Nr. 51. 1915.

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Gruß unö Krieg.

Warum nimmt der Grüßende den Hut ab, reicht dem andern die Hand und macht eins Verbeugung oder, wenn er Soldat ist, warum legi er die Finger an den Helm, senkt den Degen oder präsentiert das Gewehr? Diese Höflichkeitsbezeugungen erscheinen unS so selbstverständlich, daß wir ihrem tieferen Sinn gar nicht mehr nachgrübeln, und wenn wir über ihre Bedeutung nachdenken, so können unS die Grußformen nur als ein Zeichen der gegenseiti- geu Achtung und Freundlichkeit erscheinen. Niemand macht sich klar, daß diese Gebärden eigentlich aus dem Urgrund des Krieges geboren find, und daß sie nur für den eine deutliche Sprache reden, der sich den.Kamps aller gegen alle" in den Ur- zeiten vergegenwärtigt. Unser Gruß ist der letzte Ueberrest eines allgemeinen Kriegszustandes, der unter den Urmenschen herrschte, und als solchen haben ihn mich Philosophen. Sprachgelehrte und Kulturforscher, wie Spencer, Rudolf Hildebrand und Georg Stein- hausen, erklärt. Wenn sich in grauen Vorzeiten zwei Menschen be- gegneten, dann lag dem Schwächeren daran, sogleich dem Stärkeren zu zeigen, daß er sich seinem Willen füge. Er tat dies am besten, wie es noch heut bei primitiven Völkern üblich ist, indem er sich platt auf den Boden warf,.sich unterwarf" So wie noch heute der Sieger dem Besiegten in sinnbildlicher Redensart.den Fuß auf den Nacken setzt", so tat er es damals dem wehrlos Da- liegenden buchstäblich. Die Griechen nannten diese Sitte, die sie bei den Persern sahen,.,prc>-lc>neia", d. h..anhündeln", und noch heule sagt der polnische Bauer zum Edelmann:.Ich falle zu Füßen. Aus dem F u ß f a l l ward das Knien, aus dem Knien das Beugen des Oberkörpers und daraus das Neigen des Kopfes, so daß eine reiche Nuancierung dieser Unterwerfungsformen ge- geben war bis zu dem einfachen Gruß:Ihr Diener, bei dem man heut gewiß nicht mehr an die ursprünglicheUnterwerfung bis zur Sklaverei" denkt. Bei den primitiven Völkern gilt als Zeichen des Sichunterwerfens neben dem Niederfallen das Eni- blötzen; man legt nicht nur seine Waffen, sondern auch Stücke seiner Kleidung ab. Iii einer Zeit, wo jedermann ein Schwert trug und alles von Waffen starrte, war es dringend gebotene Vorficht, die Männer bei friedlicher Vereinigung ohne Waffen erscheinen zu lasten, da- mit kein blutiger Krieg ausbrechen könne. Das wichtigste Rechts- buch unseres Mittelalters, der Sachsenspiegel, bestimmt denn auch, daß der Lehnsmann vor den Herrn treten müsse»ohne Mester, Schwert, Sporen, Hut. Handschuhe und alle Waffen". Der.Hut" ist natürlich der Helm oder Eisenhut, die Handschuhe find die Eisen- bandschuhe der Rüstung. Das Ablege» der Waffen gilt also als Zeichen der Unterwerfung. In den Hofsitten hat sich dies noch lange erhalten- am österreichischen Hofe erschien noch Karl VI. stets mit bedeatem Kopfe; bei der Eröffnung des Landtages setzt sich der preußische König den Helm auf; die spanischen Granden dursten vor ihrem Herrscher mit aufgesetztem Hut erscheinen und sich so ihm gleichstellen; im englischen Parlament behalten die Vertreter des Volkes ihre Zylinder auf. der nun zum Sinnbild der tzcelbstherrlichkeit geworden ist. Wenn ein mittelalterlicher Held seinen Helm abband, so gab er damit das Zeichen des Friedens, wie wir aus den Nibelungen und der Gudrun ersehen. Um in Gesellschaft zu zeigen, daß er als Freuitd nahe, tat er dies auch wohl vor Frauen, und aus diesem Helmabnehmen ist dann unser Hutabnehmen zu Ausgang des Mittelalters