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Meinhold brachte ein Aftenstiid, aus dem Dr. Werner| fegnungsbilder in brüchigen Rahmen. Dazwischen alterte unter gewölbtem Giafe ein fahler Myrtenkranz; die Inschrift hatte die ein Suvert entnahm. Beit verwischt.
Die Gesellschaft ist am 20. September 1900 laut Ausana aus dem Handelsregifter gegründet worden mit einem nominellen Kapital von sechzigtausend Marf."
Sehen Se, sechzigtausend Mark, das ist doch Geld!" unterbrach der kleine Monn. Gesellschafter sind Felix Blinker," fuhr Dr. Werner ruhig fort, ohne den Einwand zu beachten, August Füchset nnd Stefan Papadopos."
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den wir hinausgesetzt haben," warf schnell Felix Blinker ein, da er ein Schwindler ist."
Frieder ließ seine Reisetasche zurück, und dann gingen, sie zum Bahnhof, in einem Bogen über die Wiesen um das Städtchen, in dem der Festtag ausgefeiert wurde, das Reisegut der Fremden..ab zuholen. Nachher schlenderten sie im weichen ferfand stromnebenher, so weit, daß der Lärm aus dem Städtchen sich nicht bis zu ihnen heraus verlor. Nebeneinander streckten sie sich in das haarfeine Gras, rüdten eng zusammen. Auf ihren Gefichtern brannte das Licht rot durch den seidenen Sonnenschirm. Sie sprachen und füßten fich.
Aber Frieder durfte nichts sagen, was noch Beziehungen ins Gestern spann oder hinüber knüpfte zum Morgen, und auch die Fremde erwähnte nichts, was nicht in diesem einen Tage wurzelte und endete. Es war, als hätten beide sich in diesen Tag als auf eine Insel geflüchtet und den Kahn zerbrochen, der sie herüber getragen. Daß sie sich morgen aufgeben, fich verlieren würden, das hatte für sie nicht ein wenig Traurigkeit.
Das ist auch meine Ansicht," antwortete Dr. Werner. Dann las er weiter:„ Die Einlagen find geleistet worden mit fünfzehntausend Mark in Anteilscheinen der Zentral- Hotelgesellschaft, und zwar von Herrn Blinker. Ferner Juwelen im Werte von fünfzehntausend Mark und fünftausend Mart in bar von Herrn Füchsel; ein Automobil im Werte von fünfzehntausend Mark von Herrn Papadopos. Die fünfzehntousend Mark, die Herr Felix Blinker, und die weiteren fünf- ließen beide Fenster weit offen stehen. Draußen lagen noch Spät tausend Mark, die Herr Papadopos noch einzulegen hätten, find bis jetzt nicht bezahlt worden."
Die Gesellschaft brauchte bis jetzt die Beträge noch nicht," Jogte Felix Blinker.
Schön. Soweit der Auszug aus dem Handelsregister," fuhr Dr. Werner fort, und zog ein zweites Kuvert aus den Aften. Ich habe aber erfahren, daß ein gewiffer Stefan Papadopos am 13. August wegen Betrugs zu einem Jahr und zwei Monaten Gefängnis verurteilt ist. Es handelt sich unter anderem auch um einen Automobilschwindel. Sollte vielleicht dieses schwindelhafte Automobil identisch sein mit der Einlage diefes Herrn Papadopos?" er fab spöttisch air Felix Blinker und bemerkte, wie dieser den Aufdruck auf dem Kuvert lefen wollte. O bitte, bitte, das Kuvert steht bnen zur Verfügung. Es ist die Auskunftei vom früheren Kriminalfommiffar Leffer. Ich glaube, eine der solidesten und zuverlässigsten Auskunfteien in Berlin . Meinen Sie nicht auch?" ( Forts. folgt.)
[ Schlußz]
Der Schuß in den Spiegel.
Von Curt Mored.
