Nr. 63.- 1915.

Unterhaltungsblatt des Vorwärts

Explosionssicherheit moderner Spreng­

mittel.

1 Kilogramm Schwarzpulver

entwickelt 290 Liter Gas

1

1

Nitrozelluloſepulver Trinitrotoluol  

"

650 970

"

"

"

Knallfilber Pikrinsäure

Trinitrotoluol   aber erst

bei einer Fallhöhe von 1 Zentimeter

" 1

"

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25 108

zur Explosion gebracht wird. Trotz der bedeutenden Zunahme der Sprengkraft hat sich also die Explosionsgefahr bei den neueren Sprengstoffen ganz beträchtlich vermindert.

Unser Bedarf an Stickstoff.

Dienstag, 16. März.

wird freilich um so mehr steigen, je intensiver infolge des Aus­hungerungsplanes unserer Feinde jedes Stückchen geeigneten Bodens in Deutschland   bebaut wird. Von Natur aus würde der

Man ficht hieraus also, daß die Wirksamkeit der modernen Erdboden allerdings künstlicher Düngung mit Stidstoff nicht be­chemischen Bulber ungefähr dreimal so groß ist wie die des Schwarz- dürfen. Der Stickstoff, den die Pflanzen dem Boden entziehen, wird pulvers. Für die Kriegführung haben sie außerdem den großen auf den Wege des Stoffwechsels bei den Tieren der Erde wieder Vorteil, daß fie fast gar keinen Rauch entwickeln und ohne nennens- zugeführt. In Ländern mit geringerer Bevölkerungsdichte und werte Rückstände verbrennen. Und was schließlich ihre Empfind- extenfiver Landwirtschaft ist denn auch eine künstliche Düngung lichkeit gegen Stoß und Schlag anbetrifft, so hat man experimentell nicht erforderlich; anders liegen die Dinge in einem Lande, das, festgestellt, daß durch ein Gewicht von 2 Kilogramm wie Deutschland  , außerordentlich dicht bevölkert ist, und in dem längst die intensivste Bodenbewirtschaftung Blaz gegriffen hat. Deutschland   baut riesige Mengen Getreide und züchtet gewaltige Massen von Vich. Getreide aber und Fleisch enthalten in ihren Eiweißbestandteilen riesige Mengen von Stickstoff, die natürlich dem Boden entzogen werden. Das Vich verbraucht die Stickstoff­mengen indirekt durch sein Nahrungsbedürfnis; die Brotfrucht ent­zicht sie dem Boden direkt. Damit werden aber die Stickstoff­mengen verschleppt und der Boden bedarf des Ersatzes, um dauernd stickstoffhaltige Brotfrucht und Futterstoffe hervorbringen zu fönnen. Der Jahresverbrauch an stickstoffhaltigen Düngemitteln beträgt zurzeit im Deutschen   Reiche nicht weniger als eine Menge im Werte von rund 180 Millionen Mark; man ersieht schon aus Nicht weniger als vier Fünftel des Gasgemenges, aus dem dieser Ziffer, wie bedeutsam das Problem ist, dessen Lösung der unsere atmosphärische Luft besteht, find reiner Stidstoff. Das ist deutschen Wissenschaft und der deutschen chemischen Industrie ge­seit langer Zeit bekannt; denn schon Lavoisier gelang dieser Nach- lungen ist. Es hängt von dieser Lösung nichts Geringeres als weis, nachdem Rutherford im Jahre 1772 den Stickstoff entdeckt unsere Lebenseristenz ab; ist doch der Stickstoff in Form von Ei­hatte. Bis dahin hatte man die Luft für ein einheitliches Gas ge- weiß der wichtigste Baustein im tierischen und menschlichen Orga halten. Nichts könnte, so sollte man meinen, mun wohl näher nismus. Ohne ausreichende Eiweißnahrung, in welcher Form es tegen, als den Bedarf der Welt an Stickstoff, sei es zu landwirt- auch sei, muß der Organismus dahinstechen, zerfallen, muß das schaftlichen, sei es zu technischen Zweden, ganz einfach der um- Individuum wie die Rasse elend entarten und verkommen. Dieser gebenden Luft zu entziehen. Der Vorrat ist ja unerschöpflich; Gefahr find wir jetzt enthoben, mag der Krieg auch noch so lange außerdem kostet die Luft nichts. Weshalb bezieht da die Welt die dauern. Wir entziehen den Stickstoff, den die Landwirtschaft der Tonnen betragen und die etwa eine Milliarde wert sind, aus Chile   Brotfrucht ernten, dem unerschöpflichen Vorrat der Luft, und wir und anderen erotischen Ländern? dürfen wohl mit Stolz sagen, daß es der deutschen Industrie ge­lungen ist, aus der Luft, gemissermaßen aus dem Nichts, unschätz­bare Werte zu gewinnen, die unserem Nationalvermögen zugute fommen, während wir früher alljährlich ungezählte Millionen als Tribut haben aus Ausland entrichten müssen, aus dem wir den Bedarf an stidstoffhaltigen Düngemitteln bezichen mußten.

