#1. 257. iQii Unterhaltungsö!att 5c6 Vorwärts l?.?.!»»«. �uf öer Lokomotive zur Zront. Von HanS Winand. DaZ Flimmern, das sonst vom nächtlichen Brüssel zum Nacht- Himmel emporstieg, ist verloschen. Dunlel und tot lag die Stadt. Die Nacht war bitlerkalt. Unser Ziel war die Somme, und aus Breslau stammte die Lokomotive, die wir erkletterten. Mit manchem friedlichen Güterzuge mag sie durch Schlesien gekeucht sein, ehe sie umlernte. Nun schleppt sie Feldgraue durchs belgische Flachland. Ein wenig von oben herab begönnert sie ihr Führer; Fürsorge schenkt er seiner eisernen Schutzbefohlenen, ober auch ein klein wenig Berächt- lichkeit. Seine Hand liegt am Hebel dieser verschämten Güterzugs- Maschine: seine Erinnerung aber und seine Liebe gehören der stolzen Dunkelgrünen, mit der er daheim zuletzt Schnellzüge lenkte. Nach der Dunkelgrünen bat der grauhaarige Schlesier Heimweh. Seit 22 Stunden steht der Grauhaarige dort am Steuerhebel. Seit 22 Stunden schaufelt sein Heizer in Viertelstundenpausen in den hungernden glühenden Eisenbauch und wacht, datz die flüssige blinkende kleine Säule im Wasserstandsanzeiger hüpke und federe. Wenn er die Kesiellür öffnet, überschüttet der Feuerschein ihn wie mit lodernder Glut und die nasse, schwarze Schaufel funkelt wie mit Opalen beladen. Immer, wenn das eiserne Maul da unten mit dumpfem Stahe wieder zuklappt, erwacht in uns fröstelnden Menschenkindern von neuem die Sehusucht nach des Kessels heißem, rotem Atem, der so wohlig durchwärmt. Nur der Heizer hat andere Sorgen. Seit Blick kehrt stets vorwurfsvoll zurück zum Köhlen - tender. Mächtige, fast quadratische B ikettS und Kohlenstaub, viel Kohlenstaub hm man ihm gegebe». Die belgische Kohle, die da im Verglühen deutsche Streiter nach Frankreich und wider die Briten tragt, ist nicht nach seinem Herzen.Schlecht verdaut sie daS Zeug': und wie aufmunternd und tröstend klopft er an den bauchigen Kesiel der Maschine. Auf Rosen sind sie nicht gebettet, diese russigen, deutschen Eisen­bahner. die da draußen walten. DaS eisenblechbegrenzte, enge Viereck zwischen Kesiel und Tender ist diese» Soldaten der schwarzen Pflichtihr Unterstand, der Schienenstrang in Feindesland der Laufgraben. Wochen mögen dahingehen: und einmal nur, zweimal vielleicht bringen sie diesen Männern das Glück einer Ablösung. Wann kommt der Augenblick, da sie die steifen Glieder strecken dürfen und die Ge- wihheit erhalten: jetzt wirst du ruhen, fünf Stunden, am Ende gar sechs Stunden wirklich ausruhen? Niemand weih, wann dieser Augenblick kommt. Geizig spart ihn das Schicksal. Diese Fahrten sind kein Dahingleiten aus heimischen Schienen strahen. Meister Tod, der jetzt so viele Jünger wirbt, hat nie die Männer auf der Loko« Motive vergessen. Ihnen naht er nicht mir der stählernen Granate oder mit dem kleinen fein gespitzten Kupferkegel; wenn er zu ihnen kommt, hat er Signale gefälscht. Weichen verstellt und unter eisernen Schieneiischwellen kleine Dynamitpatronen verankert. Die Streiter drauhen ruft er mit der Bahstimme der Geschütze und dem surrenden Psisi des Gewehrfeuers: die Männer der Lokomotive lockt er stiller. Es fehlt ihm nicht an Helfershelfern wir sind in Feindesland. Mit kurzer Daumenbewegung weist der Heizer voran auf die Strecke. In weitgestreckter Kurve blitzt au« dem Nebel das Schienenpaar einer Seitenstrecke: und dort am Hang, wo Reis und Tau die Gräser weih- lich färben, gleiten grohe dunkle Körper au? dem Dunst ins