Nr. 243. 1914.
Unterhaltungsblatt des Vorwärts
Und so wurde wirklich im Jahre 1883 der Plan eines unterſeeischen Tunnels zwischen England und Frankreich durch die eingesezte parlamentarische Kommission unter dem Vorsitz des Lord Lands downe verworfen.
Dienstag, 1. Dezember.
Theater.
Theater in der Königgräger Straße: Sturm
Noch kurz vor Ausbruch des Krieges hat die" Times" einen Am 31. Juli sollte auf einem Kongreß zu Le Havre von der Artikel gebracht, der sich gegen das immer wieder auftauchendeidy II", Lustspiel von Friz Grünbaum und Wilhelm Sterk . britischen und der französischen Abteilung der Vereinigung zur Tunnelprojekt mit Heftigkeit wandte. Ein Tunnel unter dem Das Stück der beiden österreichischen Autoren spielt laut TheaterFörderung der Wissenschaften die Frage der Unterfunnelung des Hermelkanal bedeute den Verlust der insularen Sicherheit Eng- zettel im Herbste 1914 und feiert einen Wiener Oberlentnant, der Hermelkanals Gegenstand der Beratung sein. Vor einigen Tagen hat ein bürgerliches englisches Blatt seine tiefste Befriedigung lands, die die beste Garantie gegen jede feindliche Invasion sei. alle Liebenswürdigkeiten des„ Wiener goldenen Herzens", den KriegsVon Anfäzen zu einer einigermaßen motivierten darüber ausgesprochen, daß der„ groteske" Plan, England mit dem Dem widersprachen zwar andere Blätter, wie„ Daily Chronicle", zeiten entsprechend noch durch souveräne Tapferkeit vermehrt, verdie meinten, daß der Tunnel eine Notwendigkeit für die Entwide förpern soll. Festlande durch einen unterseeischen Kanal zu verbinden, den ge Der Krieg wird nun das Handlung ist nicht die Rede. Die Verfasser haben lediglich mit Einwisse Festlandsmächte mit Leidenschaft befürwortet hätten, durch lung des englischen Handels wäre. Tunnelprojekt auf lange, lange Jahre vertagen. Aber das ist fällen in dem ihnen als Librettisten geläufigen Operettenstil gedie voraussehende Haltung der englischen Regierung Plan gebenie licher, daß diejes Kulturwerf dem englischen Volte, dem arbeitet, jedoch mit einer oft ganz unterhaltsamen BühnengeschicklichWenn unter den gewissen Festlandsmächten" feit und, was bei einem Striegsstück heute angenehm überrascht, im Deutschland gemeint sein sollte, so braucht die darin liegende englischen Handel und der englischen Industrie mehr Vorteile gelinterstellung nicht weiter widerlegt zu werden. Deutschland hatte bracht hätte, als der jebige Strieg, selbst in dem Falle, daß er für allgemeinen ohne aufdringlich chauvinistische Renommiſterei. ſicher weder ein ſtrategiſches noch ein verkehrspolitisches Interesse England ein siegreicher sein könnte. Wie denn überhaupt nur die glänzende Darstellung des alten jüdischen Branntweinschenkers durch Werke der Kultur für den Fortschritt der Menschheit und den der Hartau und der verblüffend frische Charm, den Eugen Burg , an einer submarinen Verbindung Englands mit Frankreich . ein Meister solcher Rollen, dem Musterleutnant lieh, entschieden den Erfolg. Am Schlusse, nach dem Hoffnungs- und Trostworte des Nationen in Betracht kommen. Alten: es wird doch einmal wieder Friede sein," erreichte der Beifall eine demonstrative Steigerung.
blieben wäre.
dahingestellt.
So.
Schiffahrt an der sibirischen Küste.
