Hr. 249.- 1914.

Unterhaltungsblatt des Vorwärts Dienstag, 8. Dezember.

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Theater und Musik.

J. K.

leuten ab, die lange Züge scheuer Pferde nach den Militärdepots| daß ich mich in einem ganz fremden Stadtteil befinde. In der London in Kriegszeiten. führen. Den Führern selbst kommt die große Stadt nicht geheuer Dunkelheit habe ich nicht beobachten können, wohin ich fuhr. Mein bor. Die Gäule springen vor Angst bei jedem sich nahenden Schaffner nimmt mich umsonst zurück und vertraut mir noch das Der Weg zur Hauptstraße führt an dem Geschäft eines Fuhr- Straßenbahnwagen auf den Bürgersteig. Geheimnis an, daß vom folgenden Montag ab alle Straßenlaternen unternehmers vorbei, vor dem beständig nach Arbeit suchende Ganz sonderbar ist das Berhalten des Publikums gegenüber und Ladenlichter ohne Ausnahme ausgelöscht werden müßten. Männer anzutreffen sind. In den ersten Tagen des Krieges nahm den Soldaten. Auch nicht eine Spur von Begeisterung ist zu Doch so schlimm wird es wohl nicht werden. ich hier einen traurigen Anblick wahr. Durch die offenen Tore merken, wenn die Soldaten vorüberziehen. Wenige bleiben stehen des Hofes konnte man Militärpersonen sehen, wie sie die Gäule oder schen den Vaterlandsverteidigern nach. Ich sah ein schottisches musterten und fortführen ließen. Draußen auf der anderen Seite Regiment in den Krieg ziehen. Der Zug glich mehr einem Be­der Straße stand ein Haufen arbeitsloser Fuhrleute. Viele Frauen gräbnis als dem Abschied der auf den Sieg hoffenden Helden. Kürz­und Kinder waren aus den benachbarten Arbeiterwohnungen her- lich schrieb jemand an sein Leibblatt und beklagte sich über die beigeeilt. Die Männer schienen das Unglück, das sie so plötzlich Teilnahmslosigkeit des Publikums und erwähnte, daß ihn die Leute Sozietäts- heater: Quther. Deutsche Historie von getroffen, nicht fassen zu können. Aber die Stimmung der Frauen auf der Straße verdußt angeschaut hätten, als er den vorbeimar- August Strindberg . Um sayßlers willen, der für die schien mehr rebellisch zu sein. Hier entführte man einigen Dußend schierenden Soldaten ein Hurra zugerufen habe; aber die Sol- machtvolle Anspannung der Energie, das unerschütterliche Selbst­Menschen das tägliche Brot. Nur ein Schuster schien guten Mutes| daten hätten sich über den Ruf gefreut. vertrauen, den Enthusiasmus, wie die Härte und den Hochmut zu sein. Er trat aus seinem Laden und erklärte mir: Heute hat Bis zur Beendigung des Krieges" haben sie sich verdungen. Dieses Strindberg- Luther, prachtvoll glühenden Ausdrud fand, ver­das Militär 35 Pferde aus den Ställen genommen. Die Deutschen Es flingt fast wie ein Hohn. Mit dieser Wendung, die in den dient die Aufführung Dant Durch ihn erhielten allerhand ab­brauchen Wurstfleisch." Aufrufen zur Rekrutierung, die an allen Fuhrwerken der Stadt geblaßte Erinnerungen, die sich dem Zuschauer an Luthers Namen In der Hauptstraße grüßt einem gleich ein 12 Fuß hohes angebracht sind, zu finden ist, will man den Rekruten begreiflich knüpfen, einen neuen und vertieften Gehalt, der für das viele Tote, Plakat, auf dem die Frauen Englands aufgefordert werden, die machen, daß sie sich nicht wie gewöhnliche, wenig geachtete Sol- das diese Strindbergsche Historie mitschleppte, wohl entschädigen friegstüchtigen Männer anzuhalten, ihre Pflicht dem Vaterlande daten an das Heer binden. In Wirklichkeit bedeutet die Bedingung, fonnte. gegenüber zu tun. An allen Eden sieht man Blafate folgenden daß die Rekruten laut Kontrakt nach Beendigung des Krieges in Das Stüd, etwa ein Jahrzehnt vor Strindbergs Verscheiden Inhalts: Die nächste Rekrutierungsstelle ist dort und dort." Oder: Scharen auf den überfüllten Arbeitsmarkt geworfen