9t. 226.— i9ii Unterhaltungsblatt öes vorwärtsKörpers durch besondere Bestimmungsstücke— er nennt sie: De»terminanten— vertreten, deren Zahl also viele Hundert«tausende betragen haben mutz. Diese Determinanten denkt er sichwieder zusammengesetzt aus noch kleineren Teilen, den Biophoren,von denen jedes eine einzelne Eigenschaft einer elterlichen Zelle aufdie Nachkommenschaft überträgt. Die Determinanten sind imKeimplasma in ganz bestimmter, aber sehr verwickelter Weise an»geordnet. Dadurch entstehen höhere Einheiten. Determinanten»aruppen, die ein ganze« Individuum einer Art bestimmen. Einesolche höhere EinbeU nennt Weismann ein I d. Die EntWickelungeineS lebenden Wesens auS dem befruchteten Ei besteht nun nachWeiSmann darin, datz bei den aufeinander folgenden Zellteilungen,also durch den Eifurchungsvorgang, das Jd sich nach und nach wiederin seine einzelnen Determinanten auflöst und jede Determinantedann zu ganz bestimmter Zeit und an ganz bestimmtem Orte diezugehörige Zelle oder Zellengruppe erzeugt. Damit will WeiSmannerklären, wie eS zum Beispiel kommt, datz ein bestimmter kleinerFleck, den die SchmetterlingSmutter auf dem Flügel besatz,an genau dem gleichen Platze bei ihrem Nachkommen erscheint.Alles was nun im KeimplaSma der Anlage nach vorhanden ist,kann fraglos vererbt werden, dazu auch jede Veränderung, die dasKeimplasma erleidet, jede neue Eigenschaft, die eS— sei eS durchKeimzellmischung stchnixbiinixi), oder durch direkte Ein-Wirkung bestimmter Autzenumstände— erwirbt. Eine erbliche Ueber-tragung der Abänderungen einzelner bestimmter Teileder Eltern auf die entsprechenden Teile der Nachkommen hält eraber— in Konsequenz seiner Hypothese von der Verschiedenheit de«KeimzellenplaSmaS und des KörperzellenplaSmaS nicht für möglich..Vererbung im eigentlichen Sinne kann nur diejenige Uebertragungheitzen, welche in den Elementen der Keimzellensubstanz selbst ihrenGrund hat." Tiere und Pflanzen sind nach WeiSmann nicht im-stände, Veränderungen ihrer Teile, die durch äutzere Einwirkungenentstanden, auf die Keimsubstanz zu übertragen und soerblich zu machen. Damit kommen wir auf da» inder Biologie heitzumstrittene Problem der.Vererbungneuerworbener Eigenschaften"'. WaS versteht man unter»Vererbung neuerworbener Eigenschaften'?Lamarck, der grotze Vorläufer DarwinS nahm an, datz alleEigenschaften, alle Besonderheiten, die sich eine Pflanze oder einTier sbesonderS durch den stärkeren Gebrauch resp. Nichtgebrauch be-stimmter Organe) im individuellen Leben neu erworben habe, auchohne weitere« auf die Nachkommenschaft vererbt werden. LuchDarwin war sich des Gegensatze« von Vererbung angebornerEigenschaften, die auf einer direkten und unveränderten Weitergabedes KeimplaSmaS beruht, und der Vererbung neuerworbenerEigenschaften noch nicht bewutzt. Er nahm an. datz bestimmte Ver-änderungen, die sich ein Organismus in seinem Daseinskampfe aufirgendeine Weise erworben, selbstverständlich auch auf dieNachkommenschaft übertragen werden könne. So nahmman an. datz eine stummelschwänzige Katzenart dadurchentstanden sei, datz eine Katze diese aus irgendwelchem Grunde»neuerworbene' Eigenschaft auf ihre Nachkommenschaft vererbt habe. Esist nun zweifellos Weismanns Verdienst, durch seine KeimplaSma-theorie, wenn auch mehr durch den Widerspruch, den sie erregte,die alte unkritische Methode der Vererbungsforschung, die in der Zu-sammenstellung von allerlei Anekdoten und ungenügend beglaubigtenBeobachtungen bestand, verdrängt und zu einer kritischen Prüfungnach der Vererbbarkeit erworbener Eigenschaften, überhaupt einevertiefte Untersuchung des Problems