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Hoffentlich eifern recht viele Zeitungen der Kölnischen Bolts­zeitung" nach, die zurzeit die einzige und erste ist, die ihren politische Teil zum Beispiel: 1814 ist er noch winaig, 1888 in der Inhalt im Laufe des vergangenen Jahrhunderts analysiert. Der Reaktionsperiode schrumpft er fast bis zur Unauffindbarkeit zu­sammen, 1863, in der Konfliktszeit, ist er um das Dreifache an geschwollen, 1888 wird er wieder geringer und 1913 zeigt er sich in noch nie dagewesenem Umfang. Liegt das direkt an den poli tischen Zeitströmungen oder indirekt daran, daß viele Zeitungen nicht von der Redaktion, sondern von den Abonnenten redigiert werden? Der Finanzteil ist um ein vielfaches größer geworden, erschrecklich oder erfreulich hat aber der Inseratenteil zu genommen.

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Der Bureauchef meldete ihm, daß sie noch nicht gekommen ihre eigene Historie austramt, ist es nicht minder interessant. sei, doch mit der zweiten Bost sei ein Brief eingegangen, der ihre Schrift trüge, er läge auf dem Schreibtisch. Hoffentlich ist sie nicht krank, dachte Werner und öffnete den Brief. Der Brief lautete:" Seien Sie nicht ungehalten auf mich, lieber Dr. Werner, ich kann aber nicht anders han deln. Ich bin mit Georgy heimlich abgereist und gebe auch Ihnen nicht meine Adresse an. Ich habe solche wahnsinnige Angst, daß er mir Georgy nehmen fönnte. Ich weiß, Sie fagen mir das Gegenteil, aber die Angst ist mächtiger als alle Vernunftgründe. Ich sehe in jedem Menschen, der mir be­gegnet, einen Häscher von diesem furchtbaren Mann. Ich fliehe. Ich habe meine Uhr und einiges andere verkauft für einige hundert Mark und komme damit in der nächsten Zeit aus. Ich werde von mir hören lassen, sobald ich mich mit Georgy in Sicherheit fühle. Haben Sie tausend Dank für alles, was Sie an mir und Georgy getan haben und denken Sie milde von Ihrer dankbar ergebenen B. B." Und als Nachsatz stand auf der Rückseite: Daß diese Frau mir eine Guttat erweist und den Schuldtitel freiwillig zurückgegeben hat, verwundert mich. Alles was von dort kommt, ist wie vergiftet. Ich bange auch deshalb. Sie werden ja wissen, wie mit diesem Schuldtitel mir für die Zukunft geholfen wer­den kann und alles für mich regeln, ob ich nun in Dresden  bin oder irgendwie im Verborgenen. ( Forts. folgt.)

Das ist die Reversseite des modernen Zeitungswesens. Bei all ihrer großartigen Entwickelung ist die Zeitung eine Ware, die nicht bezahlt werden kann. Keine Zeitung fann vom Bezugspreis leben, und wer als Zeitungsverleger so ideal sein wollte, Injerate prinzipiell nicht aufzunehmen, der könnte sich auf seinen Grab­stein dieselben Worte setzen lassen, die dem in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts verstorbenen Pariser Arzte Renaudot ge= widmet wurden, der mit der Gründung der ersten Pariser Zeitung sein ganzes Vermögen verbuttert hatte; seine Freunde ließen ihm auf den Grabstein schreiben: Er starb arm wie ein Maler!

Die Zeitungsindustrie hat natürlich die Drucktechnik nach der ihr dienlichen Seite hin entwickelt, und eine Zeitlang sah es auch so aus, als sei die Zeitung die Verderberin der guten alten, druck­technischen Tradition, als fehle in der Haft des modernen Zeitungs­betriebes die Möglichkeit, dem Druckbild Aufmerksamkeit zu widmen. Die Drudtechnik vergröberte sich also formal unter dem Einfluß der Zeitungsindustrie, bei der es auf möglichste Ver= billigung der Herstellungskosten und auf die verblüffendste Firig­keit ankommt. Alle Wünsche druckkünstlerischer Art kann die mat, ihr Inhalt zu spröde, die Erscheinungsweise zu haftig und ihr Leserkreis zu interesselos. Von dem Vielerlei an Ansprüchen, die der Leserkreis an den Inhalt der Zeitung stellt es findet ein jedes sein Publikum, von der Lotterieliste, über den Polizei­bericht bis zum Tagesfüchenzettel ist die druckfünstlerische Form die allerlebte, die verlangt wird, und damit fällt die Zeitung aus dem Rahmen des kunstgewerblich schaffenden Drudgewerbes heraus.

