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Schritte hörte, die von der Korridortür zum Zimmer der Mutter| Gestalten, ließ Karlchen den Atem in der Bruft gefrieren, bis plög­gingen, dann merkte er sofort, daß das die Schritte von einem Onfel lich ein ganz toller Mut über ihn fam, so daß der Kleine aus dem ivaren und zog sich schnell die Dede über die Ohren. Am Hellichten Bett sprang und mit geballten Fäusten gegen die Tür des Zimmers Tage, wenn durch die offenen Fenster der Lärm der Straße herauf schlug. Die Tür ging auf, und Karlchen wurde mit einem Schlage drang, hatte Karlchen Courage genug, fich nicht vor den Onkels zu beruhigt und von seinem Grauen befreit als er Licht fah. Er hätte filrchten, aber in der Nacht, wenn alles dunkel und still war, fühlte fchwören mögen, im Kino zu sein, we auf einem flimmernden er nicht die mindeste Luft, mit diesen geheimnisvollen und schrecklichen Hintergrunde die Menschen, groß und weiß, mit langen Schritten Wefen anzubinden, die Kleine Jungen auffreffen und aus den Augen geben, über Hindernisse wegschreiten, wie verrückt Hände und Funken sprühen. Füße bewegen und mit den farblosen Gefichtern stupide um sich sehen.

Raum war Argenia ausgegangen, so machte sich Karlchen, der jezt Herr des Feldes in der winzigen Wohnung war, daran, für sein Abendessen zu forgen.

Wer die Mutter hörte, wenn sie mit ihren Freundinnen sprach, der mußte denken. daß es dem Kinde an gar nichts fehlte. Es be Tam so viel Gutes, daß es immer einen verdorbenen Magen hatte Hierbei liefen Wahrheit und Dichtung ineinander. Dft fand Karlchen ein halbes Huhn, Pakete voll Kuchen, ganze Schalen voll feinem Obst. Aber andere Male mußte er sich mit einem angebiffenen Brötchen begnilgen. Manchen Abend gab es Ueberfluß an guten Dingen, und ein andermal fehlte sogar das nötige.

Wenn das Abendbrot reichlich war, dann schlang Karlchen es hinunter, ohne sich auch nur zu feyzen, aber wenn es wenig gab, dann spielte er zum Troft den Herrn, der ins Wirtshaus geht". Dann fezte er sich bequem vor den Toilettentisch und tat so, als ob die Buderbüchse und die Töpfe mit Goldcream und Schminken die feinsten Gerichte enthielten und sprach mit dem eigenen Bilde, das ihm der Spiegel zeigte, wie mit einem dienstbeslissenen Kellner.

" Zwei Liter, aber gut soll er sein", sagte er und runzelte die Brauen, um ein recht drohendes Geficht zu machen. Dann lächelte er, weil er den Kellner vorstellte und fragte: roten oder weißen?" Weißen und roten" und dabei schleuderte er eine Dose auf den Boden und schrie: das sollten Sie doch wissen, Sie Esel!"

Daran hatte er solchen Spaß, daß er sich am Ende die Höschen heraufaog und gana ftola sagte: Diesmal habe ich aber ordentlich gegessen" und dabei stieß er mit der Schulter gegen einen Stuhl, der die Tür des Wirtshauses vorstellte.

"

Heute abend hatte Karlchen nichts gefunden, nicht einmal eine Brotrinde, und deshalb ging es ganz großartig zu. Er ließ etwas draufgehen und lud alle alten Stühle ein, die im Zimmer berum ftanden. Was trintst Du? Was ist Dir gefällig? Weißwein oder Rotwein?" und weil ein dreibeiniger Stuhl absolut nicht gerade stehen wollte, sagte er ihm verständnisinnig:" Ich sehe schon, Du bist be­foffen. Somm her und schlaf Deinen Dusel aus", und damit legte er ihn aufs Bett.

Zu guterlegt nahm er die ganze Gesellschaft mit in ein Bar und schleppte alle Stühle vor den offenen Schrank, aus dem er mit Herrschermiene die Anisetteflasche_holte.

