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Ja, die Zeiten der Folter find längst vorbei und der Grazer Bäcker und seine Frau waren minderwertig. Außer­dem in Desterreich passiert, verdammt nahe bei den Tschechen und Slowaken. Bei uns kann so etwas nicht vorkommen!" Dr. Werner lachte höhnisch auf.

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Geschützrohre aus dem siebzehnten Jahrhundert mit Inschriften in fraufen türkischen Lettern zur Schau.

Bon den Bastionen der Festung sieht man weit hinaus über Sabe und Donau  , die Belgrad   eingabeln. Im Sommer 1909, furz nach der Annexionskrise, standen wir an einem wundersam lauen Abend hier und schauten nach dem anderen Sabeufer hinüber, wo Als Pastor Friedrich wieder gegangen war und er mit die öfterreichische Douanenlinie beginnt, und fich, ein steinerner feinem Schmerz allein blieb, verlor er sich wieder in trübe Würfel, drohend das Zollgebäude der Doppelmonarchie erhebt, Gedanken, und sein eigenes Geschick kam ihm plastischer zum und wechselnde Empfindungen bewegten das Herz meiner Bewußtsein. Er erinnerte sich auch an die Worte, mit denen serbischen Freunde. Niemand in diesem unglüdjeligen Lande, der es nicht er einst einen Vortrag über die Notwendigkeit der Strafrechts- schon damals brennend fühlte: Die Machthaber in Wien   wollen uns reform geschlossen hatte: Wir hören wohl von solchen Fällen vernichten, wirtschaftlich und politisch. Die Großgrundbesitzer hassen und schütteln bedauernd den Kopf. Aber wie es einem zumute unsere billigen Schweine, die Hofräte fürchten unsere demokratischen sein mag, der davon betroffen ist, was wir empfinden würden, Ausfuhrweg als über Desterreich- Ungarn haben, eine infame Handels­Einrichtungen, und so schnürt uns, die wir faum einen anderen wenn ein Sohn, ein Bruder, ein Freund so niedergeschlagen politit den Atem ab. Man zwingt uns, an unserem Reichtum an wird, das können wir nicht ausdenken, das fönnen wir nicht Agrarprodukten zu erstiden, wir werden langsam zum wirtschaft­nachempfinden." lichen Selbstmord genötigt! Darum der Ausdruck eines verzweifelten Hasses in den Blicken, wenn das Wort Desterreich in der Unter­haltung auftaucht. Jm Oftober 1912, als die serbischen   Regimenter

Heute wußte er es!

Belgrad  .

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( Forts. folgt.)

Belgrad   oder wie es auf serbisch heißt Beograd   bedeutet: die weiße Stadt. Wenn man die letzte ungarische Station, Semlin   oder Zimony  , im Rücken hat und der Zug sich der eisernen Bahnbrücke über die Save   nähert, steigt es in der Tat zur Linken über den Fluß auf, grell weiße Häuser, eine grell- weiße Kirche im flimmernden Sonnenlicht, Weiß, weiß, weiß dann verendet die Lokomotive stöhnend im Hauptbahnhof, wenn man ihn denn schon so nennen will, der serbischen   Residenz, und nichts mehr sieht man als Schaffner, Gendarmen, Gepädträger, Zigeuner  , ein wüstes Gewimmel, aber nichts Weißes darunter. Auch wenn man sich forschend in der Stadt umtut, schwindet schnell der Eindruck des Weißen, Reinen und Leuchtenden. Aber so oft auch der Zug den Fremdling aus West europa wieder donnernd über die Savebrücke trägt, erneuert fich jener Eindrud, selbst wenn Regen die Scheiben des Abteils peitscht, und traumhaft bleibt er im Gedächtnis haften: Beograd  , die weiße

Stadt.