werden. entstanden, zeigt nur in Einzelheiten die Spuren feiner Eigenart. " Lord Kitchener braucht weitere 100 000 Refruten."" Tretet bis Schnell wird es in diesen trüben Tagen dunkel. Und mit der So in dem Nachdruck, mit dem er in der Charakteristik Luthers bei zur Beendigung des Krieges in das Heer ein." Drüben in der Dunkelheit stellt sich die Furcht vor dem Besuche feindlicher Luft- Zügen unbändigen Troßes verweilt, in den Konflikten zwischen Sohn Bibliothek ist die Refrutierungsstelle. Männer, Frauen und schiffe ein Von Woche zu Woche hat man die Stadt immer mehr und Vater und der geheimtuerischen Figur eines Dottor Faustus, Mädchen gehen aus und ein. Alle haben Bücher in der Hand. Die verdunkelt. Anfänglich löschte man die Straßenlaternen nur teil- der sozusagen als Mandatar der Vorsehung Luthers Wege zu kreuzent Bibliothek ist gut besucht. Doch der Werber scheint schlechte Ge- weise aus, so daß das Lichtbild der Stadt, von oben gesehen, ent- bat. Im übrigen ist das Schauspiel, wie es sich nennt," Historie". schäfte zu machen, obwohl dies ein Samstag ist und viele Arbeiter stellt wurde. Man experimentierte mit einem Luftschiffe, dessen Es stellt, auf jede dramatische Geschlossenheit und Steigerung ver­in der Nachbarschaft, wie man vernimmt, den" Sad" bekommen Surren des Nachts deutlich vernehmbar war. haben. Große Schein zichtend, in ziemlich willkürlicher Auswahl und mit gelegentlichen werfer, die am Parlamentsgebäude und bei der Station Charing Ausschmückungen Momente aus dem Leben und den Kämpfen Luthers An diesem Samstag herrscht im Publikum eine sehr gedrüdte Groß aufgestellt waren, suchten den Himmel ab. Dann verdunkelte bis zur Wartburgzeit dar. In 15 Bildern( eines hatte die Zensur Stimmung. Das Gerücht macht die Runde, daß vier oder fünf sich die Stadt immer mehr von Woche zu Woche. Die elektrischen gestrichen) gliedert sich der Stoff. Manches erinnert im Stil an große englische Kriegsschiffe untergegangen sind. Leute in der City Straßenbahnwagen mußten mit herabgezogenen Jalousien fahren. Strindbergs vielgerühmte" Historische Miniaturen", manches sollen davon wissen. Man raunt sich sogar die Namen der unter- Die Straßenlichter der Läden mußten ausgelöscht werden. Immer kommt über bloße Referatform nicht hinaus. Er scheut zu* gegangenen Schlachtschiffe zu. Die Zeitungen haben noch nichts mehr Straßenlaternen wurden außer Dienst gestellt und an den weilen auch vor den primitivsten Hilfsmitteln nicht zurück. davon gebracht. Aber vielleicht hat man ihnen geboten zu schweigen. noch brenenenden Laternen verdunkelte man die obere Seite mit Wie die Personen auf alten Legendenbildern oft mit einem er Weder Publikum noch Presse haben zutrauen zu der offiziellen Ruß oder anderem Material. In Westminster, wo die Regie- läuternden Bergamentstreifen verfehen sind, so stattet Strindberg Berichterstattung, die nichts Wesentliches bringt und sich in ge- rungsgebäude liegen, ist es auf den Straßen fast stodfinster. Aber feine Leute mit langen, die historischen Ereignisse refapitulierenden schwäßiger Weise über das Soldatenleben an der Front und den Angstmeiern ist diese Dunkelheit noch immer zu hell. Sie Berichten aus. Besonders fällt das in dem letzten Bilde auf, wo allerlei Albernheiten verbreitet. Ueberall flüstert man sich das un- machen in der Presse darauf aufmerksam, daß die nach London das Erscheinen des Doktor Faustus in der Wartburgklause des Bibel­heilvolle Gerücht zu. Auf dem Omnibus, auf der Straßenbahn fahrenden Züge den feindlichen Luftschiffen den Weg weisen übersetzers von vornherein zum Zwecke der Abhaltung eines solchen wird man von Leuten angeredet, die sonst nicht im Traume daran fönnten. Ferner schafft der hoch in den Himmel ragende