entstanden. Erasmus beftehlt in seinen Anstandsregeln,»bei Begrüßung acht- barer Personen auszuweichen und das Haupt zu entblößen". Im 17. Jahrhundert wird dann diese Grußart allgemein. Was sollte aber der Soldat tun, der sich doch von seiner Waffe und seinem Helm nicht trennen darf? Er nahm eine Abkürzung vor, indem er die Hand an die Kopfbedeckung legte und damit zu erkennen gab: ich müßte eigentlich den Helm abnehmen, das darf ich aber nicht; ich tue also wenigstens so. als wenn ich ihn ab- nehmen wollte. Sehnlich rst es mit dem Senken des Degens bist den Offizieren. Hier deutet der Krieger seine Wehrlosmachung an, indem er seiner Waffe eine Haltung gibt, die der zum Hieb .ausholenden, angreifenden gerade entgegengesetzt ist. Beim Prä- sentieren bietet der Soldat dem Vorgesetzten gleichsam sein Gewehr an, erklärt sich symbolisch bereit, es niederzulegen und sich so zu unterwerfen. Nicht anders ist es mit dem Hinstrecken und Darreichen der Hand. Der primitive Mensch zeigte durch diese Gebärde, daß er waffenlos kam und nichts Böses im Schilde führte. Dies läßt sich sogar bis in alle Einzelheiten unserer Gruß- sitten verfolgen. Wenn es z. B. guter Ton ist, daß man erst sein« Handschuhe auszieht, bevor man den Händedruck wechselt, so ist dies eine Erinnerung an den alten Eisenhandschuh, der zur Rüstung gehörte und dessen Ablegen nicht nur der Sachsenspiegel, sondern auch in guter Gesellschaft bereits die höfische Sitte des Rittertums forderte. Daß die Damen ihre Hüte nicht abnehmen wie die Männer, rührt daher, daß die Krauenhüte eben nie Helme waren,

ihre Kopfbedeckungen also nie Furcht erregen konnten und das Entblößen des Hauptes von den Frauen deshalb in der Vergangen- best nicht verlangt wurde. So leuchtet aus unseren friedlichen Gruß- formen überall der uralte Kriegergeist in merkwürdiger kulwr- geschichtlicher Spiegelung hervor.

TheaLsr. Deutsches Künstler-Theater:.Ezmont'. Trauerspiel von Goethe. Am Sonnabend eröffnete Direktor Barnowsky. der zum Lesfing- Theater nun auch die frühere Sozietätsbühne übernommen hat. seine Vorstellungen hier mit»Egmont ". Von der Beethovenschen Mufik umrahmt, dehnte fich der Abend zu Neinhardtsckier Länge, auf nahezu fünf Stunden. Reizvoll entfaltete sich der helle lebensvolle Glanz der Goeiheichen Dichtung bis zu dem Wendepunkt deS Dramas, der Gefangennahme des in Albas Falle gelockten Helden. Dann steilich ebbt die straft. So unverständlich eS erscheint, wenn Schiller in seiner Kritik des Stückes Goethes Verwandlung deS historischen Egmont , den Familienrücksichten von der Aktion Oraniens fernhielten und zum Bleiben bestimmten, in den sorglos wagenden Jüng- ling, den Geliebten Klärcheus, als eine Art von Degradierung bclrachtet und klagt,der Dichter bringt uns um das rührende Bild eines Vaters und liebenden Gemahls, um uns einen Liebhaber ganz gewöhnlichen Schlages dafür zu geben," so recht hat er doch, daß diele Goethesche Gestalt in keiner Weise die verklärende Traum- Apotheose des Schlußaktes, wo Klärchen dem Gefangenen als Freiheitsgöttin den Kranz reicht, rechtfcrtigte. Der Egmont des DramaS, der, losgelöst von jeder ängstlichen Erwägung der Folgen. seinem Stern vertraut, steht als Goethesche Figur unendlich über dem Familienvater, der, wo eS doch die allgemeine Sache gilt, sein Tun von peinlich engem Familienegoismus sich diktieren läßt. Er ist Genußmensch; aber er handelt aus der ungebrochenen Einheit seines Ich heraus, nach dem. was ihm der Augen­blick als recht erscheinen läßt; seine Verblendung, sein