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Fällt mir gar nicht ein. Es ist mit sehr gleichgültig, wie andere Menschen über das, was ich für richtig halte, denken." Dr Werner zuckte hochmütig die Achseln.

Sch fürchte ja, wie der Spruch des Ehrengerichts lehrt.[ den. Betriebe des ersten Unterrichtsjahres völlig zu entfernen, Jedenfalls werden Sie gegen dieses Urteil Rekurs ein- das Rechnen nur als Anschauungsmittel beizubehalten und die Stundenzahl zu ermäßigen. Bu fordern ist ein alle Geistes- und Tegen?" im Preien und im Zimmer, der zugleich die spätere Schularbeit am Körperkräfte diefer Entwicklungsstufe beschäftigender Gesamtunterricht beften vorbereitet; weiter, daß die Klasse von einem Lehrer drei Jahre durchgeführt wird, diesem nur das Ziel der 6. Kaffe ver bindlich ist, ihm aber innerhalb dieses Zieles das Recht freier Stoff­und Behandlungswahl gewährt bleibt, er also von Lehr- und Stundenplan befreit wird.

Dr. Render wiegte mißbilligend den Kopf hin und her und dann meinte er: Sie sind zu leicht geneigt, au einemt, ich möchte sagen, selbstherrlichen Standpunkt aus, das, was ( Forts. folgt.) um Sie hergeht, zu übersehen."

Die Versuchsschule.

Von Otto Rühle .

Was die Leipziger Lehrerschaft forderte, war somit: ein Ver such sunterricht, der seine erste und wichtigste Aufgabe in der Erreichung eines alle Sinne and Kräfte bildenden Gesamtunterrichts erblicken sollte, der Lesen, Rechnen und Schreiben nach Gutdünken hinausschieben konnte und für den die Bindung des Lehr- und Stundenplan- Mechanismus nicht bestand. Die Forderung bedeutete grundsäglich den ersten in größerem Maßstabe unternommenen Versuch, mit der bisherigen Schraub- und Zangenmethode im Unterricht der Schulneulinge zu brechen. Kein Wunder, daß dieses fühne Beginnen auf den Widerstand der Vor­gesetzten stieß. Die im Geruche übler Reaktion stehende Konferenz der Leipziger Schuldirektoren, die sich seit Jahren um den Nachweis bemüht, daß auch die Fachaufsicht in der Schule ein schweres Hemmnis der Entwickelung sein kann, hatte mit ernstesten Bedenken und Einwendungen" die aussichtsvolle und bedeutsame Neuerung zu hintertreiben gewußt.

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Der Buch- und Lernschule erstehen immer mehr Gegner. Die Erkenntnis ihrer organisatorischen und methodischen Mängel dringt mit jedem Tage tiefer in das Bewußtsein der Deffentlichkeit ein. Jedermann weiß, daß ihr der Zopf hinten hängt. Solange sich nur Schüler über die Unnatur des Lernbetriebs und Eltern über die Unfruchtbarkeit der aufgewandten Zeit und Mühe beklagten, wies die Aber schließlich kamen die Versuchstlassen doch. Nicht Zunft das dreiste Gebaren der ungebetenen Kritiker mit fühl über­legener Geste ab. Als später Psychologen und Physiologen die Be- ganz im Sinne und nach dem Wunsche der Lehrer, nicht allgemein, rechtigung der vorgebrachten Beschwerden wissenschaftlich erhärteten, nicht völlig befreit von den Schatten der Tradition und den Fesseln der behördlichen Kontrolle aber doch freier, selbständiger, eigener machte man der grauen Theorie" augenzwinkernd und achselzuckend einige Zugeständnisse; in der Praxis blieb es beim alten. Schließlich als es das Schema& bisher gestattet hatte. Und sie kamen nicht aber wurden auch die Praktiker, die Lehrer selbst, mobil. Wissen bloß in Leipzig , nein auch in Dresden , Chemnik, Halle, Dortmund schaft und Erfahrung hatten ihnen, je länger, je mehr, den Blick ge- bald da, bald dort, bald in großer Zahl Blüten erstehen läßt, und vielen anderen Städten; wie ein vom Wind verstreuter Samen schärft für die Verkehrtheiten und Unzulänglichkeiten des Schul­unterrichts und der Erziehung, die immer unerträglicher würden, je so fand die Idee der Versuchsklassen bald dugendfache, in vielen weiter sich die lebendigen Formen und Forderungen des Lebens Variationen spielende Verwirklichung. Und die Einrichtung bewährte von den toten Formen und leberlieferungen der offiziellen Pädagogit fein mochten, unter denen sie ihre Aufgabe zu erfüllen fuchte. Mehrere fich, so neu sie war und so ungünstig verschiedentlich die Bedingungen entfernten. Da wird die Aktivität des Vorschulpflichtalters beim Schulbeginn plötzlich in das Eiswasser der Passivität unserer Drill- Schulverwaltungen gingen schließlich dazu über, den gesamten pädagogik getaucht und für alle Zeiten abgetötet. Da wird die geistige erprobte Grundlage zu stellen. Elementarunterricht auf die durch die Versuchsklassen er Entwickelung des Kindes, dieser fließende Verlauf organischen Ge­

