Br. 210.- 1014 öts Vorwärts s-.«»-!«!.. 22.««-»».
die öefensive Offensive. Die Kriegsberichte aus Frankreich stellen fest, daß die große Schlacht der letzten Wochen regelrecht das Wesen des Festungs- krieges gezeigt habe. So eben formen die modernen Kriegs- »vasfen das Bild der Schlacht. Die Schlachtromantik von ehedem fliegt zum alten Eisen. Vor zehn Jahren trat zum ersten Male diese Wirkung hervor: in der russisch-japanischen Schlacht am Sch aho. Es ist sehr angebracht, den Verlaus dieser Schlacht ver- gleichsweise ins Auge zu fassen. Hugo Schulz gibt dazu Ge- legcnheit in einem der nächsten Hefte des von unserem Vorwärts- Verlag herausgegebenen, durch den gegenwärtigen Krieg, stark aktuell gewordenen Lieferungswerkes„Die Welt in Waffe n". Der Verlag Vorwärts stellt uns die Aushängebogen zur Verfügung. Schulz knüpft an die Schlacht bei Liaojang an: Rein materiell angesehen, war der Ertrag des japanischen Sieges bei Liaojang nicht eben groß, denn es gelang den Russen, sich wenige Kilometer vom Schlachtfelde entfernt neuerdings in starker Stellung festzusetzen und seine nur schüchtern nachdrängen- den Verfolger in Schach zu halten. Die russische Armee blieb völlig intakt und konnte ihre hinhaltende Strategie, bei der eS bloß um Zeitgewinnen ging, fortsetzen mit der Gewähr, durch die sibirische Bahn täglich Verstärkungstruppen in Mulden zu emp- fangen. So faßte auch Kuropatkin die Sache auf oder stellte sich wenigstens so, als ob er daran glaube, daß sein Mißerfolg bei Liaojang im Sinne einer hinhaltenden Strategie eigentlich ein Er- folg gewesen sei. Tiefer Blickende wußten es anders und waren iiberzeugt, daß der Sieg bei Liaojang den Japanern eine moralische Ueberlegenheit gegeben habe, die auch durch die ausgiebigsten Verstärkungen'nicht mehr weit zu machen sei. Wenn man die psychologischn Faktoren gegeneinander abwägt, so hatten die Japaner bei Liaojang einen ent- scheidenden Sieg erfochten, der zwar nicht ausgiebig genug war, den Feldzug rasch zu beenden, dessen moralisches Gewicht aber auf dem Gegner so schwer lastete, daß er mit keiner Anstrengung den Druck mehr abschütteln konnte. Mächtig wucherte das Selchtver- trauen der ohnedies von inbrünstigem Glauben an ihre Sache er- füllten japanischen Wehrmänner empcr und tief verstimmend fraß sich wie ein Krebsübel in die„breite russische Seele" die lieber- zeugung ein, daß man dem„gelben Teufel" an taktischem Geschick, an flinker Gelenkigkeit, an Ausdauer und Spannkraft doch nicht gewachsen sei. Trotzdem diese Grundstimumirg des russischen Heeres vielfach deutlich zutage trat, gab es immer noch Optimisten, die zur äugen- blicklichcn Eröffnung der Offensive drängten. Ein solcher Optimist war Alexejew, der„Statthalter im fernen Osten", dessen verhäng- nisvollem Einfluß sich Kuropatkin nicht ganz entziehen konnte, weil er ihm auch in militärischer Hinsicht unterstellt war und weil man seine Befehlshaberrechte gegenüber dem Zarengünstling nicht klar genug abgegrenzt hatte. So mußte sich Kuropatkin gegen sein innerstes Wollen nach einer mehrwöchigen Kampfpause, deren auch die Japaner bedurft hatten, um von ibren Wunden zu genesen, dazu bequemen, seine allerdings inzwischen beträchtlich verstärkte Armee neuerdings gegen Liaojang vorrücken zu lassen. Am Schaho- flusse, halbwegs zwischen den Tälern des Hunho, an dem Mukden liegt, und des Taitsiho, der Liaojang umspült, kam es zu einer furchtbaren Schlacht, die, wenn man die Vorkämpfe mit einrechnet, vom 5. bis zum 18. Oktober währte und in der sich die russische Führung verzweifelt abniühte, in der Rolle des Angreifers zu ver- harren. 