Nr. 177.- 1914.
Unterhaltungsblatt des Vorwärts
Dienstag, 8. Aepteinber.
Die Zeftung im modernen Kriege. i. Die gleichen naiven Vorstellungen, die in vielen Köpfen über den modernen Krieg mit seinen Massenheeren, seinen weittragen. den Schutzwaffen und seiner vielartigen und komplizierten Technik bestehen, kann man auch bei der Beurteilung der modernen Festung und ihrer Rolle im heutigen Kriege hören. Die meisten machen sich heute noch von einer Festung ein Bild, das Wohl auf die alten Festungswerke nach Vaubanschen Svstem mit seinen Wällen, Gräben, Bastionen und meterdicken, von Schietzscharten durchbrochenen Steinmauern usw. zutrifft, mit den heutigen Be- festigungsanlagen und ihren riesigen, in der Erde vergrabenen Fortgürteln aber fast gar nichts gemein hat. Da wahrscheinlich in Fortgürteln aber fast gar nichts gemein hat. Da jetzt die Festungen, so Paris  , Antwerpen   usw., in diesem Weltkriege eine grotze Rolle spielen, sei hier die Bedeutung der modernen Festung nach Auslassungen zweier militärischer Autoritäten in das rechte Licht gesetzt. General v. Bernhardi hat in seinem schon oft erwähnten BucheVom heutigen Llriegc" der Festung ein Kapitel gewidmet, in dem er sich im wesentlichen auf die Darlegungen beschränkt, die der frühere Letter des gesamten deutschen FcstungS- Wesens, General v. Beseler, über die Landbefestigungen ge- macht hat. ES heißt da: Im allgemeinen ist man leicht geneigt, Festungswerke aus» schlietzlich als Mittel der Verteidigung anzusehen, der passiven Verteidigung sogar; sind sie doch zweifellos ursprünglich aus dem Bedürfnis des Ortsschutzes hervorgegangen. Man würde jedoch sehr irre gehen, wenn man im modernen Kriege die Bedeutung der Festungen in diesem beschränkten Sinne auffassen wollte. Wie der Krieg selbst sich aus einfachen Anfängen zur Kampf« Handlung eines gewaltigen und äußerst verwickelten Mechanismus ausgewachsen hat, so ist auch der Festung längst der beschränkte Charakter des Ortsschutzes und eines Hilfsmittels der reinen Ver. teidigung verloren gegangen; eS kommt ihr vielmehr ein be» deutender operativer Wert im Gesamtzusammenhange der heutigen Kriegführung zu. Zunächst ist festzustellen, daß die Festung unier Umstände» auch heute noch eine ausschließlich defensive Bedeutung hat. Wo eS sich strategisch nur um reine Verteidigung handelt, können Festungen, die in der Verteidigungsfront verteilt sind, den Widerstand der Armeen sehr wesentlich unterstützen. Sie sperren selbst einen bedeutenden Raum und entlasten dadurch die Feld» armee, der sie zugleich al» Flankenanlehnung und Depotplätze dienen. Ist andererseits die Arme« zum Rückzüge gezwungen, dann können die Grenzfestungen den Feind aufhalten, ihn am Nach­stoßen verhindern und überhaupt seine Offensive aufs äußerste erschweren. Dieser Gesichtspunkt hat in seiner äußersten Konse» quenz sogar zu dem Gedanken geführt, die Grenzbefestigungen der» art anzulegen, daß sie eine zusammenhängende Front darstellen. Indem die Wirkungskreise der einzelnen Werke sich schneiden, kann tatsächlich eine zusammenhängende Barriere gegen die Invasion geschaffen werden, in der alle Punkte durch Artilleriefeuer be« herrscht sind. Freilich schließt eine solche Anordnung alle Fehler und Schwächen ein, die einer ausgedehnten Kordonstellung an» haften: Verteilung der Kräfte auf langer Front in lauter einzelne Posten, die sich zum Kampf nicht zu vereinigen vermögen. Sie zwingt dadurch gewissermaßen die ganze Verteidigung zu falschen Maßnahmen. Auch der Ortsschutz an sich ist nicht ganz aus den defensiven Aufgaben der Festung ausgeschieden. Wenn militärische Werk- stätten in einer Stadt vorhanden und Vorräte aufgespeichert sind;
