Unterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 67.

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Im Bauernland.

Von Johan Skjoldborg  .

8.

Sonnabend, den 4. April.

Ein paar Jahre sind seitden vergangen; es ist ein Sonntag am Ende des Monats Mai. Der herrliche Mai­monat, der grüne Mai.

Der Roggen, wird bald blühen, denn die graugrinen Felder der Hoibyhöhe haben einen bräunlichen Farbenton an­genommen.

Am Moorrande stehen die kleinen daunenweichen Bitter­espen, wie feine junge Mädchen, die neugierig am Wege warten.

Kreuz und quer im Zidzack darüber hin huschen die fchwarzen weißbristigen Schwalben.  -

Der Schrei des Seibiges bringt einem das Frühjahr so nahe.

Und natürlich hängt auch die Lerche da droben in der Klaren Luft, die von der Sonne durchstrahlt und durchwärmt ist. Je heller die Sonne scheint, um so jubelnder quellen der Lerche die Töne aus der Brust, als hätten Gefang und Licht dieselbe Quelle..

Aber was am meisten in die Augen fällt, find doch die gelben Blumen des Löwenzahns längs des Weges, der an Bers Häuschen und an den Häusern der anderen vorbeiführt. Die gelben Blüten scheinen das stärkste Licht und die meisten Sonnenstrahlen in sich aufzusaugen, um fie dann wieder üppig auszustrahlen an den jungen Frühlingstaa.

Zwischen diesen leuchtenden und flammenden Graben­rändern des Weges tommt Jens Holt, der jebt ein ganzer Sterl geworden ist. Er zicht eine Ziege hinter sich her. Die will er seiner armen Mutter bringen. Vielleicht strahlt aus diesem Grunde das Frühjahr so prächtig auf seinem Wege.

Sophie fikt drinnen am Fenster und sicht Jens, ihren ältesten Sohn, mit der Ziege ankommen.

Sie blickt noch einmal bin, wie um sich zu vergewissern, daß es keine Halluzination sei. Aber dann ladit fie aus vollem Herzen und so recht glücklich.

Ber wacht förmlich auf bei diesem Frühjahrsgelächter. Sophie ist übrigens den ganzen Winter hindurch so schwer mütig gewesen.

Er sieht sofort, was los ist. Er begreift sofort, daß Jens feiner Mutter eine Freude machen will und ihr etwas bringen will, was sie sich gewünscht hat seit der Zeit, da sie bier ins Moorhäuschen hinausgezogen sind, und daß fie stolz auf ihren Sohn ist.

Ein fremder Senecht begleitet ihn, und als sie jett draußen die Ziege mustern, stürzt die ganze Holt- Familie Hinaus, froh und ungeduldig.

Es ist eine richtige Suhziege, die viel Milch gibt, und ihr Euter bängt fast bis auf den Boden berab. Sie ist schwarz weiß, ein steifer Bart hängt ihr vom Sinn berab, und sie schaut neugierig und wichtig rings umber.

Der kleine Per und Maren freuen sich unbändig über das fremde Tier und lachen unaufhaltsam. Und die Zwillinge, die einander an die Hand gefaßt haben, wiederholen dieses Freudengeheul.

Jens sagt, daß sie täglich vier Liter Milch gibt. Sophie lacht unausgefeßt, es ist ein kleines Glucksen, wie ein Bach zur Frühjahrszeit.

Sie hat ein kleines Kind auf dem einen Arm; mit der anderen Hand faßt sie nach der Ziege, streichelt sie und sagt ihr eine Liebkosung nach der andern.

Mäh mähl medert fie plöglich. Die Zwillinge fahren erschreckt auseinander, aber die großen Seinder jauchzen wieder vor Freude.

Und als die Zwillinge das hören, machen fie es ebenso. Per Holt steht ganz still mit einem Lächeln um den Mund und sieht zu.

Sie ist also nun für Dich, Mutter," fagt ens und bält das Tüder hoch.

1914

Sophie weint vor Freude und reicht Jens die Hand. Auch ihm steigen Tränen in die Augen. Aber das ist Weiberkram.