verbunden mit einerstrengeren Kontrolle der für und wider aufgestellten Beweise an-geregt zu haben. Damit soll selbstverständlich seine Theorie nochlange nicht als die einzig richtige Lehre charakterisiert werden. ImGegenteil: sie weist mancherlei Mängel aus. Vor allen Dingen istc« WeiSmann nicht' möglich gewesen, und eS dürfte wohl überhauptnicht möglich sein, weder anatomisch noch physiologisch eine wstrenge Isolierung des KeimplaSma» vom KörperplaSma zu be-weisen, wie er sie voraussetzt. Geschickterweise hat e» übrigen»WeiSmann verstanden, den Beweis für die Richtigkeit seiner An-nähme einer mangelnden Verbindung zwischen Keimplasma undKörperplaSma seinen Gegnern zuzuschieben.Co viel steht fest, datz unsere heutigen Kenntnisse über den Ver-erbungSvorgans und noch nicht instand setzen, den WeismannschenBedenken siegreich zu begegnen. Wer WeiSmann widerlegen will.darf seinem System nicht, wie Th. Delage ganz richtig betont,.einanaloges neues System gegenüberstellen, sondern eine Theorie, diehinsichtlich der Rechte und Pflichten des Theoretikers von ganz anderenGesichtspunkten ausgeht'.Vielleicht wird uns einst die heute noch so wenig entwickelteChemie des Protoplasmas eine Lösung dieser Fratzen bringen. Aufjeden Fall dürfte WeiSmannS KeimplaSmatheorie, der übrigensvon der experimentellen Biologie schon kräftig zu Leibe gerückt wird,nicht der letzte Lösungsversuch des Vererbungsproblems sein.Theater unö Muflt.Theater in der Königgrätzer Stratze:.Rausch".Schauspiel von Strindberg. Das Stück, etwa anderthalb Jahr-zehnte alt, stammt aus einer Zeit, da Strindberg der einstige radi-kale Freidenker, durch Seelenqual gefoltert, von Wahnideen undHalluzinationen gejagt, in seinem Schicksal und dem Menschen-schicksal überhaupt das Walten eines mystischen Verhängnisses zuspüren meinte, das Schuld und Leiden unerträglich häuft, um demVerfolgten die Augen über seine Ohnmacht zu öffnen, das Verlangennach den Segnungen eines erlösenden Glaubens in ihm zu wecken.Aus solchen Stimmungen, in denen die Aengste tiefster Verzweiflungsich mit phantastisch unbestimmter religiöser Sehnsucht verschlingen,erstand das seltsam wirre, in allegonschen Visionen fortschreitendeDrama nach.Damaskus", dessen erster Teil in der letzten Saisonüber das Lessing-Theater ging— erstand auch der, im Milieu undäutzeren Gefüge mehr der naturalistischen Stilart angenäherte.Rausch'.Ein Gemälde verheerender Leidenschaft, da« Strindberg, künstlerischganz willkürlich, aber offenbar aus innerem Trostbedürfnisseheraus, mit dem Ausblicke auf Rettung und Umkehr des Ver-blendeten abschlietzt.Derselbe Abend, der dem jungen Pariser Dichter Maurice denGlücksrausch seine» ersten grotzen Theatererfolge» bringt, reitzt ihn,den früher Wohlgesinnten in die Bahnen seelischen verderben». DasBild des armen treuen Mädchens, dem er die Ehe versprach, deskleinen Töchterchens, an dem sein ganzes Herz hing, ist, als einmystisch absichtsvoller Zufall ihm Henriette, die Freundin seinesFreundes, an jenem Abende zum ersten Male zuführt, in der Er-innerung ausgelöscht. Ein geheimnisvolles Grauen, die Ahnungeines lange vorher bestimmten Schicksals zieht ihn mit unentrinn-barer Gewalt zu ihr, die seinen neuen Ruhm— schwärmt er—mit ihrem Reize krönen soll. Sie freut sich ihrer Macht,freut sich deS Leides, das ihr Bund mit Mauric«über die andere und über ihren eigenen früheren Geliebten, denwackeren Adolphe bringen wird, verstrickt, eine echt StrindbergscheTeufelin, den Mann in alle Niedrigkeiten ihrer Seele. Sie, die denleiblichen Vater totgewünscht hat, überzeugt ist, datz sie ihn reindurch ihren Hätz