Die
Da
Der Plan, eine Verbindung zwischen England und Frankreich durch eine Untertunnelung der Aermelkanals zu schaffen, ist lange bor der Erfindung der Eisenbahn aufgetaucht. Es war Napoleon , der nach dem Abschluß des Friedens von Amiens im Jahre 1802 Die einleitenden Szenen des ersten Attes in der polnischen Schenke des Elchanan Leijer hatte treuherzig voltsstüdmäßige Färbung. dem englischen Minister For den Vorschlag machte, zwischen Dover und Calais einen Tunnel unter dem Meere zu bauen als das Sehr hübsch ist der Kontrast des ruhig überlegenen alten Juden, der, unbekümmert um das Nahen der feindlichen Truppen, sich ins gemeinsame Werk der britischen und der französischen Nation. Durch In den„ Naturwissenschaften" berichtet Professor Schott- Ham- Studium seiner heiligen jüdischen Bücher vertieft, und dem streberisch dieses gewaltige Werk sollte dem Frieden zwischen England und Frankreich ein Denkmal gesetzt und die Beziehungen zwischen den burg über Schiffsreisen, die im Jahre 1913 auf Veranlassung der aufgeregten österreichischen Striegsfreiwilligen, der mit vorgehalteneur beiden Staaten sollten dauernd innig und herzlich gestaltet werden. russischen Regierung an der sibirischen Küste unternommen worden Bajonett Quartier für seinen Leutnant verlangt, herausgearbeitet; Durch den Tunnel sollten die Bostwagen und Handelsgüter gehen. ſind. Die Forschungen an der sibirischen Küste werden von der ebenso der Umichwung in der Stimmung des Alten, als der jo Es blieb bei dem Vorschlag. Ob die damaligen technischen Hilfs- russischen Regierung im Interesse des sibirischen Handels mit drohend Angekündigte ein völlig anderes Gesicht zeigt und freundlich mittel überhaupt ausgereicht hätten, den Plan zu verwirklichen, jei großem Gifer gefördert und erfordern auch unsere erhöhte Auf- plauschend sich's behaglich macht. Eine Aehnlichkeit mit dem verstorbeneit merksamkeit. Sibirien , diese schier unerschöpfliche Schazkammer Sohne gewinnt ihm völlig Leifers Herz. Er spendet von dem besten. Die Idee aber blieb lebendig. Mit der fortschreitenden Ent- für Getreide, Holz, Erze, Felle, Pelzwerk usw. steigert seine Pro- Sympathien spinnen sich hinüber und herüber, in den Scherzen des widelung der Eisenbahnen tauchte der Gedante an eine unter: buktion von Jahr zu Jahr in einem in Westeuropa ganz unge- Offiziers ist jeder noch so leise Nachhall hochmütigen Kastendünfels ahnten Maße. Die sibirische Eisenbahn genügt zur Fortschaffung und Rassenvorurteils ausgelöscht. Die Vorführung einer von der seeische Verbindung der englischen Inseln mit dem Festlande immer der Produkte nicht, die auf den gewaltigen fibirischen Strömen mit Patrouille aufgegriffenen polnischen Gräfin, die auf dem Schlachtwieder auf. Im Jahre 1855 ſtellten die Franzosen Thoré und billiger Fracht ans Eismeer gebracht werden können, von wo sie Gamond das erste wissenschaftliche Projekt für die Untertunnelung eventuell weiter transportiert werden könnten. Deshalb hat die feld Sensationen suchte, leitet zum Operettenteil herüber. Der Leutnant läßt sie dann aber als unverdächtig laufen. des Kanals auf, im Jahre 1876 bildete sich eine französisch- eng- russische Regierung die Frage der Schiffbarkeit des Nördlichen Eis- kommt die Nachricht, daß dreihundert Russen im Schloß der lische Kommission, und zu gleicher Zeit entstanden zwei private Ge- meeres entlang der sibirischen Küste von neuem systematisch be- Dame verborgen liegen sollen. Dhne militärische Deckung ſellſchaften für den Bau und die finanzielle Ausbeutung des Tun- arbeiten lassen, und zwar sowohl durch Reisen vom Osten her durch macht sich der Ritter ohne Furcht und Tadel auf, da einmal nachnels. Es wurden auch sofort praktische Untersuchungen