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hüllen hielt. Dann aber brach die Maiensonne hervor, und mun still und verlassenen Ladebühnen und Separationsanlagen unter den wuchs und quoll es in lauen Nächten, teimte und blühte ein beteerten Pappdächern, auf die die Sonne heiß brannte, jeder Raum helles Jubilieren neuen Lebens. war mir bekannt. Dort arbeitete der, dort jener meiner Bekannten.

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Die Bergarbeiter im Ruhrkohlenrevier waren in den Streit Mittlerweile begannen die Versammlungsteilnehmer sich trupp getreten. Mit explosiver Kraft war die Bewegung zum Ausbruch weise einzufinden. Alle schienen mir still und bellommen zu sein, gekommen, so wie der junge Frühling über Nacht in die Lande es lag viel mehr Ernst auf ihren Gesichtern, als wie ich sie am gezogen fam. Auch die Grubenstlaben hatten sich gezählt und die Tage vorher gesehen hatte. Sie sprachen, wie sie sonst zu sprechen Bande gesprengt, in die sie das Grubentapital mit brutaler Macht pflegten, aber etwas Erwartungsvolles lag auf allen. Im Hucksiy, gefchlagen hatte. den die Bergleute gewöhnlich einnehmen, faßen jie plaudernd in Gruppen zusammen. Schon mochten über tausend Personen anwesend fein, aber immer begann man noch nicht, was meiner jugendlichen Ungeduld schon zu lange dauerte. Um die Vorgänge gut überschauen zu können, hatten wir beide einen erhöhten Stand eingenommen. Da erschienen mit einem Male einige Uniformen, was eine Be wegung hervorrief, die sich aber wieder gleich legte, als man sah, daß es die einheimischen Bolizeibeamten waren, die in jungen Jahren selbst zur Grube gegangen waren und von denen man kein un berechtigtes Eingreifen erwartete.

Auf der alten Grube Hasenwinkel, die in einem Seiten tale der Ruhr liegt, wo man schon seit Jahrhunderten Koble ge­graben hatte, war auch die etwa 1500 Mann starfe Belegschaft einmütig in den Streit getreten; es arbeitete fein Mann, nicht einmal die Fördermaschinisten. Die Belegschaft setzte sich durch­veg aus einheiraischen Bergieuten zusammen, die vielfach bis aus Sprockhövel und den umliegenden Ruhrgemeinden stundenweit zu Fuß den Weg zurüdlegen mußten. Sie waren meistens Befiger leiner sogenannter Plaumentotten, die zur Not ein oder zwei Mühe hielten und mit Zähigkeit und Liebe an ihrer eigenen Scholle bingen. Die Belegschaft bildete jetzt einen Kreis, in dessen Mitte mut Für sie war die Grubenarbeit Tradition geworden, denn schon der ein langaufgeschossener, Hagerer Mann in mittlerem Alter trat. Ein Bater, der Großvater batte auf dem Grubenbetriebe gearbeitet, als schöner Bart gab ihm etwas Autoritatives. noch der Stollen und Göpelbetrieb in llebung war, und jetzt, wo die Glück auf, Kameraden! Glück auf schallte es vielhundert fiefergelegenen Kohlenpartien mittels Tiefbauschacht Tiefbauschacht gevonnen stimmig zurüd. wurden, arbeitete der Sohn als Kohlenhauer auf der Grube. Zu Kameraden", begann der Redner auf plattdeutsch: Do Großvaters Zeiten, noch zu Baters Zeiten war es ein patriarcha un'n" feine Hand zeigte auf den Schacht lisches Arbeiten gewesen, jegt aber, wo die Grubenarbeit nach den rudt muft sic nigg. Wie hät jet dann ersten fapitalistischen Methoden betrieben wurde, war die Arbeitsintensität Echriert gedohn, dann ersten fräftigen Schlagg gefoabrt, lott us gesteigert, war der Bergmann zum bloßen Lohnstlaven herab- annern folgen loaten. Wat es da Bergmann dann van Dage? Nids gefunken. es! Wann ne Dehrne hierobt un et bett: Wat fritt't van ehn, un et hett än Bergmann wann't än Klingelsteril hieroht, steht sich biätter as wan't' n Bergmann fritt. In wu wa wie be handelt? No, gitt weht alle, wie maft jeden Dag mett. Dönse Dage hävve än Wagen Koale getriagen- mette Mischaffel bäck Stehiner druf gefchmetten. Da beste Koalen mei va ut daun un da schlechsten frie me. Wann wie ut dörse Lage Harutwellt, dann mövve ennig bienehm holn, mövve as da Englänner us in starte Bäbänne tesammen schluten. Ennig fin wie ftarf, enzeln fin wie nide, organisiert ne grote Macht."