Er trant einen Schluck und sagte: Jeyt trinke Du... so, jezt ist die Reihe an mir... nimm Du noch einen Schlud, ich noch

einen

Und für jeden Stuhl tat das Kind einen Zug aus der Flasche, bis es sich lachend und schwindelig auf sein Bettchen warf und mit Frende gewaht wurde, daß alles um es tanzte, wo es doch ganz ruhig im Bette lag.

Die Mauern tanzten, der Bettschirm, die Kissen, das Bett tanzte mit, und Karlchen hielt sich am Bettuch fest, um nicht heraus­zufallen.

Und aus diesem Wirbel sant er in den Schlaf, und alles wirbelte noch um ihn, als er die Wutter heimkehren hörte und neben ihrem Schritt den eines Onkels erkannte: ein wuchtiger Schritt, wie wenn ein schwerer Karren über das Pflaster fährt. Der Wandschirm zitterte davon, die Scheiben flirrten, so daß Karlchen sich in der fchrecklichsten Angst zu einem Knäuel zusammenrollte. mußte sich gleich wieder auseinanderrollen, denn ihm war so heiß Aber er als ob sein ganzer Körper in Flammen aufginge. Er fauerte fich auf die Knie und legte die Stirn ans Fenster, um sich abzufühlen. Troz aller Angst freute er sich über das Flimmern der Sterne: je mehr er die Augen zumachte, je mehr flimmerten und funkelten die

Sterne.

Die Laterne, die im Hofe brannte, schien hin und her zu gehen und rauf und runter. Vielleicht war fie ein Riese geworden, vielleicht ein Onkel, auf alle Fälle hatte Karlchen den Eindruck, daß das keine richtige Laterne mehr war, sondern etwas Lebendiges, das auf und ab ging. leberhaupt wunderte ihn das gar nicht, wie ihn nichts gewundert hätte, denn in seinem Köpfchen war eine riesige Konfufion, obwohl ihm alles sehr flar schien. Die Gedanken freuzten fich und verwirrten sich wie die Fäden einer zerzausten Strähne, aber der einzelne Faden war deutlich zu unterscheiden iroz aller Berwirrung.

Auf einmal hörte er die erstickle Stimme seiner Mutter und dann einen gellenden Schrei. Stühle wurden umgestoßen und rollten auf dem Boden, als wenn man mit ihnen spielte. Argenias Stimme flang erstickt, abgerissen, als wollte sie schreien und könnte nicht.

Karlchen war nicht mehr heiß. Ihm war sehr kalt, und die Zähne schlugen aufeinander.

" Ich fürchte mich fo," fagte er zu sich selbst mit weinerlicher Stimme, ich fürchte mich fo."

"

Und die Furcht schien boshaft zu werden, als sie ihren Namen hörte, und füllte die dichte Finsternis des Korridors mit schrecklichen

Neben dem Bett lag Argenia, noch angezogen, aber ohne Schuhe, und ein Mann, sicher ein Ontel, trocknete sich die Hände an der Bettdecke ab. Die Stühle lagen mit den Beinen nach oben im gimmer herum, das Waschbecken war umgestoßen, und der Loden des Zimmers schien ein See.

Karlchen wäre es nicht müde geworden, stundenlang zuzusehen, wenn der geheimnisvolle Mann nicht beim Umdrehen auf ihn auf­merksam geworden wäre. Und nun wir es wieder ganz wie im Kino! Das Licht wurde ansgelöscht, Merlahen belam einen Knuff, daß er in den Korridor taumelte, und der Mann ging mit feftem Schritt hinaus, schlug die Tür der Wohrung zu und alles wurde still. So feierlich still, daß Karlchen von der Ruhe eingewiegt wurde und bald fest und traumlos schlief.

,, Was ist geschehen? Wer ist heut nacht in Eure Wohnung ge­lommen? Was hast Du gefehen? Ueberlege es Dir gut, dente ordentlich nach", fagte am nächsten Morgen ein Schuhmann, der den Kleinen auf die Polizeiwache begleitete.