der Boden- die Beringstraße als durch solche von Westen her durch die Kaberhältnisse vorgenommen. Bohrungen, ja jogar eine auf zwei- rische Pforte, jüblich von Nomaja Cemlja. Die von oiten fom- zusehen. Die komteſſe muß ihm alle Räume öffnen, wobei an Stelle der Soldaten ein Fräuleinstist entdeckt wird. Sie spielt fofett mit tausend Meter unter das Meer vorgetriebene Galerie bestätigten, menden Fahrzeuge unter Kapitän Wiltisti konnten sowohl nördlich ihm, um dann sein Werben höhnisch abzulehnen. Erst als er auf daß keine unüberwindlichen technischen Schwierigkeiten der Durch wie südlich von den neuen sibirischen Inseln passieren und haben dem Schlosse einem versprengten russischen Major begegnet und, den führung des Werkes entgegenständen. dann nördlich vom Kap Ticheljustin ein bergiges Land entdeckt, Andererseits wäre die Ausführung des Tunnelplanes ein sich dessen von Südost nach Nordwest verlaufende Küste rund 550 Kilo- Revolver vorgestreckt, ihn stundenlang im Lehnstuhl mit hochgehaltenert qut verzinsendes kapitalistisches Unternehmen gewesen. Der Ver- meter weit über den 80. Breitergrad verfolgt werden konnte und Armen jisen läßt, bis der vor llebermüdung schnarchend einschläft und gefesselt werden kann, überzeugt sie sich, daß sie es hier mit tehr über den Kanal weist eine ständige Steigerung auf. Von fich von Renntieren, Lemmingen und Eisbären bewohnt zeigte. einem Helden, wie ihre Seele ihn von je gewünscht, zu tun hat. 160 000 Personen im Jahre 1850 stieg der Reiseverkehr auf 562 000 Die von Westen ausgehende Expedition hatte auch außer der Doch kommt's einstweilen wenigstens nicht zum zweifelhaften Glüc Perſonen im Jahre 1880 und wuchs 1912 auf 1.700 000 Reisende. russischen Kommission Frithjof Nansen an Bord. Der Dampfer der Ehe. Ida Wüst spielte die Launen des Dämchens mit pikanter Die größere Schnelligkeit, die Bequemlichkeit und Sicherheit einer brauchte von Tromsö bis Nojonowski Ostrow am unteren Jenis Berve. Gut tam die Komit des grimmigen Kriegsfreiwilligen int Eisenbahnfahrt durch den Tunnel würden gewiß den Personenver- jei 22 Tage, wobei 14 Tage wegen der Gisverhältnisse im Katehr nach dem Festlande noch bedeutend gesteigert haben. Dazu rischen Meer zugebracht wurden; die Rüdreije dauerte nur 10 Tage. Spiel des Herrn Teubler heraus. wäre noch die Erleichterung im Warentransport gekommen. Ver- Auf Grund seiner Erfahrungen tritt Nansen für regelmäßige Verband der Freien Voltsbühnen( in Montis ladung und Ausladung der Handelsgüter bei dem gegenwärtigen Beobachtungen des Eises und seiner Veränderungen während der Operetten- Theater): Die vier Gewinner". Mit diesem VolksSeeberkehr belasten den Handel in ziemlichem Mage. Man hat Schiffahrtsjaijon ein, und zwar sollen Wasserflugzeuge mit benutzt stück führt uns Philipp Langmann gut anderthalb Jahrzehnte berechnet, daß trok der Vervollkommnung der Hafeneinrichtungen, werden, um durch verhältnismäßig furze Aufstiege in furzen zeit zurüd, in die Zeit also, da der„ Konsequente Naturalismus" jich der Lade- und Löschmaschinen für jede Tonne Handelsgüter durch lichen Abständen über die jeweilige räumliche Ausbreitung des bereits zum Realismus hindurchrevidiert hatte. Wohl zitterte die die Umladung 5 M. Unkosten entstehen. Das ist eine enorme Be- Gises genaue Kunde zu erlangen. Diese Kenntnis müßte den Luft des von Hauptmann in den Webern angeschlagenen sozialen lastung, zu welcher noch die Mehrkosten durch die geringere Schnellig- vor der Fahrt stehenden Dampfern auf funtentelegraphischem Wege Themas noch in zahlreichen aufgeführten und unaufgeführt ge teit und die größere Unsicherheit des Sectransportes tommen, mitgeteilt werden; freie Passagen sind immer vorhanden, es ist