SchicksalSglaube, wenn auch genährt durch alle die Erfolge, die ihm das Glück spielend in den Schoß warf, wurzelt zu tiefst in freudig schäumender Lebenskraft, die jedes Grübeln alS etwas Fremdes, Feindliches von sich abweist. Mit allen Schwächen trägt sein Wesen den Stempel eingeborener, großzügig steter Eigen- art. Aber freilich, all diese leuchtend liebenswürdige Natur, mit der er uns bezaubert, läßt ihn darum nicht weniger als bloßen Privat« menschen erscheinen, der schließlich nur sich selber, nicht in dem Dienste eines Allgemeinen, für welches er als Kämpfer alles in die Schanze Ichlüge. lebt. Der Lorbeer, den ibm Klärchen reicht, ist unverdient. Die Steigerung, die die Gestalt dadurch erhalten soll, wächst nicht aus ihrem eigenen Wesen, der Verdacht theatermäßigen Notbehelfs wird rege. Auch das Gespräch mit Alba» Sohn, so viele schöne Züge es aneinander- reiht, ist außerstande, nachdem die Würfel schon gefallen, die dramatische Spannung festzuhalten. Und ähnlich steht es mit den letzten Klärchenszenen. Zu dem mit meisterlichem Realismus entworfenen Bilde des schlichten Eürgermädchens. will der heroische Stil der Reden, in denen sie dann die Bürger ausruft, Egmont zu befreien, nicht recht paffen, man glaubt ihr wohl den Wunsch und den Ge- danken, nicht den Ausdruck. Auch Lina Loffen, die in den Liebes- szenen ein prächtiges Klärchen war. niit der Verliebtheit zu- gleich den Mut und Hockfinn dieser Volkskinder zu eindringlichster Einpsnidung brachte, tonnte die Hemmungen hier nicht überwinden. Ebenlowenig gelang es, die allzukehr ins Breite gesponnene Ab- schiedsszene KlärchenS zu beleben, in der sie, von dem armen Brackenburg Gift verlangt, um dem Geliebten in den Tod zu folgen. Auf die Inszenierung, namentlich auch der Volksszenen, war größte Sorgfalt verwendet. Das muntere Treiben aus dem Schieß- stand unter buntem Bannerschmuck mit dem weiten Ausblick aus die grünenden Necker bildete den stimmungsvollsten Auflast, und mit gleicher Eindrucksstärke wirkten die angstvoll geflüsterten Geipröch« der Bürger in dem winkligen Gäßchen nach Alba», des Gefürthteten, Einzug. Lebendig traten die einzelnen Voltstypen hervor, ins- besondere der Schneider Jetter, deffen Darsteller, Kurt Götz , jedes bei dieser Figur sonst beliebte Karikieren mit sicherem Takt ver- schinähle. Baffermann als Egmont erurcic stürmischen Bestall und. wie mir schien, mit sehr viel größerem Recht akssonstin klassischen Rollen. Das Störende in dem Organ und den zum Schaukeln neigenden Bewegurigen war bis aus wenige Rudimente zurückgedrängt. Er war kein Jüngling, doch ein Mann, der und den leichien Jugendsinn sowie die Liebe, mit weicher alle an ihm hängen, glauben machte. Eine hohe ritterliche Gestalt, der Glück und Zuversicht und auch, was fich dem Rohmen zwanglos einftigte, ein wenig Eitelkeit aus dem gesunden Antlitz strahlt. Die Höhepunkte seines Spiels lagen im ersten Teil. in dem Erscheinen vor dem Volle, den Klärchenszenen, dem Gespräch mit Oranien und Alba, und fielen mit den Höhepunkten der Dichtung

selbst zusammen. Oskar Fuchs gab, wenigstens im größten Teil der Auseinandersetzung mit dem Freunde, einen scharf charakteri- fierten Oranien, Steinrück einen sehr markanten Alba. Adele Sandrocks klassische Diktion erhob die Epstode der spanischen Slati- halterin zu ungewöhnlich starker Wirkung. Herr LooS als Bracken- burg fand in den ersten Szenen Töne riefen LiebeSschmerzeS und überraschend echt in jedem Zuge war Paula Eberty als gunuütig schwache Mutter KlärchenS. fit.