Dom der Kursus erfolgt. So erst foll Luther erfahren, was sich in den zehn denten, mit einem wildfremden Menschen ein Wort zu tauschen. St. Paulskirche ein Problem, über das man sich den Kopf zerbricht. Monaten seiner Einsamkeit im Reiche zugetragen hat, und den Ent­Man kauft die Zeitungen, deren schreiende Plakate von unge- Zum ersten Male seit den napoleonischen Kriegen treten die schluß zum Kampfe wider die Bilderstürmer fassen. Fauft hat seine heuren Verlusten der Deutschen ", von dem schrecklichen Gemezel Schrecken des Krieges der englischen Zivilbevölkerung nahe. Was Freude an ihm, gibt aber zu verstehen, daß die Wege, die er der Deutschen " berichten." Hunderttausend Deutsche gefallen". England im 19. Jahrhundert an Kriegen geführt hat, waren für felber wandelt, weiter führen. Eine Wendung, die wohl dem 1 Millionen deutsche Verluste"." Die österreichischen Armeen seine Bevölkerung Gladiatorenspiele. Kipling schildert dies gut in sehr begreiflichen Bedürfnisse Strindbergs entsprang, in diesem Werke, zerschmettert". Es geht wie im Burenkriege. Wenn die Londoner seinem The Light that failed". Die Presse war ebenso wichtig das das Gepräge eines Lutherfestspiels angenommen, sein Denker­Blätter die Buren in Scharen niedermachten, stand es mit dem wie das Heer und bestand darauf, daß ihre Berichterstatter Gelegen- gewiffen am Schlusse zu falvieren. englischen Heere meist sehr schlimm. Die Deutschen hat man schon heit hatten, durch die Schilderung der Taten der ausgeschickten fast ausgerottet und von den Oesterreichern kämpfen seit langem Breistämpfer ein verwöhntes Publikum zu ergößen. Besonders schon nur noch die Geister der Erschlagenen. Deffnet man die die besitzenden Klassen hat die Angst ergriffen; sie macht sich aus Blätter, so sieht man sich regelmäßig betrogen. Aber das Volf will dem Staube. Nach der Riviera und Aegypten läßt sich jetzt schlecht betrogen fein, und deshalb können sich die Sensationsblätter den auswandern. Aber es gibt auch in England sichere Zufluchtsorte. Schwindel jeden Tag von neuem erlauben. Die Wizblätter machen Man lese nur die Daily Mail". Dort steht man neben dem Leit­sich schon darüber luftig. So zeigt eins einen Herrn, der eben ein artikel, der der Welt versichert, daß England der Gefahr fühl und Blatt gekauft und es enttäuscht durchblättert hat. Er wendet sich todesmutig ins Auge schaut, täglich eine Annonce, in der der Kur­zu dem Zeitungsverkäufer und sagt: Könnten Sie mir nicht ein ort Burton( im Zentrum Englands) als der Platz angepriesen Plakat verkaufen? Darauf steht mehr als in Ihrer Zeitung." wird, wo man gegen die deutschen Luftschiffe ganz sicher sei. Die London steckt voller Soldaten. Ueberall begegnet man ihnen Verdunkelung Londons hat übrigens zu einer großen Vermehrung einzeln und in Scharen. Ganz erstaunlich ist die große Zahl der der Straßenunfälle geführt; mehr Tote und Verwundete würden jungen Burschen, die man in die Khatiuniform gesteckt hat. Biel - auch die Angriffe feindlicher Luftfahrzeuge nicht erzeugen. Teicht ist dies nur eine Täuschung. Denn sieht man den kleinen, schwächlichen Londoner Rekruten ins Gesicht, jo merft man gleich, daß sie bedeutend älter sind als ihr Körperbau allein vermuten läßt. London frißt die Menschen auf. In drei Generationen soll eine nach der Hauptstadt ausgewanderte Landarbeiterfamilie aus. gestorben sein. In Trupps ziehen die Rekruten pfeifend durch die Straßen. Man trifft Abteilungen an, die ganz aus dem letzten Aufgebot der Arbeiterreservearmee, den chronisch Unbeschäftigten und den Unterbeschäftigten bestehen. Die meisten haben noch feine Uniform. Einige haben eine Soldatenjoppe oder eine Militärhose Mit ihren bleichen Gesichtern stechen sie sehr von den Land­