Die Buchgewerbeausstellung in Leipzig  . moderne Tageszeitung natürlich nicht erfüllen; dazu ist ihr For­

III. Buch und Zeitung.

Neben der eigentlichen Buchliteratur, die sowohl von den reichs­deutschen Buchhändlern beschickt ist, als auch von denen aus Frank­ reich  , Italien  , England, Rußland  , Desterreich, Dänemark  , Schweden  , Holland  , Spanien  , Schweiz  , ist durch die Zeitungs­literatur auf der Ausstellung vertreten. Die Tagespresse und die Fachpresse, die Witblätter.

Wenn man die Repositorien der Buchhändler betrachtet, ein Bücherhaufe, den Goethes Faust   wahrscheinlich auch nicht anders beurteilen würde, als: von Würmern benagt und von Staub be­deckt, der des wirklichen Lebens Spielraum beschränkt, dann weiß man zuerst nicht, nach welcher Richtung man den Schluß ziehen soll: ist der Umkreis der menschlichen Geistesbedürfnisse wirklich so groß, daß dieser gewaltige Bücherwust, der besteht und jährlich neu hinzukommt, dazu gehört, um ihn auszufüllen, oder ist das schon eine Industrie, die produziert, weil produziert werden muß, damit die Druckmaschinen und Sehmaschinen und Schriftgießmaschinen und Papiermaschinen und Holzschleifmaschinen und Farbreib­maschinen nicht stillestehen? Weit über 30 000 neue Bücher find allein in Deutschland   im vorigen Jahre hergestellt, noch einmal soviel vielleicht geschrieben worden das tintenklerende Säkulum floriert immer noch, nur daß das Tintenkleren eben auch schon von der Maschine besorgt wird.

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Aber welcher Chimborasso   würde sich erst auftürmen, wenn man hierzu noch die Zahl der täglich oder wöchentlich erscheinen­den Zeitungen und Zeitschriften halten wollte. Da steckt richtige Industrie dahinter, die mit ungeheuren Anlage- und Arbeits­fapitalien wirtschaftet. Das gemächliche Klappern der alten Papiermühle, die man in der Zeißer Gegend abgebrochen und hier, neben der Halle für die Papierindustrie, wieder aufgebaut hat, bis sie in das Deutsche Museum   nach München   überführt wird, macht so recht die moderne Entwickelung deutlich, die in den gewaltigen Papiermaschinen zu erkennen ist. In dieser Papier­mühle, deren klobiger Mechanismus durchweg aus Holz besteht, werden Lumpen wirklich noch zu Papier   gemacht, und ingrimmig pochen sie die hölzernen Hammerköpfe zu Brei. Man ist baß ver­wundert, wie lange es dauert, bis ein solcher kleiner Bogen Papier  aus der Bütte geschöpft, zwischen Tüchern gelegt, gepreßt und ge­trocknet ist, und bis in das 19. Jahrhundert hinein ist die Mensch­heit mit solchem Papier ausgekommen! Heute ist es ein vielbe­sprochener Rekord, einen Fichtenstamm, der heute noch bodenfest im Walde steht, morgen schon umgehackt, zerfägt, entrindet, ge= schliffen und zu Papier geformt zu haben, auf dem hunderttausend Menschen wichtige und unwichtige Nachrichten in bunter Fülle mit­geteilt werden.

