Unterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 92. alle

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Smetfe der Schmied.

Donnerstag, den 14. Mai.

Eine flämische Legende von Charles de Coffer.

15. Vom Blutkönig.

Da der letzte Abend des siebenten Jahres gefommen war, stund Smetse in seiner Schmiede und betrachtete den berzauberten Sad und ging voller Angst mit sich zu Rate, wie er den Teufel da hinein brächte.

Indessen er wehklagte, ward die Schmiede jählings von einem verpesteten, stinkenden und faulen Geruch erfüllt, und unzählige Läuse bedeckten Estrich, Decke, Ambosse, Hammer, Stangen und Blasebälge und Smetse und seine Gesellen. Selbige waren wie geblendet, denn besagte Läuse waren in der Schmiede so dicht wie eine Wolke, Rauch oder Nebel.

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wohl geheilt zu sein, Schmied! Warest Du wirklich krank wie ich?"

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So wie Ihr, Sire," entgegnete Smetse. Ich war nichts als ein Klumpen lebendiger Fäulnis: ich war stinkend, faul und verpestet, und jedermann floh mich gleich wie Euch. Wie Ihr, ward auch ich von Läufen verzehrt. Aber was der hochgelahrte Doftor Olias von Madrid für Euch nicht voll­brachte, das vermochte ein geringer Zimmermann für mich." Bei dieser Rede spiste der Teufel die Ohren:..An welchem Orte," fragte er, wohnt dieser Zimmermann und wes Namens ist er?"

... Er wohnt im Himmel, und sein Name ist Sankt Joseph."

Dieser hohe Heilige ist Dir also durch besonderes Wun­der erschienen?"

" sa, Majestät."

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Und durch welche Tugenden hast Du diese heilige und feltene Gunst verdient?"

Sire," antwortete Smetse, ich hatte nie Tugenden genug, um auch nur den Schatten eines Körnleins von be­fonderer Gnade zu verdienen; aber da ich litt, so betete ich in Demut und mit Zuversicht zu meinem gnädigen Schutz­patron, Herrn Sankt Joseph. und er geriihte, mir beizu­stehen."

,, Erzähle mir den Fall, Schmied."

" Sire," entgegnete Smetse und wies den Sack vor, fehet mein Hilfsmittel."

Und man hörte eine melancholische und herrische Stimme: Smetse, fomm mit, die sieben Jahre sind um." Und da Smetse und seine Arbeiter, so gut sie vermoch ten, dahin blickten, von wannen die Stimme fam, saben sie durch den Nebel von Läufen einen Mann auf sich zukommen, der trug auf der Stirn eine Königsfrone und auf dem Rücken einen Mantel aus Goldbrokat. Aber der Mann war unter dem Mantel nackend, und man sah auf seiner Brust vier große Eiterbeulen, die waren nur eine Wunde, und von ihnen ging der Gestank aus, welcher die Schmiede verpestete, und die Wolken von Läusen, so darin herumsprangen. Und am rechten Bein hatte er eine fünfte Schwäre, noch scheußlicher, fauler und stinkender denn die anderen. Der Mann hatte Ja, Sire; aber geruhe Eure Majestät, den Hanf, daraus weiße Haut, fastanienbraunes Haar, roten Bart, etwas aufer gemacht ist, genau zu betrachten. Merfet Ihr nicht seine schier seltsame Art?" geworfene Lippen und den Mund ein wenig geöffnet. In feinen grauen Augen wohnte Melancholei, Neid, Verstellung, Heuchelei, Härte und böse Nachsucht. Da die alten Gesellen ihn erblickten, schrien sie mit Donnerstimme: Smetse, der Blutfönig ist hier, wahre Dich!"

Ihr Schreier," rief Smetse, still doch: Schweigen und Ehrfurcht. Nehme jeder seinen Sut ab vor dem größten König, so jemals war, Philipp, dem Zweiten seines Namens, König von Kastilien, Leon und Aragonien , Graf von Flan­ dern , Herzog von Burgund und Brabant , Pfalzgraf von Holland und Zeeland , erlauchter Fürst unter den Erlauchten, groß unter den Großen, siegreich unter den Siegreichen."

,, Sire," fuhr der Schmied fort, zu dem Teufel sprechend. hr tut mir die unerhörte Ehre an, mich in die Höllen zu führen, aber ich armer, niedriger Schmied wage Eurer fönig­lichen und pfalzgräflichen Hoheit vorzustellen, daß die Stunde des Paktes noch nicht geschlagen hat. Darum, so es Eurer Majestät beliebt, will ich die kurze Frist, so mir zu leben bleibt, auf Erden verbringen."

