■— Jd iZL Zb SZL zt �J~;& B&*& 3 Jg Wesen hat erst eine Länge von 3 Zentnnctern! Der zarte Leib ist wie ein durchsichtiger, blählich rosiger Wurm anzuschauen, ohne jede Ausbildung irgendwelcher Gliedmaßen, ohne Ohren und Atem- löcher. Die Mutter drückt dies unscheinbare Klümpchen weichen, fast zerfließenden Fleisches vorsichtig mit den Händen innerhalb des Beutels an eine Zihe und hält es fest, bis es sich dort allmählich festgesogen hat. Nach dieser ersten scheinbaren Tätigkeit, die mehr nur ein Haftenbleiben der winzige» Schnauze infolge der be- ständigen mütterlichen Zutunlichkeit ist, flieht dem kleinen hilflosen Wesen von selbst die Nahrung zu. Acht Monate lang, hangt es nun an der Brust im Beutel, in diesem nach außen verlegten Fruchthalecr. Bis es eines Tages, tocn» es schon völlig behaart ist, der oft zuschauenden und helfenden Alten ein paar kleine dumme Augen zeigt, auch die Ohren schon halb lauschend aufrichtet und endlich mit stunipfen Sinnen den ersten Anzeichen einer ihm außerhalb seines„Kinderzimmers" lebendig werdenden Welt aus dem Fell der Mutter cntgegenhorcht und entgegcnstiert. Für den, der so ein„tragendes" Känguruhwcibchen erblickt, ist es wirklich ein absonderlicher Anblick, wenn seine Augen zum erstenmal das Junge aus dem Bauchfell mit fürwitzigem Köpfchen hervorgucken sehen. Plötzlich erhält es aber von einer Vorderpfote der Alten einen kleinen zärtlichen Schlag auf die Nase, und da ist's der- fchwunden im Fell, und nur noch ein kleiner Hautkniff zeigt, wo eS sich vor einer drohenden Gefahr verstecken mag. Känguruhs bleiben ewig Säuglinge. Selbst, wenn sie ganz ertvachscn sind, und als Männchen eventuell noch längere Hinter- deine als die Mutter haben, sehen sie diese immer noch ab und zu als ihre Säugamme an. Und der auffällig stark ausgeprägte Familiensinn der gutwütigen Weibchen gestattet dann so einem großen Burschen noch, was ihm eigentlich nur als dreizentri- metriges Baby mit vollem Recht zustand. Weinland stellte gar fest, daß eine Känguruh-Urgroßmutter noch ihre Tochter säugte, als diese selbst lebende kleine Schmarotzer schon an sich trug. Die Tiere werden in ihren Heimatländern so außerordentlich gejagt, weil sie ein ganz schätzbares Wildbret liefern. Aus diesem Grunde waren sie auch schon einmal bei uns in der Eifel an den stummen dunklen Maaren, den graulichen Kraterseen der er- erloschenen Feuerbcrge, zu sehen. In ziemlicher Anzahl waren sie eingeführt und vermehrten sich vortrefflich. Eines Tages aber besannen sie sich auf ihre guten Hinterbeine und gingen auf die „Tippelei"— vielleicht um sich in ihrer neuen Heimat etwas mehr umzusehen und auch neue Futterplätze aufzusuchen. Das bekam ihnen aber schlecht. Sie wurden von raritätensüchtigcn Schützen nach und nach niedergeknallt, und mit einem neuen Per- such der Einbürgerung dieser interessanten Australier scheint's noch gute Weile zu haben. Die Zrau vom Moor. Bon Alice Fliege l. Seltsam still tastet sich die Nacht über daS Moor. Festgehalten in Regellosigkeit ist jeder Laut des Lebens. Aber überall stehen Zeichen in der stillen Nacht und künden: DaS Leben schläft nicht. Sichel es schweigt nur..... Dicht über der rostroten Erde liegt ein stumpfer Nebelstreifen, der sich ein Stück weiter in der Höhe in einem dünnen Schleier verliert. Der Mond gibt ein Licht, das keinen Glanz hat. Er steckt hinter grauem Dunst, und daS dicke Nebelband auf der Erde saugt sein Leuchten in sich hinein. Bon irgendwo kommt ein Windstoß durch die Stille und hebt den Nebelschleier, daß