Nr. 46.- 1915.

Unterhaltungsblatt des Vorwärts

PitiiMdj, 24. Febrnür.

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Zulton.

Erfinder der Torpedo - und Unterseeboote. t 24 Februar 1815. Än einem Augufttage des Jahres 1803 sammelte sich das Pariser Volt an der Seine und blickte mit Spannung auf ein Schiff, das unter böchst merkwürdigen Umständen stromaufwärts fahren sollte. Böswillige Hände hatten zuvor das Fahrzeug beschädigt, aber der Erfinder hatte es rasch wieder hergestellt. Was sich nun begab, schil- dert ein Augenzeuge: Um sechs Uhr abends setzte Fusion, nur von drei Personen unterstützt, sein Schiff und zwei andere hinten an- gebundene in Bewegung und anderthalb Stunden lang bot er den Zuschauern das befremdliche Schauspiel eines Schiffes, das durch Räder bewegt wurde, wie ein Wagen, diese mit Windmühlenflügeln oder flachen Rudern ausgestatteten lliäder, die selbst wieder durch eine Feuerspritze bewegt wurden. Indem wir am Ufer die Fahrt verfolgten, schien uns die Schnelligkeit stromaufwärts der Seine gleich der eines eiligen Fußgängers, das heißt 2400 Älafter in der Stunde; stromabwärts wurde sie noch beträchtlicher. Er fuhr vierrnal auf- und abwärts, er lenkte leicht nach rechts und links, ging vor Anker, fuhr wieder ab und passierte die Schwimmschule. Die Zeiten, da man kühne Erfinder für den Leibhastigen selber hielt, waren jetzt vorbei. Den technischen Erfindungen begann die Welt zu gehören, und in dem furchtbaren, zwei Jahrzehnte die Menschheit erschütternden Weltkrieg zwischen Frankreich und England wandte sich der Scharfsinn der Erfinder neben den Maschinen für die Herstellung der Waren des täglichen Gebrauchs, neben der Per- vollkommnung des Verkehrs sofort auch den Kriegsmitteln der Zer- störung zu. Der Erfinder war auch nicht mehr ein verhöhnter und verfolgter Narr, kein Unhold, der mit dem Teufel im Bunde stand, sondern galt als Führer der Gesellschaft, dem Ruhm und Gold zu- floß. Wenn sich um Fusion, dem Erfinder jenes Dampfschiffes auf der Seine, trotzdem eine Legende tragischer Verkennung und Miß- achtung gebildet hat, so widersprechen die Tatsachen seines Daseins diesen Märchen durchaus. Denn wie sehr auch Fultons Leben von Enttäuschungen nicht verschont blieb, so steigt es in Wahrheit, geführt von den Ergebnissen seines Erfindergeistes, aus verlorenen Tiefen sicher zu höchster Weltgeltung auf. Robert Fusion wurde 1765 in Pennsylvanien geboren als Sohn ganz armer Eltern, die aus Irland eingewandert waren. Er ist eine Zeitlang in seiner Heimat Lehrling bei einem Juwelier; sein Zeichentalent inacht einen Gönner auf ihn aufmerksam, der ihm die Mittel gewährt, nach London zu reisen. Hier bildet er sich als Maler aus, als Schüler des berühmten West. Bald erkannte er, daß er für die Kunst nicht geboren war, und er wandte sich Studien der Mechanik zu, besonders auch angeregt durch seine Freundschaft mit dem Ameri­kaner Rumseh, der damals in London weilte, um Dampfmaschinen und andere Erfindungen nach Birginien einzuführen. Schon in dieser Londoner Zeit reifen die mannigfaltigen Erfindungen Fulwns. Er konstruiert eine Mühle zum Sägen und Polieren von Marmor, er entwirft ein verbessertes Kanalsystem, das der Schleusen nicht be- darf, er erfindet auch eine Maschine zur Verfertigung von Seilen. Schon 1703 entwickelte er in einer Abhandlung seine Gedanken über Dampfschiffe. 