..Es sei," antwortete der Teufel.

Indessen schien Smetse seinen Blick nicht vom Teufel abwenden zu können und hatte das Ansehen, als sei er höchst traurig und betrübt, und er sprach etliche Male topfschüttelnd: Wehe, wehe! bittere Qual, grauses Unglück!" Und er seufzte gar beweglich.

Was ficht Dich an?" fragte der Teufel.

ch, Sire," redete Smetse, leide an feinerlei Uebel, ohne allein an dem großen Schmerze, zu sehen, wie hart Gott mit Euch verfuhr, da er Euch in der Höllen das Gebresten ließ. daran hr starbet. Ach, es ist ein gar jämmerlich Schauspiel, einen großen König, wie Ihr waret, von diesen Läusen gernagt und von diesen Eiterbeulen zerfressen zu feben."

Ich brauche Dein Mitleid nicht," antwortete der König. ,, Sire," redete Smetse weiter, geruhet meine Worte nicht übel au deuten. Ich ward nimmer in der Redekunst unterrichtet; deffen ohngeachtet wage ich mit Eurer erlauch­ten Bein Mitleid zu haben, zumal ich Euer Uebel aus eigenem Leiden fenne; und Ihr könnet auf meiner Haut noch and son fee, auf einer die erschrecklichen Male davon sehen, Sire." Und Smetje entblöste seine Brust und zeigte die Narben von Wunden, so er von den verräterischen Hispaniern erhalten, als er vor­dem mit denen von Zeeland auf dem Meer kreuzte. ,, Aber," sprach der fönigliche Teufel, Du scheinest mir

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hier

Dieser Sad?" fragte der Teufel.

werden, uns armen Menschen ist's nicht bestimmt, alle Tage Ach," sprach Smetse weiter und schien ganz verzückt zu solchen Hanf zu sehen. Auch ist es fein irdischer, sondern himmlischer Hanf aus dem lieben Paradies, von Herrn Sanft Joseph um den Lebensbaum gefäet und auf seinen sonder. lichen Befehl geerntet und gewirfet au Säden für die Bohnen, welche die Herren Engel an den Festtagen effen."

Aber wie fommt dieser Sad in Deine Hände?" ,, Ha, Sire, durch großes Wunder. Eines abends lag ich zu Bett und erlitt zwanzig Tode ob meiner Schwären und war ganz bereit, zu verscheiden. Ich sabe mein gutes Weib weinen, hörte meine Nachbarn und Gesellen, deren viele int Hause sind, an meinem Bette Sterbegebete sprechen; mein Leib war voller Schmerz und meine Seele voller Verzweif lung. Da fiel es mir ein, zu meinem gnädigen Schuh­patron zu beten, und ich schwur, so er mich von dieser Folter­pein erlöste, so wollte ich ihm in Sanft Bavo eine solche Kerze weihen, daß der Talg von zwanzig Hämmeln nicht hinreichte. Und ich bat nicht umsonst, Sire, denn unversehens entstund ein Loch in der Decke zu meinen Häupten, und ein heller Schein und himmlischer Wohlgeruch erfüllten die Stammer. Durch das Loch schwebte ein Sad herab, und ein weiß­gekleideter Mann folgte dem Sack, wandelte in der Luft bis zu meinem Lager, warf die Leilachen, so mich bedeckten, zIE Boden, und ehe denn ich Zeit gefunden, mit den Augen zit 3winfern, tat er mich in den Sad und zog die Schnur unt meinen Hals zu. Aber nun sehet das Wunder: kaum war ich mit diesem trefflichen Hanf bekleidet, so durchdrang mich linde Wärme, meine Schwären schlossen sich, und meine Läuse plaßten, zumal mit erschrecklichem Lärm. Darauf, so erzählte mir der Mann lachend die Geschichte vom himm lischen Hanf und den englischen Bohnen und sagte zum Schluß: Bewahre dies Heilmittel, Herr Sankt Joseph sendet es Dir. Wer seiner braucht, der wird von allent lebel ge­heilet und für alle Ewigkeit gerettet sein, so er nicht in­zwischen feine Seele dem Teufel verkauft." Damit ver­schwand der Mann. Und er hat mich nicht betrogen, der gute Bote, denn mit Hilfe des himmlischen Saces habe ich Toon, meinen Gefellen, von ungefunden Säften, Bier von Fiebern, Dolf von Skorbut, Hendrik von der Schleimsucht und zwanzig andere geheilt, die es mir zur Stunde danken, daß sie noch am Leben sind."

Da Smetse also geredet, schien der königliche Teufel in Gedanken versunken. Plöblich hob er die Augen gen Himmel,