Wie in der Landwirtschaft der Stickstoff aufbauend wirkt, so wirft er in Kriege zerstörend. Bedürfen doch alle Spreng­stoffe des Stidstoffes in seinen verschiedenartigen Verbindungen. Deshalb ist es auch in dieser Hinsicht hoch bedeutsam, daß wir heute vom Auslande völlig unabhängig sind, und daß unsere militärische Kraftentfaltung durch einen etwaigen Mangel an Stickstoffverbin­bungen für die Sprengstoffabrikation niemals beeinträchtigt werden tann.

Kurz nacheinander ist in den Ichten Wochen durch den Draht gemeldet worden, daß in Schweden   ein militärisches Laboratorium, bei dem große Mengen Geſchüßmunition lagerten, in die Luft ge­flogen sei, und daß ein ähnliches Unglüd eine Sprengstoffabrik in Frankreich   betroffen habe. In diesem Falle wurde mitgeteilt, daß die Explosion durch Versuche mit einer neuen Pulvermischung her= borgerufen worden sei, im ersten Falle ist die unmittelbare Ursache nicht angegeben worden. Man geht aber wohl nicht fehl, wenn man annimmt, daß das Unglüd in Schweden   ebenso wie das in Frankreich   nicht durch die regelmäßige Fabrikation, sondern durch Experimente entstanden ist. Denn so beklagensiert auch diese immer wieder vorkommenden und wohl niemals ganz zu vermeiden­den Explosionen sind, so hat im ganzen doch die Unfallgefahr bei der Erzeugung und Verwendung von Sprengstoffen in den letzten Jahren eine außerordentliche Verminderung erfahren. Es klingt parador, ist aber doch unbestreitbar richtig: in demselben Maße, in dem durch die erfinderische Tätigkeit der Chemiker die Spreng wirkung der modernen Pulver gesteigert wurde, ist auch ihre Hand­habungssicherheit gewachsen. Nachdem das angeblich von einem Franziskanermönch namens Berthold Schwarz   erfundene, in Wahrheit aber aus dem Orient zu uns gekommene Schwarzpulber, das eine mechanische Mi­schung von Kalisalpeter, Kohle und Schwefel darstellt, über 500 Jahre die Schießtechnik beherrscht hatte, ist es seit der Mitte des horigen Jahrhundert überall durch die rauchschwachen chemischen Sprengstoffe verdrängt worden, die jcht bei allen modernen Schuß waffen, von den leichten Handfeuerwaffen bis zu den größten Haubizen und Mörsern, verwendet werden. Am bekanntesten ist die im Jahre 1845 von Schönbein   in Basel   erfundene Nitrozellulose Die Sache mit dem freien, ungebundenen Stickstoff der Atmo­oder Schießbaumwolle, d. i. mit einem Gemisch von Sal- sphäre hat ihren Hafen. Jeder Late wird einsehen, daß man den petersäure und Schwefelsäure getränkte Baumwolle, die auch heute Ackerboden nicht mit einem flüchtigen Gase düngen kann. Das Gas noch die Grundſubſtanz der meisten Schießpulver bildet. Im An- würde sich ganz einfach wieder mit der duft verbinden und der fang hat sich ihre Verwendung allerdings gar nicht bewährt, da Boden würde nichts abbekommen, selbst für den Fall, daß dieser sie sich zu leicht zersetzte und auch zu rasch und mit zu großer freie Stickstoff überhaupt Wert als Düngemittel hätte, was nicht Gewalt( für das damalige Waffenmaterial) erplodierte. Die Zahl denkbar ist. Die Landwirtschaft kann eben mit dem freien Stid­der von ihr hervorgerufenen Unglüdsfälle ijt ganz enorm. In stoff nicht das Geringste anfangen; sie braucht ihn vielmehr in den ersten Jahren flogen fast sämtliche Schießbaumwollfabriken in gebundener Form, in Gestalt