Wie viele Nachbarn und Bekannte von uns, so arbeitete mein Bater auch auf Hasenwinkel, hatte aber während der Zeit einen längeren Urlaub. Meine älteren Schultameraden hatten meistens den Weg zur Grube einschlagen müssen, mich hatte ein gütiges Ge­ichid davor bewahrt. Wenn die Arbeitsfameraden meines Vaters des Sonntagsabends sich regelmäßig bei uns in der großen Stube beim Startentisch versammelten und über Arbeitsverhältnisse und bolitische Vorgänge sprachen, dann war ich schon als Schultnabe ein fehr aufmerksamer Zuhörer. Wie oft war ich Zeuge davon gewesen, enn sie mit erbittertem Grimm von den schamlojen Wahlbeein flussungen, von den Pappdedelstimmzetteln sprachen, wenn sie über ungerechte Lohnabzüge wetterten, über schofele Behandlung, und was fie alles über sich ergehen lassen mußten. Wie oft hatte ich die fehn­fuchtsvollen Worte gehört:

In die Ecke lehnst den Pflug,

Wenn du russt: Jekt ist's genug".

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lette un

Seine Rede war beendet. So schlicht und einfach er auftrat, in

so inhaltsreicher Tiefe hatten seine Worte in der Sprache, die sie alle redeten, gezündet. Was bedurfte es vieler Borte; sie wußten Dieses Kurze und alle, worauf es anfam, und das war genug. Knappe, wobei das Wesen mehr macht als die Worte, war den west fälischen Berglenten zusagend.

Sie gitt domett invästoan? Wa wollt Woart? Es nigg nödig! rief man. Dann schloa gitt Delegierte filr. Es wurden Namen gerufen. niärm, flang es von allen Seiten.

Söllt sien? Jo, wevve

Kameraden, begann er nun wieder nach einer Bause, wie meit jegt Delegierte wählen. Er zog ein Stück Bapier aus der Rod­Nun war der große Moment gelommen. Was sich jetzt er- taibe, worauf die vom Zentralfireiffomitee aufgeftellten Forderungen erstanden. Boran die alte Kardinalforderung: Achtstündige Schicht eignen würde, blieb mir, das wußte ich, bis an mein Lebensende inklusive Ein- und Ausfahrt. bewahrt. Eine große Bergarbeitertragödie würde sich abspielen. Bie in Zolas Germinal, den ich eifrig verschlungen, als ein Freund meines Baters den Roman ins Haus gebracht hatte, so mußte es tommen. Das war der Wunsch meiner lebhaften Knabenphantasie. An einem Nachmittage hörte ich, daß nun auch Hasenwinkel gefallen" war. Die Berglente tamen durch den Wald von der Grube zurück und fangen, junge Maigweige in den Händen tragend. aus voller Kehle. Es wurde nichts anderes mehr als vom Streit gesprochen. Das Wort Streit häufig fagte man noch, der englischen Schreibweise entsprechend Stride" war mir so fremd­Die Delegierten bahnten fich den Weg und schritten zur Wohnung artig und neu, es barg so Revolutionäres und Geheimnisvolles in des Dbesteigers, der in einem im ichweizer Stil gehaltenen Zechen­lich. Als der Abend dunkelte, ging ich in den nahen Wald und hause wohnte, das am Rande des wäldchens liegt. Sie trafen den tigte mit einem Taschenmesser unter Aufzeichnung des Datums Obersteiger in dem Garten an. Bor Neugierde getrieben, waren wir einige Zeichen in eine Buche, die mir das Gedächtnis beide den Delegierten gefolgt und lugten durch die Hecke. Mit dem an den Abend wachrufen sollten, was fie auch getan üblichen Glück auf! traten sie an den Beamten heran, der ein echter haben, denn der Baum trägt heute noch deutlich die Zeichen. Pascha in seinem Grubenreich war. Glück auf! erwiderte er scheel