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schehens, in Lehr- und Stundenplänen mechanisiert und grob ver- Damit war dem Elementarunterricht geholfen. Aber der übrige äußerlicht. Da wird die findliche Individualität unter den Dampf- Unterricht litt weiter unter den alten Mängeln und Wider­walzen des Massenbetriebs gemahlen und ausgelöscht. Da sprüchen. Noch immer überschüttet man die Kinder mit Stoff, dem wird, der Pestalozzischen Forderung der Anschaulichkeit zum fie nicht gewachsen find. Noch immer wird auf fargem und dürftigem Hohn, tagtäglich scheffelweise die Spreu des Memorier Boden Raubbaut getrieben, indem man ihm Ernten abzwingt und seine stoffes durch die Klappermühlen des Gedächtnisses Kraft erschöpft, bis er zur Wüste wird. Noch immer schlägt man alle trieben. Da spukt das Phantom einer allgemeinen Bildung, einer Individualitäten über den einen Leisten der jeweilig herrschenden allgemeingültigen Ethit, eines allgemeinverbindlichen Erziehungs- Methode, bis sie platt und uniform geworden sind. Noch immer ideals. Die Lehrer erkannten, daß zwischen Elternhaus und Schule fehlt es infolge des strengen Lehr- und Stundenplanes an Zeit, die eine flaffende Lücke entstanden ist, daß wertvolle Naturtriebe im Kinder kennen zu lernen und entsprechend ihrer Eigenart zu be­Kinde vergewaltigt und erstickt werden, daß Lernen und Leben ein- handeln. Noch immer herrscht der banale Omnibusbetrieb der ander vielfach widersprechen, daß ein Riesenmaß negativer Arbeit Bildung, der den öden Durchschnitt züchtet und das unendliche Ge­geleistet wird, daß die Bureaukratie das Selbstverantwortlichkeits- vimmel der herzhaft Schwazhaften" hervorbringt. Die Reform gefühl herabdrückt und den Erziehungsbetrieb veräußerlicht, und daß dieses Unterrichts machten sich besonders die Hamburger das Wehen eines im Wirtschafts- und Gesellschaftsleben, in Politit, ehrer zur Aufgabe. Sie studierten und probierten. Im Zeichen Kunst, Forschung und Kultur fich ankündigenden neuen Weltgeistes unterricht wurden nette Wege gesucht; im Deutschunterricht erlöste auch in der Erziehung neue Grundsäße, Tendenzen, Ideale verlangt. man durch freie Themawahl die Jugend von dem Halseisen der Sie erkannten, daß Neues werden will, ohne noch recht zu literarischen Zwangsarbeit. In allen Fächern regte sich reformes wissen was, wozu, wodurch. Wie man den Frühling fühlt, auch rischer Drang, immer mit dem Ziele: die Anlagen des Schülers frei wenn der Schnee noch im Winde treibt; wie man eine Wetterwende zu entwickeln und ihnen in allen Formen zum Ausdruck zu ber­ahnt. Und sie forderten. helfen. Ausdrudskultur- das wurde die Parole. So fam Im Jahre 1905 nahm die methodische Abteilung des Leip- die Hamburgische Lehrerschaft in fast zwanzigjähriger inten der Erziehung, die das ziger Lehrer Vereins zu dem strittigen Punkte des leber- fiber Arbeit zu einer Theorie der ganges von der Familie zur Schule und des ersten Elementar- bestehende System in seinen Grundfesten erschüttert. Für die unterrichts Stellung und forderte nach dem Vorbilde der Lersner- Umsetzung in die Praxis aber fehlt ihr noch die ausreichende tat schule in Frankfurt a. M., daß ein ausgedehnter Borberei sächliche, reale Erprobung. Es genügt der wissenschaftlichen Päda tungsunterricht, mindestens bis zu den großen Ferien, den gogit unserer Zeit nicht, ihre psychologische Grundlegung in einer Nebergang aus der Spielzeit in der Familie zur systematischen zum größten Teil fonstruierten, der Phantasie und dem schließenden Arbeit in der Schule bilden" müsse. Die Behörde kam dem Wunsche Denken entstammenden Seelenlehre zu suchen und zu finden, wie der Lehrerschaft nicht in vollem Umfange nach, aber sie gestattete es die alte Pädagogik z. B. eines Rousseau oder Herbart tat. Es doch, daß von Ostern 1905 ab in allen Leipziger Volksschulen ein genügt der pädagogischen Pragis nicht mehr, ihre normativen Vor­sechswöchiger Vorbereitungsturius eingeführt wurde, schriften allein durch allgemeine Deduktionen zu finden. Vielmehr der mit Hilfe von Märchen- und Geschichtenerzählen, Spielen, muß unsere Zeit von der Pädagogik fordern, daß sie ihre psycho­Spaziergängen, turnerischen Uebungen und allerhand Vorübungen im logischen Begründungen aus der durch die empirischen Methoden Sprechen, Schreiben, Zeichnen usw. Brücken über die zwei wichtigen der Beobachtung und des Versuchs gewonnenen Kenntnis des tat­gegeneinander flaffenden Abschnitte im Kindesleben zu schlagen versuchte. fächlichen, von dem des Erwachsenen verschiedenen Seelenlebens des Damit war die starre Form des herrkömmlichen Elementarunterrichts Schulfindes gewinnt. Vielmehr fordert die heutige Praris, daß der durchbrochen und der Beginn des Lese- und Schreibunterrichts Wert der für sie verbindlichen Regeln und Richtlinien sich im wenigstens auf ein paar Monate hinausgeschoben. praktischen Versuch erwiesen hat."