bliebenen Dramen leije nach; aber es machte sich doch auch schon Die Nichtausführung des großartigen Planes einer Unter- nur notivendig zu wissen, wo sie gerade sind. Die russische Re- eine Erweiterung der allzu eng begrenzt scheinenden Sphäre des„ Zutunnelung des Kanales, der von unbestreitbarem Vorteil für den gierung hat auch bereits drei Funkenstationen an wichtigen Punkten ständlichen" bemerkbar. Ein Arbeiterſtüd sind„ Die vier Gewinner" nicht Diesmal jedoch Personen- und den Handelsverkehr gewesen wäre und der gewig errichtet und bei der im Sommer sehr ruhigen Witterung, die minder als Langmanns„ Bartel Turaser" es war. auch die ideellen Beziehungen der Kulturnationen gefördert hätte, veniger Gefahren für den Flieger birgt als die vielfach gewitter- wird eine befondere Schichte vorgeführt, in deren Köpfen noch fein ist nicht auf unüberwindliche technische Hindernisse oder auf sonstige hafte Atmosphäre unserer Breiten, braucht man kaum Bedenken Lichtstrahl sozialer oder wirtschaftlicher Aufklärung Platz gegriffen ernste Bedenken zurückzuführen. In Wahrheit waren es ausschließ- haben, zumal kein Punkt des Karischen Meeres weiter als hat. Nein, diese niederösterreichischen Webersleute robotten seufzend lich Gründe militärischer Art, die den Plan zum Scheitern ge- 200 Kilometer von der Küste entfernt ist. So, wird es also viel um allerfärglichsten Stücklohn jahraus jahrein, wenns ſein muß bracht haben. Ein Teil der öffentlichen Meinung in England fürch- leicht gelingen, gerade in dem unwirtlichsten" Norden mit Hilfe bis zum Hungertode. Sich gegen die Ausbeutung ihrer Arbeitskraft tete, daß der Feind" sich durch Ueberrumpelung oder Verrat des dienstes für eine ganze Flotte von Dampfern die Möglichkeit zu herbeizuführen, liegt ihrer Einfalt gänzlich fern. des modernsten technischen Transportmittels und Nachrichten aufzulehnen, um solcher Weise vielleicht bessere Lebensverhältnisse Tunnels bemächtigen und seine Armeen durch ihn nach England schaffen, die von der Natur nach Raum und Zeit so tnapp be- jedoch, einmal zufallsmäßig der Armut entrisfen zu werden, hinüberführen könnte. Die englischen Nationalisten erhoben ein Leider werden diese drängt zeitweilig ans Licht. Man weiß ja, wie vera Geſchrei: der Tunnel würde England aus seiner splendid isola- meſſenen Gelegenheiten voll auszunuzen. Forschungen, deren Erfolg der gesamten Kulturwelt zum Vorteil heerend tief das Lotteriespiel in Desterreichs Volksfreiſent tion", die es durch seine Infellage habe, herausreißen, es zwingen, gereichen könnte, durch den Krieg in kaum wieder gutzumachender graffierte. Von einem Lottogewinn auf ein paar Kreuzer Einfaz fein Heer zu vermehren und dadurch das Militärbudget erhöhen. Weise unterbrochen. Anstatt diese Arbeiten des Friedens zu för erhofft sich so mancher Elendssllave plöglich ein besseres Los. Mit denselben Gründen haben sich dieselben Nationalisten dereinst dern, die langsam aber sicher die wirtschaftlichen Verhältnisse Ruß die Träume von Gold und Reichtum pflegen ja meist zu zerfließen. der Legung des Telegraphenfabels zwischen England und dem Fest lands und Sibiriens heben müssen, hat die russische Regierung es nicht so diesmal; denn vier Arbeitsgenossen aus gemeinsamer Werkland widersekt; ja, 1851 widerfesten sie sich der Veranstaltung vorgezogen sich in einen Krieg einzulassen, der die wirtschaftlichen statt gewinnen einige hundert Gulden. Allein die alte Erfahrung, der ersten Weltausstellung in London , weil dadurch eine Menge Verhältnisse des Landes um Jahrzehnte zurüdwerfen muß. berkleideter Soldaten nach England gebracht werden könnten. Das sind gewig Dummheiten. Aber der Nationalist lebt davon.
1]
Die blaue Woge.
Von Martin Andersen Nerö.