1796 ging er auf Einladung des dortigen amerikanischen Ge- sandten, des Dichters und Diplomaten Joel Barlow , nach Paris . Er erhielt zunächst den Auftrag, an einem Panorama mitzuarbeiten, einem damals ganz neuen Kunststück. Im Hause Barlows lebend, sorgen- los, in regem Verkehr mit bedeutenden Geistern, gab er sich ganz seinen Erfindungen hin. Sieben Jahre blieb er in Paris , nicht ohne auch an den öffentlichen politischen Angelegenheiten Anteil zu nehmen. In seinen Briefen an den Grafen Stanhop entwickelte er seine Ideen über Handelsfreiheit und Bolksunterricht. Hier faßte er auch den Gedanken, als schrecklichstes und wirksamstes aller Mittel des See- krieges, Bomben zu konstruieren, die unter Wasser den Schiffsrumvf sprengten, indem sie durch Unterseeboote unbemerkt an das feind- liche Fahrzeug gebracht wurden. Er gab seinerHöllenmaschine", wie man damals zu sagen pflegte, den Namen Torpedo , der lateinischen Bezeichnung für Zitterrochen. Schon 1773 hatte der Amerikaner Bushuel ein von einem Mann bewegtes Unterseeboot ersonnen, dessen Probefahrt aber keinen Erfolg hatte. 1707 begann Fusion seine Torpedo- und Unterseebootoersuche auf der Seine. Zweimal bot er vergebens seine Erfindungen dem Direktorium an, ebenso vermochte er die holländische Republik nicht für sie zu interessieren. Falsch da- gegen ist die landläufige Geschichte, daß auch Napoleon ihn wie einen Narren abgewiesen habe. Im Gegenteil: als Napoleon erster Konsul

geworden war, setzte er alsbald eine Kommission ein auS drei her­vorragenden Gelehrten, die die Frage der Unterseeboote zu prüfen hatten. Fulton führte in Havrs zwei Fahrten unter Wasser aus; das erstemal blieb er drei Stunden unter Wasser, das zweitemal mit vier Gefährten sechs Stunden und tauchte fünf Meilen vom Aus- gangspunkt erst wieder auf. Die Kommission erstattete einen gün- stigen Bericht und Fulton erhielt den Auftrag, seine Versuche in Brest in größerem Maßstabe fortzusetzen. Hier gelang ihm auch her Ver- such, ein Torpedo durch sein Unterseeboot an ein altes, für diesen Zweck zur Verfügung gestelltes Schiff heranzubringen, das alsbald in die Luft ging. Das Interesse Napoleons an diesen Versuchen war natürlich durch seinen Kampf gegen England bestimmt. Fulton war auch mehrere Monate lang beschäftigt, eines der an den Küsten kreuzenden englischen Schiffe zu torpedieren, da aber keines nahe genug ans Land herankam, kam es zu keinem Versuch. Ungeduldig zog Napoleon , der wie im Bewußtsein seines frühen Endes keine Zeit zwischen Gedanken und Tat abwarten wollte, seine Unterstützung Fultons zurück. Aber als es ihm gelang, 1803 jene erste Dampfer- fahrt zustande zu bringen, wurde die Oeffentlichkeit in England alar- miert und der Erfinder 1804 nach London berufen. Aber auch in England fand sein Unterseekriegsboot keinen Anklang, die zur Prü- fung eingesetzte Kommission verschleppte den Bericht so lange, daß Fusion verdrießlich Europa verließ und nach Amerika zurückkehrte. In New Jork gelangte er rasch zu allgemeiner Anerkennung. Er vervollkommnete sein Torpedo, von der Regierung der Union unter- stützt, seine Versuche im Hafen von New Jork glückten vollkommen. 