».229-1914 Unterhaltungsblatt öes Vorwärts
Kriegsflizzen. Von Alice Fliege I. l. SS ist fast dunkel im Zimmer. Von dem kleinen, eisernen Oefchen kommr lochende, rote Glut. Eifrig und schnell— wie ein mitleidiger Mensch, der helfen und geben will, ehe es zu spät ist. In einer Ecke steht ein Lehnstuhl. Er ist beguem und gut er- halten, und die Dürftigkeit de» Zimmers wundert sich, weil er da ist. Behaglich strecken sich die kranken, verbrauchten Glieder der allen Mutter Zisla in dem bequemen Stuhl. Gestern hat sie ihn geschenkt bekommen. ES ist Krieg. Aus ihrem Schoß dampft von einem Suppennaps ein feiner, appetitlicher Hauch auf. Muller ZislciS verbungertes Gesicht sieht für einen Augenblick in dem behaglichen Gefühl des SattseinS, das darüber hinströmt, fast rund aus. Die Alte hat arme, müde, unzusammenhängende Gedanken. Sie hat zu lange mit krummem Rücken schaffen müssen, und dann, als das nicht mehr ging, zu viel gehungert. Nun hat sie das dumpfe Geiühl. als sei sie nicht mehr wie' ein Tier, das den Hals nach einem Stück Brot reckt. Es ist Krieg. So viel Gedanken hat Mutter Ziska noch, um zu wiffen, daß jetzt ihre beste Zeit ist. Sie lacht verschmitzt... und schlürft einen Löffel aus dem vollen Suppennapf. Wie sie gelogen hat! Tapfer— ohne Reue— ohne Umschauen — wie ein Mann mit einem breiten Rücken. Nicht nur jetzt. Lange schon. Von dem Tage an, als sie er- kannte, daß ihr großer, starker, gescheiter Sohn ein Bummler war — ein Tagedieb, den sie sein Leben long ernähren und irgendwo verstecken mußte, wenn die Polizei kam. Sie begreift es jetzt nicht mehr, wie sie es fertig gebracht Halle, Jahr für Jahr seine Laster zu verbergen. Denn eng wohnen die Leute hier in den hohen Häusern beieinander, zwischen denen der Hof schmal wie ein Band gleitet. Gut. daß der Lump wenigstens nicht tobte, wenn er betrunken war. Wie ein Toter lag er stier und stumpf aus dem Bett. Sie hielt die Leute fern von der kleinen, armen Stube. bis er aus seinen, Rausch erwachte und wieder davonschlich. Dann sagte sie: »Er rs auf Arbeit gegangen 1" Sie sprach es mit einem wichtigen, stolzen Lächeln, wenn er Tage— Wochen wegblieb und sich mit den Mädchen herumtrieb, bis ihre letzten Spargroschen draufgingen. Daß sie das so sagen konnte damals! Müde sinft ihre kleine. verhutzelte Gestalt ganz in sich zusammen. Lange— lange muß das alles schon hinter ihr sein. Jetzt ist Krieg... Mullerliebe! Hat die so viel vermocht? Ihr Mund wird hart. Nein... nein! Das war es nicht! Sie liebt ihn nicht. Schon längst nicht mehr. Sie hat sich vor ihm geekelt— sie hat ihn gehaßt. Denn er zertrat ihren Glauben und vernichtete die letzten kleinen, stillen Hoffnungen, die sie noch auf der Erde festhielten. Aber ein verzweifeltes Ehrgefühl rang in ihr. Das wollte nicht zugeben, daß ihr eigen Fleisch und Blut verdorben war. Sein Bater war so stark und stolz.--- Die rote, kochende Glut verlischt.... Vorsichtig stellt die Alte den Suppennchzf weg, humpelt zum Ofen und schüttet mit fteudezitternden Händen die Kohlen nach. Wie gut, daß man jetzt etwas da hat, den kalten, glatten Leib zum Glühen zu bringen.