Blick- s-Id. Lokomotiven find eS; Schomstein und Fübrergehäuse haben riefe Wunden in den lehmigen Boden gerisien. Die mächtigen Schwung- rader ragen wie in der Totenstarre hoch in die Luft. Jung ist noch me Arbeit, die der Rost an den Kolbenstangen begann.Vorige Woche,' sagt der Heizer und zuckt die Achseln. Fanatiker haben den Plan ersonnen: Tausende von Feldgrauen sollten das Leben lasten. Anschlag mihlang; die schwarzen Eisenbahner dort unten waren auf der Hut. Aus der Nebenstrecke hatten Feinde die mächtigen Maschinen in Gang gebracht. Man heizt« die Kesiel bis zur Rotglut. man öffnete alle Ventile: und zum ersten Male unbewacht und un- arfesielt Herren ihrer mechanischen Macht sausten die Ungetüme führerlos in« Ungewisse. Was folgte, war ein Wertstreit zwischen ent- kesielter Dampskrast und der ElettrizilS». ein Wertlaus zwischen Lokomotiven und Telegrammen. Raffiniert erdacht war der Plan. ««»ig« Kilometer nur waren bi« zur Hauptstrecke zurückzulegen; wenige Kilometer ohne Weichen, wenige Minuten bis zur Truppen- transportlinie. Mit fiebernder Hast versuchten die alarmierten Arbeiter an der Mündung zur Hauptstrecke den Schienenstrang zu sprengen. Der Stahl trotzte. Swon begann er ungeschwächt unter der Wucht der herandrausenden Maschine zu zittern. Da gelang eS >uner fast übermenschlichen Anstrengung; ein Hebel ächzte, die letzte Schraube barst, die Schwelle war gelockert und frer lag das Schienenende. Zehn Sekunden später: und mit zornigem Zischen gasten die Maschinen vom Damm, den Hang hinab, überschlugen Uch und blieben liegen mit machtlos keuchenden Rädern. lleber die pappelumsäumten flämischen Wiesen streift der Morgenwind; durch die Seitenluken des FührerstandeZ schwirren seine unfreundlichen Grühe. Dicht drängen wir uns in die wärmende Nähe des Kessels und der Blick geht zurück nach Osten. Eintönig und stumpf raffelt die schwarze Wagenreihc hinter uns drein. Da« Singen, das am Tage aus den Wagen aufwallte. ist erstorben, die fröhlichen Rufe verloschen. Die Leute schlafen, schlafend rasseln sie dem Echlachtenschickial entgegen. Da trifft es uns plötzlich, dah wir auffahren: ein schrille« Pfeifen, ein Kreischen fast. Hastig wirst der Heizer daZ schwere Gewicht der Bremse hin- über und langsamer gleitet neben unS die Hecke von Weidenbüschen fort. Und dann war eS plötzlich da. dies schwarze Dunkel, eine Finsternis, die jäh die trübe kleine Oellaterne im Führerstand zum Herrscher machte. Weiher feuchter Dampf ging um Auge und Nase und der Himmel über uns war wie mit einem scharfen Messer fort- geschnitten. Der Heizer sah uns an und nickte. War es gestern ge­wesen oder vorgestern? Aber in der finsteren Enge dieses schmalen Tunnels, der so eng ist, dah vor ihm sich selbst die Dovpelgleise wie verstört zu einem einzigen Schienenpaar zusammendrängen, waren zwei Züge zusammengestohen. Neben dem Ausgange lagen noch die unkenntlichen Reste der zertrümmerten Wagen, die man hastig beiseite geräumt hatte, um die Strecke wieder frei zu haben. Und ein paar huntert Meter weiter sehen wir ein Gatter, das von Kugeln zerfetzt ist. Au« dem steinen Wärter hänSchen. da» jetzt die Heimstätte der bärtigen westsälischen Landwehrleute ist. die hier getreulich die Bahn- wacht halten, leuchtet freundliches L>chl. In friedfertigen Atemstöhen schickt der kleine Schornstein dünne blaue Rauchwolken in den Morgen- Himmel. Halb iech« die Westfalen rüsten wohl ihren Kaffee. AIS wir langsam vorllbergleiten, tritt eilig ein Träger der deutschen Landstuimmüye aus der Tür. Ein Plakat an derber Stange schwingt er mit den Armen und der Lokomotivführer lacht, denn er kennt seine Landstürmer und ihr Begehr.Saukalt!' lesen wir ver- wundert; und darunter, dick mit Bloustitt gemalt, die Erklärung der lakonischen Mitteilung:Bstte Kohlen!