1810 bewilligte ihm der Kongreß 5000 Dollar zur Fortsetzung der Versuche. Inzwischen hatte er schon 1807 ein Dampfboot auf dem Hudson fahren lassen, das eine Schnelligkeit von zwei Meilen in der Stunde erreichte. Die Probefahrt ging unter großem Zulauf und dem Jubel der Bevölkerung vor sich. Dies ist das erste Passagierboot, das dauernd in Betrieb blieb. So darf Fulton, obgleich ja die Versuche mit Dampf- booten bis in die Anfänge des 17. Jahrhunderts zurückgehen, doch als ihr Erfinder gelten, weil er zuerst ein brauchbares Schiff baute. Fulton hatte erkannt, daß die bisherigen Versuche an den schwachen Dampfmaschinen gescheitert waren. Sein Hudsondampfer benutzte eine 20pferdige Maschine; er hatte eine Länge von 42,6 Metern, eine Breite von 14,6 Metern, eine Raumtiefe von 2,25 Metern. Die Schaufelräder hatten einen Durchmesser von 4,6 Metern und voll- endeten 20 Umdrehungen in der Minute. Torpedo- unch llntersee- boote verschwanden mit seinem Tode wieder aus dem öffentlichen Interesse, und der Gedanke wurde erst Jahrzehnte später wieder auf- genommen. Neben großartigen, später ausgeführten Kanalplänen ersann er endlich den ersten Kriegsdampfer. 1814 legte er dem Parlament den Entwurf eines Kriegsdampfers zum Schutze des New Iorker Hafens vor. Es war ein Doppelschiff, zwischen den beiden Schiffskörpern das geschützte Schaufelrad. Das Kriegsschiff war mit dreißig Geschützen bewehrt. Aber bevor das Werk fertiggestellt war, starb sein Er- sinder an einem hitzigen Fieber. Seine letzten Zeiten waren durch den Gram verdüstert, daß ihm trotz des ihm erteilten Privilegs auf den für seine Dampfer vorbehaltenen Gewässern cmdere Dampf­boote auftauchten, eine unlautere Konkurrenz, die sich noch dadurch verteidigte, daß sie Fulton die Erfindung überhaupt streitig machen wollte. Der Kongreß aber erklärte bei seinem Ableben den Tag als nationalen Trauertag. Hundert Jahre später sind die Erfindungen des Mannes nicht nur zur vollkommenen Umwälzung des Weltver- kehrs geworden, sondern begehren auch, als zerstörende Kriegsmittel von schrecklicher Gewalt, den Lauf der politischen Weltgeschichte zu entscheiden._ mit Munition nach öem Osten. Augenblicksbilder aus Russisch-Polen. (Schluß.) Auf einer Lokomotive, die leer gegen Lodz fuhr, holten wir den Ausreißer ein. Der Transportführer fluchte mächtig auf uns und drohte mit Wagenarrest. Wir nahmen's nicht tragisch. In Pabianice haben wir uns auf dem Artilleriedepot zu melden. Dort bekommen wir nach langem Warten den Bescheid, daß wir noch weit über Lodz hinauszufahren hätten. Einstweilen haben wir frei. Die Wagen werden umrangiert. Vor Abend wird's kaum losgehen. Ein Bahnmann kommt und sagt, wir führen erst andern Tags um zehn Uhr früh. Ein anderer Bahnmann kommt und sagt, wir

müßten heraus aus dem Polsterwagen, der würde für einen Ver- wundetentransport requiriert. Wir hängen uns unsere Tornister um, schultern den Knallknüppel und suchen Unterkunft für dw Nacht. Der Ortskommandant stellt die Behauptung auf. alle verfüg- baren Quartiere seien bereits belegt, aber in der Sammelstelle für Verwundete seien noch einige schütten Stroh frei Älso hin- gegangen und sich darauf gepflanzt. s Da liegen die armen, braven Kerle ,n ihren Verbanden�und warten schweigend auf den Lazarettzug. Diese wortlose stille bedrückt mich. Ich gehe auf den Bahnsteig hinaus. Da spielt sich eine seltsame Szene ab. Hundertzwanzig gefangene Rußen kommen anmarschiert, eskortiert von 2 sage und schreibe zwei! elsässischen Landsturmleuten. Die Gefangenen sollen hier verladen werden. Auf dein Bahnbof werden sie in Reih und