- ES ist Krieg.... Den Dieb, den Taugenichts, für den sie sich zugrunde gerichtet hat, den hat der Krieg nun auch von ihr weggenommen. Das ist das Beste, waS ihr geschah. Sie wundert sich nur, daß so einer zu etwas nütze sein kann— da draußen. Wie die Nachbarn alle zu ihr gekommen sind voll Mitleid und Fragen! Eine Frau weinte sogar und küßte ihr die runzeligen Hände. Denn nun ist ja ihr Sohn weg, der ihrem alten hungrigen Mund zu esien gegeben und der ihre Gebrechlichkeit stützte. Die Alte kichert in sich hinein wie ein Kind, dem ein Streich gelang. Wie gut, daß sie alle nicht wissen, daß eS jetzt so viel bester für sie geworden ist. Dann hätten sie ihr nichts geschenkt— nicht den Stuhl und nicht die vielen Kohlen. Nun bekommt sie Unterstützung und jeden Tag ihr warmeS Esten. Sie blickt scheu zu dem Bett an der schmalen Wand. Dort wird nie mehr ein betrunkener Tagedieb liegen, bei dem sie lange ?kächte frierend fitzen muß. Sie braucht die Türe nicht mehr ängst- lich zu verschließen. Jeder kann zu ihr hereinsehen. Ihre arme, kleine Stube ist rein geworden.
� Nensthenopfer. Von Tadayoshi Sakurai. Wir, die wir nun am Fuße von Taku-shan waren, trafen in aller Eile die verschiedenen Vorbereitungen zum Angriff. Wir unternahmen eine besonders sorgfältige Erkundung der Mittel und Wege, um dje Drahthindernisse, auf die sich der Feind als die wirksamsten seiner Verteidigungsanlagen ver- ließ, anzugreifen, und um die niedrigen, durch Drähte ver- bundenen Pfähle der Fladderminen, durch welche in den vorausgegangenen Schlachten so viele unserer Leute getötet worden waren, auszukundschaften. Alle vor uns liegenden Hügel, breite und schmale, hohe oder niedrige, waren mit diesen schrecklichen Dingen besät, welche von weitem wie schwarze Flecken sich vom Erdboden abhoben. Diese Drahthindernisse mußten wir durchbrechen, über sie schreiten und weiter vorgehen. Das Zerschneiden war eigentlich Sache der Pioniere, aber deren Zahl war beschränkt. während die der Drahtnetze fast grenzenlos war. Tie In- fanterie mußte also selbständig das Durchschneiden lernen. Es wurde deshalb am Ufer des Takuflusses em Uebungs- Hindernis hergestellt, an welchem wir von Pionieren im Niederreißen der Drähte instruiert wurden. Zuerst pflegte eine Gruppe mit Scheren die eisernen Drähte durchzuscheiden, dann folgten Leute mit Sägen und hieben die Pfähle um oder sägten sie durch. Wenn ein Teil des Hindernisses auf diese Weise geöffnet war. lief eine Abteilung Infanterie schnell durch die entstandene Öeffnung hindurch. Diese Art Arbeit war dringend nötig für uns und wir übten uns darin mit Eifer und Fleiß. Im eigentlichen Kampfe jedoch kann diese Arbeit nicht so leicht verrichtet werden. Tie zur Zerstörung der Netze vorausgeschickten„frei- willigen Pioniere" werden immer vernichtet, weil sie dicht vor den Mündungen der Maschinengewehre zu arbeiten haben. Außerdem aber stellte sich heraus, daß diese Drahthindernisse mit Elektrizität geladen waren. Ueber diesen elektrischen Strom jedoch gingen die Meinungen auseinander. Tie einen sagten, daß die Elektrizität ausreiche, um jeden, der die
Freundlich lächelt sie herüber zu dem eisernen, glühenden Oefchen. Glücklich löffelt sie ihre Suppe. Da würgt etwas in ihrer Kehle. Es schmeckt ihr nicht mehr. Sie läßt den Löffel fallen. Bon weither— wie aus einem fernen Nebelland drängt eS zu ihr hin. Ein Fragen... ein Klagen... Warum geschah nicht schon früher einmal irgend etwas, um deswillen die Menschen die Herzen aufmackilen für ihre Not...? Sie war einst ein junges, kräftiges Weib mrd arbeitete gern. Aber wie oft hat sie gejammert, daß sie tagaus,, tagein aus dem Hause weg mußte, und der Junge wie ein Heimatloser auf der Straße lag. Mit den anderen Kindern zusammen, die älter und schlechter waren wie er und hinter seiner klaren Stirn die ersten häßlichen Gedanken hervorlockien. Dann kam das Hungern, das Frieren für sie beide. Da war kein Mensch, der ihr freiwillig eine Liebesgabe in die arbeitSharte Hand gedrückt hätte. Wäre es wärmer, fröhlicher und nicht so karg in der kleinen Stube für ihren Jungen gewesen, vielleicht hätte er dann die Hand nicht nach fremdem Gut ausgestreckt.... nicht gegen sie erhoben. Einmal war auch er gut und zärtlich, und sie liebte ihn sehr, ES ist Krieg.... Nun sehen die Menschen den Hunger, der schon immer da war.