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gegen die Türken marschierten, sprach ich mit Paschitsch über weltpolitische Fragen, über Rußlands  , Englands, Frankreichs  , Deutsch  lands Haltung zum orientalischen Problem, und ich vergesse nicht den bitteren Ton in der Stimme des alten Mannes, da er eine Desterreich reden!" Wendung des Gesprächs abbrach:" Lassen Sie mich nicht von

Der Krieg hat faum eine Befferung gebracht, trotz des Sieges über die Türfen, trop des Sieges über die Bulgaren  . Denn die Wiener   Machthaber haben es durchzudrücken gewußt, daß die Serben von der Adriatüste wieder weichen mußten, sie haben dem Lande abermals den unmittelbaren Weg zum Weltmeer und Weltmarkt ab­geschnitten, sie haben das lächerliche Gebilde eines selbständigen Albaniens   als Barritade gegen das Vordringen des Südflawentums aufgetürmt, und nun da sie, die Haß gefät haben, Haß ernten, ge bärden sie sich vor Gott   und aller Welt erstaunt und entrüftet. Aus meiner Vorliebe für die Serben habe ich nie ein Hehl ge­macht und ich möchte sie in dem Augenblick laut verkünden, da deutsche Bierbankschreier, von keinerlei Sachkenntnis beschwert, auf Land und Volt Bech und Schwefel herabrufen. Aber nicht etwa läßt mich ein günstiges Vorurteil die Serben besser seher, als fie find, sondern ihr Wesen ist die Voraussetzung meines günstigen Ur­teils. Es ist eben ein anderer Menschenschlag als wir, die wir alle Berlin  . Denn Berlin   ist keine beseelte Stadt, sondern ein seelenloser dessen Charakterrichtung von dem hauptsächlich für eigenen Bedarf Wer Berlin liebt, muß Belgrad   haffen. Wer Belgrad   liebt, haßt mehr oder minder von allerhand Uebeln des Krämertums und des Kapitalismus angefressen sind. Aber die Serben sind ein Bolt, Steinhaufen, rasch aufeinander getürmt, mit seiner rasenden Hast der Arbeit und des Vergnügens ein falifornisches Goldgräberdorf, aus dem produzierenden freien Kleinbauern bestimmt wird, und so find sie, märkischen Sand über Nacht emporgeschossen, auch in den vornehmen" im Durchschnitt gesehen, aufrecht und aufrichtig, gerade und zuver Vierteln mit Häusern, von denen jedes, gedankenlos neben das andere lässig, von Geiz so entfernt wie von Klatschsucht, die junge Intelli­getitscht, den Blick peinigt und den guten Geschmad lästert, und gena des Landes fiebert in einem brennenden Wissensdurft und ohne felten findet man hier organisch Gewachsenes. In Belgrad   dagegen allem aber ist dieses Bauernvolt von echt demokratischem Bewußt­Prunken und Prahlen zog 1912 das Heer aufs Schlachtfeld. Bor ist alles organisch gewachsen, vielleicht etwas allzu langsam und allzu fein durchbrungen, Generäle und Minifter behandelt der zerfekteste bunt durcheinander gewachsen, aber gewachsen und nicht aus dem Opanfenträger nicht mit Budringlichkeit, aber ohne Unterwürfigkeit, Boden gestampft. Belgrad   ist eben eine Stadt mit einer Seele, durch die es sich von allen anderen Städten, auch auf dem Balkan  , und auch der König wird schier märchenhaft flingt es in den unterscheidet. Konstantinopel  , von dem langweiligen Frankenviertel Weihrauchwolken des deutschen Byzantinismus durchaus als ein Bera abgesehen, ist ein Märchen und gehört in ein Märchen, Gettinje irdischer, sterblicher Mensch betrachtet. ist ein balkanisches Salontirolerdorf und Sofia  , mit nichtssagenden dem Papier. Der Serbe faßt es nicht Die staatsbürgerliche Gleichheit steht in Serbien   nicht nur auf Stuckhäusern, mit Straßen ohne Geficht, ringt mit dem Steinhaufen Gedankenfreis nicht hinein es geht einfach in seinen Berlin   um die Palme. Belgrad  , das auf einem zur Donau   und daß es Länder gibt, in denen ein Save schroff abfallenden Sattel lebt, hat seine neuen Straßen, die Mann deshalb nicht zum Reserveoffizier befördert wird, weil er Michaila Uliza, die Terrassia und andere, mit, wenn's inzwischen Jude oder Arbeiter oder Sozialdemokrat ift. Vor wenigen Jahren fertig geworden ist, einem veritablen Pflaster, mit breiten Häuser noch schritten Soldaten in Uniform im Belgrader   Maifeftauge, und fronten, mit modernen Gebäuden, und daneben wimmelt es von mit seiner Batterie brüst durch den Zug der Maifeiernden hindurch­ebenfalls vor nicht langem wurde dort ein Artilleriehauptmann, der alten Gassen und Gäßchen mit schief und frumm gebauten Bes haufungen, ein Erdgeschoß, höchstens noch ein Stockwert, unten ein fahren wollte, von den Arbeitern vom Pferde geholt und um ein Kramlädchen, in dem man neue Opanten einhandeln kann oder einen Haar handgreiflich zurechtgewiesen. Schafspelz oder Tschewaptichischi, menschenfingerähnliche Gebilde aus gehacktem Fleisch und in Del gebraten, oder einen Sliwowitz hinter­her, goldgelb wie reifende Aehren, der die Kehle und den Magen mit feurigem Besen fegt... und unten, wo an den Savewerften Holz eingeladen und ausgeladen wird, lungert abenteuerliches Bolt umher, unter riefigen Lammfellmützen bont einer seltenen Bracht, so malerisch gerlumpt, als bekämen fie's bezahlt. Vor den Schenken, aus ein paar herrenlosen Brettern zurechtgezimmert, Iodt im eignen knusprig gebratenen Frad ein Spanferkel, und wer noch ein paar Para in einen Hemdzipfel eingefnotet trägt, läßt sich einen ordentlichen Fezzen absäbeln und gießt einen Sliwowitz hinterher. Mit farbigen Wellen spritzt hier schon der Orient über das abendländische Grau.