Glied gestellt, kriegen heißen Kaffee und Zwieback. Bald kauen alle mit vollen Backen.._ Einer von den Begleitmannschaften fühlt ein Bedürfnis, da� ihn etwas abseits führt. Er gibt sein geladenes Gewehr, auf dem drohend das Bajonett glitzert, derioeilen einem der Russen zum Halten. Stumpfsinnig nimmt's der Mann und weiß nicht, welche Macht er in Händen hat. Vorhin konnte ich die Stille nicht ertragen. Jetzt verwirrt mich das Gewirr der vielen fremden Menschen, das heisere Geschrei der Fuhrleute, die ihre müden Gäule durch den Dreck am Proviant- amt vorbei der großen Heerstraße zutreiben. Ich lege mich an meinen Platz und versuche einzuschlafen. Ein Kommando, das zur Tür hereinschallt, macht mick, munter: Kranke und Verwundete fertig machen zum Einsteigen!' Allent- halben wird's lebendig. Was noch aus eigener Kraft gehen oder hinken kann, schlüpft aus dem Stroh. Ein breitschultriger, robuster Arzt kommt. Mit seiner elektrischen Taschenlainpe leuchtet er die Lagerstätten ab, weckt die Schlafenden und läßt die Schwerverwun- beten hinaustragen. Einen in der Ecke hat er schon zweimal vergeblich gerüttelt. Herr, zum Teufel noch mal, so stehen Sie doch auf. Der Zug fährt Ihnen vor der Nase ab!" Der Soldat rührt sich nicht. Der Arzt leuchtet genauer hin, bückt sich dann nieder und greift nach der Hand des hartnäckigen Schläfers, Nach einer halben Minute richtet er sich wieder auf und sagt ruhig zu den beiden Sanitätern, die hinter ihm stehen:Schaffen Sie den Mann in den Schuppen. Er ist tot!" Ich kann das Bild meiner Lebtage nicht mehr vergessen. Der Tote wird schlveigend aus die Tragbahre gelegt und mit einer Lage Stroh zugedeckt, um den Lebenden den Borwurf in seinem schmerz- starren Gesicht zu ersparen. Der Arzt ist längst wo anders. Die beiden Leute machen, daß sie mit ihrer Bürde davon kommen. Ein Telegramm meldet, daß unsere Munition in der Kampf- linie dringend gebraucht wird. Wir müssen über Lodz hinausfahren« soweit, als die Bahn überhaupt fertiggestellt und in Betrieb ist. In Lodz selbst gibt's nur kurzen Aufenthalt. Wir wundern uns alle über den schmucken, freundlichen Bahnhof. Nach den: vielen Dreck, den wir bereits im Zarenlande gesehen, waren wir auf eine solche Sauberkeit gar nicht gefaßt. Bald gcht' weiter. Die Augen schmerzen vom vielen Hinaus- schauen. Ich geb's auf. Ueberdies ist's in dem Viehwagen, in dem wir gegenwärtig hausen, mäckiig kalt. Ich wickle mich in Wolldecke und Mantel und bringe das Kunststück fertig, einzuschlafen. Als ich aufwache, sind wir längst an unserem Bestimmungsort angelangt. Die Leute von den Munitionskolonnen, die unseren Transport schon seit Stunden sehnlichst erwarteten, sind bereits beim Ausladen. Ich benutze den freien Nachmittag zu einem Gang über die Felder. » Ich wundere mich über die vielen Pferdekadaver, die unver- scharrt umherliegen. Die Raben mühen sich umsonst, etwas Fleisch von den offen liegenden Rippen loszuhacken. Es ist durchgefroren und hart lote Stein., Hier müssen wütende Kämpfe getobt haben. Ein Grab nach dem andern. Ohne Kreuze, ohne Namen, ohne den geringsten Schmuck. Hier war Eile der Totengräber. Zusammengeschossene russische Protzen stehen� im freien �elo. Der schöne Ackerboden ist von unzähligen Geschoßlöchern zerrissen und sieht ganz gelblich durchsetzt und aussätzig aus.

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Ueberfluß.