wenn innerhalb eines OrteS wichtige Eisenbahnknoten sich be- finden oder Eisenbahnen und andere wichtige Verkehrsstraßen grotze Ströme auf festen Brücken überschreiten, kann es geboten sein, solche Orte durch Befestigungen zu schützen, um die in ihnen vorhandenen Einrichtungen, Bauten und notwendigen Verbrauchs- gegenstände unter allen Umständen zu sichern. Endlich kann auch der moralische Wert eines OrtsbesitzcS seine Befestigung in rein defensivem Sinne notwendig machen. Ist soweit die Behauptung eines befestigten OrteS unter Um- ständen von außerordentlich großer Bedeutung, so hat anderer- seitS General v. Beseler doch wohl recht, wenn er sagt, daß über den Ausgang eines Krieges trotz Paris   der Fall einer Festung in Zukunft kaum wieder ent- scheiden dürfte. Das Schicksal eines Volke? kann unmög- lich durch den Besitz eines OrteS entschieden werden, wenn dieser an sich noch so wichtig ist oder als wichtig angesehen wird. Der Umstand, daß 1870/71 der Widerstand Frankreichs   mit dem Falle von Paris   aufhörte, gibt keinen Beweis des Gegenteils. Zunächst war die Bedeutung von Paris   innerhalb Frankreichs   eine ganz außergewöhnliche. Alle Lebensinteressen und geistigen Kräfte der Nation waren in der Hauptstadt derart vereinigt, wie eS wohl in keinem anderen Lande der Fall ist. Auch war ein großer Teil der französischen   Heeresmacht in Paris   eingeschlossen und ging mit der Uebergabe der Festung dem Lande verloren. Dieser letztere Um- stand und die Niederlagen der Provinzialheere im Westen, Norden und Südosten Frankreichs   waren das eigentlich Entscheidende. Hätte Frankreich  , als Paris   fiel, noch ein« erhebliche HeereSmacht im Felde gehabt, so hätte der Widerstand nicht aufzuhören brauchen. Wie wenig unter Umständen der Verlust der Hauptstadt inS Ge- wicht fällt, beweist der B u r e n k r i e g. Als Prätoria, die Haupt- stadt und einzige sogenannte Festung Transvaals  , gefallen und das ganze Land von den Engländern erobert war, haben die Buren den Krieg noch fast zwei Jahre fortgesetzt und sind unbesiegt aus ihm hervorgegangen. Die Seele des Volkes muß überwunden und ge- beugt werden, um den Sieg zu erringen. Für diesen Erfolg aber kann der Besitz einer Festung gewiß nur in größter AuSnahmelage und wohl immer nur mittelbar entscheidend sein. Im Fcldkriege, nicht in« Kampf um Festungen liegt heute mehr wie je die Entschei- dung. DaS ergibt sich aus der Natur deS modernen Krieges, der nicht mehr wie früher um beschränkte Zwecke auf vielfach begrenztem KricgStheater geführt wird, sondern ein gewalliges Ringen ganzer Völker darstellt, ein Ringen physischer, geistiger und moralischer Ge- walten, in dem nicht die materiellen, sondern die unwägbaren Kräfte den Ausschlag geben. Eine kriegentscheidende Bedeutung hat also die Festung im Kampfe großer Staaten heute nicht, und eine Armee, die sich aus eme passive Verteidigung hinter Wall und Graben beschränken wollte, würde das Wesen eines modernen Krieges völlig verkennen. Darum ist auch eine zusammenhängende Grenzbefestigung als eine Ver- irrung zu bezeichnen. Dagegen ist es nicht nur möglich, sondern sogar geboten, die Landesbefeftigung den Zwecken des Feldkrieges dienstbar zu machen, vor allem in offensivem Sinne.