Aber wer vermag letzten Endes zu sagen, warum ein Mensch oder eine Landschaft oder eine Stadt anzieht oder abstößt: es ist das Unwägbare, das den Ausschlag gibt, das Fluidum, die Seele. Und um der Seele von Belgrad   willen, die anheimelt und gewinnt, nimmt man gern mit in Kauf, daß bei schlechtem Wetter die Ueber querung einer Straße ein Hochgebirgstouristenstüd ist.

Noch vor gar nicht langem hausten die Türken hier. Der Name ber herrlichen Promenade, Kalimeiden- Festungsplatz, erinnert daran, und auf dem Rasen der alten Festungswerte liegen noch bronzene

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Und vor allem find auch Soidatenmißhandlungen im serbischen  Heere ganz und gar unbekannt es ist wirklich eine minder im Taumel dieser erhitzten Tage geschmackvoll ausdrückte. wertige Rasse", die Serben, wie sich ein deutsches bürgerliches Blatt

Troß der weitreichenden Freiheit, die seit dem Sturze der Obrenowitsch auf dem Gebiet des Preß-, Vereins- und Ber fammlungsrechts herrscht, haben, eben wegen der geringen Ent­widelung der Klassengegensätze, unsere Genossen harte Arbeit auf steinigem Boden zu verrichten. Aber ihre Arbeit frönt der Erfolg, und namentlich ihre unerschrockene Haltung während der beiden Kriege hat ihnen viel Vertrauen in den breiten Boltsmassen er­worben. Jezt kommt ein neuer, weit unheilvollerer Krieg und droht zu verwüsten, was sie in zehn Jahren aufbauender Tätigkeit ge­schaffen. Da nun bald der Radetzkymarsch brutal durch die Straßen der weißen Stadt" schallen wird und sich im Narodni- Dom, dem Volkshaus der Partei und Gewerkschaften, t. I. Infanteristen ein­quartieren werden, die das Standrecht mitbringen und den Galgen, gilt mein guter Gruß den Freunden, die da unten in einer Zeit der Not und des Sturmes am roten Banner treue Fahnenwacht halten: den Laptschewitsch und Kaalerowitsch, Tuzowitsch und Topalowitsch, Dushan Bopowitsch und Alexander Pawlowitsch. Hermann Wendel