Nr. 61.- 1915.

Unterhaltungsblatt des Vorwärts Sonnabend, 18. März.

Krieg und Erziehung.

Von Otto Rühle. *)

Schule muß die wichtigste, vielleicht die wichtigste Vorarbeit geleistet haben.

-

Anblick einer Chinesenstraße die Bauart und farbige Abgestimmt­heit des ganzen Bildes, die Nuancierung der Trachten, die Hellig­Da begegnen sich nun die Erfordernisse der modernen Krieg- feit und Intellektualität der Volksmenge nicht nur als ein hübscher führung mit den Bestrebungen der modernen Schul- und Er- exotischer Anblick imponiert, sondern als Produkt, als Ausdruck ziehungsreform. Seit Jahr und Tag kämpft eine von einsichtigen einer hohen, längst zu Instinkt und automatischer Tradition ge­Nach dem Kriege wird die Welt ein anderes Gesicht zeigen. Pädagogen geleitete, immer stärker werdende Bewegung mutig an wordenen Stultur zu denken gibt. Man lächelt über den chinesischen Nicht nur die Landkarte wird anders aussehen, auch die Verhältnisse gegen die einseitige Inanspruchnahme des Intellekts, die Ueber- Kuli, der sich gleich den Indiern, vermutlich aus guten hygienischen der Menschen untereinander ihre Wirtschaft, ihre politischen Belastung des Gedächtnisses, den Ballast von Worten und toten Be- Gründen, mit Kokosöl einreibt; man erzählt viel von der Spiel­ziehungen, ihre Kultur und Denkweise werden tiefgehenden Ver- griffen, den ganzen dürren und grauen pädagogischen Drill. Das sucht der Chinesen aller Stände und munkelt je und je geheimnis­änderungen unterworfen sein. Die gewaltigste Erschütterung der lebende Kind mit seiner Aktivität und Eigenart soll wieder Mittel- voll von einem Zuge tiefer, wilder Grausamkeit, der allen Chinesea Menschheit, die wir erleben, wird Altes stürzen und Neues er- punkt des Erziehungswerkes werden. Seine Innenwelt gilt es im Grunde eigen sei. In der Wirklichkeit bekommt man von dieser wecken; aus den Strudeln der Weltkatastrophe wird, wenn die frei zu machen, seine Fähigkeiten auszulösen, seine Kräfte zu ent- Grausamkeit nie etwas zu sehen, als seltene Polizeinachrichten Wogen verlaufen, das Neuland einer Entwickelungsphase empor- falten und zu positivem Schaffen zu führen. Kindergarten, Spiel, oder Berichte aus älterer Zeit, meist aus Kriegs- oder Revolutions­tauchen, der die nächste Zukunft gehört. Niemand fennt ihr Bild, Spaziergänge und Wanderungen, Unterricht im Freien, Werkstätten- geiten, und diese melden nichts Schlimmeres, als was uns auch aber jeder fühlt ihr Nahen und ahnt ihr Wesen. Auch in der und Gartenarbeit, Formen, produktives Selbstschaffen, Erlebungs- aus europäischen Kriegen, selbst den allerneuesten, vertraut und Erziehung meldet sich ihr Kommen an, und Erfahrungsunterricht, Selbsterziehung all das sollen die geläufig ist. Das Opiumrauchen, an sich und als Volksgefahr gewiß Mittel sein, die, in den Begriff Arbeitserziehung zusammengefaßt nicht schlimmer als die Trunksucht in Europa , scheint im Rüdgang ein neues Geschlecht heraufführen helfen sollen, ein neues Geschlecht, begriffen, wird von europäischen Opiumhändlern unterstüßt und das in persönlicher Freiheit und Selbständigkeit später auch in der von großen chinesischen Gesellschaften genau so bekämpft und über­Landesverteidigung die höchsten Leistungen zu entwickeln vermag. wacht wie bei uns die Trunksucht von den Abstinenzgesellschaften. In den Landerziehungsheimen haben wir bereits Vorbilder der Worin die Chinesen, als Volk, hinter uns zurück sind, das sind neuen Erziehung. In den mannigfachen Verbänden der Jugend- zumeist äußere Vervollkommnungen der Zivilisation, das sind Ma­pflege, wie sie in den letzten Jahren start in Schwang gekommen schinen und Kanonen