getötet, richtet die gleiche glühende Wut nun gegenMaurices Kind, lockt Maurice selbst den freventlichen Wunsch aufdie Lippen, die Kleine möchte sterben. Sie wollen fort in die Welthinaus. Aber das Kind stirbt wirklich— unmittelbar, nachdem derBater eS zum Abschied in seine Arme geschlossen. Der Rausch wirdjammernde Reue. Ein Gerücht entsteht, Maurice habe der KleinenGift gegeben. Der Verdacht, der die Polizei auf seine Spur hetzt,treibt den Verfolgten an den Rand des Wahnsinns. Die Grenzen, die dasDenken von dem Handeln trennen, vermischen sich in seinem Geist.Er fühlt sich schuldig an dem Tode, weil er ihn einmal gewünschthat. Wie das Mörderpaar in ZolaS.Therese Raquin' zerfleischensich die beiden in tödlichem Hasse. Man erwartet den Untergang.Doch plötzlich lenkt Strindberg zu einem moralisierend versöhnlichenSchlüsse ein. Henriette kehrt zu ihrer Mutter zurück und Mauricespricht davon, im Kloster die Verschuldung zu bützen. Da kommtdie Nachricht, datz nach Zerstreuung des Verdachtes sein Werk vonneuem auf den Spielplan gesetzt sei. und nun gewinnt die Welt für ihnneuen Wert. Den ersten Abend wird er in der Kirche bei einemLbbö, der als eine Art himmlischen SendbotenS im Stücke figuriert,den zweiten im Theater zubringen. Ein Vorsatz, der laut demZeugnis des Geistlichen den Beginn der Läuterung anzeigt!Das Werk erlebte seine Premiere in Deutschland vor zwölfJahren in dem damals von Reinhardt geleiteten Kleinen Thealerund brachte es bei der glänzenden Verkörperung der beiden Haupt-figuren durch Reicher und Gertrud Eysoldt wenigstens in seiner erstenSalfte zu tief aufwühlender Wirkung. So viel Intelligenz Herra r t a u und seine Partnerin Fräulein O r S k a in diesen beidenRollen aufboten, ein lebendiger Kontakt, zur Illusion gesteigert, stelltesich diesmal nicht her. Der Eindruck des fremdartig Wunderlichenüberwog den einer spukhaft dämonischen Notwendigkeit. FridaRichard war eine freundliche gute Madame Catherine. Die beidenBetrogenen, HenriettenS früherer Liebhaber und Maurices frühereGeliebte erhielten im Spiele Lettingers und Anna E r n st Zgewinnend-sympathischen Ausdruck. dt./wguft Weismanns Lebenswerk.Von Dr. M. H. Barge.Mit dem am 6. d. M. in Freiburg i. Br. im Alter von81 Jahren verstorbenen Professor Weismann ist einer der be-deutendsten Biologen Deutschlands dahingeschieden. Von HauS auSArzt, wie fast alle älteren Zoologen, ist eS ihm doch verhältnismähigfrühzeitig möglich gewesen, den ungern ausgeübten Brotberus mitder seinen Fähigkeiten, Anlagen und Neigungen mehr entsprechendenTätigkeit eines UniverfitätSlehrerS zu vertauschen und sich damit auchdie Gelegenheit zu eigenen Forschungen auf dem selbsterkorenenArbeitsgebiet der Zoologie zu schaffen. Besonders waren es diebiologischen Grundprobleme der Vererbung und der Art-e n t st e h u n g, die ihn sein Leben lang beschäftigten und zu derenAusbreitung er direkt und indirett durch seine Forscherarbeit wie wenigeandere beigetragen hat. Wie sein gleichaltriger, aber viel populärererKollege E. Haeckel ,st er auch von Darwin ausgegangen. Besondersdie Darwinsche Selektionstheorie, die Lehre von der natürlichen Zucht«wähl hat es ihm angetan. Beim weiteren Ausbau dieser neuenbiologischen Lehre ist er dann schlietzlich darwinistischer als Darwinselbst geworden. Unter allen Darwinianern ist er der konsequentesteSelektionist. Er ging sogar so weit, datz er, woran sein vorsichtigerMeister nie gedacht hatte, die Zuchtwahl zum alleinigen Prinzipaller Entwicklung in der organischen Natur erklärte, datz er von einer«Allmacht der Naturzüchtung' sprach.Während Darwin neben seinem