Unterhaltungsblatt des Vorwärts
Nr. 69.
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Jm Bauernland.
Mittwoch, den 8. April.
Von Johan Skjoldborg . Hügel- Per fist augenscheinlich ganz gleichgültig da; er ist so ausgemergelt und verbraucht, der kleine Mann, daß er fanm etwas hört oder sieht. Moor- Christian rümpft die Nase. Aber Jerik ist blaß geworden. Er sagt:
Ja, wenn das wahr ist, was Tammes sagt, dann haben wir uns wie Schurken benommen, wie rechte elende Schurken! Ich glaubte auch, daß sie großschnauzig seien." Drei kleine Kinder!" Tammes Frau schüttelt den Stopf. Und dann verbrannt!" sagt Jerifs Frau.„ Seht, mun fann man allerdings so manches besser verstehen."
Ja, das glaub der Deuwel!" fügt Jerik hinzu. Tammes räuspert sich.
..Und dann fagt er, mein Schwestersohn, daß Ber Holt den Rittergutsbefizer alles direkt ins Geficht zu sagen wagte, hol's der Satan, genau so, wie wir hier siten und mit einander reden!"
Es entstand eine kleine Bause, als stellten sie sich alle Per vor, dem Rittergutsbesiter gegenüberstehend. Man tann ihm so leicht nicht was bormachen, dem Burschen," sagt Hügel- Per und gähut müde.
„ Nein, das haben wir schon früher bemerkt," fügt Jerif hinzu und zupft an seinem Schnurrbart.
Tammes:„ Schließlich ward er dann auch vom Gute fortgejagt!"
Fortgejagt?"
a, aber es war aus dem Grunde, weil er die Sache der kleinen Lente führte.
Wie ein Hund fortgejagt! Sie wollten ihn nicht mehr auf dem Gute haben!"
Jerit zupft abermals an seinem Schnurrbart und als Resultat tiefen Nachdenkens bringt er den Sak herbor:„ Ja, ivir haben uns falsch benommen, pfui! Er ist ja ein Mann er ist geradezu ein Manu!..
"
Die andern sißen schweigend da
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Von dem Tage an wuchs bei den andern Moorleuten Pers Gestalt bis ins Sagenhafte.
In den Herzen der Armen liegen immer etliche Aufruhrgedanken verborgen; die haben sich im Laufe ihres Lebens ängstlich verstedt und feine Luft bekommen.
Und es gibt wohl kaum ein noch so erbärmliches Innere, ohne daß Träume emporschießen und die Hoffnung ihre Strahlen hineinsendet.
Diese finsteren Gedanken aus dem Dunkel des Unrechts und diese hellen Gedanken aus dem Lande der Träume wurden in dieser Zeit bei den armen Moorleuten lebendig.
Es war Per Holts Schicksal, das dieses veranlaßte. Es war der Mann, der zu ihnen gehörte, der hier mitten unter ihnen umherging, der Mann, der es wagte, dent KammerHerrn von Gyldholm selber frei heraus seine Meinung zu fagen. Er war es, der einen Hauch der Befreiung in diefes Tal brachte.
In diesem Lichte sahen sie Per, und aus diesem Grunde erstrahlte ihnen seine Gestalt in hellem Glanze.
Aber er hielt sich von dieser Zeit an ganz für sich. Sie näherten sich ihm freundlich.
Aber er wich ihnen aus.
Sie folgten ihm mit den Augen, wenn er feine ein samen Wege ins Moor oder zu den Bauernhöfen ging.
Wenn er an ihren Fenstern vorbeischritt, mochten sie ihm gerne nachblicken, als fei etwas Merkwürdiges an diesem Mann.
10.
Eines Sonntags steht Per in der Tür seiner Hütte und blickt hinaus gen Süden über die Wiesen und nach den Hügeln hin.
Seine Gedanken sind weit, weit von hier. Es liegt Sehnsucht in feinen Blick
Man läßt ihm indessen nicht lange Ruhe, seinen einsamen Gedanken nachzuhängen; denn die Kinder find stets um ihn, wenn er nach Hause kommt. Ein kleines Kind fommt und will auf den Arm genommen sein, und die Zwillinge, die jebt groß sind, spielen ihm um die Beine herum.
