Unterhaltungsblatt des Vorwärts
Mr. 87.
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Smetse der Schmied.
Donnerstag, den 7. Mai.
Eine flämische Legende von Charles de Coster .
7. Von Smetse dem Neichen. Desselbigen Tages kamen zu Smetse viele ansehnliche und geringe Personen, Adlige, Priester, Bürger und Bauern, um große Arbeiten und Aufträge bei ihm zu bestellen, und so an allen andern Tagen und das ganze Jahr hindurch. Bald war die Schmiede zu enge, und Smetse mußte sie größer machen, dieweil die Zahl seiner Arbeiter immer während zunahm. Selbige schmiedeten so schöne, künstliche und wunderbarliche Stücke, daß ihr Ruhm sich in fremden und fernen Landen verbreitete. Von Holland , Zeeland , Hispanien, Deutschland , England, ja selbst von den Türken fam mian, sie zu sehen und zu bewundern. Aber Smetse gedachte an die sieben Jahre und war nicht froh.
Nicht lange, so waren seine Truhen voll schöner Crusados, Engelstaler, Rosennobel und güldenem Gerät. Aber er hatte kein groß Ergößen, wann er all dieses Geld betrachtete, denn er erachtete, daß es mit seiner Seele, so er dem Teufel für die ganze lange Ewigkeit verschrieben, zu teuer erkauft sei. Slimbroek der Rote verlor seine Kunden einen nach dem anderen, welche alle zu Smetse zurückkehrten. Er war zerlumpt und gar elendig worden und stellte sich jeden Tag ans Ufer und betrachtete von da das schöne Feuer, so in der Schmiede des guten Schmieds brannte. Und dieweil er das tat, schien er so versunken in Staunen und Dumpfheit wie eine Eule, welche einen Heller anschaut.
Smetse, welcher um seine Notdurft wußte, schickte ihm unterschiedliche Kunden, auf daß er sein Leben friste, und manche Beisteuer in Geld. Aber ob er gleich das Böse mit Gutem vergalt, ward er davon nicht fröhlicher, denn er gedachte an die sieben Jahre.
Smetses Weib, da sie ihres Reichtums inne ward, kaufte an jeglichem Sonntag Lenden von fettem Hammel, Gänse, Kapaunen, Truthähne und anderes treffliches Fleisch zu braten, lud ihre Freunde, Anverwandten und Arbeiter zum Schmaus, und war ein schönes Gastmahl, wohl befeuchtet mit Doppelbraunbier.
Aber dieweil Smetse aß und trank wie ein Kaiser, ward er darum nicht fröhlicher, denn er gedachte an die sieben Jahre. Und der Dampf des bratenden Fleisches verbreitete sich so leder und saftig über den Zwiebeldamm und machte die Luft so balsamisch, daß alle Hunde, welche zumeist in der Stadt. herumstrichen, vor dem Hause stille standen und den Wohlgeruch schnupperten. Da saßen sie auf ihrem Hintern mit der Nase in der Luft und warteten auf den Abhub. Und die Bettler, deren es eine große Zahl gab, kamen gleicherweise dorthin und wollten die Hunde verjagen. Und so entſtunden wütende Schlachten, darinnen etliche schlimm gebissen wurden. Da sie dies sahen, traten Smetses Weib und andere Gebatterinnen jeglichen Sonntag an die Türe mit Körben voll milder Gaben und reichten dort vor der Mahlzeit aus den Körben allen Bettlern gutes Brot, Schnitten Fleisch und zwei Heller zum Trinken, und das alles mit freundlichen Reden und guten Worten. Dann bewogen sie sie, den Damm zu verTassen, welches sie willig taten. Nur die Hunde blieben, und am Schluß des Gastmahls ward ihnen gleicherweise etliches Futter gegeben. Dann liefen sie davon und trugen jeglicher seinen Knochen oder andere Beute davon.
Smetse mitsamt seinem Weibe gewann diese armen Bettler und Hunde von Herzen lieb. Er gab den Bettlern Nahrung und Obdach, desgleichen allen kranken, hinkenden und elenden Hunden, so in Gent herrenlos herumliefen, und sein Haus ward das Hundespital und das Armenhaus geheißen. Dessen ohngeachtet war er nicht froh, denn er gedachte an die sieben Jahre.
Von diesem Gedanken geplagt, sang Smetse nicht mehr, verlor sein Fett und schrumpfte sichtbarlich zusammen, ward schwermütig und sinnend und sprach in seiner Schmiede kein Wort, es sei denn um der Arbeit willen. Und er ward nicht mehr Smetse der Fröhliche, sondern Smetse der Reiche geheißen.