kleines Kemlletsn. Sie Eröffnung üer Weltausstellung von San Francisco . Um Mittag des 211. Februar ist die Panama- Pacific- Ausstellung in San Francisco von Präsident Wilson offiziell eröffnet wordci!, indem er im Weihen Haus von Washington auf einen Knopf drückte, worauf die Tore der verschiedenen Ausstellungspaläste auf- sprangen und mannigfache Maschinen aus der Ausstellung in Bc- wegung gesetzt wurden. Zugleich wurde ein Salut auS erner An­zahl Geschütze abgefeuert. Der ursprünglich geplante Pomp und Prunk, mit dem die Ausstellung eröffnet werden sollte, hat infolge des Krieges aufgegeben werden müffen. Von der großen, fried- ltchen Versammlung der Kriegsschiffe aller Völker in der Bai von San Francisco konnte keine Rede sein; ebenso wenig konnte die feierliche Erüffurrng des Panamakanals zusammen mit der Aus- stellung erfolgen, sie ist bis zum Juli verschoben worden. Wenn so der Widerhall dieser Weltausstellung in der Welt fehlt, so haben oafür die Bewohner von San Francisco die Eröffnung sehr leb- Haft gestaltet. Eine wilde Aufregung erfüllte die Riesenstadt schon am frühen Morgen, und Sirenen, Glocken, Pfeifen und Musik- kapelleu begleiteten die Eröffnung, bei der Staatssekretär des Innern Lane in Vertretung Wilsons eine kurze Botschaft des Präsidenten vorlas.Dies ist die Welt im Auszuge," sagte der Generaldirektor der Ausstellung Skiff.Innerhalb ihres Bezirks gibt es keine Fremden. Alle lollen auf diesem Boden stehen, als wäre er ihr Heimatland." Die Ausstellung, die im Gegensatz zu anderen derartigen Veranstaltungen am Eröffnungstage vollkour- men fertig ist, umsaht eine Raumflächc von 686 Acres und ist in ihrer Ausdehnung und Anlag« größer als jedes derartige Unter- nehmen vorher. Die Gebäude mit den Staatsausftellungen haben nach einer fchätzunirstveisen Angab« 200 Millionen Mark Jtosten ver­ursacht. Die Ausstellung mit ihren prachtvollen Bauten, auf der einen Seite von waldbsdeckten Höhen umrahmt, auf der anderen von den blauen Wassern der Bucht von San Fraucisco, bietet in dem strahlenden Glanz der kalifornischen Sonne und eingebettet in eine üppige Blumenpracht einen wundervollen landschaftlichen An- blick dar. Der überwiegende Farbenton der� Bauten ist ein warmes Braungelb, wodurch das grelle Licht der«onne gedampft werden soll, und viele Dächer zeigen ein sanftes Rot in Nachahmung der alten Ziegeldächer. Das gewaltige ilnternehmeu ist ein Beweis für die gesunde Krastsülle San Frcmciscos, das nach dem großen Erdbeben unter dem Aufwand von 1100 Millionen Mark erst wieder ausgebaut werden mußte und doch bei dem Auftauchen des Aus- stellunasgcdankens iu wenigen Tagen für diesen Zweck die Summe von 80 Millionen aufbrachte. Aus den Besuch von Fremden aus Europa wird die Weltausstellung so ziemlich verzichten muffen. denn in diesem Sommer werden nur wenige die Reise von Europa nach Amerika wagen; aber man rechnet damit, daß auch der große Strom von reisenden Amerikanern, der sonst um diese Zeit Europa überflutet, verfiege» oiuß, und hofft, ihn nach Kalifornien ab- zuleiten.__ Nottze«. Vorträge. Znmmsten des Roten Halbmonds der- cmstaltet das Koriell jüdncder Verbingungen im Preußischen Ab- g-ordnetenhauS eilten Zyklus von Borträgen. Den ersten Borlrag am 3. März wird Dr. Paul Rohrbach über die Zukunft deS Orients halteii. Die Pariser Theater. Die Eröffnung deS Pariser Odöons ist für den t. März festgesetzt, und zwar unter den gleichen Bedingungen wie die der Comödie Franoais« und der Opsra- Comique: Bis zu der Zeit, in der die politischen Ereignisse wieder regelmäßige Aufftihrungen gestatten werden, soll eine Reihe von Vorstellungen an bestimmten Daren stallfinden. Für die Donners- läge find Matineen mit klassischen Schauspielen, für die Mittwoche literarische Borträge und Rezitationen, für die Sonnabende Auf- führungen ftanzösticher Musik festgesetzt. An den Sonnabenden und Sonntagen werden abends Vorstellungen zu ermäßigten Preisen gegeben.