-«IS der Heizer mit einer Handbewegung die Uebung in dieser Berrichiung verrät, in weitem Schwünge einen stäfligrn Kohlenbrocken über Bord wirst, winkt der Landsturmmonn. der dort oben am Brückenübergang Posten steht, gelasien dankend mit der Hand zurück. Nickt immer ging es hier so gemütlich zu. Dort, wo da« Gatter mit den Rugelnarben steht, überfielen vor Wochen britische Rad- kahrer mit mehrfacher Uebermacht die einsame kleine Bahnwacht. Und wohl keiner der wackeren Westfalen wäre zu Muttern beim- gekehrt, hätte nicht da« Glück einen Truppen zug vorübergesührt und wäre nicht der Lokomotivführer geistesgegenwärtig genug ge- wesen, den Zug sokort zum Sieben zu bringen, als er die ersten Flintenschüsse hörte. Die jungen Kriegsfreiwilligen. die in den Wagen sahen, dursten so die Feuertaute empfangen, ehe sie ihren Truppenteil erreichten. Rau« au« den Wagen, ausgeschwärmt und im Morsch. Marsch ging eS auf die Briten . Die kriegerischen Gelüste kamen denen teuer zu stehen: keiner verlieh die Stelle. Und als die Toten bestattet, die Verwundeten verbunden und die Gefangenen geordnet waren, hotte man auch an die achtzig funlelnagelneue britische Militärräder erbeutet. Sie tragen heute deutsche Soldaten Langsam rinnen die Stunden in die Ewigkeit hinab; rhythmisch schlägt ihnen Stampfen der Räder den Tast. Aus den, Morgen ist Mittag geworden Bald sind wir am Ziel. Nur die beiden Männer im Fübrerhäuschen, sie hoben kein Ziel. Sie wisien nicht, wann sie den Ruh von ihrem Gesicht werden streifen dürfen. Seit 34 Stunden steht der Führer am Gieuer; seit 34 Stunden schaufelt der Heizer seine Kohlen. Und während wir, die jüngsten Ankömmling« auf dem Kriegsschauplätze, jäh aufhorchen und einander ansehen, lächelt er nur und schaufelt weiter. Längst kennt er dies Geräusch, das unsere Ohren so ungewohnt berührt. Bon fern herüber kommt eS, ein dumpfes, halber stickleS Rollen: Kanonenichläge. Der Heizer schaufelt. der Führer blick, hinaus auf die Strecke; und nur wir kehen nns still an und wisien: morgen, vielleicht heut« abend noch, sind wir dort, wo die Beschütze bellen und beißen.... Der Tprann M pafiha. Ein Kapitel aus der Balkangeschicht«. Mit genialer Kühnheit wird in den Dramen Shakespeare ; ein Rundbild de» gesannen Weliinhall» cnlworfcn. Die leuchtenden döhen de« menschlichen Geiste«! da« rote jauchzende Fest de« Leben«: die stillen Felder de« Frieden« und da« wilde Morden de» entfesselten Kriege«: all die» zieht in strahlenden oder erschütternden oder grausigen Bildern an unserem geistigen Auge vorüber. Auch die innere Welt der menschlichen Seele wird in ihrem ganzen unermehlichen Reichtum offenbar. Neben den grandiosen blut« befleckten Schurken im KrönungSmantel tritt die Weisheit de« echten Staatsmann«: neben den geckenhaft aufgeputzten Sonntagssoidalen vj Lanösturm-Tagebuch. Än der Ecke eines Viehwagens eingepfercht zu sitzen, ist Mittelarrest. verschärft durch Rüttelmassage der inneren Organe. Nicht sonderlich bewegt sitzt man da und starrt °urch das Rechteck der Luke ins Freie:.vimmel, fliegende Wolkenfetzen, ab und ,u ein Stück Telegraphendraht. und wenn man sich zur Tür