Die Geschichte der Zeitungen, für die man, wenn man Muße dafür hat, hier eine große Menge historischer Seltenheiten ausge­stellt finden kann, reicht weit genug zurück, um zu erkennen, wie unzertrennbar die Zeitungen von der Zivilisation, vom politischen Leben der Nation, vielleicht auch von der nationalen Kultur sind. Sekundenzeiger der Weltgeschichte sind sie genannt worden, und wenn man Zeitungen rückwärts lieft, was ein ganz unter­haltsames Vergnügen ist und die Zeitung erst recht in ihrem Wesen erkennen lehrt, so erfährt man wohl, was in einer solchen Sekunde der Weltgeschichte für menschliches Irren möglich ist, aber man verspürt auch den ehernen Gang der Geschichte, der in aller­fleinsten Tempen hier aufgezeichnet ist. Und wenn eine Zeitung

Dafür aber hat die Zeitung die exakte Drucktechnik entwickelt, wie es das Buch nicht tun konnte, obwohl das Buch nun auch davon profitiert. In der der Papierindustrie- Ausstellung an­gegliederten Maschinenhalle sind einige riesenhafte Rotations­maschinen ausgestellt, zu denen sich die alten Handpressen fast in demselben Verhältnis ausnehmen wie wie ein Kautschukstempel. Riesige Produktionsziffern, die sich noch dadurch multiplizieren, daß sie sich jeden Tag und jede Nacht wiederholen, lassen uns fast erschauern vor dem Komplex der Masse, in die diese aus der Maschine in wilder Hast herausschwirrenden Blätter eindringen. Wie kleinkalibrige Projektile kann man diese Zeitungsblätter auf­fassen gegenüber den Büchern, die man noch immer mit den alten Steinfugeln vergleichen könnte, die aus hartleibigen Mörsern mit Schwarzpulver und Lunte brummend abfollern.

Natürlich hat das Buch eine andere Aufgabe und Bedeutung als die Zeitung. Beim Druck des guten Buches schwebt dem Drucker immer noch der Gedanke vor, den auch der mittelalterlich schreibende Mönch haben mußte: der Gedanke an den Leser, den einzelnen, der das Buch liest. Bei der Zeitung hat dieser Gedanke feinen Raum; da ist die Leserschaft etwa so, wie sich der gähnende schwarze Zuschauerraum eines Theaters von der Bühne während einer Tagesprobe ausnimmt, ein finsteres Loch, in das alle Worte und Gedanken auf Trefftrumpf hineingeschleudert werden.

Selbstverständlich stuft sich dieser prinzipielle Unterschied zwischen Buch und Zeitung ab, einmal nach dem literarischen Werte des Buches und nach dem journalistischen Worte der Zeitung, der doch letzten Endes auch literarisch sein wird. Es gibt Bücher, die literarisch tiefer als Zeitungen, Zeitungen, Me literarisch höher als Bücher stehen. Aber rein buchgewerblich betrachtet, hat das Buch noch alle die Möglichkeiten guter Druckkunst, auf die die Zeitung verzichten mußte. Und wiederum rein buchgewerblich betrachtet, ist es eine Freude, zu sehen, wie sich nach Jahren des Irrens und des Abschweifens in die Gefilde des Ungeschmacks die Buchdrucker wieder zurückgefunden haben.

Die Buchkunst, die sich auf Schriftform Satzbild, Illustration und Buchschmuck, Papier   und Einband erstreckt, ist auf diese Weise wieder zu neuem Leben erwacht. Die technische Entwickelung, die die Bücher billig machte, und zwar oft auf Kosten der buchgewerb­lichen Qualität, wird wieder zur Qualitätsleistung gezwungen und dadurch wird allerdings auch wieder die Wohlfeilheit ver­eitelt. Wer die bedrückend vornehm wirkende Abteilung des deutschen Buchhandels durchwandert, sieht die Tendenz, das Buch wieder zum gewerblichen Kunstwerk werden zu lassen, wie es das Buch schon früher, in Zeiten geringerer technischer Entwickelung und geringerer Produktionsziffern, gewesen ist. Daß das Buch­gewerbe in seiner ganzen Breite wieder zu diesem Produktions­system zurückkehren kann, ist ausgeschlossen, und daraus ergibt sich eine Differenzierung des Buches, die sich eher in Frankreich   und England ausgebildet hat als in Deutschland  . Erst in den letzten zehn Jahren hat sich auch in Deutschland   die sogenannte Luxus­