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Von den zahlreichen geschichtlichen Figureit, die er um seinen Helden herum gruppiert, gewinnt am ehesten noch Hutten fühne Feuerfopf, an dessen jungem Leben die bekannte böse Seuche zehrte Dichter ihn das Geheimnis seiner Krankheit dem geliebten Mädchen lebendigere Physiognomie. Aber die Szene, in der der offenbaren und Abschied nehmen läßt, glitt, ganz abrupt hinein­gestellt, ohne Klang und Stimmung, mehr wunderlich als ergreifend vorüber.

Auch das Verhältnis zwischen Martin Luther und dem Vater gelangt in der zerstreuenden Fülle des einbezogenen Stoffs zu teiner in sich abgeschlossenen Entfaltung. Im ersten Bilde, Luthers Kinderheim" spürt man den ganzen Strindberg- Grimm wider Eltern, die jähzornig brutal das Eigenleben ihrer Kinder niedertreten wollen. Das väter­liche Mißtrauen wittert hinter der Wahrheit, die der Junge fagt, überall Züge und Verstellung, die mit Brügel ausgetrieben werden müssen. Kein noch so leiser Hauch von Gilte, der Sympathie er medte. Martin baßt den Vater, muß ihn haffen. Als er dann nach langen Jahren berfolgt, geächtet wieder an die Pforte flopft, tritt ihm der Vater unversöhnt entgegen. Der Umschlag, daß der Re­formator in diesem eisenharten verrannten Eigenwillen etwas dent Besten seiner eigenen Straft Verwandtes, eine inorrige Männlichkeit erblickt und durch das dankbare Bekenntnis dem Alten einen Hand­schlag ablodt, fann an dem Eindruck höchster Widerwärtigkeit der Zeichnung nichts mehr ändern.

Gegen Abend veröffentlicht die Regierung, daß das Gerücht von dem Untergang der großen Kriegsschiffe jeder Begründung ent behre. Aber die Aufregung will sich nicht legen. Ich besteige in der Dunkelheit auf gut Glück eine Elektrische, die nach meinemt Stadtteile fährt. Der Schaffner erzählt mir in einem fort von dem Unglück zur See. Er nennt mir die Namen der Schiffe. Auf cinem der Schlachtschiffe sei sein Bruder. Ich beruhige ihn und verweise ihn auf die Erklärung der Admiralität. Aber er hat noch seine Zweifel. In der Erregung vergißt er den wenigen Fahr­gästen den Fahrpreis abzuverlangen. Inzwischen sind wir bei der Endstation angelangt, doch nehme ich zu meinem Erstaunen gewahr, und seine Brust schien ihm wie eingeschnürt. Er versuchte zu Dir hin. Ich muß ihn pflegen, hab ich der Mutter gesagt, seinem Gesicht einen flotten, unbekümmerten Ausdruck zu das ist meine Pflicht als Braut. Ja, meine heilige Pflicht.

Maschinist Bredenbrückers Heimkehr. geben, aber es wollte ihm nicht gelingen. Immer wieder ge- Sie sagte: das paßt sich nicht und geht auch nicht. Da find

Von Ernst Preczang . ,, Aber Bedenken haben Sie immer noch?" Martin lachte. Und sagte dann ernst: Sie sind Mitte der Zwanzig, nicht wahr? Ich habe gut zwei Jahrzehnte mehr auf dem Rücken, mein lieber Herr Bredenbrücker." Und- 2"

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" Die jugendliche Siegessicherheit vergeht einem. Man lernt zweifeln und neben anderen Dingen auch das Alphabet als eine Einrichtung betrachten, der nicht so ohne weiteres zu trauen ist. Aber," er schlug sich ärgerlich lachend aufs Knie, ich denke gar nicht daran, Mißtrauen in Ihnen er­weden zu wollen. Gott soll mich bewahren! Nein, hoffen und glauben Sie das Beste. Nur einen fleinen freundschaft­lichen Rat darf ich Ihnen geben?"