und ähnliche Dinge, an denen man nicht sind, zeigen sich in freilich nicht gerade glücklicher Durchführung Kulturen abmißt. Auch in diesen Dingen waren sie uns vor Jahr­allerhand Versuche zu einer Verschwisterung moderner Fechtweise hunderten ziemlich voraus, sie haben auch solche Dinge wie Schieß­mit moderner Erziehung. So entschieden wir die vielfach ange pulver und Papiergeld früher gehabt als wir. Auf diesen Ge­strebte Militarisierung der Jugend ablehnen müssen, so selbstver- bieten sind sie von uns überholt worden und von uns abhängig ständlich ist die Erziehung der Jugend zur Wehrhaftigkeit in dem geworden, nicht aber in der Wurzel ihrer Kultur, die zurzeit zwar Sinne, daß der Körper gestählt, die Sinne geübt und geschärft, die gefährdet, aber kaum lebensgefährlich angetastet scheint. freie Entfaltung aller Kräfte und Fähigkeiten gewährleistet, die Diese Wurzel der chinesischen Stultur ist unseren aktuellen Selbständigkeit und Leistungsfähigkeit nach jeder Richtung hin ent- Kulturidealen so entgegengeseßt, daß wir uns freuen sollten, auf wickelt, das Persönlichkeitsgefühl gehoben werden. der anderen Hälfte der Erdkugel einen so festen und respektablen Gegenpol zu besitzen. Es wäre töricht, zu wünschen, die ganze Welt möchte mit der Zeit europäisch oder chinesisch kultiviert wer­den; wir sollten aber von diesem fremden Geist lernen und den fernsten Osten ebenso zu unseren Lehrern rechnen, wie wir es seit Jahrhunderten mit dem westasiatischen Orient getan haben. Und wenn wir im Konfuzius lesen, der fünfhundert Jahre vor Christus gelebt hat, so sollten wir ihn nicht als ein verschollenes Kuriosum untergegangener Zeiten betrachten, sondern daran Aber die Fäden zeigen seit langem schon das Bestreben, sich denken, daß nicht nur seine Lehre dies große Reich durch zwei zu lockern. Die Voraussetzungen und Untergründe haben sich im Jahrtausende erhalten und gestüßt hat, sondern daß heute noch Wandel der wirtschaftlichen Entwickelung mehr und mehr verschoben. Unsere Zeit hat, troß aller sozialen Arbeit, doch noch immer seine Nachkommen in China leben, seinen Namen tragen und von Nun will sich auch die Erscheinungsform verändern; das Erziehungs - stark individualistische Ideale, in der Kunst und Kunstbetrachtung ihm mit Stolz wissen- moneben der älteste und kultivierteste euro­werk drängt nach Neugestaltung. Da kann es leicht geschehen, daß vor allem. Reichlich zwei Jahrzehnte lang hat Europa , dem päische Adel kindlich jung erscheint. Lao- Tse soll uns nicht das Neue der Krieg die alten Fäden zerreißt, die veralteten Formen sprengt, genialen Jakob Burchardt folgend, für die italienische Renaissance Testament ersetzen, aber er soll uns zeigen, daß Aehnliches auch um aus den Trümmern den Phönig einer neuen Erziehung auf- und die prächtige Kraft ihrer Gewaltmenschen geschwärmt, und unter anderem Himmel und früher schon gewachsen ist, und das steigen zu lassen, deren die neue Zeit nach dem Kriege bedarf. Suropa, speziell Deutschland , hat den seltsamen Irrtum begangen, soll unseren Glauben an die Internationalität der Kulturfähigkeit Schon mehren sich die Anzeichen dieses Umschwunges, deutlicher sogar auf dem Gebiete des Handwerks und Kunstgewerbes einen stärken. Und wenn wir aus der Geschichte einige chinesische Grau­rüden Inhalt, Form und Ziel der neuen Erziehung in unser Ge- heftigen Persönlichkeitskultus zu treiben. samkeiten hervorholen, deren es gewiß erhebliche gegeben hat, so fichtsfeld. follen wir daneben auch jene Geschichten aus China stellen, die uns neben der Bibel und neben den Klassikern des Altertums als Vor­bilder und fördernde Lehrer dienen können.