— Jammervoll schluchzt die Alte auf. Dann wird eS ganz still im Zimmer. Nur die Glut prasselt und leuchtet. Die Frau ist eingeschlafen. Es ist kein Schmerz mehr in ihrem Gesicht. So tief kann sie Vergangenes nicht mehr überdenken. Nicht mehr begreifen. Vor ihr liegt eine kurze Spanne Zeit. Sie träumt: da wird sie satt, warm und glücklich sein... Es ist Krieg... II. Die Maschine surrt. Ein gleichmäßiges, hartes Lied. Es treibt die müden Hände der Näherin, die nicht wissen dürfen. daß die Arbeit heute schon zehn Stunden währte. In unermüdlichem Eifer schieben und ordnen sie das harte graue Leinen, aus dem Brot- beute! entstehen. Hundert um hundert— Woche für Woche. Heimarbeit ist es. Sie bringt wenig Lohn und ist mühsam. Aber eS ist doch wenigstens Arbeit und darum ein Segen. Die Maschine surrt. Ihr Lied macht die Frau blasse ftoh. Sie denkt an die letzten Monate, in denen sie sich so schnell in die Höhe gewirtschaftet hat. Sogar ein paar Mark für das Spar- kastenbuch sind übrig geblieben. Die Kinder, die aus vier schmalen Matratzen auf der Diele liegen, stöhnen wohlig und satt im Schlaf. Der Jüngste hält ein weißes Stückchen Brot fest in den Händen. Er war satt und konnte eS nicht mehr essen. Aber hergeben wollte er eS auch nicht. Die Mutter lächelt glücklich. Ihre Hände ruhen einen Augen- blick und tasten sich unsicher von dem harten Leinen weg, als wollten sie sich zu einem Dankgebet fallen. Doch sie schämt sich der weichen Regung und arbeitet weiter. Aber sie hört die Glocken läuten, so wie sie an jenem Sonntag klangen, an dem sie zum letztenmal mit ihrem Mann zusammen war. Sie gingen beide an der offenen Kirche vorbei und sahen verlegen weg. Und traten dann doch hinein— ohne ein Wort. Wie eine innere Verabredung war es. Eine Verabredung, Gott zu sanken, weil der Mann gesund genug war, in dgs Feld zu ziehen. Wie hatten sie gebangt, daß er tciner schwächen Lungen wegen nicht genommen würde. Riit des Mannes Arbeit war es schon vor dem Kriege nicht zum besten bestellt. Mit dem Kriege hörte sie ganz auf. Bielen ging eS so wie ihm Den schwindsüchtigen Flickschneider, der über ihm wohme, hatten sie für untauglich erklärt. Als er sah, wie der arme Tropf treppauf, treppab vergeblich nach Arbeit fragte— als er sechs hungrige Kinder und eine schwächliche Frau über sich jammern hörte, da hockte die graue Sorge jede Nacht wie ein Alb auf seiner Brust. — Die Frau näht weiter. Emsig und fröhlich. Sie hört die Glocken klingen... Sie hat nicht geweint, als er ging. Wie zwei gute Kameraden gaben sie sich zum Abschied die Hand. Er durfte mit ins Feld ziehen. So waren sie aus der größten Rot heraus. Das war die Erfüllung dessen, um was sie in ruhelosen Nächten gebetet hatten. Einmal fliegt ein Schatten über das Gesicht der arbeitenden Frau. Seit H Tagen erhielt sie keine Nachricht von draußen. Aber die Feldpost ist ein unsicher Ding... und wenn ihn eine Kugel traf--- die Kinder werden zu essen haben.