-Was muß man aber immer im Auge behalten. Bei Beginn eines Krieges, während der Periode des Aufmarsches, ist die Aufgabe der Festungen zunächst allerdings eine rein defensive, in den: bereits erörterten Sinn einer Stütze der strategischen Ver- teidigung. Die Grenzbefestigung unterstützt in dieser Periode den Grenzschutz, nicht etwa als Sperrfortlinie oder gar als eine chinesische Mauer, wohl aber als Sicherung der wichtigsten Straßen-, Eisenbahn- knoten-, Flutzübergangspunkte und Gebirgspässe. Je schneller dieser Schutz wirksam wird, desto besser unterstützt er die schwierigen und vielseitigen Aufgaben der Grenzschutztruppen: er engt die zu schützende Grenze ein, sichert ihre wichtigsten Punkte oder Strecken unmittelbar und vermag den Grenzschutztruppen schnell kräftige
Unterstützung oder auch sicheren Rückhalt zu gewähren. Die Bedcu- tung der Grenzbefestigungen ist jedoch mit dieser anfänglich rein defensiven Betätigung keineswegs erschöpft. Gilt es zunächst Mobil- machung und Aufmarsch zu sichern, so heißt eS nach deren Beendi­gung die Tore zum Einmarsch in Feindesland offen zu halten, be- sonder? da, wo Ströme oder größere Flüsse die Grenze bilden oder in geringer Entfernung begleiten. Der kritische Augenblick eines Fluß- oder Stromüberganges, unter UmstiiudeiuangesichtS des Fein­des, wird durch geräumige und weithin wirkenR Brückenköpfe, wenn nicht vermieden, so doch seiner Gefahr zum großen Teil entkleidet: der sichere und ungestörte Uferwcchsel ist unter solchen Verhältnissen der erste Schritt zu einer kraftvollen Offensive. Der offensive Wert der Festung ist aber nicht etwa auf solche besonderen Verhältnisse beschränkt, sondern viel allgemeiner zu denken. Wenn ein Angreifer in einer bestimmten Richtung mit versam­melter Macht vorgehen will, um den Kampf an dieser Stelle mit überlegenen Kräften zu führen, kann er die Kraft zu solcher Offen­sive einem ebenbürtigen oder gar überlegenen Feinde gegenüber nur gewinnen, indem er an anderer Stelle Kräfte spart. Auf den so gc- schwächten Fronten muß man den entscheidenden Kmnpf vermeiden und den Gegner hinzuhalten suchen, sei es durch Versagen eines strategischen Flügels oder durch zähe Verteidigung im Anschluß au günstiges Gelände. Hier nun tritt die Festung in ihr Recht. Ihr Wesen besteht darin, daß zu ihrer Heberwindung sehr viel stärkere feindliche Kräfte notwendig sind, als sie deren selbst zu ihrer Ver- teidigung bedarf. Auf strategischen Fronten also, die mit schwachen Kräften behauptet werden sollen, bildet die Festung ein wesentliches Mittel der Verteidigung und ermöglicht damit unter Ilmständen die entscheidungsuchende Offensive an anderer Stelle. Dieser Ausgabe kann sie aber nur dann genügen, wenn sie tatsächlich Kräfte dos Feindes bindet, die bedeutend stärker sind als die eigene Besatzung, wenn sie nicht unbeachtet bleiben kann, wenn der Gegner sich nicht begnügen darf, sie nur durch schwächere Abteilungen zu überwachen. Der Festung selbst muß daher eine gewisse Offensivkraft beiwohnen, die stark genug fem muß, um den Gegner zum Einsatz überlegener Machtmittel gegen sie zu zwingen, und die muß andererseits Objekte decken, deren Besitz für den Feind von großer operativer Bedeutung ist, so daß er wirkliche Anstrengungen macht, um sich ihrer zu bemäch- tigen. Das letztere erreicht man durch die Wahl der zu befestigenden Punkte, daß erstere durch die Art der Befestigung und Ausrüstung.