Wer war hent nacht bei Euch zu Hause?"

Ein Onlel" sagte Karlchen zerstreut und warf den Kopf zurück, um spöttisch auf den Flug der Vögel zu achten, die immer dasselbe Spiel zwischen Dächern und Himmel spielten, ohne je etwas Neues zu erfinden.

Aber was ist das für ein Onkel?" fragte der Schuhmann. Du mußt das besser erklären."

Jetzt riß Karlchen die Geduld. Es war eben ein Dnlel," ant wortete er und ging vom Fußsteig herunter, in der Hoffnung, einen Radfahrer zu Fall zu bringen, der in schnellster Fahrt daherfam.

Kennst Du denn diesen Onkel? Weißt Du wie er heißt?" Als einzige Antwort spudte Karlchen mit Wucht gegen den glänzenden Rahmen eines Schaufensters, womit er offenbar feine unermeßliche Berachtung für alle reinlichen Dinge zum Ausdruck bringen wollte. Als aber der Schuhmann mit seiner dummen Fragerei immer noch nicht aufhörte, blieb der fleine Sterl mitten auf der Straße stehen, steckte die Hände in die Hosentaschen und rief mit dem Ausdrud eines Menschen, dem seine Sache zum Halse heraushängt: Bist Du taub oder blödsinnig? Ein Onkel war's und er hieß Dnfel!" Und doch gelang es der Polizei, an der Hand der Angaben des Kindes, den Mann zu identifizieren, der die Halbweltedame erwürgt und ihre Schmucksachen geraubt hatte. Autorisierte llebersehung aus dem Italienischen.

Kleines Feuilleton.

gegen

Heilkunde.

Gin gefährliches Seilmittel. Vor ungefähr andert­halb Jahren erregte der Berliner Arzt Friedmann mit der Ankündigung eines Heilmittels Heiten, angeblich äußerst wirksamen die Tausende Tuberkulose großes Aufschen. bon Kranken, die der Tod bereits gezeichnet nicht werden, denn Friedmann hatte, fingen wieder an zu hoffen; aber geholfen fonnte ihnen Nur er und ein paar seiner engsten Vertrauten wendeten das gab seine Erfindung nicht frei. Mittel an, alle anderen bekamen die Aufgabe zugewiesen, die Lobeshymnen jener anzuhören. Erst die Kritik, die die Kollegen an seiner wenig humanen Methode übten, und die von medi­Mittel wenigstens von den ersten Fachleuten nachprüfen zu lassen, zinischen Gesellschaften mehrfach wiederholte Aufforderung, das veranlaßten ihn endlich im Herbst 1918, sein Präparat den Aerzten zur Verfügung zu stellen. Es handelt sich um eine Kultur lebender Lubertelbazillen der Schildkröte, die für unseren Organismus angeblich harmlos sind, aber ihn immerhin so verändern, daß den Organismus eines Säugetiers dann in ihm die dem Menschen eigentümlichen Tuberkelbazillen nicht mehr ihre Lebensbedingungen finden.

In den letzten Wochen hat nun die Deutsche Medizinische Wochenschrift " die ersten Mitteilungen über die mit dem Fried­mannschen Mittel erzielten Resultate veröffentlicht. Bedeutende Aerzte haben zahlreiche Patienten, sowohl Lungenschivindsüchtige, wie Krante mit Knochen- und Gelenktuberkulose oder Lupus , mit dem neuen Präparat behandelt, aber auch kein einziger hat eine günstigere Wirkung beobachtet als bei izgerdetser anderen Methode. Dagegen berichten die meisten von ganz erheblichen Schä­digungen, die nach der Einsprißung eingetreten sind. Biel­fach bildet sich an der Stelle, wo die Belterienkultur eingefprit worden war, eine starte Zelfgewebsentzündung, die in Eiterung überging und nun wochenlang von den spärlichen, überhaupt noch verfügbaren Kräften des Stranten zehrte.. Ein Kind ist durch diese