Wie die Erziehung jeder Epoche das Abbild der maßgebenden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Notwendigkeiten ihrer Zeit dar­stellt, so ergibt sich auch die Eigenart der gegenwärtigen Erziehung in Form und Inhalt aus der ökonomischen Struktur und sozialen Organisation des kapitalistischen Zeitalters. Schon äußerlich ist diese Uebereinstimmung erfennbar. Dem Industrialismus mit seiner Massenproduktion, seinen Fabriken, seiner Technik, seiner Organisation und seinen mechanisierenden Tendenzen entspricht der moderne Bildungsgroßbetrieb, wie er sich zeigt, in den gewaltigen Schulfabriken, den Schülerheeren, dem Mechanismus der Lehr­arbeit, den Schul- und Lehr- und Stundenplänen. Hier wie dort wird Fabrikware in großen Mengen auf den Markt geworfen. Darin offenbart sich auch die innere Uebereinstimmung: viel an­gelerntes Wissen, gute Ordnung und Uebersicht im geistigen Besit, Respekt vor Autoritäten, Unterordnung und Pflichttreue, im übrigen alle Tugenden, die den braven Bürger und Arbeitsmann zieren. Alles blanke, wohlfeile Marktware, zweckmäßig und handlich im Gebrauch, aber eben doch Fabrikware, Massenartikel, Maschinen­arbeit ohne Individualität und Gediegenheit. Man braucht bei dem Bergleich nicht alles wörtlich zu nehmen, aber im großen ganzen hat die kapitalistische Zeit genau die den kapitalistischen Bedürf- die Hände. nissen entsprechende Schule und Menschenbildung. Innige Fäden find zwischen Ursache und Wirkung, Voraussetzung und Erschei­nungsform geknüpft.

Man wird einmal sagen dürfen, daß die neue Erziehung aus den Schüßengräben zu uns gekommen sei. Das wird nicht ganz richtig sein, aber etwas sehr Richtiges enthalten. Die alte Fechtweise der Infanterie in geschlossenen Kolonnen, die der Offizier völlig in der Hand hatte, ist seit 1870/71 mehr und mehr preisgegeben worden( ift triegsgeschichtlich nicht ganz au­treffend. Red. d. W."), da die moderne Geschüßfeuerung zu breitester Geländeausnußung, zum Kriechen, Liegen und Verstecken givingt. Heute bedecken dünne Schüßenlinien das Schlachtfeld, verborgen in Schüßengräben und losgelöst von den großen Ver­bänden. Der einzelne Schüße ist nicht mehr in der Gewalt und unter dem Einflusse des Offiziers, hört weder das Kommando, noch

Eine solche Erziehung muz tüchtige Kämpfer ergeben. Nicht bloß für das Schlachtfeld und die Schüßengräben, sondern auch für das Ringen der Völker um Freiheit, Wohlfahrt und Kultur. So reichen zum Werke am Menschen Krieg und Erziehung einander

Chinesen.

Von Hermann Hesse .

Als Rückschlag auf diese Romantik erleben wir jetzt eine Wen­dung des ästhetischen und menschlichen Interesses zu Künsten und Vor allem hat Ostasien , weit über die ja längst vorhandene Freude Völkern, deren Ideale durchaus überindividuelle waren oder sind. an hübschen japanischen Erzeugnissen hinaus, bei uns eine erneute, tiefe Teilnahme und ein eifriges Studium wachgerufen. Der überfest worden, und zwar in mehrere europäische Sprachen, dar chinesische Prophet Lao- Tie, der Schwerverständliche, ist wiederholt unter ganz neuerdings dreimal ins Deutsche. Eine sehr lesbare deutsche Ausgabe des Konfuzius ist erschienen, daneben haben seit Jahren die hübschen Japanbücher von Loſcadio Hearn gewirkt, und die ostasiatische alte Stunst ist in manchen wertvollen Monographien uns nähergebracht worden.