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Die Gewählten traten in den Kreis, alles schlichte, einfache Stnappen in den besten Jahren. Snappen in den besten Jahren.

Nu woll' wir foartsnomm Obersteiger goan und äm Forderungen zaufteln.

von der Seite..

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Gett nits, nits, nits. gar nits! gitt annern jeggen! Glid auf! grüßten die Delegierten, der Bascha überhörte es oder schien es nicht hören zu wollen. Im Walde warteten die Versammelten und empfingen schweigend das Resultat; ruhig ging man auseinander.

Die Szenen im Germinal leuchteten vor mir auf. Ich sah den alten Bommemort, wie er in der nächtlichen Streifversammlung im Wir wollt ink uffe Forderungen börbreng'n, fagte der Sprecher. Forst von Pan- de- Dames geisterhaft vom Mond beleuchtet auf einem Der Beamte nahm das ihm dargereichte Schriftstid, das die Forde Baumstamm stand, wie dann der junge Stephan die Massen mit feuriger Rede hinriß, wie sie nach der Grube Biftoria und Gaston- rungen enthielt, würdigte es feines Blides und fuhr mit einer ans Marie strömten und die Maschinen und Kessel zertrümmerten. Ha, Sommandieren gewohnten näselnden und quäkenden Stimme auf: lo ein Knabenerlebnis, so etwas hätte auch hier mal vorgehen müssen. Und sollte es nicht? Die langverhaltene Bollewut, der Streit. Wenn die Versammelten morgen nach der Versamm lung, die im Zechenwäldchen stattfand, weil kein Wirt es wagte, leinen Saat berzugeben, wenn sie wild wurden? Dieser Versammlung mußte ich beiwohnen. Das war die erste Bersammlung, die die Belegschaft von Hasen­Es war ein schöner Maitag. Mein gleichaltriger Jugendfren: winkel abgehalten hatte. Ich war von der Rüchternheit des Vor­und Nachbarssohn Gustav H., der über Tage Pferbetreiber war, ganges enttäuscht. Wie war es doch im realen Leben ganz anders. und natürlich auch streikte er lebt jezt noch und wohnt in der Eppendorfermart war mein Begleiter. Das Buchenwäldchen, in Ich hatte zündende, mit begeistertem Bathos vorgetragene Reden dem die Versammlung stattfand, steht jetzt noch zum Teil. Man und noch mehr erwartet, so wie die des jungen Stephan im Germinal. Und nun die Ansprache in Plattdeutsch . Nicht einmal blidt von ihm direkt auf die in einer scharf eingeschnittenen Schlucht Hochdeutsch sprach man, das llang fo nüchtern und alltäglich. liegenden Zechenanlagen. Sonntagsstill und verlassen lagen sie da, nicht ein weißes Dampfwöllchen sah man emporringeln. Der monotone Hub der die die starkey großen Schachtpumpe dis Bafferzuflüffe furz zu halten hatte und die nicht still gesezt werden durfte, sollte nicht die Grube erfaufen, hörte sich an wie das tief ausholende Atmen eines Riesen. Der hohe achtedige Schornstein aus grauen Feldbrandsteinen, der tohlenstaubige Förderturm, dort die große Fördermaschine, aus deren Ausstoßrohr der Dampf mit jedem Stelbenstoß sein Muff! Muff! in die Luft stieß, die jetzt!

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Der Sprecher hat nie wieder das Wort in einer Bergarbeitere bemlung ergriffen; dies blirb seine erste und letzte Rede, wies og ein Name unter den besten genannt wird. Es war der Berg arbeiterpoet Heinrich Kämpchen .