Ueberfluß.

Von Martin Andersen Nexö . Sie haben noch Zeit. WaS ich sagen wollte ich war ganz oben im Stöpsel. Auf der Ausstellung waren so viele Dinge, die nur darauf berechnet waren, einem das Geld ans der Tasche zu ziehen, und ich mochte nicht überall hin­laufen. Aber das war das Geld lvahrhastig wert." Na, ich mutz fort," sagte der Kandidat und ergriff feinen Handkoffer. Ja ja, gute Reife. Sie könnten urir einen großen Dienst erweisen," sagte Sörensen und beugte sich ernst über ihn. Haben Sie ein Auge auf meine Frau! Kopenhagen ist ja groß, aber wer weitz-- und wenn Sie sie sehen, so reden e�ie ihr gut zu, und bringen Sie sie mit nach Hause." Seine Augen waren ganz rot geworden und blinzelten. Das werd ich tun," erwiderte der Kandidat und drückte ihm die Hand wann und verständnisinnig. Sörensen blieb im Torweg stehen und sckiaute die Straße zum Hafen entlang mit schwermütigem, nachdenklichem Blick. Er hätte selbst die Reise nach der Hauptstadt unternehmen und seine Frau aufsuchen müssen, bevor es zu spät war. Es schauderte ihn, wenn er an die entsetzlichen Drohungen dachte, die sie gegen ihn ausgestoßen hatte. Allerdings war es schlimmer mit ihren Drohungen als mit ihren Handlungen, und doch in diesem Punkte war sie gefährlich, während der ganzen Ehe hatte sie diese fixe Idee in sich grotzwachsen lassen. Und hier stand er und konnte nicht vorbeugen. Das Reisen war teuer, und er war zu Hause auch gar nicht zu entbehren, namentlich in diesen Tagen, wo all das mit der Reklame und Ausarbeitung des Katalogs zu erledigen war seine ganze Zukunft als Fabrikant hing ja von einem guten Start ob. Und gesetzt den Fall, sie arbeitete sich selbst und zu­gleich ihn in etwas ganz Fürchterliches hinein! Er stöhnte. Schrecken verschleierte seinen Blick, so datz er den Postmeister erst gewahrte, als es zum Grützen zu spät war. Aber trotz- dem verbeugte er sich tief aller Eventualitäten wegen. Ja, wenn es wenigstens still ablief! Denn Herr- gott! dergleichen war ja zu ertragen, besonders wenn man nichts Bestimmtes wußte. Das war gerade so, wie wenn

jemand vor einem mit einem Löffel gegessen hatte; es konnte einem komisch zumut werden, wenn man es erfuhr, aber ein Geschmacksunterschied so an und ftir sich bestand nicht. Doch sie würde schon dafür sorgen, datz nicht nur er, sondern die ganze Welt es erführe, wenn eS etwas zu erfahren gab. Und die Leute würden vor Schadenfreude grinsen und auf ihn herabblicken, noch ärger, als ob er ein Verbrechen be- gangen hätte. Dann adieu Achtung und adieu Aussicht, in den Gemeinderat zu kommen! Vielleicht hatte man, wenn er eines Morgens erwachte, den Pferdehus übB seiner Tür entfernt und statt dessen ein paar Hörner angenagelt. Dann konnte er dem Ganzen Adieu sagen und heimatlos umher- irren; denn ohne die Achtung seiner Mitbürger hier zu bleiben, würde ihm unmöglich sein. Aber zuerst wollte er seine Frau recht kiebevoll auf- nehmen, was sie auch verbrochen haben mochte, wollte für- sorglich zu ihr sein, selbst wenn sie versuchte, ihn auf noch so gemeine Art lächerlich zu machen. Wenn er dann daran fest- hielt, daß in Wirklichkeit nichts niit ihr geschehen sei. sondern datz nur ihre Hysterie ihr das alles