Später fehrten sie heim; er legte den kräftigen Arm weich um ihre Schultern. Sie stiegen gleich in das stille, abenddunkle Zimmer hinauf. Am weißgedeckten Tische aßen sie zu Nacht und nachmittagslichter, dem Himmel flog ein leichter purpurner Dunst an. Sie hatten den Tisch an das großgeblümte Kanapee herangezogen und drückten sich in die ausgesessenen Polster, nachdem Frieder die beiden altmodischen Stühle abseits an die Wand gestellt; sie hatten nämlich so fühl und mißbilligend zugefehen und daran erinnert, daß es außer ihm und ihr auch noch andere Menschen gab
nicht stören, war das lehte Licht aus dem Zimmer gewichen. Der Langsam und Teife, als wolle es die beiden Menschenkinder Simmel wurde fahl, und der Rhein floß aschfarben. An der dunklen Wand im Often glomm ein Stern auf. Er lugte zu dem fleinen Hause hinüber, blinzelte in die dämmerverschleierte Stube; er erkannte nur einen fleinen weißen Wachsstock auf einem Tischchen und von einer Stuhllehne faltig zu Boden fließend etwas Feuerrotes, wie ein Gewandstück. Dann schaute er über die Dach first hinweg nach dem Städtchen, wo aus alten Giebeln rotblin Der Strom schluchate und stöhnte; auf seinem fühlen Leibe lag fende Augen zwinferten und wo der Lärm langsam schlafen ging. heiß, schwer und unruhig die Sommernacht, und die glühende Erde sog gierig an seiner erfrischenden Feuchte
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Als Frieder am Morgen erwachte, fand er sich allein. Er sprang auf und kühlte sein Gesicht mit frischem Wasser. Dann ging er umher und suchte, ob die Fremde nicht irgendeine Kleinigfeit vergessen habe, ein Tuch, einen Handschuh, ein Band.
Ein
Er suchte den Boden ab und fand nicht eine Nadel. Es enttäuschte ihn, und er durfte es doch nicht anders erwarten. wenig fassungslos machte es ihn. Was hatte sie gesagt? Er erinnerte sich an ein paar Worte aus der Nacht: Das kann man nicht vielmals haben, ohne etwas Gewöhnliches daraus zu machen
Er öffnete ein Fenster; der Strom floß in faltem Morgenlichte, über den Wiesen dampften Nebel. Leer stand das trübe Glas des Spiegels , und Frieder starrte hinein, als müsse er sie noch darin erspähen können, noch ihren Schatten finden; als sei fie durch den Spiegel ihm entschwunden ins Unwirkliche.
Es lag dicht am Flusse ein altes Gasthaus, das Frieder früher einmal mit Kameraden besucht hatte. Dorthin führte er jetzt die Fremde, und sie saßen in einer großen, fühlen Gaststube, wo sie durchs offene Fenster freien Ausblick hatten, über den Strom, über das jenseitige fer, über Felder, weit ins Land hinein, das heiß und golden unter der Sonne lag. Es tat gut, dazusißen, die Glieder feiern und ausruhen zu lassen, sich in die Augen zu sehen, Lust zu haben an der Gegenwart und sie vom Gestern und Morgen abzuschneiden wie die Frucht vom Baum. Und sie erzählten sich Er fleidete sich an und kletterte die schmale Treppe hinunter. und lachten, ihr Gespräch jagte wie Fliegen im Windzug. Die Das Gastzimmer war leer. Die Dame habe keinen Morgenflugen Augen der Frau glänzten und spiegelten warm, wie der taffee genommen, erzählte das Mädchen. Sie habe sich nur von Wein, mit dem sie Frieder zutrant. einem Buben ihre Handtasche zum Bahnhof bringen lassen. Frieder stimmte zu, als wisse er. Nach dem Frühstück ließ er sich Tinte und Feder in seine Stube bringen, schob den Riegel zu und breitete den Inhalt seiner Reisetasche auf dem Tische aus, eine vielgestaltige Menge harmlofer Gegenstände, aus denen der blanke auf der Pistole mit dem kleinen schwarzen Auge seiner Mündung bedrohlich herauslugte.
