Unterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 101.

Б)

Der Kakadu.

Donnerstag, den 28. Mai.

Erzählung von Anna Croissant- Rust  . ,, Mit der nicht, gewiß nicht, beruhigen Sie sich." Huller zuckte die Achseln und schwieg. Wann kommt sie?"

Nächsten Samstag schon."

" Da wollen wir ein bißl lustig sein, ein bißl Empfang feiern, Sie brauchen's, Frieda! Sie werden gewiß fröhlicher werden, wenn Sie ein junges Geschöpf um sich haben, gewiß, und das ist gut, also feiern wir? Ja? Und dann werfen Sie all den alten Vergangenheitskrempel fort, denken Sie, das ist aus, ist vorbei! Schrumm! Schütten's zu, die ganze Grub'n, und lachen Sie drüber, dann sind Sie frei, dann

fönnen Sie wieder leben."

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1914

ich bring's nicht zusammen, Sie wissen ja, die Mutter hat mich nicht lassen. Weran ich was unrecht mach', sagen Sie's halt, ich bitt' gar schön."

,, Aber Kind, Du machst ja alles so nett!"

Frieda brachte es nicht übers Herz, ihr zu sagen, daß sie in hohem Grade linkisch war und ihr nur im Wege herum­stand. Und wie rührend bemühte sich das Rest, hochdeutsch zu reden, sie hatte ja sonst ein ganz gräuliches Münchnerisch gesprochen! Das tat sie ihr zulieb, fie wußte, daß sie es nicht leiden konnte. Das war doch reizend! Auch Huller fand das augenscheinlich.

Heute hatte Frieda schon den ganzen Tag nachgedacht, wie sie es wohl einrichtete, daß Huller jekt nicht mehr so oft täme, wo das Rest da war. Er war nichts für das Mädel; natürlich wollte er jetzt erst recht kommen und das Haus", das sich allmählich, wenn auch knurrend, an ihre Kamerad schaft gewöhnt hatte, wurde dann aufs neue wieder erregt Aber sein Uebermut und seine Heiterfeit konnten sie und schäumte" in unnötigen Klatschereien auf. Dem mußte nicht ansteden. Sie war müde und wollte nach Hause fahren; sie vorbeugen und mit Huller reden, denn sie war verant­die Pferdebahn war gedrückt voll und sie wurden getrennt, wortlich für das junge Ding, das fast noch ein Kind war auch auf dem kurzen Nachhauseweg famen sie zu feinem und bemuttert werden mußte. Es war denn doch etwas richtigen Gespräch. Frieda bliebt verstimmt und traurig. Unter der Haustür blieb Huller stehen, straffte seinen komisches Verhältnis übrigens, er bemutterte sie nämlich anderes, Huller und die Kleine und Huller und sie. Ein Rücken und stand militärisch gerade. Eins zwei- drei! Kopf in die Höhe, Frieda! Jetzt zieht die Freude ein. Wir ſtets. Auch diesen Abend wieder. Er richtete den Teetisch, er tochte Tee, er war voller Fürsorge, daß sie alles Gute cuf schreien hurra! Sie und ich auch, denn mit der Kunst die dem Teller hatte, und er ließ sie gar nichts tun, wobei ihmi Freude! Na ja! Sie machen mir auch feine, wenn das Rest fleißig zu assistieren versuchte. Sie immer in den alten Geschichten herumstochern! Ich allein fann Sie nicht frei machen, von innen heraus muß es kommen" und in einem plötzlichen warmen Antriebe büdte er sich und füßte ihre Hand, von der sie schon den Handschuh

gezogen.

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Sie verdienten es, Sie Gute."

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" Ja, wenn Sie das Rest anlernen, mich so zu verwöhnen, daß ich gar nichts mehr tun darf, bin ich bald überflüssig," scherzte Frieda. Natürlich muß das Fräulein niir helfen. In allem. Sie muß auch mithelfen, daß Sie wieder lustig werden, so wie wir zwei! Wir sind frohe Menschen, wir scheren uns den Kuckuck um anderer Leute Nasen und böse Zungen, wir sind frei, nicht Fräulein Reserl? Ich hab's Ihnen ja gleich an­gesehen, daß Sie sich nichts aus den umgebenden Kaffern machen. Jetzt schaut sie! Sie wußte machen. Jetzt schaut fie! Das versteht sie nicht! Macht nig. Auf's Wissen kommt's nicht an, nur auf die Praxis Ver­und die hat das Reserl, mein' ich immer, gelt? zeihen Sie, Fräulein Frieda, ich schwätze ja Blech, und ver­gesse, daß Sie feinen Tee mehr haben! Schimpfen Sie nur tüchtig, das soll Ihnen gut tun und mir auch." Und fniend bot er ihr eine Tasse Tee an. Er war ganz wie ausgewechselt, voller Unruhe und Erregtheit.