durcharbeitet, ein Leuchten vom Rhem. rotes Herbstlaub an den Hängen und sonntagllch ge- Mutzte Spaziergänger, die mit unermüdlichem Elfer seit zehn Pochen allen durchfahrenden Truppenzugen mrt wehendem Taschentuch nachwinken......u Anderen Zügen begegnet man, halt imt ihnen(sletÄ an Weis. Bayern sind's Leiber und vom zweiten Regiment. Kriegsfreiwillige und Rekruten. Trohend schwuigen ste zum �ruß Knicker und Küchemnesser bis zum riesigen Schlackstei- Ujesser hinauf, das in keinem Stiefelschaft mehr Platz hat. her die Sache ist nur halb so schlimin: die Zetsttngsnach- ruhten von dem Knickerelan der bajuvarischen Löwen ver­pflichten: also tut jeder, was er kann. Die Nacht ist da. Bahnlrchter glühen hundertfaltlg. Grenzstation Herbeslhal! Hier drangen sich dre Zuge zu Dutzenden. Ter Aufenthalt wird Stunden dauern, und wer wageinutiq ist. verschwindet in einer Kneipe des Ortes. Em Paßkrug, von einem Leiber aus Münck�n mitgebracht, um m neindesland die Sehnsucht nach den Gefilden des Augustiner - und Mathäserkellers wachzuhalten, kreist und kreist und kreist. Inzwischen fährt Lerwundetenzug um Verwundetcwzug °urch die Nacht. Auf der Fahrt. Ein bleicher Morgen über grauem Gelände. Namur "egt lter uns Durch schmutzige Nebel blinkt Ubergra» ""i Fetzen der Sambre... em Landsturmposten, fröstelt an der Eisenbahnbrücke. O helle Klänge der Sambre et Meuse. �tiarnimarsch von 1792 wie seid ihr verwchtl Eine bleifarbene Sonne durchdringt nur schwer den Kohlendunst über dem schwarzen Becken von Cbarleroi. Ro­mantik großer Jndustriewerke, Kohlenzechen, Hochöfen. Schlackenberge. Hebekrane Verlaine schrieb, als er hier vorbeizog, der ewig Unstete, sein bannendes Gedicht Charleroi . Strophen(in der Henckellschen Uebersetzung) daraus: Löcher der Not, Nicht Häuser mehr. Weit, weit umher Lohen Essen rot. Roh überall! Oh! Atem heih. Menschlicher Schweih, Schrei von Metall! Löcher der Not, verdreifachter, verhundertfachter Not jetzt, da mrgends mehr Essen lohen und alle Arbeit erstorben ist. Die drückende Stille eines unwahrscheinlicheil Feiertags breiter sich über den Kohlenhalden aus. und wenn unser Zug hält, strömen Frauen und Kinder herbei, verhärmte Frauen, kränkliche Kinder, und init schüchterner Dankbarkeit nehmen sie ein dürftiges Stück Kommißbrot als fürstliches Ge- schenk hin. Gesangenenzügc, endlose Wagenreihen, rollen vorbei. Rote Hosen leuchten für einen Augenblick auf. rote Käpvis und zum Schluß koirnuen ein paar Wagen mit algerischer Reiterei. Spahis. In ihren hellen Burnus gehüllt, kauern die gelbbraunen Burschen da. swmpfsinnig oder ergeben Kismet! Kismet! und fahren durch den belgischen Kohlen- staub in das gefürchtete Land der kimmerischen Nebel hinein. O Sonne des Südens über Moscheen und Minarets! Die Zerstörungsspuren deS Krieges mehren sich. Zu- sammengeschossene Dörfer rechts, ausgebrannte Dörfer links des Schienenstrangs und wieder zusammengeschossene Dörfer, ausgebrannte Dörfer. Schon stumpft die Häufigkeit des An- blicks das Gefühl dagegen ab. Zwisckmi Erauelmes und Jeu- mont an der belgisch-französischen Grenze ist die Eisenbahn- brücke gesprengt. Eine Lokomotive, halb abgestürzt, hängt über der Tiefe, ein Renner, der mitten im tollkühnen Sprung scheiterte... die mit Blut und Schweih bedeckten Krieger der furchtbaren Wirk- lichkeit; neben die Gemeinheiten der Gosjenerotik die heihe Poesie JulieS; neben den Mord weihevolle Andacht und gleichsam in der Milte dieser aufgewühlten und