Am Bornholmer Strande, am südlichen Ende der kleinen Stadt, lag damals eine alte Fischerhitte, die jetzt niedergerissen ist. Sie hatte den Giebel nach der See und schob sich ganz zum Wasser vor; zwischen Hütte und Strand war nur ein schmaler Pfad, über den die Fischer ihre Gerätschaften zu und von den Trockenpläßen.
rollten
Zu der Zeit, von der hier die Rede ist, waren die alten Fischerleute selbst tot; die Tochter Martha wohnte allein im Hause. Sie war das einzige Kind und hatte geerbt, was vorhanden war; nun, da die Eltern fort waren, lebte sie vom Weben. Jeden Ersten jetzte sie neue Rettfaden auf, den einen Monat Halbwolle, den andern Twist. Die Leute bestellten joundso viele Ellen und lieferten selber den Einschlag.
-
dt.
Der dunkle Trieb
Ad
daß arme Leute mit unverhofftem Mammon nichts Rechtes anzu fangen wissen, bewährt sich auch hier. Im zweiten Aft
Aber eines Tages fiel es einer erfahrenen Frau auf, daß Martha jich veränderte; und als erst einer es gesehen hatte, war es jedem deutlich. Da zog die älteste Frau der Familie ihr Abendmahlkleid an und ging zu ihr. Martha empfing fie, die Hände unter der Schürze, leugnete aber im übrigen nicht. Es war bloß unmöglich, sie zu einer Erklärung zu veranlassen. Auf jede Frage nach dem Wie deutete sie aufs Meer hinaus; und aus dieser Antwort konnte man ja nicht flug werden.
den Hafen überblicken, die Boote ausfahren und wieder heim-| eher noch mehr in ihre Einsamkeit zurück, obwohl die Zeit tommen jah- und jedes fremde Schiff bemerkte, das einfuhr.| verging und bald der Tag kommen fonnte, wo sie fand, daß Sie gehörte dermaßen auf ihren Plaz am Fenster, daß sie ein altes Mädchen geworden. Es war ihr nicht beizues den Leuten wunderlich zumute wurde, wenn sie sie nicht kommen, und die Leute ließen sie für das gute Mädchen gelten, dort sahen. Die älteren waren Zeugen gewesen, wie sie aufs das sie war. Fensterbrett gefekt wurde als ein paar Monate altes Bündel, als hilflojes, jabberndes kleines Wesen, das blinzelte und Gesichter schnitt gegen das Geflimmer der großen Meeres. Und dann kletterte sie selbst mit ihrem Spielzeug hinauf, sobald fie friechen fonnte, und ihre Kindheit hindurch hielt sie von dort Ausgud nach dem Vater, der auf der See war, und nach Neuigkeiten aus der Fremde. Uebers Meer kamen die Schrecken und die großen Begebenheiten: Schiffe mit toten Männern, großer Fang, Hunger und Reichtümer, die man herrenlos auf der See umhertreibend gefunden hatte! Das ewige Spähen über die weite Meereslinie hin hatte wohl ihr Sehvermögen geweitet, so daß sie niemand anschauen konnte; es war feine Straft in ihrem Blid, er wich aus. Aber wenn sie aufs Meer hinausstarrte, wurde er groß und neugierig. Es kam vor, daß einer die Frage stellte, ob sie wohl richtig im Kopfe sei. Aber das war ja insoweit gleichgültig, we fie für sich sorgte, ihre Arbeit versah und weder der Stadt noch der Verwandtschaft zur Last fiel.