er wie in unruhigem Erschrecken ein paarmal auf und ab wogt, ehe er sich wieder still an die Erde schmiegt. Viele Male wiederholt sich das Spiel. Als ob eine Hand lebendig sei, die den feinen bebenden Nebeldunst faßt und schüttelt und mahnen will, daß sie auch in der Stille der Nacht nicht ruhen kann und schaffen muß. Wo das Moor zu Ende geht, stehen im Halbkreis fast neben- einander wenige einfache Holzhütten. Hier wohnen die Moorarbeiter. Fahrendes Gesindel, Polen und auch ein paar breitnackige, ehrliche Bergbauern, die zur Arbeit auf dem Moore angeworben wurden, weil das Dorf alle seine Leute für die Ernte braucht. Manche Hand, die da mithilft, das Moor fruchtbar zu machen, war einmal rot von Blut. Es sind lauter Männer auf dem Moor. Drei oder vier wohnen immer zusammen in einer Hütte. Die Hütten sehen eine wie die andere aus. Nur die letzte, die eingebettet in dem Viereck junger Birkenbäume liegt, gibt ein freundlicheres Bild. Rote Geranientöpfe stehen vor den kleinen Fenstern. In dieser Hütte wohnt eine Frau. Sie heißt überall nur die füau vom Moor. Unter den Arbeitern auf der Heide und bei den euten im Dorfe. Sie hat dünne, häßliche Hände und einen elenden Körper, der von Hunger, Herumstreichen und Lastern spricht. Ihre Haut ist tiefbraun und verrät, daß die Frau von Zigeunern ab- stammt. Ihre unruhigen, schwarzen Augen haben eine seltsame Macht. Sie halten die gemeinen Schimpfworte zurück, welche ihr die Weiber aus dem Dorf nachschreien wollen sie lassen die Steine auf den Boden fallen, welche die Dorfjungen schon in den er- hobenen Händen hielten, um sie nach der Frau zu werfen. Die flackernden schwarzen Augen brennen sich in das Blut der zerlumpten Männer, die den ganzeu Tag in harter Arbeit über dem Moor de» Rücken beugen. Ein blonder, knabenhaft aussehender Mann teilt die Hütte der ?rau von Moor . Da eS mit den Papieren notdürftig stimmte, aben sich die beiden vor einer Reihe von Jahren in einer kleinen Dorfkirche trauen lassen. Seitdem ziehen sie miteinander von Ort zu Ort— wo eS gerade Arbeit gibt. Die Frau kocht dem Manne da« Essen und gibt ihm die Silberstücke, die er vertrinkt. Sie schmäht ihn, wenn er aus dem Trinken gar nicht mehr herauskommt. Aber sie küßt ihn auch und wenn sie von ihm spricht, verschönt ihr würde- loses Gesicht ein Glanz von Liebe. Sie umsorgt ihn mit einer Art von frauenhaftem Stolz. Er ist ihr Mann... Aber nachts, wenn die Holzhütten in reglosem Dunstkreis liegen und der Wind wie ein banger Atem über die jungen Birkenbäum« geht, dann jagt es die Männer auf dem Moor wie brünstige Tier« von ihrem Lager auf. Sie schleichen zu der Hütte der Frau, von der die Weiber im Dorf sagen, daß sie alt und häßlich sei, und deren Blick wie Feuer im Blut der Männer brennt. Zu den Mädchen im Dorfe gehen die Männer vom Moor nicht, denn sie wissen, da ist nicht eines, das ihnen auch nur ein gute« Wort gegeben hätte. So hetzt ihr Begehren in dem gleichen, glühenden Kreise immer wieder um die Gestalt der Frau, die bei chnen auf der einsamen Heid« ist. Gegenseitig mustern sie sich mit gehässigen, eifersüchtigen Blicken und schlagen sich die Fäuste in« Gesicht. Den stillen Mann, dem die Frau von GotteS. wegen zu eigen ist, fürchten sie nicht. Der sieht sie wohl kaum, so ausdruckslos starren seine Augen über alles hinweg, wenn er mit ihnen arbeitet. Aber er arbeitet fast nie. Der hat eS gut, meinen sie mit hämischem Lachen. Der macht sich aus jedem Tage einen Feiertag mit dem Gelbe, daS sie der Frau für die Nächte