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Seien Sie darauf vorbereitet, daß Ihre Braut zunächst erschrickt. Das wäre menschlich begreiflich, nicht wahr?" Freilich." Bredenbrücker nickte. Die Pille muß' runter, trotzdem sie verdammit bitter ist."

Und lassen Sie ihr Zeit. Bleiben Sie ruhig, heiter und gelassen, als ob nichts wäre.

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Als ob nichts wäre

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Ja. Die Suggestion macht viel. Zuerst wird sie sich wundern, daß Sie fein großes Gewicht auf das Malheur zu Tegen scheinen. Dann wird sie sich schämen und nun erst ganz Ihre Tapferfeit bewundern."

Martin sah aus dem Fenster. Wir sind gleich da im Städtchen." Er legte seine Reisedecke zusammen, holte den Musterkoffer aus dem Gepäcknez und zog sich den Paletot an. ch logiere im Norddeutschen Hof". Wenn es Ihnen und Ihrer Braut heute oder morgen abend paßt, würde ich gern ein Gläschen mit Ihnen trinken." Er lachte: Offen gestanden, Herr Bredenbrücker, bin ich auch neugierig." Wir kommen. Ganz bestimmt." Bredenbrücker stand auf und bemühte sich, den linken Aermel in die Jackentasche zu stecken. Martin half ihm dabei: So fällt es fast gar nicht auf." Klopfte ihm dann auf die Schulter: Nun guten Mut und viel Glück! Nur nicht die Fassung verlieren. Ein junges Mädel ist noch lange fein Torpedo, wenn es auch manchmal so tut."

Sie schüttelten einander die Hände. Der Zug hielt. Martin stieg als erster aus, ging mit eiligen Schritten über den Perron, ohne sich umzusehen, und verließ den Bahnhof.

Der Maschinist hatte keinerlei Gepäd bei sich und somit die Hand frei. Er drängte sich in den Schwarm der anderen Passagiere und war bestrebt, so langsam wie möglich vorwärts zu kommen. In seinen Beinen lastete eine ungeheure Schwere,

wann das fürchtende Erwarten die Herrschaft. Dazu fühlte Strankenschwestern vom Roten Kreuz, sagte sie, die verstehent er, wie die Blicke der anderen auf ihn deuteten, sah wieder das verhaßte Mitleid in vielen Augen und starrte zornig geradeaus.

Und nun erblickte er sie schon, die ihn erwartete. Jenseits der Einfriedigung des Bahnsteigs stand sie. Drei weiße, schmale Federn wippten auf ihrem Hut und waren vielleicht schuld daran, daß ihm ihr Gesicht blasfer als früher erschien. Sauber wie immer und ein wenig fofett in leidung und Haltung stand sie da und lugte nach ihm aus. Wie neugierig sie ist, dachte er unwillkürlich.

Und dann drängte er sich mit anderen durch die Sperre und war neben ihr, ehe sie ihn bemerkt hatte. Er gab sich einen Stuck, richtete sich straff auf und sagte: Tag auch, Frida!"

Sie schrie leise auf vor Ueberraschung, warf nur einen schnellen Blick auf sein Gesicht und umarmte und küßte ihn. Er preßte sie mit seiner Rechten immer wieder an sich und ließ ihr feine Zeit, ihn zu betrachten. Legte schnell seine Hand in ihren linken Arm und zog sie mit sich fort. Und dann waren sie auf dem Wege nach ihrer Wohnung, che sie feinen Verlust bemerkt hatte.

Das machte ihn glücklich; ihre Gegenwart, ihre Innig feit befeuerten ihn, und er plauderte bunt darauflos einer heimlichen Furcht im Herzen.

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das besser. Na ja, mag sein. Ich sollt' zu Haus bleiben, meinte Mutter, und erst einmal abwarten, was überhaupt wäre." Sie errötete jäh und sagte schnell: Du weißt doc), wie komisch Mutter manchmal ist."