Leise klopft«S. In zwölf grellen, dünnen Schlägen übertönt die kleine Uhr das zaghafte Klopfen. Die Frau weiß nicht, ob sie es gehört hat. Sie
Drähte berühre, zu töten: die anderen behaupteten, daß ihr Zweck nur darin bestehe, die Stützpunkte des Feindes durch einen schwachen Strom von der Annäherung der Zerstörer zu unterrichten. Auf alle Fälle konnten wir mit den gewöhn- lichen Scheren die Drähte nicht zerschneiden, solange sie noch elektrisch geladen waren. Wir mußten also Bambusstöcke an die Handhaben der Scheren binden, um sie zu isolieren. Trotz aller dieser Vorsichtsmaßregeln fanden wir im eigentlichen Kampf, daß die Drähte mit einem äußerst starken Strom geladen waren: einige von unseren Leuten wurden von dem Schlage auf der Stelle getötet, anderen wurden die Knochen wie Bambusstöcke zersplittert. Wir übten uns auch, die feindlichen Verschanzungen mit Leitern zu überklettern: im Gefecht jedoch stellte sich wiederum heraus, daß ihre Anlagen für die Leitern zu breit oder zu tief waren, als daß letztere erheblichen Nutzen gewähren konnten. Tie Festung wurde auch durch überall vergrabene Grund- minen geschützt. Diese mußten von unseren Pionieren da- durch zerstört werden, daß man die Zündungen abschnitt. Bis zum eigentlichen Angriffstage konnten wir durch unsere Feld- stecher Gruppen von Russen beobachten, die hier und dort damit beschäftigt waren, mit Spaten solche Minen in den Erdboden zu versenken. Wir markierten diese Plätze auf unseren Karten. Wir fanden alles, was wir konnten, und erinnerten uns daran. So z. B., daß jeder Pfahl der Draht- Hindernisse mit zwölf Hammerschlägen eingeschlagen worden war oder wie viele Flatterminen in dem oder jenem Tal ver- graben waren. Unsere Erkundigungsabteilungen fanden heraus, daß jegliche Schlucht, durch welche voraussichtlich unsere Infanterie marschieren mußte, mit Minen besetzt und daß die Art ihrer Verteilung sehr klug ausgedacht war. Um ein Beispiel anzuführen, so war eine Mine dort angebracht. wo die Schlucht am engsten war. Beim Darauftreten explo- dierte natürlich die Mine. Wenn auf diese Weise der erste Mann getötet worden war, so pflegte sich natürlich der Rest auf die beiden Seiten der Schlucht zu verteilen. Tort flogen dann wiederum Minen auf und töteten die gesonite Angriffskolonne. Es war ungemein schwierig, diese Stellen ungefährdet zu durchschreiten. Außerdem aber waren alle Kanonen und Gewchre aller Forts und Schützengräben so gerichtet, daß sie jeden Hohlweg und jeden Felsen bestreichen konnten. Es konnte auf diese Weise keiner von uns dem von
steht auf, und spürt auf einmal, daß es kalt im Zimmer geworden ist, und daß ihre Augen brennen. Da klopft eS wieder. Lauter und dringlicher. Ein Ziffern überfällt die Frau und in ihr Herz kriecht feige und schwer die Furcht vor einem Unglück. „Mein Gott — eS ist die letzten Monate doch so gut gc- gangen--- laß eS so bleiben!" Es klopft zum dritten Male. Sie öffnet. Der Mann steht vor ihr. Gebeugt— mit sieberbrennendem Gesicht. „Sie haben mich zurückgeschickt," sagt er leise und sieht die Frau flehend an.