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ich auch ihren Fragen immer geschickt ausgewichen habe. Ich in ihr und ein heftiger Trieb zu eigenem Suchen und Finden, weit freue mich ja selbst, wie sie sich freuen wird. Komm, über die glückliche und umhegte Familientradition hinaus. Das junge Liebling." Mädchen setzte, gewiß nicht ohne harte häusliche Kämpfe, durch, als die Stellung eines Sekretärs an der dortigen Stadtbibliothek und Studentin der Geschichte nach Zürich zu ziehen und dann als Dr. phil. daneben den Unterricht am Lehrerinnenseminar zu übernehmen. Später lebte fie bis 1900 in Triest , in den letzten Jahren in München und in ihrec Vaterstadt Braunschweig .
Sie galoppierten den letzten Teil des Weges, fie flogen durch den Wald, wie Glücksboten und voller Ungeduld.
Frank hatte richtig vorausgesagt: Als sie beide Hand in Hand in das Zimimer traten, wo die Mutter mit Frau Gabriele saß, blieb er einen Augenblick an der Schwelle stehen und sah glückstrahlend seine Mutter an, währerd er Ursula sacht vor sich schob, die mit einem halbverschämten Lächeln wie mit einem durchsichtigen Schleier leicht verhüllt, dastand. Die alte Frau schaute auf, und da Frank ihr zunickte, als wollte er eine unausgesprochene Frage bestätigen, streckte sie dem jungen Mädchen beide Arme entgegen. Ein wortloses, herzliches Willkommen! Ursula wollte die Hand küssen, da hob Frau Werner den Kopf des jungen Mädchens und füßte sie mütterlich, zärt lich auf die Stirn. Endlich! Doch schon drängte sich Frank an die Mutter.
Aus den Armen der alten Frau warf sich Ursula stürmisch Frau Gabriele um den Hals. Sie gab sich freier, war sie doch die Freundin und feit langem Mitwissende. Auch Frank trat zu Frau Gabriele und drückte ihr fest die Hand- ,, Sie treuer Kamerad!"
Sie sprachen fast alle gleichzeitig, stellten Fragen, die gar nicht beantwortet werden sollten, Worte, die aus übervollem Herzen heraussprudeleten. Ein Durcheinander von Frohsinn und Erfreuenwollen, daß die Mutter beim Abschied meinte:
,, Mir ist ganz schwindlig. Wenn Ihr nicht bald in geruhigtes Fahrwasser kommt, dann zieh ich in die Dachkammer und spere mich ein!"
Frau Gabriele rief lachend noch an der Türe: Das hilft. ja nichts, liebe Frau Werner, sie kommen auch durchs Schlüsselloch. Frank macht das Unmögliche möglich!"
Sachlicher und nüchterner verlief die Unterredung, zu der Kommerzienrat van Bosch den nächsten Tag Frank nach seinem Privatkontor auf der Bank gebeten hatte.
Ich bitte Sie immerhin zu bedenken," sagte er, wie aufklärend für seine Zurückhaltung, daß Ursula unmündig ist und in jeder Beziehung von ihrem Vormund, meinem Vetter, abhängig. Von dessen Zustimmung hängt alles ab. Meine Frau und ich, wir haben uns herzlich gefreut über Ihre Wahl. Wir haben auch lange gewußt, daß Ursula Sie liebt. Daraus schon fönnen Sie ersehen, daß wir einverstanden sind. Denn sonst hätten wir Ursula nicht so lange bei uns behalten oder ich hätte mit Ihnen einmal offen gesprochen. Aber derjenige, der an Ursula Vaterstelle vertritt, ist eben der alte Adam ter Binden. Und so lange dessen Einwilligung aussteht, bitte ich Sie, die Verlobung noch geheim zu halten."
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Das Glück einer von der gütigen Natur empfangenen innerlichen Geschlossenheit und Einheit wandte diese stark und heiß empfindende Frau in die Vergangenheit zurüd. Nicht daß ihr genialer Verstand und ihr Herz nicht die Sehnsucht und die ihr großer Roman„ Die großen Fragen der Zeit tief erfaßte und greulichen Taten der Wermsten und Verkommensten einer fleinen Triumphgasse, Lebensstizzen", in denen fie die furchtbaren Qualen italienischen Stadt mit einer erhabenen Ruhe schilderte, beweist, daß ihr auch gegeben ist, das tiefste Dunkel der Menschlichkeit zu empfinden aber ihr flares und alles Leben jauchzend bejahendes Wesen hält sie immer in einer gewissen Entfernung von Erde und Wirklichkeit. Während in Norddeutschland die literarischen Kämpfe um den" Naturalismus", die krasse Alltagsdichtung tobten, fand ihre Jugend ihr poetisches Ideal in dem starken, bedächtigen und schalthaften Erzähler Gottfried Keller . Auch die Wahl gerade des geschichtlichen Studiums ist für ibre Art bezeichnend und letzten Endes bestimmend geblieben. Die Liebe zur Historie war die Flucht des Gelehrten Ricarda Huch vor den Härten der eigenen Zeit, wie es das phantastische Tummeln in den Gärten einer neuen Romantit für die Dichterin Ricarda Huch war. Hier schuf sie in einem Stil von wundervoller Farbigkeit die rückschauende Lebensbetrachtung des Mönches, Ludolf Ursleu " im Kloster Einsiedeln , das Ringen Michael Ungers" um Welt und Schönheit, den allzu weltfremden Heldenfang" Von den Königen und der Krone" und barockhumoristische kleinere Erzählungen wie den Mondreigen von Schlaraffis" und den Hahn von Quaten brüd"- dort erzählte sie mit einer klassischen und doch glutvollen Sachlichkeit historische Einzelschicksale Aus dem Zeitalter des Risorgimento "( die Periode der italienischen Freiheitsfämpfe) und die Geschichte des Helden dieser Kämpfe Guiseppe kämpfe) und die Geschichte des Helden dieser Kämpfe Guiseppe Garibaldis". Daneben entstanden literarhistorische Arbeiten über die„ Romantik".