210 000 Russen mit 800 Geschützen standen gegen 145 000 Japaner mit etwa 600 Geschützen und konnten sich trotz unerhörter Blutopfer, nachdem alle ihre Angriffe an der unüberwindlichen AbstoßungSkraft des japanischen Jnfanteriefeuers zerschellt waren gegenüber den japanischen Gegenstößen der Divisionen Okus nur mit knapper Not einer schweren Niederlage entziehen. Im Verlaufe deS September hatte Kuropatkin seine Armee nördlich des Hunhoslusses um Mulden versammelt, jedoch auch nach Süden an den Schaho beträchtlilbc Detachcmcnts vorgc- schoben und durch diese den ganzen Schahoabschnitt ebenso stark befestigen lassen wie die Stellung bei Mukden . Die Vorrückung der Russen nach Süden erfolgte nach den Weisungen Kuropatkins in zwei gesonderten und voneinander nicht unbeträchtlich entfernten Armeegruppen. Die westliche Gruppe, weil schwächer als die andere, bestand in der Hauptfache aus dem 17., aus drei Vierteln des 10. und drei Vierteln des 5. Armeekorps. Ihren Oberbefehl hatte Baron BilderlinA. Die östliche Armeegruppe, die von
Stackelberg geführt wurde, bestand auS dem 1., dem 3., der Hälfte des 2. und je einem Viertel des lö. und 5. Armeekorps. Zwischen beiden Gruppen marschierte, um die Verbindung zu sichern, eine Brigade des 10. Armeekorps nebst den beiden Kavalleriebrigaden des Generals Mischtschenko, auf dem äußersten rechten Flügel be- wegte sich die Kavalleriedivision Rennewkampf gegen den oberen Taitsiho. In Reserve verblieben das 1., das 4. und drei Viertel des 4. sibirischen Armeekorps in der Gegend von Mukden . Die Japaner waren über die Matznahmen der russischen Führung durch Kundschafter vortrefflich unterrichtet und wußten genau, was sie zu tun haben würden. Vor allem brachten sie ihre gesamte Kraft in die Front, ohne Reserven in Liaojang zurückzu- lassen. Ihre Front dehnten sie insbesondere auf dem rechten Flügel sehr weit aus, um allen Umfossungsmanövern der Russen zu begegnen, ließen aber nirgends eine Lücke in ihrer Ausstellung. Bloß ein Teil der Armee Kurokis bildete den Defenftvfliigel, der auf die örtliche Stärke des GebirgsgeländeS, auf gute Verschanzungen und auf die Abstoßungskraft einer geschickten Feuertaktik bauend, die Abwehr der umfassenden Angriffe, der an Zahl mehr als dreimal so starken Armeegruppe Stackelberg auf sich nehmen sollte. Die gesamten Divisionen Ohls und Nodzus aber sollten sich in wuchtigen Angriffsbewegungen auf die schwache Gruppe Bilderling werfen und vor allein durch die Lücken zwischen den getrennten russischen Armeen in der Richtung auf Mukden vorzu- brechen trachten. Vom S. bis 8. Oktober gab es nur belanglose Vortruppen- kämpfe, die eigentliche Schlacht entspann sich erst am 9. Oktober, wo die Gruppe StackelbergS mit den japanischen VerteidigungS- stellungen Fühlung gewann und einige vorgeschobene japanische Stellungen, die alsbald geräumt wurden, angriff. Auch der ge- ringe Widerstand muß den Russen, die sich überhaupt im GebirgS- gelände ganz besonders unsicher fühlten, eine hohe Meinung von der Stärke dieses japanischen Flügels und seiner Stellungen bei- gebracht haben, während