Selektionsprinzip noch andereFaktoren zur Erklärung der Ursachen der organischen Entwicklungheranzog, z. B. auch Prinzipien, wie sie sein grotzer französischerVorläufer Lamarck schon 50 Jahre vor ihm zur Erklärung der Entwicklungsvorgänge benutzt hatte, lehnt Weisman die Benutzunglamarckistischer Prinzipien ab, weil sie in Widerspruch mit demSelektionsprinzip stehen. Er hat die Lehre von der Naturzüchtungvon allem nicht Dazugehörigen gereinigt, sie folgerichtig aus-und zu Ende gedacht und damtt ein System, eine Theorie geschaffenvon einer logischen Konsequenz und Geschlossenheit, wie sie seltenzu sinden find. Diese strengste logische Folgerichtigkeit tm Weis-mannlsmuS— wie man das System in England und Amerika be-nannt hat— ist es denn wohl auch gewesen, die der Theorie soviele(und darunter recht namhafte) Anhänger verschafft hat.Nach Weismann find also alle neuen Arten sowie alle An-Passungen und die mancherlei Zweckmätzigkeiten, die die einzelnenOrganismen in Bau und Verrichtung aufweisen, durch unausgesetzteNaiurzüchtung. durch sogenannte Ausleseprozesse hervorgerufen. Wiedenkt sich nun WeiSmann den Vorgang? Um uns diesen Prozetzzu erklären, mutz er erst noch eine weitere Voraussetzung machen.Er nimmt nämlich auf Grund bestimmter Ergebnisse ver Zell-forschung an, datz im Zellkern der FortpflanzungS- oder Keimzellen,d. h. also der Samen- und Eizellen, aus deren Verbindung dieOrganismen entstehen, durch die Verbindung der beiden Zellkernebeim Befruchtungsprozetz— eventuell auch vorher unter diretterEinwirkung äußerer Umstände aus jede einzelne der Keimzellen—Abänderungen in den Kernen dieser Keimzellen, sogenannte Keim-Variationen entstehen, die er sich als neue Kombinationen ihrerkleinsten Stoffteilchen denft. An diese Abänderungen, diese Keimzell-Variationen, diese Umlagerungen, knüpft nun die natürliche Zucht-wähl an, um neue Anpassungen, neue Arten zu schaffen, indem jeneVeränderungen in der Keimzelle, die die Anlage für nützliche, zweck-mätzige Anpassungen bilden, den auS jener Keimzelle entstehendenLebewesen irgend welche Vorteile für den Kampf ums Dasein bringen.Er überträgt damit das SeleltionSprinzip auf die letzten Stoff-teilchen der Keimzellkerne. Diesen Kampi ums Dasein innerhalbdes Keims bezeichnet er als.Germinalselektion'(Keimzuchiwohl).Seiner Meinung nach ist er letzten Endes durch die Verschiedenheitin der Ernährung der kleinsten Keimteilchen bedingt.......-Lebhafte wissenschaftliche Kämpfe, die heute noch nicht abge-schlössen sind, hat WeiSmann nun durch die von ihm aufgestellteVererbungstheorie, die sogenannte.KeimplaSmatheorie",hervorgerufen, mit deren Aufftellung er versucht, die Probleme derVererbung zu lösen. Um zu erklären, wie«S möglich sei. datz dieKeimzelle den ganzen Körper mit allen seinen Eigentümlichkeitenwieder erzeugt, nimmt er in den Geschlechtszellen der Organismenein besonderes PlaSma, da» KeimplaSma, an. das von einerGeneration auf die andere direll weitergegeben wird. Er sprichtdaher von einer Kontinuität, d. h. von einem ununterbrochenenZusammenhang deS KeimplaSmaS. In diesem Keimplasma sindnun seiner Lehre nach alle Zellen oder Zellengruppen deS zukünftigen6] Alenjchenopfer.Von Tadayoshi Sakurai.Diese Brettchen wurden durch meinen Diener mitBambusnägeln zusammengenagelt Es entstand auf dieseWeise eine plumpe Schachtel, ungefähr 3 Zoll im Ouadrat, inwelche abgeschnittene Stücke meiner Nägel und eine Lockemeines Haares sowie einige Blatt Papier, um meine Ascheeinzuwickeln, gelegt wurden. Auf den Deckel der Schachtelschrieb ich meinen Namen und ebenso den buddhistischenNamen, den ich nach