Und er zählte die Tage.
1914
8. Wie ein zerlumpter Bürger und ein Weib nebst einem allerliebsten Kindlein auf einem Esel vor Smetjes Tür kamen. Am zweihundertfünfundvierzigsten Tag des siebenten Jahres zur Zeit der Zwetschenblüte hielt Smetse ganz stille seine Mittagsruhe. Er saß auf einer Holzbank gegenüber seiner Tür und schaute gar trübsinnig auf die schönen Bäume, welche auf dent Damm stunden, und auf die Vöglein, so in den Aesten spielten oder sich zankten und Futter aufpickten. Er schaute auch die helle Sonne an, welche die Vöglein lustig machte, und hörte hinter sich den schönen Klang seiner Schmiede und sein Weib, so Fische zur Mahlzeit briet, und seine Gesellen, die sich sputeten, um zum Essen zu gehen, denn es war Essensstunde; und er sagte sich, daß er in der Höllen nicht Sonne, noch Vöglein, noch grünbelaubte Bäume seben würde, daß er nicht den Klang seiner Schmiede, noch seine flinken Gesellen, noch sein Weib hören würde, wie es Fische zur Mahlzeit briete.
Nach kurzer Zeit gingen seine Gesellen hinaus und Smetse blieb allein auf seiner Bank und pflog Rats mit sich selber, ob kein Mittel sei, den Teufeln zu entrinnen. Da plößlich hielt vor seiner Tür ein Mann von kläglichem Aussehen. Sein Haar und Bart waren braun, er war gekleidet wie ein zerlumpter Bürgersmann und trug einen dicken Knüttel in der Hand. Er ging neben einem Esel, welchen er am Zügel führte. Auf dem Esel saß ein schönes, artiges und junges Weib von edler Haltung und säugte ein ganz nackend Stindlein, welches ein so sanftmütig und holdes Antlitz hatte, daß Smetse bei seinem Anblick ganz getröstet ward.
Der Esel stund an der Türe der Schmiede still und hub an, erschröcklich zu schreien.
„ Meister Schmied," sprach der Mann, sieh hier unseren Esel, welcher unterwegens eins seiner Eisen verloren hat. Würde es Dir belieben, ihm ein anderes anschlagen zu lassen?" " Ich werde es selber tun," erwiderte Smetse, denn ich bin allhier allein."
Ich muß Dir zuvor sagen, daß wir Bettler sind," sprach der Mann. Habe keine Sorge," entgegnete Smetse, ich bin reich genung, um ohne Zahlung alle Esel in Flandern mit Silber zu beschlagen."
Solches hörend, stieg die Frau vom Esel und fragte Smetse, ob es ihr verstattet sei, sich auf die Bank zu setzen. " Ja," sprach er.
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Und dieweil er das Tier festband, den Huf beschnitt und Eisen anlegte, sagte er zu dem Manne: Von wannen kommst Du solcherart mit dieser Frau und dem Esel." Wir kommen," gab der Mann zur Antwort,„ bon fernen Ländern und haben noch weit zu wandern." ,, Und leidet dieses Kind, so immer nackend ist, nicht von Kälte?"
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Mit nichten," sagte der Mann, denn es ist ganz Wärme und Leben."
Hoho," sprach Smetse, Ihr redet nichts Uebles von Euren Kindern, Herr. Aber dieweil Ihr so wandert, was habt Ihr für Trank und Speise."
,, Das Wasser der Flüsse," sprach der Mann, und das Brot, welches man uns schenkt."
Ach," sagte Smetse, davon gibt man Euch nicht allzuviel, das sehe ich, denn die Körbe des Esels sind leicht. Ihr habt also oftmals Hunger?"
" Ja," sprach der Mann.
„ Das mißfällt mir," sprach Smetse, denn es ist sehr ungesund, daß eine säugende Mutter Hunger leide, maßen die Milch davon sauer wird und das Kind kümmerlich gedeiht." Und er befahl seinem Weibe: Weib, bringe so viel Brot und Schinken herbei, als nötig, um die Körbe dieses Tieres zu füllen. Vergiß auch nicht das Doppelbraunbier, welches armen Reisenden himmlische Stärkung ist. Und eine gute Meze Hafer für den Esel."
Da die Körbe voll waren und das Tier beschlagen, sprach der Mann zu Smetje:„ Schmied, ich will Dich, maßen Du so gut bist, belohnen, denn so wie Du mich siehst, habe ich große Macht."
Ja," sprach Smetse lachend, das sehe ich genugsam."