Ein chinesischer Kaiser der Tsin- Dynastie( um 230 v. Chr.) schlug eine Rebellion dadurch nieder, daß er das Haupt der Rebellen famt seiner und seiner Freunde Kinder töten ließ; seine eigene bannung und ließ bei der Strafe des Zerhadtwerdens verbieten, Mutter, die am Aufstande beteiligt war, schickte er in die Ver­ihn je wieder an seine Mutter zu mahnen. Das war nur gegen ben chinesischen Geist gehandelt, um so mehr als die Kaisermutter keine gefährliche Frau und nur verführt gewesen war. Sieben­undzwanzig Adelige meldeten sich nacheinander beim Kaiser, das furchtbare Verbot mißachtend, und ermahnten ihn, seiner Mutter kann er auf Winke reagieren; er ist ganz auf sich selbst gestellt. Auf werden zwar chinesische Kunstfertigkeit und Solidität hochgeschätzt, ließen sich, einer nach dem anderen und jeder vom Schicksal ſeiner Im Osten selber, unter den Europäern Indiens und Chinas , zu gedenken und sie zurückzurufen. Und alle siebenundzwanzig seine Umsicht, Geistesgegenwart, Entschließung kommt es in zahl­un losen Fällen ganz allein an, seine Selbständigkeit und persönliche und wenige Weiße tehren nach Europa heim, ohne als beste Gabe Borgänger wissend, von dem wütenden Kaiser umbringen. Sie Tüchtigkeit entscheidet. Selbst ist der Mann! ist oberster Grundsak aus dem Often chinesische Gewebe und Stickereien, japanische und wurden zerhackt und es schien nun Ruhe zu sein. Aber da nun geworden. chinesische Holzarbeiten und Keramifen mitzubringen. Die Kauf- der Adel schwieg, kam aus dem Nebenstaat ein Gelehrter her­Ein solcher Schüßenkampf setzt eine andere militärische Aus- leute draußen sprechen von den Japanern mit Abscheu, von den gewandert und ließ sich zum Kaiser führen, um ihn ebenfalls an bildung voraus, als sie bisher üblich war. Keinen Drill, feine Chinesen mit einer gewissen, ängstlich- neidischen Achtung; große feine Pflicht zu mahnen. Der Kaiser empfing ihn mit dem Schwert mechanische Abrichtung zu blinder Ausführung gegebener Befehle, Erwerbsgebiete find ganz in chinesischen Händen; auch in Handel in der Hand, ließ ihn vor einen Kessel mit siedendem Wasser führen fondern Entfaltung der eigenen Kräfte, Erziehung zur Selbständig- und Schiffahrt sind sie als Konkurrenten europäischer Unternehmer in den er geworfen werden sollte, und fragte, ob er das Schicksal feit, Hebung des Persönlichkeitswertes jedes einzelnen Mannes. Au gefürchtet, doch geachtet. Hingegen gilt in jenen Ländern, wo es kenne, das jene Adeligen getroffen hätte und das auch ihn er­die soldatischen Eigenschaften und Tugenden, die man früher vom keine europäischen Diener und Handarbeiter gibt, der Chinese warte. Der Gelehrte nickte nur und lächelte und begann den Offizier verlangte und die man systematisch entwidelte, weil sie trotz allem doch für einen Farbigen, für minderwertig und zurück- Staiser mit den Worten zu ermahnen:" Achtundzwanzig Sternbilder allein den Erfolg bedingen und den Sieg verbürgen, müssen jetzt im geblieben; man schäßt ihn wohl höher als etwa den Malaien gibt es, ich will ihre Zahl erfüllen." einzelnen Manne liegen. Dazu bedarf es aber einer Erziehung, die oder Tamilindier, aber so richtig für voll wird er doch nur von Und neben den Märtyrern westlicher Religionen und Kultur­viel früher einsetzt als die militärische Ausbildung. Schon die wenigen Schwärmern oder tieferen Kennern genommen. Man gemeinschaften stehen würdig die chinesischen Gelehrten unter dem fauft und schäßt seine Stickereien, man lobt die Graktheit und Kaiser Schi. Der Kaiser war von seinen Gelehrten wiederholt er­Sauberkeit seiner manuellen Leistungen, man läßt seine hohe mahnt worden, die überkommenen Regeln der Sitte und des Re­Intelligens gelten. Aber die Europäer sind felten, denen beim gierens nicht zu mißachten. Sein Kanzler Li- Sfi aber verteidigte

61]

*) In Nr. 2 der Volksgesundheit"( Kößschenbroda- Dresden).