Die Leipziger Lehrerschaft blieb aber bei diesem ersten Kleinen Erfolge nicht stehen. Sie diskutierte das Problem der Schulreform weiter und wurde, je tiefer sie eindrang, einen zweiten Schritt vor wärtsgeführt. Nach eingehender Erörterung der Elementarunterrichts­frage im Lehrerverein fam man zu folgenden Thesen: durch den gegenwärtigen Betrieb des Elementarunterrichts mit seinem ver­frühten Einsetzen und Vorherrschen einer einseitig geistig formalen Bildung sowie die von ihm beanspruchte hohe Stundenzahl wird die förperliche und geistige Entwickelung der Kinder zerstört. Darunter hat auch aller folgende Unterricht zu leiden. Um eine ruhige, ge­funde Entwickelung der Kinder zu sichern, ist Lesen und Schreiben aus

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Damit gelangt die Hamburger Lehrerschaft zur Forderung von Versuchsschulen, die die Schulsynode im vorigen Jahre an die Oberschulbehörde gerichtet hat. Versuchsschulen, wie sie in Amerika häufig sind, um didaktische und methodische Probleme unter günstigen Verhältnissen von besonders dafür begeisterten Männern durchprobieren zu lassen, und wie eine solche Berthold Otto aus eigener Initiative und eigenen Mitteln gegründet hat. Die Ober­schulbehörde entschied sich im Bewußtsein ihrer damit zu über­nehmenden Verantwortung" zunächst noch nicht, sondern berlangte echt bureaukratisch die Vorlegung eines Arbeitsplanes der Versuchsschule. Bitte, nicht zu lachen: Das, was erst das schließliche

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