entfesselten Welt steht der mclancholiiche Philosoph Hamlet und spricht mit JorrikS Schädel in der Hand seine bitteren Glossen zum Text deS Lebens. ES gibt so leicht keinen feierlichen Sonntag der Seele, den wir hier nicht erleben könnten, und auch die ungeheuerlichsten Formen der menschlichen Entartung haben ihre Vertreter entsandt. Als beglaubigte Gesandte an den poetikchen Königshof des großen Briten . Tie Gegensätze berühren sich. Von einem respektablen, fleißigen Durchschnittsdramatiker führen keine Fäden zum Kolportageromaii, wohl aber von Shakespeare . Die gewissenlosen Sudler der Kol­portageromane fabrizieren gewerbsmäßig dunkle Verbrechen. und Sbaleipeare ist groß genug, ihnen m seinem Weltbild nicht au» dem Wege zu gehen. Shakespeare bietet sie als künstlerische Wahr­heit und Vernunft; die Fabrikanien der Kolportageromane bedienen sich ihrer, um das Gehirn ihrer Leier mit krassen stofflichen Wirkungen zu mißhandeln. Sowohl der unerschrockene Realismus Shakespeares aber, wie die ruchlosen Phantasien der Kolportage- romane verblossen vor der Wirklichkeit eines Buchs, das soeben in der bekannten Memoirensammlung von RobertLutz in Stuttgart erschienen ist. Ein deutscher Elsässer, der als französischer Offizier der napoleonischen Zeit ein bewegtes Abenteurerleben führte und schließ- lich unter dem Namen Ibrahim ManzouS Effendi zun, Islam übertrat, hat es geschrieben. Er geriet in die Gemalt des Tyrannen Ali Pascha , der im damaligen historischen AuflösungS- prozeh der Türkei in Albanien ein fast unabhängiges Reich hatte begründen können. Der Tyrann lieh ihn nicht wieder los, weil er feine militärischen und sonstigen Kenntnisse in mannigfacher Wciie verwenden konnte. Und so wurde Ibrahim ManzouS zum Augenzeugen der furchtbaren Regierung gemacht, die er in seinen Erinnerungen unter dem TitelAli Pascha , Tyrann von Albanien " schildert. Albanien unstahte unter Ali 1 Million 800 000 Seelen und kam damit dem damaligen Schweden und Norwegen gleich. Die Residenz Janina wurde im Abendland als eine Slätte von Glanz und Prackt gestiert, was freilich durchaus nicht stimmte, wohl aber den Ruf kennzeichnete, den der blutbefleckte Mörderstaat zu erringen vermochte. Die damals führenden Länder. England und Frankreich , unterhielten am Host des Tyrannen eigene Geiandte und erkannten damit ausdrücklich seine tatsächliche Machlfülle an. England scheute nicht einmal davor zurück, ein ruchloses politiicheS Schachergeschäft mit ihm abzuschliehen. weil es ihn als eine Figur in seinem politischen Spiel zu verwenden gedachte. Wohne im Gesetze und du wohnst im Recht. Ali Pascha hatte Macht zu erringen gewußt und somit überkah man nicht nur seine zahllosen Verbrechen, sondern auch seine wenig fürstliche Abstammung. Der Verbrecher auf dem Stuhl des Regenten stammte von den gemeinen Verbrechern der Landstrahe ab. Sein Vater war ein Slratzenräuber und Bandit, der kalten Bluts zum zwei- fachen Brüdern, örder wurde. Seine Mutler beginnt ihre Witwen- schaft mit einem doppelten Giftmord, ist eine Amazone ohne Spur von moralischen Begriffen, habgierig, rachsüchtig und ohne Scham. Seine einzige Schwester ist das Ebenbild der Mutter und von einer unnatürlichen Härte, die in ihrer Rachsucht eigenhändig einem schwangeren Weib den Bauch aufschlitz, und Scheuhlickikeiten an wehr- losen Frauen begeht, die man nicht schildern kann. Ali selber begann denn auch als ein ganz gewöhnlicher Slrahenräuber und als er durch