meinem Tode tragen wollte. Nachdenrmein Sarg auf diese Weise bereitet war, blieb mir nichts mehrübrig, als mich aufs äußerste zusammenzunchmen, um dieGnade des Kaisers und des Landes mit meinem eigenenLeben zu bezahlen. Aber leider hat diese Schachtel niemalsdie Auszeichnung genossen, meine Ueberreste zu beherbergen:ach, sie ist nun nur ein Gegenstand des Gelächters für michund meine Freunde geworden.An jenem Abend schrieb ich einen Brief an meinenälteren Bruder in Tokio, berichtete ihm die letzten Ereignissedes Kampfes und sagte ihm, daß unser Angriff morgen be-ginnen sollte, daß ich bereit und entschlossen sei, zu sterben,und daß. obwohl mein Körper bei Port Arthur verloren gehe.mein Geist und meine Seele die Treue zum Kaiser durchsieben Leben hindurch nicht vergessen wurde. Es sollte diesmein letztes Lebewohl sein. Am selben Tag erhielt ich einenBrief eben dieses Bruders, in welchem folgende Aufmunterungenthalten war:..„Denke weder an Ehre noch Verdienst, sei nur treu DeinerPflicht. Als Nelson seinen ruhmvollen Tod in der See-schlacht von Trafalgar starb, sagte er:„Gott sei Dank, ichhabe meine Pflicht getan.".Ain Vorabend einer großen Schlacht erhielt ich dieseWorte der Aufmunterung und Belehrung, die mein Herz nochtapferer und meinen Entschluß noch fester machten.Am 7. August, abends 5 Uhr, wurde der Himmel Plötz-lich dunkel, traurig und trübe und ein Regenfall vermischtesich mit dem Tonner der Kanonen. Wir warteten auf einerHöhe oberhalb des Takuflusses ängstlich auf das Kommando:„Vorwärts". Ter Regen fiel stärker und der Himmel wurdedunkler. Wenn gelegentlich das Licht der feindlichen Schein-Werfer auf eine Seite der Hügel und des Tales fiel, wurdeein blauweißes Licht über die Landschaft gestreut und ver-hinderte den Weitermarsch unserer Infanterie. Das Wurf-feuer des Feindes wurde stärker und stärker, je später eswurde. Es verursachte,, vermischt mit dem furchtbaren Regen-guß, ein eigentümliches Geräusch. Leutnant Hayashi undich steckten unter einem Mantel und wechselten hier und daeinige Worte.„Wir können uns jeden Moment trennenmüssen," war Hayachis plötzlicher Ausruf, als ob er an denTod dächte.„Ich bin auch entschlossen, diese Nacht zu sterben,"war meine Antwort, worauf er erwiderte:„Welch lange Zeitwaren wir zusammen!" Wir hatten keine Gelegenheit, dieseUnterhaltung noch länger fortzusetzen und mußten uns tren-nen. Wir waren Kameraden während des ganzen FeldzugeSund zu Hause lange Zeit Tischgenossen gewesen. Es war diesjener Leutnant Hayashi, der bei dem letzten Ansturm aufTaipo-shan als erster, sein Schwert schwingend, die feind-lichen Wälle überstieg. Dies eilige Lebewohl war in derTat das letzte. Unser Händedruck war ein ewiger Abschied.Wie bereits erwähnt, begann das Feuer unserer Ar-fillerie gegen Abend wirksam zu werden, worauf unsere Ab-teilung den Vormarsch antrat, wie es geplant war. TerRegen wurde stärker und die engen Pfade wurden Schlamm-löcher. Wir marschierten mit großer Mühe knietief imWasser und Schlamm. Die feindliche Batterie auf demTaku-shan war nicht zum Schweigen gebracht oder geschwächt,wie wir angenommen hatten. Sobald sie durch den Regenund den Rauch unseren Vormarsch entdeckte, eröffnete sie ihrFeuer mit frischer Kraft. Als wir den Takufluß erreichten.hatte sein schmutziges Wasser die Ufer überflutet und wirwußten nicht, wie tief er war. Der Feind hatte aus demstarken Regen Vorteil gezogen, den unteren Stromlauf ge-hemmt und versuchte, unseren Vormarsch durch Ueber-schwemmung aufzuhalten. So tapfer wir auch sein mochten,wir haben doch vor diesem unerwarteten Bundesgenossen derRussen gezögert. Sollten