Cin vernünftiger Mann. Während dasBerliner Tageblatt" gestern Morgan eineck rabiaten Chauvinisten losläßt, läßt es diesem wertvollen Mii- arbeite r am Abend wohlverdiente Rippenstöße versetzen durch einen vernünftig gebliebenen deutschen Gelehrten. Am Morgen schrieb Professor Friedrich Hirth  -Wien   einen offenen Brief an einen fran- zöfischen Freund, einen bekannten Gelehrten, der ihm nicht? getan hat, als daß er Franzose ist. Dieser Brief schließt: Sie sehen, mein Herr, daß es schwerwiegende Gründe sind, die mich zu einer raschen und dauernden Auflösung unserer freund- schaftlichen Beziehungen zwingen. Vielleicht komme ich Ihnen übrigens mit dieser Absage auf halbem Wege entgegen, haben Sie bereits dasselbe erwogen, wozu mich rascher Entschluß treibt. Ich vermöchte auch nicht eine Sttmde länger der Freund eines Mannes sein, der an Werkeltagen trunkene Minister und blutdürstende Desperado» zu seinen Freunden zählt. Zwischen dieser Sorie Menschen und mir gibt eS keine Verbindung. Und Ihr Sprichwort: Les amis des arois sont mes amis"(Die Freunde meiner Freunde sind mein« Freunde) hat wenigstens für mich noch nicht seine Bedeutung verloren. Deshalb lassen Sie uns scheiden! Erfreuen Sie sich weiter der Freundschaft de? Herrn Clemenceau   und leihen Sie Ihre Hilfe künftighin, wem Sie wollen; die deutsche Wissenschaft wird sich sicherlich allein vortreff- lich behelfen. Ob freilich die französische nicht sehr bald um die Gunst der deutschen   flehen wird, ist eine Frage, die wir einer
/tos dem rujsifih-japanijchen Kriege.
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Non W. W e r e s s a j e w.
Dem bekannten Werke deS russischen ArzteS W. W e- refsajew,Meine Erlebnisse im russisch-japa- nischen Krieg e", entnehmen wir einige Abschnitte. Wir bringen zunächst daS zweite Kapitel, das den Aufmarsch deS russi- scheu SeercS schildert. Das Buch ist im Verlage von Robert Lutz m Stuttgart erschienen. Weressajew wurde 1001 beim Beginn des Krieges als Reservearzt einberufen und einem Feldspital zugeteilt. Das Vorwort der deutschen   Uebersetzer   schildert den Inhalt de? vor- trefflichen Werkes folgendermaßen: Was der Verfasser im Kriege beobachtet hat, daS haben tausend und tausend andere auch gesehen, aber ihm allein gebührt das Verdienst, ein klares Licht über zeneS Treiben in der�ruffifchen Armee verbreitet zu haben. DaS russische Volk wußte längst, daß sein Heer von einer bedenklichen Fäulnis angesteckt fei, obwohl ihm das öffentlich niemand zu sagen gewagt hatte. Erst Weressajew zog in einem zusammenhängenden Bericht Hülle um Hülle von dem abstoßenden Bilde, bis es in seiner ganzen empörenden Nacktheit vor aller Augen stand. I» schlichter, aber äußerst anschaulicher Weise illustriert der Verfasser erst die sich überall in der Armee breitmachende Sucht nach Bereicherung, die mit grenzenloser Frechheit betriebene Rech- nungSfälschung, die Unfähigkeit und Gewissenlosigkeit selbst der böchsten Offiziere und Beamten. Er zeigt, wie daS arme russische Volk unter tausend Leide», mit Gut und Blut, für alle diese Sünden zu büßen hat, und wie die weltgeschichtliche Katastrophe sich vor- bereitet. Diese kommt mit zwingender Notwendigkeit: die viel- tägige Schlacht