1914
Er macht einen kleinen Rundgang durch den Garten. Dort stehen einige Reihen Kartoffeln, deren Blätter schon gelb werden. Der Weißkohl ist vom Wurm zerfressen; nur die Blattrippen sind noch übrig. Es ist überhaupt nicht viel an dem Garten. Auch der Gartenwall ist in Verfall geraten. Maren gräbt Kartoffeln auf zur Mittagsmahlzeit. Sophie steht steif daneben, ohne sich zu regen. Ihr Haar hängt ungefämmt, in langen Strähnen, unter dem Kopftuch hervor, sie sagt nichts; steif und in Gedanken versunken steht fie da wie eine Statue.
Es kommt erst wieder Leben in ihre Gestalt, als sie die Kinder mit Ber hereinlärmen hört. Sie zerren und zupfen an ihrem Vater, damit er sich auf alle Viere legt und mit ihnen Pferd spielt.
Und dann lachen sie so laut und vollführen ein munteres Getöse, das man aus weiter Ferne schon hören kann. Aber plötzlich steht die Ziege Mette oben auf dem Wall und medert.
Sie ist sonst angetidert auf dem grünen Hügel drüben im Westen. Aber jetzt, da sie den Lärm gehört hat, hat sie fich losgeriffen. Sie will auch bei dem Spiel mit dabei sein. Sett steht sie da und medkert durchdringend laut.
Und die Kinder lachen und lachen immer von neuent. Sie sieht so drollig aus mit dem steifen Bart, sie ist so amüsant und so gemütlich. Und dann spielen sie mit ihr. Es geht am Gartenwall hinauf und hinunter im wilden Durcheinander.
Es amüsiert Sophie, diefes Spiel mit anzusehen. Per sucht die Einsamkeit. Im Süden liegt ein grüner grasbewachsener Hügel. Dort sett er sich nieder.
Von den Dunghaufen oben auf den Hoibyhöhen zieht ein starker Ammoniakduft herunter, und der herbe Geruch von Rüben wird vom Winde auch hierher geführt.
Die Luft ist so hoch und rein, daß jede Farbe grell aufleuchtet. Die Beeren des einsamen Ebereichenbaumes drüben im Graben hängen wie Korallenperlen an den Zweigen des Strauches.
Man sieht so deutlich über der niedrigen Wiesenfläche die Brücke über die Hoibyau mit ihrem schiveren hölzernen Geländer.
Wer als ein freier Mann über diese Brücke schreiten fönnte, weithin nach Süden, ganz hinter die hintersten Hügel, dort wo es andere Verhältnisse gibt!
Aber Sophie will nicht fort von hier.
Das dunkle Moor ist übersät mit Flecken blühenden Heidekrauts. Gen Südosten erstrect es sich, soweit das Auge reicht.
Ber überläßt sich seinen Grübeleien
Ein Laut aus der Luft weckt ihn, als würde eine riesige linge mit fauchender Kraft von oben nach unten geschwungen. Das sind Stare, die ihre Uebung abhalten, bevor sie ihre große Reise nach dem Süden antreten.
Ihren Versammlungsplatz haben sie oben auf den Hoibyer Höhen. Dorthin kommen fie in fleinen Scharen aus der ganzen Umgegend, versammeln sich dort und bilden ein großes Vogelheer.
Wie auf Kommando brechen sie auf und schwingen sich hinauf über das Moor. Ein paar Abteilungen, die eben ankommen, fchließen sich den andern an, und ein einzelner Nachzügler taucht mit unter in der großen Schar.
In einem mächtigen runden Kreise schweben sie über dem Moor, um später wieder auf den Soibyhöhen zu landen. Diese llebungen wiederholen fie Mal auf Mal. Aber eines schönen Tages ist es ein ernsthafter Aufbruch, und dann fliegen sie fort, fernen, fremden Küsten zu.
Per sitt lange da und verfolgt mit den Augen die Flug übungen der Stare und horcht auf das pfeifende Saufen der Flügel.
Da sieht er die Moorlente, seine Nachbaren, den Weg entlangfommen.
Wann kommst du endlich, du strahlender Tag, Da die kleinen Lente fich scharen?" Dieser Bers, den Per aus einen Gedicht im Sozial demokraten" kannte, fiel ihm gerade ein.