Von Martin Andersen Nexö . Nein," erwiderte er hell,ich freue mich bloß so un- bändig über Dich, Dich." Er schlang die Arme um sie und küßte sie heiß. Er sah und fühlte ihre junge Frische, ihre schwellenden Lippen, das klopfende, warme Blut, den Lebensglanz in ihrem Blick, und etwas traf ihn dumpf. Doch," sagte er gedämpft, und die Arnie fielen schlaff herab,doch, ich bin krank." Und er sing an, vom Tode zu reden, dem allesverzehrendeu, unbestechlichen, während sie ihn ansah mit einem Blick, der inimer schwermütiger wurde. S i e litt darunter, s i e fühlte das Entsetzen ob der Trennung, die fürchterlichen Wehen des Herzens, all die schmerzerfüllte Qual des Todesgedankens er nicht. Er konnte den Schmerz nur wie einen Stich empfinden, dann sank dieses Gefühl sofort und wurde zu körperlicher Müdigkeit. Er fühlte, wie sie litt, erstaunt fühlte er es; er zwang sich dazu, sich selbst einen Vorwurf zu niachen, und konnte es doch nicht unterlassen zu sprechen. Erst als sie in Tränen ausbrach, erwachte er so weit aus seiner Gefühllosigkeit, daß er zu etwas anderem übergehen konnte. Doch da saß es wie ein Schatten in ihrem kindlichen Blick, ein Schatten, der sich nicht verjagen lassen wollte, weder von Liebkosungen noch von Gründen. Wie lächerlich klein erschien ihm jetzt, was ihn veranlaßt hatte, Todesschatten in diese Kinderseele zu werfen als Nichts, er erinnerte sich seiner nicht einmal. Aber der Schatten selbst stimmte ihn froh ob der Liebe, die dahinter lag, und er scherzte mit ihrem Ernst und ahmte ihren schwer- mutigen Gesichtsausdruck nach.Sie sollten wirklich ein wenig blutreinigenden Tee versuchen," sagte er mit Dortea Hansens Stimme, und da niußte Else lacken. Sie saßen im Grase vor einem Gestrüpp und schauten auf den Fjord hinaus. Er hatte ihre Hand entblößt und einen Ring von seinem Finger gezogen und an den ihren gesteckt. Wir haben gleich dicke Finger," sagte er erstaurt. Willst Tu ihn behalten?" Sie reichte ihm ihren Mund, lächelnd, mit geschlossenen Augen. Aber es sind Verpflichtungen damit verbunden," sagte er und faßte sie unters Kinn.Sieh mich an!" Sie sah ihn an, mit großen, aufmerksamen Augen. Du sollst mich in allem lieb haben, aber Du darfst nie an Ehe denken, hörst Du, nicht an Versorgung. Für Dich

besitze ich nichts anderes als mich selbst. Und Du darfst mich nicht aus Mitleid lieben, Deine Lebenstriebe sind's, die ich besitzen will; sobald ich merke, daß Du mir Mitleid erweisest. verlasse ich Dich. Und wenn Du an mir etwas Altes oder Unglückliches merkst, so daß Deine Wärme ein anderes Ziel hat, so sollst Du mir ehrlich und rücksichtslos den Rücken kehren, versprich mir das!" Sie nickte nachdenklich, sie hatte ihn nicht recht ver- standen. Dann schlang sie plötzlich die Arme um seinen Hals: Aber wir wollen einander immer lieb haben, nicht wahr?" Solange es naturgemäß dauert, wollen wir's." Ja, aber es dauert immer, glaubst Du nicht auch?" Vielleicht und vielleicht nicht, darüber entscheiden wir nicht, die Gefühle wachsen von innen heraus. Aber wir können der Liebe das beste abgewinnen, solange sie dauert; und wir können ehrlich sein, wenn es aus ist." Dieser Vor- behalt galt nicht ihm selbst, sondern ihr. Er fühlte sich seiner eigenen Gefühle sicher, konnte s i e aber aus die Dauer-- wie er nun einmal war? Jedenfalls wollte er von keinem Zwange wissen, keinem trägen Schweben über dem ausge- brannten Krater, keinem ehelichen Totendasein. Wie kannst Du nur so sprechen gerade jetzt?" sagte sie fast weinend.Ich werde nie einen anderen lieb haben als Dich nie." Du" sagte er gedehnt und weich.Ich Hab neulich