in Wirklichkeit die meisten von den An- höhen, auf denen sich die Japaner verschanzt hielten, von ganz schwachen Abteilungen besetzt waren. So entschloß sich denn Stackelberg auch am 10. Oktober nichts anderes zu tun, als wieder bloß zu rekognoszieren, worüber dann wieder ein kostbarer Tag verging. Im Westen hatten indessen die Divisionen Okus und Nodzus ihre Angrifssbewegungen eröffnet und wurden schon am 10. Ok- tober, obgleich da noch nichts Entscheidendes geschah, der russischen Westgruppe recht empfindlich fühlbar. Die Russen gaben auf dieser Seite des Schlachtfeldes sofort jede ernste Absicht, angriffs- weise vorzugehen, auf und verschanzten ihre Stellung jenseits deS Schilihoflüßchens. Am 11. Oktober entbrannte auf der ganzen über 60 Kilometer sich dehnenden Linie die Schlacht und gewann alsbald den Charakter eines mörderischen Ringens, das erst in der Nacht seinen Höhepunkt erreichte, aber auch entscheidende Wendungen brachte; die eigent- lich entscheidende Tatsache war das völlige Versagen der russischen Offensive gegenüber dem rechten japanischen Flügel. Drei Korps stürmten gegen die japanischen Stellungen, insbesondere gegen die Gebirgspässe und den Mönsanhöhenzug und konnten gegen die anderthalb japanischen Divisionen, die dort die Abwehr besorgten, nicht das mindeste ausrichten. Dabei wurde eine Umfassung der Japaner vom jenseitigen Taitfihoufer her gar nicht versucht, son- dern alle verfügbare Kraft in der Front verwendet und immer wieder gegen die feuerspeienden japanischen Verschanzungen ge- führt, deren Verteidiger, obgleich auch sie dezimiert wurden, mit zäher Verbissenheit ihre Stellungen behaupteten; freilich fehlte es dem russischen Angriff, der nur zaghaft, mühselig und zersplittert herankeuchte, an der richtigen Wucht. Fast ein ganzes Korps hielt Stackelberg in ängstlicher Reserve, statt es an irgendeinem Punkte mit seinem vollen Gewicht einzusetzen. Bei aller Widerstandskrast wäre die japanische Front doch wohl durchbrochen worden, wenn sich die Russen irgendwo mit zermalmendem Gewicht auf sie ge- warfen hätten. Das unterblieb aber, und so wurde die Verbindung der japanischen 12. Division, neben der nur die Gardelandtvehr- brigade focht, mit dem Angriffsflügcl der japanischen Armee nicht zerrissen. Als Stackelberg abends die traurige Bilanz des Schlacht- tages ziehen mußte, entschloß er sich, es unter dem Schutze der Nacht noch einmal zu versuchen. Allein auch die Nachtangriffe, die bei dem schwierigen Gelände die Verbände arg durcheinander rüttel- ten und verpulverten, sckciterten an der Wachsamkeit der Japaner, wie an der allgemeinen Verwirrung. Der Kommandant der russi- schen Ostgruppe hatte nach diesen Erfahrungen das Gefühl, aus-
gespielt zu haben und seine Aufgabe im Angriff nicht bewältigen zu können. So ließ er denn am nächsten Tage den Kampf völlig verflammen und Kuropatkin, der inzwischen im Westen und in der Mitte seiner Front alle Hände voll zu tun bekommen hatte, zog schon am 13. Oktober abends die Konsequenzen der Lage, indem er der Gruppe Stackelberg den Rückzug anbefahl. Dieser Befehl war den Truppen durchaus nicht unwillkommen, und so ergab sich denn schon am 14. Oktober für das östliche Schlachtfeld die Ent- scheidung. 14 japanische Bataillone hatten 78 russische in zäher Verteidigung besiegt und zum Rückzug genötigt.(Schluß folgt.)