eingebe eine Art von Geisteskrankheit, dann würde er die Sympathien doch auf seiner Seite haben vielleicht in gesteigertem Grade, und dann war ja gar kein Schaden dadurch entstanden, daß sie sich ein wenig zerstreut hatte. Aber ober wenn ihre Erheiterung nun Folgen haben würde! Dann konnte es nichts nützen, daß er von Hysterie schwatzte, denn darauf fielen selbst die Einfältigsten nicht herein. Man hatte ja allerdings gehört, daß Hysterie ein- gebildete Schwangerschaft hervorrufen konnte aber wirk- lich, datz ein lebendiges Kind auf die Welt kam. das ging nicht. Verflucht, datz die Zeit der Wunder vorbei warl Es wäre doch oft ganz günstig gewesen, wenn man sich auf so etwas außerhalb der Naturgesetze hätte stützen können. Mißmutig starrte er bei dieser neuen Möglichkeit vor sich hin und bemerkte den Handkarren, den Stine zog. erst in dem Augenblick, als sie in den Torweg einbiegen wollte. Aage schob von hinten. Aus dem Weg, Alter, der Zug kommt!" rief Aage munter. Stine hatte vor Hitze einen feuerroten Kopf, aber lachte wie gewöhnlich übers ganze Gesicht und legte sich ins Zeug, datz ihre Holzschuhe auf dem Pflaster ausglitten. Nach einer Welle kam Aage herein; er schnaufte und wischte sich die Stirn ab:

Du spannst Stine gar zu sehr vor, sie wäre mit der Fuhre nie allein nach Hause gekommen. Ich denke, Du solltest ihr einen Schluck von Deinem billigen Scheidewasser geben, das liebt sie ja." Meinst Du mein schwedisches Sodawasser? Das ist gar nicht so übertrieben billig, jede Flasche herzustellen kostet mich 4% Oere." Meinetwegen kann die Herstellung Dich fünf Oere und einen Hosenknopf kosten nur her damit! Wir haben übrigens den Kandidaten getroffen, er will verreisen." Ja. er war hier," erwiderte der Vater, während tt unterm Schenktisch hantierte. Na, was hat er Gutes gesagt? Du kannst mir glauben. Stine freute sich, als sie ihn sah, sie hat die ganze Zeit seitdem mit sich gefaselt. Krieg ich mm das Sodawasser für sie?" Widerwillig reichte ihm der Vater eine Flasche, und Aage eilte auf den Hof. Stine," sang er hinauf. Hochgeborne Jungfer Stme, Du schlugst so viele fi fi fiue Triller mit Deinem M... hm... Mund." Daun schnalzte er mit der Zunge, datz es auf dem Hof widerhallte, und ließ den Pfropfen knallen. Sörensen strahlte trotz seiner schlechten Laune. Er hatte die Melodie von seinem Vater gelernt und sie Aage gelehrt, als der noch ein kleiner Knirps war. Vater und Sohn durch drei Generationen waren beteiligt.P. Sörensen und Sohn," murmelte er unwillkürlich und machte sich wieder an die Arbeit an seinem Katalog. Nach einer Weile steckte Bauder den Kopf durch die Tue und fragte noch Aage. Die beiden hatten eine Fußwanderung nach den: Erikaknollen mit dem Seezeichen verabredet. Eigent- lich wollte Aage den Freund abholen, aber irgend etwas Un­bestimmbares veranlatzte Bauder, diesen bedeutenden Uniweg vorzuziehen. Als Sörensen ihn gewahrte, war er gerade dabei, auf- zustehen, aber er hielt inne und zeigte mit dem Bleistift zer- streut nach dem Hof hinaus. Dann begrub er seine rote Nasa wieder in dem Entwurf, in dem behaglichen Gefühl, korrekt gehandelt zu haben, just wie ein ernstlich beschäftigter Groß- kauftnann es tun würde. n«* mßi