von Mineralien, die Stidstoff die Luft, so daß nach Verlauf eines Jahrzehnts ihre Herstellung enthalten. Das sind in erster Linie Salpeter und schwefel in sehr vielen Ländern vollständig verboten war. Erst durch spätere faures Ammoniat. Salpeter oder Kaliumnitrat ist ein Ver­Verbesserungen ist es gelungen, ihre Verwendung ini ausgedehnten wesungsprodukt pflanzlicher und tierischer Stoffe bei Gegenwart Maße zu ermöglichen. von Luft; die südamerikanische Republik Chile   befißt in ihren ge­Andere Versuche führten ungefähr um dieselbe Zeit zu der waltigen Salpeterlagern einen Schah, der ihr Milliarden ein­Entdeckung des Nitroglyzerins, das in der Form des 1888 gebracht hat, freilich nicht unerschöpflich ist. Nimmt man an, daß von Alfred Nobel entwvidelten Pulvers Ballistik" zuerst in der sich der gegenwärtige Weltbedarf an Salpeter auch in der Zukunft italienischen Armee eingeführt wurde. Ihm folgte das englische wie bisher jährlich um 5 Prozent erhöht, so werden die Lager von ,, Cordit", das ein ganz ähnliches Erzeugnis darstellt. Heute werden Chilesalpeter in etwa einem halben Jahrhundert erschöpft sein. Es Fast frets, wenn es in der Kriegsgeschichte zu einem Zweifampf in den einzelnen Staaten die verschiedensten Mischungen verwendet, ist nun allerdings möglich, daß früher oder später in bisher wenig der Schiffsgeschüße und Küstengeschüße gefounnen ist, wie jetzt bei deren genaue Zusammensetzung jedoch meist geheimgehalten wird. oder gar nicht erschlossenen Landern neue große Salpeterlager ge- der Beschiehung der Dardanellen durch die Flotte der Engländer Man weiß nur, daß in Frankreich  , Rußland   und den Vereinigten finden werden; aber es wäre leichtsinnig, jich im Hinblick auf die und Franzosen, haben die Küstengeschüße den Sieg davongetragen. Staaten von Nordamerita voravicgend Nitrozelluloſepulver ver- Wichtigkeit, die der Salpeter für die Stulturwelt hat, auf einen Wan   dente nur an das klassische Beispiel aus der Zeit Napoleons  , wendet werden, während Deutschland  , Oesterreich- Ungarn  , Italien  , folchen Zufall zu verlassen, und deshalb hat die Wissenschaft seit als es dem damaligen Major der Artillerie Bonaparte gelungen England und Japan   das Nitroglyzerinpulver, allerdings meist ge- langem auf Mittel und Wege gesonnen, den atmosphärischen Stid- war, fich der Hauptbatterie zu bemächtigen, die der Feind auf der mischt mit Nitrozelluloſepulver, bevorzugen. stoff in großem Umfange und rentablem Betriebe zu gewinnen, Halbinsel vor der Reede von Toulon   aufgestellt hatte. Durch diese Als Granatenfüllung fand in den letzten beiden Jahrzehnten um ihn in die erforderliche gebundene Form überzuführen. Es einzige Batterie wurde die englische Flotte gezwungen, den fran fast ausschließlich geschmolzene Bitrinsäure Verwendung, auch gibt auch bereits brei brauchbare Verfahren, und gerade in Deutsch  - 8öftschen Hafen zu verlassen, obgleich sie über die fünfzigfache Anzahl Melinit", hddit" oder" Strafit" genannt. Seit einigen Jahren land ist es jüngst, wie man soeben durch das geplante neue Kriegs- Kanonen verfügte wie die Verteidiger der Küste. Die prinzipielle aber wird sie mehr und mehr durch das Trinitrotolu ol ber- notgesek über ein Reichshandelsmonopol für Stickstoff auch in der Ueberlegenheit der Küstengeſchüße