Die Rechte öer Kriegsgefangenen. Einem Aufsatz von Hauptmann Oefele in der„Umschau" über „Kriegsgefangene einst und jetzt" entnehmen wir einige Absätze: Im Altertum wurden die Kriegsgefangenen regelmäßig. von den Siegern zu Sklaven gemacht. Sie wurden als wehr- lose Beute behandelt, über die der Sieger nach Gutdünken verfügen konnte. Sie hatten durch die Gefangenschaft nicht nur ihre Frei- heit und ihren Besitz verloren, sondern auch ihr Leben verwirkt. So bestand bei den Römern die grausame Sitte, daß die ge- fangenen Fürsten und Führer sowie alle bedeutenderen anderen Kriegsgefangenen getötet wurden, nachdem sie vorher im Triumphzug des siegreichen Feldherrn aufgeführt worden waren. Die nordischen Länder brachten ihre Äriegsgcfan- genen in harte Leibeigenschaft und zwangen sie oft zu schwerer, unwürdiger Arbeit.... So sehen wir noch im Dreißig- jährigen Kriege, daß der Kriegsgefangene als Kriegs- beute des Siegers gilt und seine Freiheit nur durch die Zahlung eines Lösegeldes erreichen kann. In der neueren Zeit, in der durch EntWickelung und Ausbau oes Völkerrechts die Härten des Krieges nach Möglichkeit zu mildern gesucht werden, ist auch die Stellung und Behandlung der Kriegs- gefangenen, den Zeitverhältnissen entsprechend, eine ganz andere geworden. Unter den zivilisierten Staaten ist die Rechtslage der Kriegsgefangenen durch anerkannte völkerrechtliche Grundsätze genau geregelt und festgesetzt. Aus dem Zweck der Kriegsgefangenschaft geht schon hervor, daß die Kriegsgefangenen nicht Gefangene der einzelnen Bc- fehlshaber oder Truppenteile, durch die sie festgenommen wurden, sondern Staatsgefangene sind, und daß sie nicht Straf- gefangene, sondern Sicherheitsgefangene sind. Deshalb muß ihnen ihr Privatbesitz belassen werden, sie dürfen nicht in Gefängnissen untergebracht werden und haben Anspruch auf eine anständige, vor allem menschenwürdige Behandlung. Wenn der Feind während des Kampfes durch Worte oder Zeichen erklärt oder zu erkennen gibt, daß er sich ergeben will, so ist es Pflicht, sein Leben zu schonen und ihn als Kriegs- gefangenen anzunehmen. Das gleiche gilt für verwundete Gegner, die ihre Waffe nicht mehr gebrauchen können; auf sie soll die gleiche Sorgfalt verwendet werden wie auf die Verwundeten der eigenen Truppen.... Von dem Privateigentum darf den Gefangenen nichts genommen werden; Geld, Wertsachen usw. dürfen sie demnach behalten; Messer, Dolche und dergl. Gegenstände werden sie wohl aus Sicherheitsrücksichten in den meisten Fällen abliefern müssen.... Die Verpflegung soll auf Grund der zwischen den einzelnen Staaten Europas getroffenen Verein- barungen nach den für die eigenen Truppen geltenden Bestimmun- gen erfolgen, so daß die Gefangenen dasselbe Lager und die gleiche Nahrung erhalten wie die Sol» baten des Siegers. Die Kriegsgefangenen dürfen zwar auch in der Gefangen- schaff mit ihren Angehörigen in brieflicher Verbindung bleiben, ein Briefverkehr mit dem Feindesland wird jedoch meist nicht möglich sein. Um aber den Angehörigen der in Gefangen- schaft Geratenen die Möglichkeit zu geben, daß sie sichere Nachrichten über die Ihrigen erhalten können, muß jeder kriegführende Staat während des Krieges Vorsorge treffen, daß über den Aufenthalts- ort, da? Wohlergehen und auch über den Privatbesitz eines jeden Kriegsgefangenen jederzeit Auskunft gegeben werden kann.... Die Kriegsgefangenen dürfen weder zur Treulosigkeit gegen ihren Herrscher noch zum Waffengebrauch gegen ihr Vater- l a n d oder seine Verbündeten gezwungen werden.... Bei E r- krankung steht den Gefangenen ärztliche Behandlung zu; die Verpflegung, Wartung und Pflege kranker Kriegsgefangener soll die gleiche sein wie die der Kranken der eigenen Armee. Mit dem Friedensschluß müssen die Kriegsgefangenen