Bredenbrücker nickte mechanisch. Und es wandelte ihm die Lust an, es ihr ins Gesicht zu schreien. Aber dann dachte er an die Worte des Reisenden: Ruhig, heiter und gelassen... Und diese Worte flapperten nun eintönig wie ein Mühlwerf in ihm: Ruhig... heiter... gelassen... gelassen... ruhig.. heiter... gelassen

Dann hörte er wieder Fridas Stimme: Du bist sehr gleichgültig, August. Gar nicht wie ein Bräutigam... Ge­falle ich Dir nicht mehr?... Oder hast Du Dich etwa in eine Krankenschwester verliebt? Waren sie hübsch? Und ung? Noch jünger als ich?"

Er spürte, wie sich ihre Finger in seinen Arm gruben und wiederholte im stillen: Ruhig... heiter... gelassen...

Nein, fag', August! Bist Du mir auch treu gewesen, immer, immer? Du kommst mir so merkwürdig vor. Ant. morte doch. Warum sprichst Du nicht? Du hast ein schlechtes Cetiffen! Beig mir den Ring!" Ganz eigensinnig und heftig. Deinen Verlobungsring will ich sehen! Darauf habe ich ein Recht!"

Er wandte den Kopf und sagte mit einem verzerrten Lächeln: Der Ring ist fort, Frida."

Was?" Sie blieb mit einem Ruck stehen, zerrte ihn herum und fah ihm mit flammenden Augen gerade ins Ge­ficht: Wo ist der Ning, August!"

An der Hand, Frida." Die Worte flangen eintönig,

blechern.

Sie sah ihn mit strahlenden Augen von der Seite an: ,, Nein, was Du reden kannst! Und wie lustig Du bist! Und ich dachte, da kommt ein lahmer, trauriger Invalide daher! Dir fehlt ja gar nichts. Du, fieh mich doch mal richtig an! August, Dein Gesicht will ich jeh'n! So! Ob da eine Narbe oder so etwas. Cie lachte hell auf. Seine Spur! Gott sei Dank! Nein, weißt Du, was ich manchmal dachte? Sie griff nach dieser Hand, die nicht mehr dort war. Er kommt mit einer breiten, blutigen Schmarre über Stirn Er sah, wie sie erschreckt einen Schritt zurücktrat, wie und Wangen heim und getraut sich nur nicht, es mir zu ein jähes Entseßen in ihr aufsprang. Ihre Augen weiteten schreiben. Ach, Du, ich hatte ja eine so schreckliche Angst, daß sich, ein heftiges Zittern überfiel sie, und ihr Gesicht erschien Du entstellt bist!" Sie lachte wieder und sah ihm kokett in ihm fahl und welf. die Augen. Du bist ja noch hübscher als früher." Sie drückte seinen Arm. Wachst mir sehr viel Kummer mit Deiner schweren Verwundung! Mutter war auch schon ganz bersagt: Wer weiß, wie er wiederkommt und so. Na, die wird ja staunen, wenn Du so heil und ganz ins Zimmer herein. kommst. Ich freue mich furchtbar, August. Denn jetzt fann ich's ja sagen: welches Mädchen nimmt gern einen, der halb oder ganz invalide ist, nicht wahr?... Was fehlt Dir, Schak?"

ist

Bredenbrücker fühlte, wie er zu zittern begann. Gleich es so weit, dachte er, gleich... Er lächelte frampfhaft auf ihre Frage.

Sie plauderte unbekümmert weiter: Erst wollt' ich sofort

Er stand ganz still und ergeben vor ihr und dachte mit einemt leisen Gefühl der Befreiung: Nun weiß sie es. Gott­lob, nun weiß fie es.

Und plötzlich begann sie zu weinen. Saltlos, unauf­haltsam. Sie gingen mechanisch nebeneinander her. Er, um ein paar Handbreiten zurüd, jah ihre Schultern frampfhaft zuden, und Mitleid mit ihr überfam ihn.

Er suchte nach irgendeinem Trost, fand keinen und sagte: Meine rechte Hand ist so geschickt und starf wie zwei. Da war ein Reisender im Zug, der hatte in beiden Händen nicht so viel Straft wie ich in der einen." ( Schluß folgt.)