Sie erzählte, daß sie nur zufällig ins Städtchen gekommen sei und morgen in der Frühe weiterreise, den Rhein hinauf in eine ihr fremde Stadt. Einen Tag habe sie Ruhe haben, unter fremden Menschen sein wollen; nichts um sich sehen, was ihr gewohnt, nichts, was ihr in langen ermüdenden Stunden wieder zur Gewohnheit werden müsse; sehen und vorübergehen; das Glück der Freiheit streifen, wie die Schwalbe das Wasser. Aus Augenblicken sich cinen Tag machen, der bunt ist wie eine Frühlingswiese, und morgen wieder das Aschenbrödelgewand des Wochentags überziehen. Und der junge Mensch saß da und lauschte hingerissen auf das starke Bekenntnis des jungen Weibes. Er hätte etwas tun mögen, um dem stolzen Menschenkinde da zu zeigen, was in ihm war und nicht herausgedurft in qualvollen Jahren des Zwanges; aber er fand nichts, kaum ein paar arme Worte, und saß nur da und streichelte mit seinen Fingern ihre Hand.
Als sie schwieg und zum Fenster hinaussah, bekannte er zögernd, daß auch er morgen von hier fort müsse.
Eilig faltete er ein paar Briefbogen auf und schrieb, schrich und strich aus. Und im Spiegel gegenüber stand sein Gesicht bleich und ernst, mit zwei harten herben Falten senkrecht zwischen den Brauen. Das ganze Zimmer um ihn her lauschte ängstlich auf und hielt den Atem an. Zwei Worte sette Frieder hin und strich drei wieder fort, strich, daß die Feder auffreischte und in das Papier riß, das links oben eine Krone trug.
In seinem Hirn suchte er nach Worten, die die ganze Schwere cines Lebens hätten tragen sollen, um die die ganze Dumpfheit feines Schicksals hatte lasten müssen; Worte, mit denen man das Leben von sich fortwarf, wie einen Stein in den Strom.
Er saß und sann. Mit breiten Lichthänden strich die Sonne über den Tisch, als wolle sie mit all dem Spielerischen auch das lauernd Drohende fortschieben; als wolle sie den dumpf brütenden, in sein Schicksal verfangenen Menschen hinausziehen in die Allmacht ihres Strahles.
Mit einem Male fiel ihm ein, daß sie noch nicht wiffe, wer er sei, wie er heiße. Aber fast erschreckt wie sie das zurück, als er davon sprechen wollte. Was soll uns das?" sagte sie; was gilt uns das? Macht dich das glücklicher, wenn du weißt, mit welchem Ramen ich draußen in der Welt abgestempelt bin? Darum laß das... Du bist mir du, und das ist genug genug." Und sie fing sich seinen Kopf und füßte ihn auf beide Augen. In dem alten Gasthause mieteten sie ein fleines Zimmer. Mit glücklichen Herzen stiegen sie hinter dem Wirt die schmale Treppe hinauf. Das Stübchen ging mit zwei ffeinen Fenstern auf den Strom. Sauber und peinlich gestriegelt stand das weiß- Er entfaltete den Inhalt der kleinen Ledermappe, verteilte gedeckte Bett in einem Winkel, und an der Wand hingen Ein- die Geldscheine in etliche Umschläge und schrieb fest und far die
Endlich zerknitterte Frieder die beschriebenen Bogen. Ging cs nicht auch ohne das?! Warum das dumme Spiel so beenden?! Lachen und schweigen, aber nicht Lächerlichkeiten ausspinnen in ernsten Worten, nichts bekennen vom innersten Menschsein, nichts ans Tageslicht kommen lassen von Seele und Gefühlen.