� gen Soldaten(keinen Henryqimtre habe ich bei ihnen ge- funden) voraus. lJhre Bärenmützen wackelten nicht. Ernst lag auf ihren Gesichtern. Wäre jetzt ein Offenbachsches Tschingda, Tschingda, Tschingdada erklungen, eine Operette hätte sich vor mir abgespielt. Ueber zwanzig Minuten marschierten wir im Tunnel. Die Wände schwitzten. Wann wird es ein Ende nehmen und wie? Da kam es mir vor, als wenn mir eine Treibhauswärme entgegenhauchte. Bald streiften Schimmer des Tages an den Seiten hin; Heller wurde es und Heller. Die Fackelträger bogen, zu je dreien, rechts und links aus, hielten und machten Stirnseite zu unS. Der Trommler schritt weiter: hinter ihm der kleine Mann mit dem großen Schwert. Hinter diesem die sechs Grenadiere... Wir ritten aus dem Tunnel ins Freie... Und wie entsetzt, wie auf ein gegebenes Aeichen hielten wir die Pferde an... Ein Wirrnis von Steinen lag um uns zu beiden Seiten des sich wieder wie beim Auf- stieg verengenden Weges... Kein Baum, kein Strauch; nur Würfel auf Würfel gestellt, nur nackte Schroffen und unenneßlich tiefe Schlünde... Und wärmer und wärmer wurde die Luft. Ich knöpfte meinen Ueberzieher auf. Die Trommel hörte auf zu schlagen, und der kleine Mann mit dem Goliathschwcrt gebot Halt. Die sechs Grena- diere, die der schmalen Straße wegen zu zweien hinter- einander gegangen waren, blieben stehen.„Gewehr ab! Rührt Euch'"— und der Führer trat an mich heran. Er mußte mein Staunen in meinen Zügen lesen, denn er begann sofort, ohne mich zu Worte kommen zu lassen:„Ja, das glaube ich. mein Offizier. Hier kann kein Preuße herüber. Diese Einöde legt sich um unsere ganze Festung wie ein Gürtel, wie eine Schlange die sich in den Schwanz beißt. Eigentlich werden den Unterhändlern die Augen verbunden: in diesem Falle aber sollen Sie sich gerade durch Sehen überzeugen, durch Sehen, Sehen, Sehen, ja durch Sehen, mein Offizier! Kommt der Preuße heran, so sprengen wir den Tunnel und die große Brücke, ah, die große Brücke. Und dann ist jeder Angriffs unmöglich." Aber erlauben Sie. unterbrach ich ihn...„Erlauben Sie. erlauben Sie. mein Offizier, es ist unmöglich." Aber die Wärme hier, woher...„Sie werden sehen, Sie werden alles sehen. Ah. die große Brücke. Und nun bitte ich, daß der preußische Trompeter uns einige Stückchen vorblasen darf, wenn wir wieder antreten. Ter Herr Gouverneur ist schon benachrichtigt. Sie werden eineu neunzigjährigen Greis finden. Aber er ist voll der Ehre, voll der Ehre. Er wird sich eher töten, als daß er die Festung übergibt."(Forts, folgt.)
Portepeefähnrich Schaöius. Von Detlev v. Liliencron . Ich hatte geglaubt, wie Sie wohl alle derselben Ansicht sind, in etwa zwanzig Minuten den Fuß des Kegels selbst zu erreichen. Wie hatte ich mich getäuscht. Nach Verlauf einer Stunde erst gelangten wir zu dem Punkte, von wo aus uns ein Schneckenweg in eineinhalb Stunden auf die Spitze brachte. Es gibt nur diesen einen, etwa wagenspurbreiten Hinaufstieg, der an einzelneu Stellen kleine Ausbuchtungen zum Ausbicgcn hat. Die Straße ist rechts und links mit meterhohen Mauern eingefaßt, über die wir in immer tiefere Abgründe schauten. Plötzlich, bei einer Biegung, riß ich meinen Hengst zurück, denn vor mir dehnte sich eine bodenlose Tiefe. Zugleich aber sab ich über diesen kaum sechs Meter breiten Schlund eine aufgezogene Zugbrücke. Rechts und links, auf jeder Seite, starrten iäbfallende Felsen. Ueber dem Tore bemerkte ich eine eingesprengte Nische. Sosort ließ ich meinen Trompeter blasen. Ich hatte ihm gesagt, daß er, was er wolle, geben könne, und so klang es denn in dieser Wüstenei absonderlich, wenn hintereinander „O du mein bolder Abendstern".„Mädle ruck. ruck, ruck an meine grüne Seite", unser prächtiges Signal„Trab".