wir dem Wasser trotzen, um viel-leicht zu ertrinken, anstatt durch die feindlichen Geschosse zusterben? Aber seht! Eine Abteilung unserer Pioniere, dievon vornherein sich für verloren gab, sprang in die dunkleFlut und durchbrach den Damm. Das Wasser lief sehr raschab, und die Infanterie konnte den Fluß überschreiten.Unsere ganze Truppe sprang in das Wasser und watete hin-durch. Anstatt zu ertrinken, wurden viele in dem Stromdurch das feindliche Feuer getötet. Ihre Leichname warenso eng gesät, daß sie beinahe eine Brücke über den Flußbildeten.Endlich erreichten wir den Fluß des Taku-shan, aber wirmußten da die Drahthindernisse durchbrechen und liefen Gefahr,auf Minen zu treten. War eine Gefahr vorüber, so erwarteteunS eine andere. Es war indes nicht Zeit, zu zaudern oderzu halten: wir begannen über Felsen zu klettern und in Ab-gründe hinunter zu steigen. Stockdunkelheit und heftigerRegen vermehrten noch die Schwierigkeiten. Obgleich derherunterstürzende Regen und das Durchwaten des Flussesuns bis auf die Haut durchnäßt hatten, konnten wir dochunseren Muskeln keine genügende Bewegung geben, um dasBlut im Kreislauf zu halten. Als wir den russischen Be-festigungen näher kamen, regnete es auch Schrapnells aufunsere Köpfe oder es wurden Steine und Balken auf uns ge-schleudert, so daß die Schwierigkeit des Vorwärtsdringensungeheuer war. Eine Abteilung neben uns hatte bereits dieSchützengräben erreicht, die auf halber Höhe des Berges einHufeisen bildeten. Inzwischen war unsere Abteilung be-schäftigt, in die Felsen auf der Bergseite Stufen einzuhauenund alles vorzubereiten, um bei frühester Gelegenheit einenNachtangriff zu versuchen. Aber der Feind arbeitete soheftig mit Scheinwerfer und Leuchtgranaten, daß unser Fort-schritt gehemmt wurde; der Nachtangriff mußte deshalb alsunmöglich aufgegeben werden. Statt dessen planten wireinen Sturm früh in der Morgendämmerung, und wir hattenangesichts des Feindes auszuharren, dem Regen ausgesetzt,der ohne Unterbrechung auf uns herniederströmte.Als es am östlichen Himmel zu dämmern begann, regnetees noch immer fort. Die Leichen unserer Kameraden, dieam Takufluß überall zerstreut lagen, konnten nicht aufgelesenwerden, ebensowenig konnte eine Ordonnanz die andere Seitedes Stromes erreichen, da wir direkt unter den Augen desFeindes waren. Trotzdem wurden Ordonnanzen weggeschickt,aber alle wurden ohne eine einzige Ausnahme abgeschossen.Welch ein entsetzliches Bild! Solch ein niederschlagendes Er-gebnis! Niemand wußte etwas vorzuschlagen und wirwußten nicht, wann und wie der Sturm auf den Feind aus-geführt werden könnte. Feldwebel Jine, der durch den Leibgeschossen war und im Todeskampfe am Fuß des Hügels lag,bat jeden einzelnen Mann, der an ihm vorbeikam, ihn zutöten und von seinen Leiden zu befreien. Wie konnten wirden Feind schlagen und für unsere Toten und VerwundetenSorge tragen? Unsere Gedanken eilten rechts und links,aber die erwünschte Gelegenheit bot sich nicht. Zu alledemerschienen elf russische Kriegsschiffe, darunter die„Nowik",in der Nähe von Aenchang und begannen unsere Infanteriezu beschießen, die aus dem Hinterland in der Richtung aufden Taku-shan und Hisiaoku-shan vormarschierte. Da gabes keine Deckung, wir wurden eine nicht zu verfehlende Scheibefür das feindliche Feuer und wurden nach ihrem Beliebengetötet oder verwundet. Wir wurden dadurch in den Zu-stand der bittersten Verzweiflung gebracht, gerade, als wennein Wolf unser Hintertor angegrrffen hätte, während wir dasFronttor gegen ernen Tiger verteidigten. Aber wie habenwir nun trotz allem'den Taku-shan erobert?(Forts, folgt.)