„Ich kann nichts dafür.. Die Frau hat starre Augen, als narre sie nächtlicher Spuk. Wie Steine fühlt sie das Neue schwer an allen Gliedern hängen. Sie möchte dem Manne einen Schritt entgegengehen— ihm die Hand geben-- sie kann eS nicht. Regungslos und stumm bleibt sie stehen, aber die Gedanken kreisen blitzschnell in ihrem Hirn: nun ist alles aus.... Die Unter- stützung fällt weg. Er wird wie der Schneider über ihnen ver- geblick, nach Arbeit laufen. Kein Verdienst... und ein Esser mehr. Ter Kleinste wird in seinen dicken, warmen Händchen kein über- flüssig Stücklein Brot mehr zu halten haben.... Eine neue harte Falte gräbt sich auf der versorgten Stirn ein, und laut aufweinend schlägt die Frau die Hände vor daS Gesicht. Ter Mann taumelt auf das Bett nieder. Todmüde, mit wunden Füßen— und sinkt in sich zusammen wie ein Gerichteter. Sein Blick fällt auf die Maschine, von der die Frau eben auf- stand. Sie sieht still.__
Jttt Lazarettzug bis£oon unö zurück. Das Wetter, das anfänglich kalt und unwirsch war, verspricht wieder den allerschönsten Tag. die Sonne strahlt nun über der Gegend, die wundervolle Landschaftsbilder bietet. In M. zogen unterhalb der Bahn Kolonnen Landsturm oder Landwehr vorüber in blauen Uniformen, vom Ueben kommend. Sie pfiffen in Belgien , daß„eS in Schöneberg war" und„daß es die Mädchen so gern hätten', ulkten im Kauderwelsch die Frauen an, die aus den Feldern arbeiteten und boten ein Bild, wie man eS alz die friedliche Kehrseite des Krieges kennt. Gleich nach B. zweigte gestern der Weg ab nach Sedan, und, nachdem wir aus dem Bahnhof gefahren waren, wo wir allen anderen Transporten und selbst zwei Lazarett- zügen vorgezogen wurden, ging es über die einschienige Bahn, die von Belgiern geplant und vorbereitet, aber erst von unseren Eisenbahnern erbaut wurde. Längs dieser Strecke, die ein starkes Gefälle hat, aus welchem Grunde unsere Zughälften einzeln gefahren werden mußten, waren alle Brücken über die Maas zcr- stört. Etliche Fußgängersteige haben unsere Pioniere hergestellt. und längs der Eisenbahn sind die Brücken teils noch im Bau. Es ist zu merken, daß dies Land noch nicht so lange in deutschen Händen ist, wie nördlicher gelegene?. Ueberall sind unsere Truppen noch beim Wiederaufbau. Während zurzeit der Verkehr eingleisig auf neuen, unglaublich sinnreich und einfach aufgeschlagenen Viadukten geführt wird, fauchen daneben die Dampframmen, treiben die mäch- tigsien Bäume in den Flußgrund. Eisen werden verlagert, kurz, es wird mit aller Technik gebaut, wie im eigenen Land. Da wir um 7 Uhr früh in Löwen einfuhren, gab� es von dem Wandeldrama vom Zuge her ein beträchtliches Stück zu sehen. So weit daS Auge reichte, ragten grotesk die Mauer. giebel der Häuser geschwärzt und bröckelnd in den Himmel auf, und wen hinein die Straßen auf und ab glitt von den verrauchten Fronten der Blick nur durch die leeren Fensterlöcher ins Himmels- grau. Bon weit her. nachdem der Zug die Stadt verlassen hatte, er- öffnete ein Durchblick daS ganze Panorama der Siadt. Es war zu fern, um Einzelnes zu sehen; wohl standen dort über allem der Dom mit Turm und die unversehrten Türmchen des Rathauses, daneben überragend die Ruine eines