gegenüber den Schiffsgeschüßen drängt, das als das wirksamite Sprengnittel der Gegenwart anzu- breiten Deffentlichkeit erfahren hat, gelungen, das Problem so zu beruht auf den grundlegenden Unterschieden in der Anwendung der sehen ist. Seine furchtbare Exploſivkraft ist es, die in den meter- lösen, daß wir trop der Sperrung der überseeischen Zufuhr in bezug Artillerie. Beim Richten und schießen der Schiffsgeschütze hat Tangen Granaten unserer schweren Belagerungsgeschüße die stärksten auf unseren Bedarf an Stickstoff nicht mehr in Verlegenheit tom- man immer mit dem Schwanken des Bodens zu rechnen, auf dem Befestigungen in Trümmerhaufen vezivaudelt, die als Torpedo- men können. Der Krieg, der so vieles zerstört, hat sich hier also fie ruhen. Der Laie kann sich kaum vorstellen, wieviel Geschicklich füllung ganze Panzerfreuzer in die Luft sprengt und als Minen- wieder einmal auch als Schöpfer neuer und bedeutsamer Werte er feit, Geistesgegenwart, sichere Berechnung und vor allem Erfahrung schred Tag und Nacht die englische Küste umlauert. Und doch wiesen. Es handelt sich bei dieser Stickstoffgewinnung aus der Luft nötig ist, um mit einem Schiffsgeschüß einen Volltreffer zu erzielen. zeichnet es sich durch eine Gefahrlosigkeit bei der Verwendung aus, um das Verfahren von Haber, dem Direktor des Kaiser- Wilhelm- Der Artillerist am Bande ist dagegen in dieser Beziehung gut daran; Die selbst die ziemlich handhabungssichere Pikrinsäure noch weit Instituts für physikalische Chemie und Elektrochemie in Berlin  - benn auf die Festigkeit des Erdbodens kann er sich verlassen. Ein übertrifft! Ebenso wie diese brennt Trinitrotoluol  , an der Luft Dahlem  . Prof. Habers Untersuchungen hatten schon früher das weiter Uebelstand für die Schiffsgeschüße besteht darin, daß sie erhigt, ganz ruhig ab, ohne zu detonieren, und auch durch den Ziel verfolgt, Ammoniat in großem Stil aus der Luft zu ge- nur zu dem Zweck konstruiert wurden, um mit ihresgleichen den elektrischen Funten fann es nur unter besonderen Bedingungen winnen, und dieser Ammoniakstickstoff fann nunmehr in außer Stampf aufzunehmen. Man hat givar besonders in Frankreich  zur Explosion gebracht werden. ordentlich bedeutenden Mengen hergestellt werden. Damit kann die in den letzten zehn Jahren in Schiffskreisen immer wieder gefor­deutsche Landwirtschaft die Zufuhr von Chilesalpeter entbehren, und dert, die Schlachtschiffe mit größeren Haubißen und Mörsern zu die Wolfsernährung erscheint auch bei länger dauernder Ab- bewaffnen, um Süstenbefestigungen leichter überwältigen zu können. schließung ausländischer Zufuhren infolge des Krieges nicht Aber in dem seit einem Menschenalter in Europa   herrschenden gefährdet. Rüstungsfieber, in dem Wettlauf nach dem größten Heer und der Unser Bedarf an Stickstoff zu landwirtschaftlichen Sweden stärksten Flotte vermodyte das Budget jeber Marine faum Geld Schlüsselbein wieder auf. Die ganze Nacht lag er, auf jede doch eine nüßliche Operation, das Kranke aus ihrem Dasein Bewegung und Empfindung in feinem Körper Tauschend und wegzuschneiden. Darum wollte er abreisen, sich in einem spähend, und am nächsten Tage ging er zum Arzt und er- entlegenen Landesteil in irgendein Krankenhaus begeben und flärte ihm umständlich alle Krankheitsanzeichen. dort sterben.