hinwerfen, in denen sie ihnen willig ist. Denn das ist der Fluch, der auf dem elenden, hätzlichen Leben der Frau liegt, datz sie für alle die brünstigen Tiere, die durch di« Nacht zu ihr kommen, da fein mutz. Das ist der Fluch, den die Frau mit einem wollüstigen Grauen wie eine eiserne Faust im Nacken spürt und nicht abschütteln kann. Deshalb bestand sie einmal vor vielen Jahren darauf, datz der blonde knabenhafte Mensch sich mit ihr vor Gottes Altar trauen ließ. An dem Tage glaubte sie an ihre Erlösung, und sie füblte, wie die Faust sie losließ. So blieb es eine kurze, bange, sütz« Weile. Doch als das Kind, das sie dem Manne, dem Erlöser, voll heiliger Freude schenken wollte, tot auf die Welt kam, da packt« eS sie wieder. Herrischer, fester--- unentrinnbarer wie J« und ließ sie nicht wieder los. Und viele Silberstücke, dl« ihr die sündhaften Nächte brachten, legte sie seitdem in die Hand ihres Mannes, der sie vertrank. Oft krampsten sich seine Finger heimlich zur Faust, wenn er das Geld in die Tasch« gleiten lieh, und ein stumpfes Weinen schrie in seinem Herzen, wenn er die Frau ansah. Aber er ist allezeit ein jammervoller, mitzhan- delter Mensch gewesen. Schon von seinem ersten Lebensjahre an, als man ihn seiner Ziebniutter wegnahm, weil sein magerer Kinder- körper voller Wunden war. Er kann die dumpfen, unklaren Gedanken seines halben Begreifens nicht zu Worten zusammenfassen. So tritt er hinweg über das Schreien seines Herzens und schwankt zum Wirtshaus und vertrinkt das Sündengeld der Frau. Sie gibt eS ihm, ohne etwas für sich zu behalten, mit einer Selbstverständlichkeit, die durch all das Schlechte hindurch wie etwas Warmes, Helles in feine Seele kommt. So auch jetzt. Sie ist ja so gut zu ihm... lieber Gott ... ja... sie ist gut zu ihm... Und zwei heitze Tropfe» fallen auf die Hände der Frau, die ihm leis über das Gesicht streicht. „Armer Kerl!" Wer hat es gesagt?... Sie oder er?... „Man gut, datz er nu tot is/ sagt sie dann leise und zeigt aus einen frischen Erdhaufen unter einem der Birkenbäumchen. In dem verblödeten Gesicht des Mannes arbeitet und zuckt es. ,,Ja— gut, datz er nu' tot is", wiederholt er stumpf.„Nu' iS eben alles aus-- auch das Wehtun...." Unter dem Erdhügel liegt fein kleiner, wachsamer, flinker Hund. Den hat er wie einen Menschen lieb gehabt. Im Wirtshaus hat er treulich die langen, bösen Stunden zu seinen Füßen gesessen, da er selbst trank und trank.... und die grauenvolle, unausgesprochen« Last immer schwerer auf seine Seele drückte. Da hat der Hund ihn angesehen mit jammernden Augen. Nun haben die Dorfjungen heute Morgen den flinken, zärtlichen Gesellen des ManneS zu Tode gehetzt. Sie haben ihn mit Steinen geworfen, nach ihm geschossen und ihn so übel zugerichtet, datz er kaum mit einer letzten Kraft zu seinem Herrn laufen konnte, zu dessen Füßen er blutüberströmt zusammenbrach. Ja— so schlimm hatten sie es ihm angetan, daß er noch gerade gut genug zum Sterben war. Da hob der Mann einen großen Stein, der auf dem Boden lag, und schmetterte in einem Aufflammen barmberziger und zärtlicher Liebe den winselnden Hund zu Tode. „Armes Tier... armes Tier..." murnielte er dabei wie ein Verlorener immer wieder vor sich hin. „Armes Tier I"... schrie er dann noch einmal auf, als er fertig war und warf sich auf die Erde neben dem kleinen Hügel nieder. Das stumpfe Weinen, das jahrelang wie festgellemmt in feinet
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31 (9.7.1914) 130
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