Ueberfluß.

Von Martin Andersen Nerö.

Mage lachte: Ich hab mich voriges Jahr geschämt, und davon hab ich nichts gehabt. Sind's meine alten Sachen, die Dir im Kopfe liegen? Ich kann die Strümpfe recht gut

selber stopfen."

Du solltest lieber Stine unter den Arm nehmen und das Aufgebot bestellen."

" 1

Stine? Steht's so um sie? Und daran soll ich mit schuld sein? Danke schön, Mütterchen."

"

Aber bist Du's denn nicht?" Sie sprang auf, und ihr nein!" Er hieb mit den Knöcheln auf den Tisch, daß der " Nein, der Teufel soll mich dreimal, siebenmal holen, Aufsatz herunterfiel und in Stücke ging. Sörensen kam hastig herein.

Gesicht leuchtete erwartungsvoll.

"

Er ist es ja gar nicht!" rief die Mutter entzückt. Aber Sörensen legte sich auf alle viere und sammelte die Glasscherben auf. Der feine Auffat!" jammerte er. Er hat feine zehn Stronen gekostet- obendrein herabgesetzter Breis!" " Hörst Du denn nicht, Sörensen, er ist es gar nicht," wiederholte seine Frau.

Na, das ist ja großartig, dann sind wir über den Berg weg und können Stine ruhig aus dem Hause jagen." Seine Frau zuckte zusammen, aber sie bezwang sich und setzte ihre demütige Miene auf: Das willst Du doch nicht tun?" Willst- ich bin ja genötigt dazu. Denk daran, was die Leute glauben würden, wenn wir sie behielten. Wir sind doch rechtschaffene Menschen, die eine gewisse Verantwortung bor sich selber haben."

liebe. werden?

Und Du glaubst, daß die Leute es richtig auffassen Aber dann ist's abgemacht, Frauchen."

--

25.

In der kleinen Wäscherei hatte man wie gewöhnlich viel zu tun. Aber eine Umwälzung der Gemüter war erfolgt. Else hatte ihr Gleichgewicht nicht mehr, entweder war sie stürmisch glücklich oder niedergeschlagen und bedrückt, und selbst Dortea Hansen konnte nicht immer ihre seelische Ruhe alten Seiten war es vorbei, jetzt verlangte die Freude eine bewahren. Mit der selbstverständlichen Heiterkeit der guten Ursache, und so ward auch Platz für Sorgen geschaffen.

Karl und seine Angelegenheiten beherrschten sie völlig. Derjenige, dem ihre mütterliche Fürsorge galt, war zum Mittelpunkt ihres ganzen Daseins geworden. So war es bei Pulsschlag ihrer Adern. Elfe und durch sie bei der Mutter. Er beſtimmte ihr Reden und Denken, ihre ganze Gemütsstimmung. Er bestimmte den

Die Liebe ließ ihn das Leben festlich anschauen, wenn er seine guten Tage hatte. Bu anderen Zeiten aber drückte sie ihn tief hinab. Er war nicht mehr verdrießlich und bissig, das bligartig auflodernde Glücksgefühl hatte etwas in ihm ge­mildert und die Furcht, es zu verscherzen, verlieh ihm Straft, das übrige zu unterdrücken. Aber er erlag oft der Müdigkeit und ging umher als Beute eines stummen Schauders, der sich auch der anderen bemächtigte und selbst ihr Atmen bestimmte.

"

-

In den letzten vierzehn Tagen hatte er alles in hellem, verheißungsvollem Lichte gesehen. Während des größten Teiles des Tages war er um die Frauen herum, sprach scherzend, doch mit einem Unterton von Ernst, davon, was für ein Kraftbursche er schon geworden wäre, aber nament­lich werden würde, wenn der Frühling käme. Jeden zweiten Tag ging er in die Stadt und ließ sich wiegen.