Die Sprengstofftechniker haben sowohl für die Wirksamkeit wie für die Explosionssicherheit der verschiedenen Bulver genaue Formeln aufgestellt. Dabei wird die Sprengwirfung nach der Gasmenge bestimmt, die der untersuchte Stoff bei seiner Explosion crzeugt. So hat man folgendes gefunden:

63]

Ueberfluß.

Von Martin Andersen Nerö.

Er lachte. Diese Sprünge in ihrem Gedankengang waren so föstlich.

,, Gewiß, ein iv enig," entgegnete er. " Ach, Du darfst nicht lachen, Karl! Wenn sie nun stirbt?" Ihre Stimme zitterte.

Darüber habe ich nicht gelacht," erwiderte er und wurde crnit. ,, Aber las fic, fie bedeutet nichts für mich, und Ge­fühle fann man nicht ändern. Deine Mutter soll auch meine Mutter sein, denn ihr bin ich gut."

Es ist auch niemand wie sie.-- Und dann werden wir Geschwister."

" Ja, aber nur, bis der Frühling kommt," sagte er und legte den Arm um fie. Sie lehnte sich an ihn und schaute ihm tief in die Augen. Ein Schauder des Entzückens durchlief sie.

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Sein Lebensgefühl stieg bis zum Uebermut; es verlangte ihn, ein wenig, wenn auch in aller Bescheidenheit, Kräfte und Gesundheit zu verschwenden; und als sie eines Tages draußen waren, lag er auf der gefrornen Erde auf dem Rücken und plauderte, während Else neben ihm foß und seinen Kopf auf ihrem Schoze hielt.

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Glaubst Du, daß es gehn wird?" fragte sie bekümmert. " Gehn? Du ahnst nicht, wie stark ich bin." " Wie schön ist es, so Deinen Kopf zu halten wie ein fleines Kind. Jezt bist Du ja ein gesunder Junge fast so gesund, wie Du zum Frühjahr sein sollst." Sie schaute zu dem tiefblauen Walde hin und wiegte seinen Kopf auf ihrem Schoße.

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"

Der Arzt erkannte auf eine leichtere Pleuritis und meinte, sie werde sich im Laufe von einer oder zwei Wochen wieder geben. Der Patient solle aufbleiben und wie bisher ins Freie gehen, aber die Abendluft vermeiden und seine Temperatur im Auge behalten.

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Als Else ihm am Morgen seinen Tee bringen wollte, war die Tür verschlossen, und auf ihr Bitten zu öffnen gab er keine Antwort. Am Vormittag hörten fie ihn die Treppe hinabkommen und auf dem Korridor kramen, und kurz dar­auf ging er draußen den Weg entlang, gebeugt und mit schweren Schritten.

O Mutter, Mutter," rief Else schluchzend. Na, na, das geht schon wieder vorüber. Er ist ja nicht zum erstenmal so."

Aber so arg war es noch nie ―er will mich ja gar nicht kennen."

" Der dumme Mann sollte sich schämen! Solange er Dir gefallen kann, braucht er sich wohl keine Skrupel zu machen. Aber die Krankheit ist's, davon ist er so verstört; Du sollst sehen, es wird schon wieder gut mit ihm werden. Vielleicht haben wir uns auch zu sehr um ihn gehabt."