bei Mulden wird von den Russen verloren. Aus einer Hölle von Rauch und Blut, in wahnsinniger Angst flüchtet das riesige Heer. Hier erhebt sich Weressajews Darstellung zu einer hohen künstlerischen Leistung von hinreißender Kraft. Und nun rächt sich alles, alles. Die Soldaten beschimpfen und bedrohen ihre Offiziere, die Offiziere verhöhnen ihre Generale, alle Autorität und Disziplin hören auf, das ganze Heer ist nur noch ein chaotischer, unabsehbarer Haufen von 500 000 Meuterern. In diese Anarchie bringt schließlich bloß noch daS revolutio- näre Streikkomitee einige Ordnung, indem es den Eisenbahndienst übernimmt und die H-imbeförderung der geschlagenen Armee organisiert." « Auf dem Transport. Unsere Staffelabteilung war zur Abfahrt bereit. Der Zug stand weit vom Perron entfernt, auf einem Reservegleise. Um die Wagen herum drängten sich Sol­daten, Bauern. Arbeiter und Weiber. Obwohl die kaiser- lichen Branntweinschenken schon seit zwei Wochen geschlossen waren, sah man dach fast alle Soldaten betrunken. Durch das schwermutig-traurige Geheul der Frauen drangen grell die lustigen Töne 5er Harmonika, Späße und Gelächter. Neben dem Pfosten der elektrischen Laterne saß, mit dem Rücken an das Piedestal gelehnt ein. Bauer mit eingesunke- ner Nase, in zerrissenem Kittel, und taut« Brot,
Unser aufsichtführender Offizier, ein Reserveleutnant in neuem Waffenrock init glänzenden Epauletten. ging etwas aufgeregt neben dem Zuge hin und her. Ein stei gen!" erscholl seine hochmiitis-gebieterische Stimme. Di» Menge schob sich hastig hin und her. Mau nahm Abschied voneinander. Durch die Luft ertönte, wie das Heulen eines Schneesturmes, das fürchterliche Wehklagen der Frauen, daL, von schluchzenden Atembewegungen unter- krochen, bald stiller, bald wieder lauter wurde. Weiberl Fort von den Wagen!" schrie mit harter Stimme der Leutnant, den Zug ablaufend. Aus dem Wagen schaute mit kaltem, verächtlichem Blick ein blondbärtiger Soldat auf den Leutnant. Sie haben kein Recht, unsere Frauen fortzujagen, Euer Wohlgeborenl" sagte er barsch.Nur über uns besitzen Sie Gewalt; uns dürfen Sie anschreien, wie Sie wollen. Unsere Frauen aber lassen Sie in Ruhe!" Ja. Ueber. die Weiber besitzen Sie keine Gewalt," be- merkten andere murrend. Der Offizier errötete, aber er tat, als hätte er nichts ge- hört, und er rief mit weicherer Stimme:Schließt die Türen, der Zug geht gleich ab!" Die Pfeife des Schaffners schrillte, und mit einem Ruck setzte sich der Zug in Bewegung. Hurra!" tönte es tausendstimmig aus den Wagen und aus der Menge. Hur ra!" donnerte es durch das immer stärker werdende Rasseln der Räder in der Luft. Im vordersten Wagen sang ein Soldatenckior in grellen MißtönenOttsche nasch"(das Vaterunser). Den Gleisen entlang lief, etwas vom Zuge entfernt, ein breitbärtiger Bauer mit vor Freude strahlen- dem, rotem Gesicht; er winkte mit den Händen und schrie, den dunkeln Mund weit öffnend:Hurra I" Aus den Eisenbalmwerkstätten kamen ganze Scharen von Arbeitern in blauen Blusen dein Zuge entgegen. Kehrt gesund zurück, Brüder!" rief einer von ihnen. Ein anderer warf die Mütze hoch in die Luft. Hurra!" ertönte es in Erwiderung des Grußes auS den Waggons. Der Zug fuhr rasselnd weiter. Ein