Frieda zitterte, als sie die Treppe hinaussprang, und broben mußte sie sich gleich seßen. Das Gesicht in die Hände gedrückt, blieb sie lange unbeweglich. Dann kam ein Schauer über sie, die Achseln zuckten, die Brust hob sich, und dicke Tränen fielen zwischen ihren Fingern durch. Sie wußte nicht, was sie so traurig machte. Es war nicht die Er­innerung an ihre Jugend, nicht die Vergangenheit, nicht ihre Sehnsucht, es war die Liebe.

Am Samstag kam das Rest" wirklich. Schon vor sechs stand Huller auf der Lauer, jemand mußte doch da sein, vielleicht traute sie sich nicht herein, denn es stand groß angeschrieben: Vor den Hunden wird gewarnt". Aber das fiel dem Rest gar nicht ein. Sie fam in einem Fiaker, mit einem ziemlich großen Koffer, den ihr Huller gleich beim Eingang abnahm. Sie machte allseitig Furore; natürlich hatte sie sich möglichst schön gemacht und jah wirklich elegant aus. Man war nicht umsonst bei Weidner!

Ich will nämlich nur dem Fräulein Resi zeigen, wie fie Sie behandeln muß. Wenn das getan ist, und sie hat es endlich kapiert schnell geht's nicht bei ihr!- seßen wir Alten uns zur Ruhe und lassen uns von der blühenden Jugend bedienen."

Fräulein Resi, Ganymed bin ich, das ist nämlich so was wie Scherffellner, also bin ich verpflichtet, für die jeweiligen Getränke zu sorgen. Unmöglich können Sie auch die nächsten Brennpunkte des Münchener   Daseins, Bier und Wirtshäuser finden-"

Die feine Toilette und der Fiaker verstimmten Frieda" Freilich hab' ich's schon fapiert. Sie, da kennen's mich etwas, auch die neugierigen Augen ringsum. Resl war schlecht. Darf ich den Herren Eltern vielleicht eine Maß aber so unbefangen dabei, fonnte so herzlich danken und Bier holen? Ich hab' selber einen Mordsdurst nämlich, auf sich so schüchtern und bescheiden geben, daß sie nicht böse Bier, mein' ich; auf den Tee kann ich verzichten." bleiben konnte. Zum Anbeißen sah das Mädel aus mit der Apfelblütenhaut und den vollen roten Lippen, die ordent­lich gespannt und prall waren. Huller schaute sie beständig an, während er hinter den zweien dreinstolperte. Der Koffer war sehr schwer, und er wollte doch mitkommen! Für das Haus" war es ein großes Gaudium", daß sich das Dromedar so abzappeln mußte. Aber er gab nicht nach, immer feuchte er dicht hinterdrein, und immer hingen seine Augen an Rest. Ja ja, etwas reif waren ihre Formen freilich für ein so junges Ding, fie sah viel eher wie eine junge Frau aus, der Nacken war voll und kurz, die Hüften sehr entwickelt.

Na, die gute Frieda, wenn sie sich nur nicht verrechnete in ihrer Güte, denn kokettieren konnte das Mädel, daß es nur so eine Art hatte!

Freilich im Verlauf des Abends verging der Eindruck wieder.

Rest hatte sich umgezogen und kam in einer ganz ein­fachen Bluse und einem weißen Schürzchen. War sie vorher eine Dame gewesen, so sah sie jetzt entzückers aus mit ihren etwas trägen, müden Kinderbewegungen und mit ihrer Un­beholfenheit in häuslichen Dingen.

Ich möcht' ja gern helfen, Fräulein von Kausniß, aber

,, je! Ich find' jedes Wirtshaus, ich hol's Bier! ,, Nein, ich, erlauben Sie gütigst!"

Wo ist der Maßkrug?"

" Ich werde mich hüten, Ihnen meine Attribute auszu­liefern! Ja, schauen Sie nur! Attribute sind etwas Scheuß­liches, Gräuliches, Fürchterliches! Man muß gewappnet sein bis an den Hals, wenn man sich getrauen darf-"

Buleßt gingen sie miteinander. Auf der Stiege schon sprach ihr Huller sein Wohlgefallen aus, auf dem Hof hieß er fie furzweg Resi, und im Zurückgehen fragte er das schöne Mäder!", ob es ihn nicht ein wenig gern haben könne.

Resi erwiderte gar nichts; es war, als habe kein Ton von dem, was er gesprochen, ihr Ohr berührt. Huller war baff. War sie zornig, hatte er sie unterschätzt, sich im Ton vergriffen und sie etwa wirklich gekränkt?

Auf der Stiege ging fie voraus und er nahm sie plötzlich fest um die Taille.