Grube gräbt, in der die fapitalistische Wirtschaftsordnung versinken wird.
Aus diesem Grunde läßt sich zu einem Beruf nicht raten, sondern es kann nur darauf ankommen, teimende Neigungen sich entfalten zu lassen. Es kann jemand in einem selbst erwählten Beruf unglücklich werden, wenn der Beruf nicht hält, was er versprach; aber die Berufsfreudigkeit überwindet das leichter, als wenn der Mensch dieses Schicksal in einem aufgezwungenen Beruf erfährt. Ein aufgezwungener Beruf, gleichviel ob ein hoher oder ein niederer, muß den Menschen unglüdlich machen. Ein verfehlter Beruf kann, wenn nicht noch zur rechten Zeit her Mut und das Geschid zum Umfatteln fommt, den Menschen entweder zum Stumpfen Tier oder zum Auswurf der Gesellschaft" erniedrigen. H. H.
Kleines Feuilleton.
Bunte Tulpen. Künstlich buntgefärbte Blumen sind das Neueste, Allerueneste. Man glaubt's besser zu fönnen, als die Natur; man Torrigiert die Natur. Neues verlangt man, soll der Konsum angeregt werden. Man sagt, wir leben in einer Zeit erhöhter Farben freudigkeit.
Richtig ist, daß in der Kleidung, in der Ausstattung der Innenräume und in den Bühnenbildern heute mehr lebendige Farben dominieren als früher. Farbenfreudigkeit ist, wenn man Beit hat Gewicht darauf zu legen, sehr schön. Hier ist aber zu beStreiten, daß in Wirklichkeit Farbenfreudigkeit vorliegt. Das geht hier alles ohne die altivere Anteilnahme des größeren Publikums bor sich. Das Aufkommen des Farbigen mag auf Schöpfungen einiger Künstler zurückgehen, die noch wirklich aus dem freudigen Gefühl für die Farbe und aus dem Begehren nach Lebendigerem schöpften. Dann ging es damit aber, tvie mit allem, dessen sich die tapitalistische Industrie bemächtigt. Das Reichen jeder Verfallsära ist die Gier nach Sensationen. Was dem Künstler aus Bedürfnis entstand, wurde zur ausbeutbaren Modefache; ja, die Mode wurde, wie so oft, fünstlich geschaffen.
ganz normal entwickelt, so fann man nicht von einem Zwerg im eigentlichen Sinne sprechen, vielmehr nur dann, wenn es sich um eine Art von Miniaturausgabe handelt. Die französische Heeresverwaltung z. B. würde es wohl übel nehmen, wenn man ihr nachfagte, daß sie giverge in ihre Armee einstellte, obgleich die Annahme der Refruten wegen der geringen Volksvermehrung an die Bedingung einer bestimmten Größe überhaupt nicht mehr gefnüpft ist, so daß nicht einmal die früher aufgestellte Grenze von 140 Zentimeter gewahrt wird. Auch die Bezeichnung ganzer Volfsstämme als Zwergvölfer, die in sehr verschiedenen Gegenden genannt werden, nämlich sowohl in Afrita wie auf Neu Guinea usw., ist irreführend, da eine Mißbildung in Verbindung mit der geringen Entwicklung der Störpergröße bei ihnen durchaus nicht zu bemerken ist. Auch ist die Kleinheit nicht so auffällig, daß man aus diesem Grund allein von Zwergvöllern sprechen fönnte. Dr. Weygandt hat in einem Vortrag in Hamburg drei Gruppen von Zwergen unterschieden, je nachdem die Verhältnisse des Körpers normal und ausgewachsen, oder normal, aber in lindlichem Zustand zurüdgeblieben oder endlich mißgestaltet erscheinen. Wenn man den Ursachen des Zwergwuchses auf den Grund geht, ergibt sich eine viel größere Zahl von Arten. Als wahrer oder angeborener Zwergwuchs wird ein solcher bezeichnet, der schon bei der Geburt durch auffällige Kleinheit angezeigt und später durch sehr langsames Wachstum ausgebildet wird. Diefe Bwerge von Geburt erreichen mitunter im erwachsenen Alter nur 70-80 Zentimeter, zuteilen haben sie eine Nachfonumenschaft von ähnlicher Beschaffenheit gezeugt. Der findliche Zwergwuchs wird als solcher erst nach der Geburt offenbar und besteht also in einer Enwickelungshemmung. Das sind die Fälle, die am häufigsten zur Schau gestellt und vielleicht zu diesem Bwed grausamerweise sogar fünftlich hervorgerufen werden. Beim findlichen Zwergwuchs bleiben die einzelnen Körperteile durchaus zurüd und daher ist auch eine Fortpflanzung unmöglich.
Die Lifte der frankhaften Einflüsse, die zu einem Zwergwuchs führen fönnen, ist recht groß. Die englische Krankheit bedingt gleichzeitig stets starte Verunstaltungen des Knochengerüstes. Besonders hervorzuheben ist die Wirkung von Giften in findlichem Alter. Außer dem Alkohol, der auch zur Züchtung von Zwergformen in der Tierwelt gebraucht worden ist, fommen in Betracht das Duedfilber, Vlei, Morphium, auch das Nikotin, das Gift des Man bot dem abgehafteten Bublifum grellschreiende Farben Tabats. Aber auch Krankheitsgifte können zu der gleichen Folge fensationen, und sofort entstand der äußere Schein einer allverbreiteten führen, zum Beispiel das der Tuberkulose oder der Syphilis. Farbenfreude. Meist ohne eigenes Gefühl für die Farbe wählt man Dann würde der Fälle zu gedenken sein, in denen ein die Kleidung. Man schwelgt in der Mode der Extreme und Ston- starles Burückbleiben des Körperwuchses durch Körperwuchses durch andauernde traste. Eine Modefarbe Tango" fam auf, man trug Tango". Unterernährung herbeigeführt wird. Damit ist die Reihe der Man geht wieder zu ruhigen, gedeckten Nuancen über die Farben Krankheiten oder frankhaften Wirkungen, die einen Zwergwuchs ver freudigleit" ist vergessen. Buntfarbige Tulpen tauchten allerorten anlassen fönnen, längst nicht erschöpft. Bei der Vererbung eines auf, das Absonderliche wurde bestaunt. Man lauft fie, nicht weil Zwergwuchses sind zuweilen unerklärliche Unterschiede zwischen Ge fie schön, sondern weil sie absonderlich und neu find. Im ein schwistern vorgekommen, indem z. B. von sechs Brüdern der erste, Kleines werden sie wieder bergen sein. Die Welt der Leute, die dritte und fünfte zu Zwergen wurden, die übrigen fich ganz normal Beit haben und sie nicht nützlicher zu verwerten wissen, braucht die entwidelten. Selten ist der Fall, daß ein Mensch in späterem Alter Beitsche des Neuen. Wenn es sein fann, täglich, stündlich Neues, das Verlorene nachholt und dann noch zu einer normalen Größe um die Langeweile au bannen und das Gefühl der Leerheit solchen aufwächst, doch ist es vorgekommen, daß ein solches Wachstum noch Daseins nicht auftommen zu laffen. Daß fie aber alle unbewußt im Alter von 25 bis 35 Jahren sich vollzogen hat. Berantio. Rebatteur: Alfred Welepp, Neukölln. Drud u. Verlag: Borwärts Buchdruckerei u.Berlagsanstalt Paul Singer& Co., Berlin SW.
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