hohen Bauwerks, doch waren Straßen- züge und Häuser schon verschmolzen; das ist der Punkt, von dem aus Städte zur Silhouette werden und in der scharf gezeichneten Kontur ihre Eigentümlichkeiten zeigen. Heute in der sechsten Stunde crlvachte ich in Sedan. Auch dieser Krieg ist über die kleine Stadt mit seinen Schrecknissen hinweggezogen. Abgesehen von den niedergebrannten Häusern gibt eS viele, die von Granaten getroffen und halb eingeschossen sind. Seit bald nach Mitternacht liegen wir in Laon . Tie Kämpfe stehen hier heute schon den dritten Tag, und so nütze ich den reich- lichen Urlaub, weiter zu berichten. Gestern, als ich die Kathedrale, über die zu schreiben mir müßig scheint, und einige andere schöne Bauwerke gesehen hatte, besichtigle ich mit einem Kameraden zu- sammen ein ehemals amtlich militärisches französisches Magazin.
drei Seiten auf uns konzentrierten Kreuzfeuer entgehen. Ihre Verteidigung ließ fast nichts zu wünschen übrig. Bei Tagesanbruch am 19. August eröffnete unsere ganze Artillerie gleichzeitig das Feuer. Ost-Chikuan-shan sollte das Hauptziel bilden, aber auch andere Forts sollten unter Feuer genommen werden. Dies war der erste Schritt in unserem allgemeinen An- griff. Unter dem Schutze der Artillerie stießen bald unsere Angriffskolonnen vor und kamen Zoll um Zoll näher an den Feind heran, bereit,, sobald unser Feuer bei den Russen ge- wirkt haben würde, mit einem einmütigen Anlauf sich auf sie zu stürzen. Deshalb, widmeten unsere Batterien ibrc ganze Kraft dem Niederkämpfen der Forts, der Zertrümmerung der bombensicheren Unterstände und dem Legen von Breschen in die Schützengräben, durch welche unsere Sturm- kolonnen einbrechen könnten. � Kaum hatte unser Feuer begonnen, als der Feind mit allen seinen Batterien antwortete und sich große Mühe gab, unsere Artillerie zum Schweigen und den Vormarsch unserer Infanterie zum Stehen zu bringen. Welch schreckliches Schauspiel bot sich dar, wenn riesige Geschosse zwischen den schweren Geschützen der beiden Gegner gewechselt wurden! Sprenggranaten so dick wie Fässer und runde Geschosse verursachten große Luftwellen, und ihr stöhnender Widerhall übertraf das Geheul krachenden Tonners. Ueberall verbreitete das Zerspringen der Schrapnells Licht und der Pulverdampf bedeckte das Gelände mit dicken, qualmenden Wolken, in welchen lebende Wesen scheinbar un- möglich atmen konnten. Wir gaben den feindlichen Granaten den Spitznamen„Zuggranaten", weil sie gerade wie ein den Bahnhof mit scharfen Pfiff verlassender Eiscnbahnzug herankamen, stöhnend und ächzend. Wenn wir einen solchen Laut in unserer Nähe hörten, dröhnte die ganze Erde, und Men- scheu, Pferde. Felsen und Sand stürzten übereinander. Alles und jedes, was mit diesen schrecklichen Zügen in Berührung kam. wurde in kleine Stückchen zerrissen. Diese Stücke sielen zu Boden und flogen wieder auf, als ob sie Flügel hätten. Ter Nacken eines Leutnants wurde von einem Sprcngstück weggerissen und sein Kopf hing nur noch an einem Fetz>'n Haut. Beide Arme eines Soldaten wurden von Sprenastückcn desselben Geschosses glatt von den Schultern abgeschnitten. (Forts, solgt.)