Sie war ein großes, fräftiges Mädchen mit ungewöhnlich fanftem, ichamhaftem Wesen. Ihre blühendste Jugend hatte fie damit verbracht, zwei mürrische, kränkliche Menschen zu versorgen und ins Grab zu legen, und nun jaß sie drinnen hinter ihren kleinen Fenstern am Meer und schlug den Faden Ein nettes, ernſtes Mädchen war sie, und das Haus hatte bom Morgen bis zum Abend. Warum sie da sißen und einsam aufs Meer hinausstarren wollte, konnte man nicht begreifen; sie schuldenfrei geerbt, darum nahm mehr als einer von den zumal da sie nicht ganz arm war, sondern etwas bezahlen jungen Fischern den Weg an ihren Fenstern vorüber. Die, konnte, so daß ein jeder sie mit Kußhand aufgenommen hätte. die zur Verwandtschaft gehörten, brachten ihr ein Gericht Aber sie zog dies also vor, und wenigstens war es ein Fische, wenn der Fang reichlich ausfiel- und famen im FrühTrost, zu wissen, daß sie ihren Tag nicht verträumte. Wenn jahr und gruben ihr Stüdchen Garten um. Aber vom Dank die Fischer am frühen Sommermorgen vom Fange heim- follte feiner fett werden! Allmählich wurde sie ein Ziel für fehrten, vom Sonnenaufgang selbst über den Horizont em- die jungen Männer, so etwas wie das Unmögliche selbst, für porgetragen, stand fie wohl vor der Hütte und musterte den das jeder flinke Bursch den Hals wagen muß. Aber sie neuen Tag- oft noch im bloßen Hemd. Und dann hatte mochten's so oder so angreifen, Martha ließ sich nicht erobern. man den Laut ihres starken Webschlags den lieben langen Niemand konnte sich rühmen, einen Funken von Interesse in Tag im Chr. Nun ist's Mittag," riefen die Frauen in dem ihrem Blick entzündet zu haben; man war nicht einmal sicher, Viertel, wenn sie Marthes Webstuhl stillstehen hörten, oder: daß sie einen überhaupt sah. Nun ist's fünf Uhr!"„ Martha ersetzt eine achttägige Schlaguhr," fügten sie wohl hinzu.
Und so war es auch, man fonnte seine ganze Woche nach ihr einstellen. Samstagnachmittag ging fie auf den Kirchhof und brachte die Gräber in Ordnung, am Sonntag machte sie fich zurecht und ging zur Kirche. Sonst gab sie sich mit nie mand und nichts ab, sondern saß auf ihrem Platz am Fenster. Der Webstuhl stand so, daß sie bei der Arbeit die See und
Weib
-
Wer sie peilen will, muß weit auf See," sagten die alten Fischer. Martha, die ist fernfichtig. Das hat sie von Damit spielte man darauf an, daß die ihrer Mutter." Mutter seinerzeit die Burschen der Stadt verschmäht und sich einen Mann drüben von der anderen Seite des Landes genommen hatte.
Von wem fie's nun haben nochte so und nicht anders war sie. Zehn Jahre verstrichen auf die Art, und sie zog sich
Na, kann man nicht auf andere Weise die Erffärung für ein Phänomen gewinnen, so macht man sie sich selber. Anmählich wußten die Leute zu erzählen, der Kapitän irgendeines der vielen Windfahrer, die mit Landwind famen und an der Küste Anfer warfen, sei bei Nacht ans Land gerudert und habe, an ihre Fenster gepocht. Wie ein Wildfremder das Seine erreicht hatte bei ihrer Frömmigkeit obendreinbegriff man nicht. Aber sie hatte es sich ja nie abgewöhnen Fönnen, einfältig nach dem Meere zu gaffen, als ob das Glück von da fommen müßte und er hatte sie wohl in der Gewalt gehabt. Was hilft es dann, wenn eine Frau beide Haipen einhaft! Ja, wahrhaftig, fie hatte das Glück eingefangen, man konnte nicht sagen, daß sie ganz umsonst gesessen und gestorrt und die Jugend verscherzt hatte. Die Ferne hatte sie besucht. Die kleine Stadt faßte dergleichen sonst nicht schonend an; aber hier spielte das Ungewöhnliche mit und flößte einem Angst davor ein, ein Urteil abzugeben. Dies war kein Fehltritt schlecht und recht; man witterte die Mächte hinter dem Geschehenen, und hatte Nachficht mit Martha. Einer blieb sogar bei seinem Borjak und wollte sie heiraten.
Greif Du zu, Mädchen, und warte nicht auf etwas, das nicht kommt, sondern nimm Dein Glück, wenn es Dir geboten wird," sagten die alten Frauen. Es gibt nichts, so treulojes wie das Meer, darüber kann jede von uns mitreden. Schlag ein, dann bekommst Du einen Vater für das Kind!"
"
Sie antwortete nicht darauf, schlug mur den Faden noch fleißiger, wenn die Frauen mit ihren Ueberredungsversuchen fertig waren. Man hörte es den Schlägen an, daß sie sich darauf eingerichtet hatte, ihr Kind selber großzuziehen.
( Fortj. folgt.)