tausendfachen Mord, durch Hinterlist und Bestechung ein großes Reich begründen konnte, entfaltete er durchaus die Eigenschaften, die seiner erlauchten Herkunft entsprachen, Während er sich selber mit einem Heer von Bubldirnen und Buhlknaben umgab, folterte und mordete er seine unglücklichen Untertanen mit der Grausamkeit des geborenen Sadifie». Mit einem französischen Offizier, der ihn in einer politischen Mission besuchte, unterhielt er sich freundschaftlich an der reichbesttzlen Tastl. während im Nebenzimmer bereits die Folterbank bereit stand, auf der er zu Tode gequält werden sollte. Mit den Gefangenen, die er auf seinen Raubzügen erbeutete, veranstaltete er de», ihm ebenbürtigen Volk öffentliche Volksfeste. ES wurden für besonders raffinierte Lualen Preis« ausgesetzt, und die unglücklichen Opfer wurden dann von den Soldaten Alis zu Tode gemartert. Als er einmal davon hörte, daß Napoleon durch den russischen Winter geschlagen worden sei, meinte er. dah ihm etwas derartige« nicht geschehen könne, da er die Russen mit Teer bestreichen und alS brennende Fackeln benutzen würde. Um von den griechischen Kaufleutcn seiner Residenz Geld zu erpressen, lieh er kurzerhand vor ihren Türen je einen Mann aushängen und nahm den stinkenden Leichnam erst herunter, als die Griechen seine finanziellen Ansprüche erfüllt hatten. Einen Pascha, der in seine Gewalt geraten war. lieh er erst durch Hunger schwächen. Dann tat er ihm die raffiniertesten Grausamkeiten an. um ihn Am Nachmittag tauchen die Festungsiverke von Maubeuge auf. und als über einem graugelben Gimmel der frühe Ok­toberabend seine Schatten spinnt, rollt der Zug weiter. In den Viehwagen schnarchen die übermüdeten Leute, nur ans der Plattform eines Packwagens tummelt und treibt stch'S noch um: über einem lustigen Feuer brodelt der Kaffee im Feldkessel.... _ Im Scheine dieses Feuers tauchen für Sekunden die Posten der Babnsichcrung auf: drei Worte hinüber, drei Worte herüber und vorbei. Der Zug rollt, das Feuer flackert, der Kaffee brodelt und wir träumen in die französische Nacht hinmi's. Ende Oktober. . Wir sangen an. uns in unserm vorläufigen Standquar­tier eiiyjuburgerii. Es ist eine französische Mittelstadt mit ausgeprägtem industriellem Charakter, denn große Webereicil und Eiseimicßercien überziehen die gallische Heiterkeit mit Ruß und Kohlenstaub. Im Kriege vollends ist die Heiterkeit davongeflogen. Unzählige Tausende. die hier durchgezogen. Teile der großen, brausenden Völkerwanderung von 191t. haben die Läden geleert, Kaffee. Schokolade. Tabak. Zigarren. Kerzen, Petroleum sind längst Worte olme Inhalt, und da alle Fabriken stilliegen, hungern die Arbeiterviertel, wo schon in Friedenszelten Schmalhans Küchenmeister ist. Hinter den marschierenden Kolonnen her traben blasse, engbrüstige. Jungen? mit dem Ruf: Soul Soul, scheue Frauen flehen unsere Soldaten um ein Stück Brot an, um ein elendes Stück Brot, und oft wird man auf der Straße von einem Grau köpf angehalten, der die leere Pfeife hinstreckt und durch die Zähne inurmelt:'«isur, im peu de tabad" * * Auch vor unserem Quartier, einer Schule, drängen sich hungrige Kinder und strecken, tritt ein Landsturmmonn hin- aus. bittend die Hände aus:Broutt! Brouttl" sott heißen Brot? und einhalte?, zahnloses Mutterchen erhält jeden Tag ihre warme Suppe aus der Komvagniekiiche wackelnden Kopfes und dankbaren Geimits humpelt sie mit ihrem Tops von dannen. Tolle Zeiten, tolle Zeiten!'(Forts, folgt.)