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Ein Ueber- den- Dingen- sein, ein losgelöstes Beschauen von ethisch und dichterisch hoher Warte ist Grundbedingung und legtes Wesen Ricarda Huchs. Diese seelische Bestimmung, deren fünstlerisch hohes Können nicht bestritten werden soll, ist aber auch die Ursache, daß ihr das Glüd einer starten Wirkung auf die breite Menge ver fagt ist. Das Lesen der Schriften Ricarda Huchs selbst einer fo knappen und in ihrer kristallhellen Unheimlichkeit atembeklemmenden Stizze aus dem anarchistischen Rußland , Der legte Sommer" feßt eine beträchtliche Kulturhöhe voraus. Es ist, bei aller weiblichen Hingebung und spielenden Phantasie, etwas Männliches in ihr. Man fühlt das besonders in ihren kräftigen und bei gedantlicher Tiefe rhythmisch harten Gedichten.
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Das Hauptwert Ricarda Huchs in der letzten Zeit ist die um Frank Werner war betreten über diese Aufforderung. Es fassende Darstellung des Großen Krieges", des dreißigwar ihm ein unleidliches Gefühl, daß er bei irgendeiner Ent- jährigen, der als ein Dokument historischer Forschung allerdings schließung, die zudem, nach seiner Ansicht, nur Ursula und ihn gemein trockene Färbung der Masse der Leser nicht genießbarer etwas Gewaltiges bedeutet, die aber eine romanhafte, jedoch un betraf, von der Genehmigung eines anderen abhängig sein machen fann. Es besteht wenig Hoffnung, daß das geniale Talent sollte. So antwortete er nicht sonderlich freundlich: Ricarda Huchs sich noch einmal, nach den ersten, so reichen fünf Jahrzehnten ihres Lebens, von der geschichtlichen Neuschöpfung und der romantischen Beschaulichkeit unserer Zeit zuwenden könnte. Gelänge es ihr sie könnte Befruchtendes geben!
sch werde noch heute Minher ter Linden kabeln." ( Forts. folgt.)
Die Künstlerin des Vergangenen.
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( 8 um 50. Geburtstag Ricarda Huchs, am 18. Juli.) Die Gemeinde derer ist nicht gering und es sind viele der Urteilsfähigsten darunter, die geneigt find, die Schöpferin des Ludolf Ursleu", des„ Vita somnium breve"( Michael Unger") und der breibändigen, großangelegten Darstellung„ Der Dreißig jährige Krieg für den größten Dichter unserer Tage, zum mindesten aber für die gewaltigste Dichterin der lebenden deutschen Generation zu halten. Von dem rein ästhetischen Gesichtspunkt aus mag dieses Urteil vieles für sich aufbringen. Wir aber wollen uns von der herrischen und t'instlerisch sehr anfechtbaren Auffassung: Die Kunst für die Kunst! freihalten und die persönliche Begnadigung und Erlösung, die der Künstler im eigenen Schaffen genießt und durch die an sich er schon auf andere fünstlerisch Veran Tagte wirft, durchaus trennen von der objettiven Wirkung des Kunstwerts auf alle poetisch nur Empfangenden und Genießenden. Nach diesem Maßstabe aber werden die Kränze des Ruhmes an die verteilt, die den größten Kreis von Menschen durch ihre Dichtung geistig vertiefen und beglücken.
Die Braunschweiger Patrizierstochter Ricarda Huch , in deren Familie eine gewisse seelische Versonnenheit, ein nachdenkliches und doch leidenschaftlich suchendes Betrachten zum geistigen Erbe zu gehören scheint, wurde wohl schon durch Geburt und Erziehung bon einem Aufgehen in den Kämpfen der Zeit und den Leiden und Freuden der breiten Menge getrennt. Aber es war ein starker Wille
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Karlernst Knaz.
Unter den Heren in Bamberg befand sich eine, die, obwohl sie nicht fräftig, sondern zart gebaut und mager war, doch die Folter bestand, ohne sich schuldig zu bekennen oder zu sterben, was niemand gerade von ihr für möglich gehalten hatte. Sie hatte unter der Qual fortwährend an ihr heim gedacht, wohin sie so gern zuückkehren wollte: es war eine Wirtschaft mit einem Garten, der an Feiertagen voller Gäste war, und womit sie ihr gutes Ausfommen hatten. Es freute fie, das Durcheinandersummen der lustigen Stimmen und dazwischen das laute Gelächter ihres Mannes zu hören; abends gab es oft Schlägerei, aber im allgemeinen ging es ehrbar und ordentlich zu, worauf sie stolz war. Ihre beiden Töchter ließen sie nicht bedienen, obwohl die eine Lust gehabt hätte, und der Vater schmunzelte, wenn die hübschen Mädchen gerühmt wurden. Die schönsten Tage waren, wenn die Aepfel, Nüsse und Pflaumen geerntet wurden; mußte sie sich auch dabei anstrengen, so war es doch ein Vergnügen, den Mann und die Töchter, die rotbackig und rustig waren, stramm unter den schweren Läumen
*) Wir entnehmen diese anschauliche, höchst konzentriert gehaltene Darstellung R. Huchs umfangreichen, an Episoden überaus reichen Roman Der große Krieg".( Infel- Verlag, Leipzig .)