etwas gesehen, das ich nicht sehen durfte darf ich jetzt? Darf ich es küssen?" Sie wandte ihr Gesicht halb ab und schaute unentschlossen in die Luft hinaus, und als er ihr Kleid an Hals und Brust zu öffnen begann, barg sie ihr Gesicht an seiner Schulter. Aber da er sich allein nicht zurechtfand, kam ihre Hand ihm zu Hilfe. Behutsam schob er das zungen förmig ausge- schnittene Hemd hinab und preßte sein Gesicht an ihren weichen Busen.Du bist schön, so schön," flüsterte er. Und sie bückte sich über seinen Nacken und küßte ihn, flammend vor Sckam und Freude. Dann lagen sie nebeneinander im Grase und plauderten, sie mit dem Kopf in seinem Arm. Und als sie still wurden, beugte er sein Gesicht über das ihre und sah ihr unsicher lächelnd in die Augen. Sie starrte ihn an mit scheuem, verwirrtem Blick, der in weite Fernen zu gehen schien. Dann glitten ihre Augen zu und sie suchte ihn mit ihrem Munde. Aber ihr Blick hatte seine Gedanken eingefangen und hielt sie fest. Er sah eine welke, tote Hand sich sperrend über ein Stück fruchtbaren Erdreichs legen und alles Leben fern- halten. Das Bild hatte kein persönliches Ziel, er sah es bloß

und fügte neue und immer neue Gedanken daran, die fern und gleichgültig waren, während er mechanisch auf seinen Ellbogen ruhte und sein Gesicht lange über das ihre hielt. Ein Beben durchzuckte sie, und sie erhob sich schnell. Friert Dich?" fragte er und half ihr fürsorglich zurecht. Wir nrüssen nach Hause gehen," sagte sie tonlos. Ja," sagte er zerstreut und nahm ihren Arm. Sie sahen das Haus und das Wäldchen ein Ende oberhalb und gingen geradeswegs über die Wiesen. Und als sie so schweigend nebeneinander dahinschritten, schlug die �cham über ihm zusammen wie eine große Sturz- welle. Und er verstand das Ganze, ihr Frösteln vorher, ihren stummen Schauder jetzt. In diesem unberührten Wesen hatte er das Weib hervorgelockt, sie hatte ihm ihre Wünsche nackt gezeigt, und er hatte diese und sie im Stich gelassen. Er hatte sie gescksiiudet, sie mußte es schlimmer empfinden.als ob er sie mit Worten verurteilt und ihr die ärgsten Namen gegeben hätte. Keinerlei Recht hatte er dazu, hier neben ihr zu gehen i nicht das einzige Recht, das des Starken. Das einzige in der Welt, das einem Manne das Recht gab, ein Weib in die Arme zu schließen, die Unbezwingbarkeit des Gefühls hatte er nicht nicht einmal einen Schatten davon. Er konnte die Jugend ausspionieren und ihre erotischen Kniffe nachahmen; aber im Unbewußten erlag er, er fiel einer elenden Ab- straktion, der Notwehr seiner Kraftlosigkeit zum Opfer. Alles erdenklich Bösen wollte er sich bezichtigen. Seine Seele blutete, er fühlte den Drang, diesem Weibe Genug- tuung zu geben, aus die Knie zu fallen und sie anzubeten, ihr zu erzählen, wie groß sie gewesen sei und wie armselig er. Als sie auf den Flur kainen, schlang er seine Arme um sie und küßte sie heftig. Es schwebte ihm auf der Lippe, sie um Verzeihung zu bitten, fürchtete sich aber davor, ihr das Peinliche noch peinlicher zu machen, und eilte in sein Zimmer hinauf. Elses Mutter war in der Schlafstube, im Begriff, sich auszukleiden. Na, hast Du Dich denn amüsiert?" fragte sie. Ja Bauder und ich duzen uns jetzt," sagte sie atemlos. Nun, das ist doch nicht so wunderbar amüsant," meinte die Mutter lächelnd und streichelte ihr Haar; es waren welke Grashalme darin. Else schwieg. Als sie aber iin Bett lag und gerade ein- schlafen wollte, brach sie plötzlich in Lachen aus sie mußte an die große Lene, an die Turnüre und den Zopf denken. Und nun plapperte sie darauflos von all dem Spaßigen, das sie gesehen hatten,