betrunkener Soldat hing bis zum Leibe aus dem hochliegenden kleinen Fenster des Güterwagens und schrie unaufhörlichHurra". Sein Profil mit dem weitgeöffneten Munde hob sich dunkel vom blassen Himmel ab. Als weder Menschen noch Gebäude mehr sichtbar waren, winkte er mit seiner Mütze den Tele- graphenstangen zu und fuhr fortHurra" zu rufen. Der aufsichtführende Offizier trat in unser Kupee. Er war bestürzt und niedergeschlagen. Wissen Sie es schon?" fragte er.Offiziere haben mir soeben auf dem Bahnhofe   erzählt, daß Soldaten gestern abend während der Fahrt Oberst Lukaschoff unigebracht
hätten. Sie fingen in betrunkenem Zustande von den Wagen aus auf eine vorbeiziehende Viehherde zu schießen an, und als Ich habe es anders erzählen hören," erwiderte ich. Er hat die Soldaten grob und grausam behandelt, und diese haben schon hier gesagt, daß sie ihn unterwegs umbringen würden." So o!" Der Leutnant schwieg und starrte mit weit- geöffneten Augen vor sich hin.Man muß doch etwas vorsichtiger mit ihnen sein..." In den Wagen der Mannschaften wollte das Saufew und Zechen kein Ende nehmen. Wo die Leute den Schnaps hernahmen, das wußte niemand: aber Schnaps hatten sie, so viel sie nur wollten. Tag und Nacht hallten die Wagen von Gesang, lallenden Reden und blödem Gelächter wider. Beim Abgange des Zuges aus den Stationen schrien die besoffenen Soldaten in wirrem Durcheinander, wenn auch nur mit matter BegeisterungHurra", aber das Publikum, welches an diese vorbeifahrenden Truppenabteilungen schon gewohnt war, stand schweigend da und sah sie gleichgültig an. Die gleiche schlaffe Begeisterung machte sich auch in den fröhlichen Unterhaltungen der Mannschaften fühlbar. Sie hätten sich gerne nach Herzenslust ausgetobt, aber das wollte ihnen nicht gelingen. Sie waren zwar betrunken, allein sie langweilten sich dennoch. Der Gefreite Sutschkoff, ein früherer Schuhmacher, führte hartnäckig bei jedem Aufenthalt Tänze auf, als erfüllte er damit eine Dienstpflicht. Die Leute. drängten sich um ihn herum. Schlank und mit zerzausten Haaren, in einem in die Hosen gesteckten Zitzhemde tritt Sutschkoff vor, klatscht in die Hände und beginnt, von einer Harmonika begleitet, den Tanz. Seine Bewegungen sind langsam und träge. Da ergreift er mit den Händen die Stiefelspitze und tanzt nur auf einem Fuße weiter, der ganze Körper macht schlängelnde Bewegungen, und es ist ein Wun­der, wie er, vollständig berauscht, sich nur auf einem Fnße zu halten vermag. Die Umstehenden lacken laut. He, Onkelchen, noch etwas lustiger!" Hör, Landsmann! Geh hinter die Tür lind lKule Dich zuerst aus; dann komm und tanze!" Er tanzt ja immer dasselbe!" sagt, mit der Hand durch die Lust schlagend, der Kompagnie  -Feldscher und geht. ES scheint, daß Sutschkoff selbst sich über die Mattig- keit seiner Bewegungen zu ärgern beginnt; er will sie durch rascheres Tanzen aufrütteln. Plötzlich hört er auf, stampft mit dem Fuß auf den Boden und schlägt sich heftig mit den Fäusten auf die Brust. Na, schlag nochmals zu. Ich habe waS darin klingeln hören," lachte der Feldwebel. Laß es jetzt sein, tanze morgen wieder," sagten die Soldaten verdrießlich und klettern in ihre Waggons zurück. Aber bisweilen ganz unerwartet kam es an einer