-

"

Eines Tages fam er in strahlender Laune nach Hause und erzählte, er habe wieder ein Pfund zugenommen. Wenn der Stadt," sagte er spaßend. das so weitergeht, bin ich in einem Jahr der schwerste Mann

1

,, Dann müssen Sie aber tüchtig dabei bleiben," erwiderte feine Wirtin in demselben Ton. - das macht doch wohl Was? ein Pfund in zwei Tagen hundertachtzig im Jahr; und da ich schon hundertzwanzig wiege, fo

so­Hundertzwanzig! Ach, Herrgott, es wird lange dauern, bis Sie bloß mich erreichen."

Sie schwimmen ja in Fett," sagte er erschrocken. Ja, Sie! Aber das ist auch gar nicht mein Bestreben­

Else lachte laut, ihr frisches Lachen, und ließ die Augen erwartungsvoll von einem zum andern schweifen.

Wissen Sie was," meinte Dortea Hansen ein wenig getränkt, ich bin wirklich so gerade recht, kein bißchen fetter, als man sein muß, um ordentlich auszusehen. Das haben doch auch die Männer gesagt."

" Ja, neulich hat einer vom Süden um Mutters Hand angehalten, weil sie so gut gebaut wäre. Mitten auf der Straße," erzählte Else lachend.

-

-

Wenn Mutter und Tochter am Morgen bei ihrer Arbeit standen, während in den Bäumen des Gartens Wind und Regen rauschten und draußen und drinnen kalt und unheim­" Ja, und es war ein Ochsenhändler, die verstehen doch lich das Dunkel lag, dann sprachen sie von ihm wie er ge- was von der Figur," sagte die Mutter mit stolzer Micne. schlafen habe, was ihm wohl fehlen möge, und wie ihm an" Sollen wir sagen, Sie wiegen nur zweihundert Pfund, diesem Tage zumute sein werde. Sie lauschten seinen Eritten um Sie nicht zu beleidigen? In einem halben Jahr habe auf der Treppe, wenn er herunterfam, um daraus auf seinen ich Sie also vollständig überflügelt ganz zu schweigen da­Bustand zu schließen. Und wenn er ins Bimmer trat und von, daß die Frauen nicht mehr Muskeln haben als ein zartes lächelnd Guten Morgen" sagte, dann atmeten sie befreit auf Kind. Weder Sie noch Else haben ja Kräfte, obwohl Sie und freuten sich, und das Haus hallte wider von Gelächter anscheinend ver Gesundheit stroken. Rauter Augentäuschung und Heiterfeit. Murmelte er aber sein Guten Morgen " her­wie alles bei den Frauen." Aber das geht nicht an, zum Henker." bor und setzte er sich, ohne sie anzusehen, an den Tisch, dann " Lu's, dann bist Du groß. Ich bin überzeugt, alle Reutte wußten sie, daß es ihm nicht gut ging, und behandelten ihn werden das sagen und zu Dir aufblicken deswegen." behutsam. Und sie sprachen nur gerade das Notwendige, in ,, Meinst Du, liebe Laura? Du meinst nicht, daß sie flüsterndem Ton, doch im Lauf des Tages bewirkten sie meist, läftern werden? Ja, es mag sein, daß Du recht hast, vielleicht daß er auftaute. Manchmal fam er überhaupt nicht herein, wäre es das einzig Richtige. Und nobel würde es ja sein sondern machte sofort seinen Morgenspaziergang, und dann der Ueberzeugung, er kann mehr heben als Du oder ich." so recht nach dem Muster des Kandidaten in der Nächsten- ließ Else den Kopf hängen.

Frau Sörensen senkte den Kopf und saß so ein Weilchen da, dann blickte sie auf und sah ihn eindringlich an: Ach, Sörensen, laß sie in unserem Hause bleiben und hier ihr Kind zur Welt bringen. Tu das, was!"

-

-

-

-

"

,, Natürlich, neben so einem Bären, wie Sie es sind, da..." Die Wirtin beendete ihren Sab nicht. Sie be­sprengte etwas Wäsche und bespritzte dabei aus Unachtsam feit sein Gesicht.

Ja, Karl ist wirklich stark," versicherte Else mit der Kre

( Forts . folg.