Jens empfindet es auch so und deshalb sagt er möglichst roh und männlich: Nun wollen wir, bol's der Satan, ein Haus für das Tier bauen, und zwar auf der Stelle. Wir werden Dir schon helfen, Vater! Mein Stamerad und ich."

Er faut energisch auf einem Stück Tabak, so daß ihm die braune Flüssigkeit in den Mundwinkeln fitzt.

Er wiegt sich in den Hüften und trampelt mit den Beinen, als sei es ihm ganz unmöglich, die jungen Glieder an einem solchen Frühlingstage ruhig zu halten.

Er hat in seiner Tasche Brot und Fleischnvaren und bringt alles der Mutter in die Küche hinaus. Und dann zerrt er aus seiner Junentasche eine Flasche Branntwein hervor, die er nimmt und mit einem festen Griff auf den Tisch stellt.

Heute wollen wir, hol's der Schnappsad, nicht dürften!" sagt er und spudt einen langen Strahl auf die Lehmidiele. Wer sollte glauben, das dies der junge geduckte stille Jens sei; er hat sich seit seinen Knabenjahren sehr verändert. Der Vater beobachtet ihn.

hr seid gewiß nicht nüchtern, ihr Beiden." fagt er zit Jens und seinem Stameraden, der sehr zurückhaltend ist. ..Nein, hol's der Satan, das sind wir nicht. Gieß uns einen Schnaps ein, Bater!"

Per tut es. Troßdem seufzt er ein wenig dabei. Sm, nun prost Jens, und willkommen daheim!"

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Jens und sein Kamerad ziehen die Röcke aus. Der Stall für die Ziege wird aus Torf gebaut und gegen den Hausgiebel angelehnt. Das Dach besteht aus Zweigen, Borst und Reisig, das im Moor geschnitten und gepflückt wird, und diese Schicht wird mit langen dünnen Grassoden belegt, die wie ein Teppich über das Ganze aufgerollt werden.

Die Kinder sehen zu und sind entzückt. Namentlich die Ziege beschäftigt sie, dieses wunderbare Tier. Sie steht auf der Grasvöschung im Westen des Hauses, und als der Hund des Nachbarn, ein kleines leicht erbostes Tier, angelaufen tommit, entspinnt sich ein herrlicher Kampf zwischen ihm und der Ziege. Dies ist der schönste Tag, den die Kinder seit langent gehabt haben. Sophie muß auch einmal hinaus, um zu sehen, wie es geht.

Wie meinst Dut, soll sie heißen, Jens? Denn sie soll doch einen Namen haben."

Jens schiebt die Müte tief in den Nacken und spuckt so weit er tann, aus.

Ja, wie wollen wir sie nennen?"

Sophie schlägt bor  : Mette, zum Beispiel- nicht wahr?" Ja, sie soll meiner Seel Mette heißen, tän."

Sophie meint, daß sie sie auf der Stelle melfen kann. Dann haben sie Rahm   zum Staffee.

..Ach, wie lieb ist es von Dir, Jens, daß Du an die Ziege gedacht hast."

Jens lacht und blickt seine Mutter mit so gutmütigen Augen an.

Ber geht still umber und sagt nicht recht viel.

Er hält Mettes Tüder fest, während Sophie sie melft, und die Kinder stehen ganz andächtig umber und sehen, wie die herrliche dicke Ziegenmilch in dem Eimer schäumt. Später, als sie alleine drinnen sind, sagt Sophie: ..Ach wie schön ist es, einen solchen Sohn zu haben, Ber." Sie schüttet die Milch durch ein Sieb. Dent Dir nur, es ist fast eine ganze Schüssel voll."

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Ja. Jens ist ein guter Junge." sagt Ber  . Er lächelt und fügt hinzu: Und drehen und wenden kann er sich auch geschwind. Seine Glieder schlafen nicht,,,!" .Aber" Sophie setzt den Eimer hin und blickt auf ..er hat doch wohl nicht zu viel Geschmack am Branntwein gefunden?" Ach, das wird doch wohl nur jugendlicher Hmt Uebermut sein."

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..Und dann flucht er so entseglich. Man muß dabei immer an das Leben auf dem Rittergute denken."