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Karl war erbittert darüber, daß der Arzt die Sache nicht ernster nahm, und beschloß, nicht mehr zu ihm zu gehen. Bei all seiner Kränklichkeit litt er zum erstenmal an einer be­stimmt lokalisierten Krankheit, und diese nahm seine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch. Die Empfindungen kamen und gingen, sie wechselten beständig den Ort, bewegten sich vom Rungensack zur Zungenspite oder von der einen Lunge zur andern; bald spürte er einen Stich, der schneidend weh tat, wenn er atmete, bald bloß ein Zerspringen einer ganzen Reihe von kleinen Bläschen, während er Zuft einatmete. Er merkte, daß die Stimmung viel zu sagen hatte. Es gab Zeiten, wo ihm gar nichts fehlte, aber dann genügte ein Es kommt bloß daher, weil er soviel an mich denkt." wenig Niedergeschlagenheit bei dem Gedanken, daß es gewiß" Ja, das ist eine schöne Art, an die zu denken, die man wiederkommen werde, das Ganze hervorzurufen. Und dann lieb hat, wenn man sich aufführt, als ob man sie nicht kam die Angst, bewirfte eine Stauung im Blutumlauf und leiden mag. Na ja, jedem sein Pläfier." Die Mutter sagte verschlimmerte den Zustand noch mehr. Und es stellte sich das geschwind und lärmend, sie konnte diese Kopfhängerei, mit etipas Neues ein, ein hartnäckiges, berzweifeltes Dagegen der es jeden Tag schlimmer wurde, nicht leiden. anfämpfen, hier und da abgelöst durch entsprechende Selbst- Eine Zeitlang arbeiteten fie schweigend; aber dann hörte aufgabe, die äußerst qualvoll war. Er konnte sich nicht mehr Else plötzlich mit einem verzweifelten Ruck auf: Nein, ich in seinen Zustand der Schlaffheit versenken und fühlte, daß halt es nicht aus, Mutter! Du weißt nicht, wie entsetzlich es im Ernstfall der Todeskampf wieder aufflammen und ist." Schluchzend legte sie sich über den Tisch. schlimmer als je werden würde, jezt, wo er am Leben Ge- Aber so nimmt doch Deine Sachen und geh ihm cnt­schmack gefunden hatte. gegen," sagte die Mutter mit raschem Entschluß. Gewöhnlich hilft das ja bei ihm, wenn er sicht, wie Du ihm nachläufft. Bieber das als hier für nichts und wieder nichts heulen." Else gehorchte zögernd. Aber die Wutter sah recht gut, wie sie sich beeilte, als sie erst zum Pförtchen hinaus war.

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Sein ganzer scheuer Drang nach Einsamkeit tauchte wie Ja, bald eines Tages! Aber Du sollst es nicht der in ihm auf, er wich Else aus und verkroch sich wie ein wissen, bis es so weit ist." Er sah sie reich an. franker Hund. Und die beiden Frauen begannen wieder, Sie legte ihre Hand über seine Augen:" Du darfst mich gequält auf seine Tritte zu laufschen, geflüsterte, bedrückte nicht so ansehn, Du darfst nicht. Du begreifst nicht, wie Gespräche zu führen, wie es ihm wohl heute gehen möge. Mit ziemlich hartem Rud begann Dortea Hansen wieder streng Dein Blid dann ist." Sie wiegte ihn heftig, mit einem Bloß der Umstand, daß er sie in feiner Nähe duldete, wurde mit der Arbeit. Es wir ihr schon recht, auch Elſes Arbeit ver­Bug schmerzlichen Glückes auf ihrem jungen Angesicht. Steh wieder ein Lichtpunkt in ihrem Dasein. richten zu sollen; mit Elses Fleiß war es sowieso nicht weit jezt auf," bat sie. Die Erde ist so falt, Du könntest frant Eines Abends, als er früh zu Bett gegangen war, und her in der letzten Zeit, da sie ihre Gedanken nicht recht bei­davon werden." sie sich beeilt hatten, mit der Arbeit fertig zu werden, um sammen hatte und Karl sie außerdem mit Beschlag belegie Und sie wanderten heimwärts, übermütig und lachend. ihm Gesellschaft zu leisten, jagte er sie aus feinem Zimmer für Spaziergänge und dergleichen. Es war sicher richtig so, Aber in der Nacht wurde Karl durch ein heftiges Stechen und bat sie, sich um sich selber zu kümmern. Hart erzählte und dem Mädchen tat es gewiß not, fich ein wenig zu ami­in der einen Seite geweckt. Er mußte mehrere Stunden lang er ihnen, daß er ihr weinerliches Mitleid nicht aushalten fieren, während sie jung war. Aber dies hier schien ja in schief im Bett liegen, dann verschwand der Schmerz plöglich könne und am nächsten Tage abreisen wolle. Er hörte Else bloße Kläglichkeit auszulaufen, und das war schade fir c. und tauchte kurz darauf in der einen Schulter unterni den größten Teil der Nacht weinen, blieb aber feſt: war cs Frau Hansen begriff ihn nicht; denn nun hatte sie ihn