„Wo du nicht bist, Herr Organist", und das düstere, nüchterne, eiserne, alles mit sich fortreißende„Vorwärts"� der Infanterie erklangen. Ten Unteroffizier ließ ich unaufhörlich das weiße Laken sckstringen. Nun war es Zeit, daß wir einen Pommer- lunder(einen ausgezeichneten Schnaps aus meiner Heimat Schleswisi-Holstein), den ich in meine Satteltasche gesteckt hatte, zu uns nahmen. Nichts rührte sich. Nur entdeckte ich links in gleicher Höhe mit mir einen Steinadler, der über dem Schlünde schwebte. Ich nahm mein Glas und erkannte ihn an den gelben Kopf- und Nackenfedern. Da riß eine schwarze Wolke auseinander, so daß ein schmaler Sonnenstrahl just den Herr- lichen Raubvogel in ein Meer von Gold tauchte. Dieser Sonnenstrahl traf auch eine Felswand, von deren Rand eine Riesentanne schräg über eine Untiefe hinausragte. Während ich noch ganz versunken dies mächtige Wildnisbild betrachtete, börten wir eine Kindertrcnnpete, und als ich darauf nach der Nische sab. von wober der Ton zu schwingen schien, bemerkten wir in dieser einen kleinen eisgrauen fran- zösisclien Soldaten, gekleidet wie die Invaliden in Paris . Eine vor Altersschwäche zitternde Stimme fragte, was wir wollten.„Ich wünsche den Herrn Kommandanten zu sprechen."«Den Herrn Gouverneur. wennS gefällig ist,"
antwortet« vorwurfsvoll die Stimme. WaS wir denn bei diesem beabsichtigten?„Ich möchte den.Herrn Gouverneur in dienstlicher Angelegenheit aufsuchen." Wie in eine Versenkung verschwand der Mann, und klapp! sagte es deutlich, und es zeigten si'ch rechts und links des Einganges plötzlich je drei Geschützmündungen, die drohend ihren offenen schwarzen Hals gegen uns aufsperrten. Die Blenden waren wie durch Zauberschlag gefallen. Gleich dann rasselte schwerfällig die Zugbrücke nieder, die Pferde wurden durch das Geräusch des sich senkenden Belages scheu, und im Handumdrehen wären sie uns durchgegangen. In der Oefsnung stand derselbe Kleine mit dem Kinder- Horn, der uns eben in der Nische antrompetet hatte. Jetzt trug er noch ein überlanges Schwert an der Seite. Er lud uns mit einer freundlichen Handbewegung ein. näherzukom- men. Merkwürdigerweise traten unsere Gäule ohne„Ge- schichten zu machen" über die Bohlen, die den grausigen Grund überbrückten. Sowie wir aber ins Tor ritten, als der leichte Hufklang nnt dem dröhnenden wechselte, als plötzlich die sechs Geschütze zuglc'ch abgefeuert wurden, stiegen sie. Doch kein Reiter darf Träumer sein, und so waren wir auf alleS vorbereitet. Bald, wenn auch ein wenig aufgeregt und Ohren und Augen in lebhafter Bewegung, ruhten die zwölf Beine wieder auf dem Boden. Rechts und links wurden Türen auseinander geschoben, und ic drei Invaliden— keiner von diesen, wie überhaupt von allen, denen ich im Laufe des Tages begegnete, schien unter siebzig Iahren— traten mit entzündeten Fackeln vor. Die Zugbrücke rasselte, wie durch ein Uhrwerk getrieben, in die Höhe. Nun sah ich bei dem hellen Schein, wie mir sechs der alten Soldaten, die in einer Reihe links von uns standen, mit ibren Gewehren ihre Ehrenbezeugungen erzeigten. Wir traten in folgender Reihenfolge den Weitermarsch an: Zuerst in einer Linie nebeneinander die sechs Fackelträger (so breit war alles hier weggcsprengt). dann ein zwölf- bis vierzehnjähriger Trommelschläger. Hinter dieseni der kleine Mann, der dos lange Schwert gezogen hatte. Endlich die sechs Invaliden, die mir ihre Ehrenbezeugung gegeben, in einer Linie nebeneinander. Meine beiden Begleiter hatte ich an mich herangewinkt. Ich sagte ibnen. daß sie keine Miene zu verziehen hätten, was wir auch immer an diesem Tage erleben würden.„Zu Befehl. Herr Generali" erklang es frisch. „cke suis le ptit tambour.. Das Liedel fiel mir ein, als ich den unaufhörlich das Kalbfell bearbeitenden winzigen Trommelschläger beobachtete. Mit außerordentlicher Würde schritten die weißschnurrbärti-