Nr. 72.- 1915.

Unterhaltungsblatt des Vorwärts

Krottingen.

Sine Grinnerung von Kurt Gisner.

e deutschen   Truppen haben Strottingen befeht! Der Name Deckt mir nicht verblichene Erinnerungen. Es war nach dem Königsberger Hochverratsprozeß, in den lehten Julitagen des Jahres 1904. Ich wage es, den im Vorwärts­verlag erschienenen Bericht über jenen Prozez gerade heute dem allgemeinen Studium zu empfehlen, obwohl ich der Herausgeber bin. Nach der aufreibenden Arbeit und Erregung der Prozeß wochen wollte ich ein paar Tage verschnaufen, zugleich das Grenzgebiet, das durch den Schriftenschmuggel und durch allerlei feltsam geartete Zeugen mein Interesse erweckt hatte, aus eigener Anschauung kennen lernen und schließlich wenigstens ein paar Züge russischer Luft einatmen. Wir einer der Prozeßanwälte, der seitdem ein tragisches Ende gefunden hat-wählten den Weg zu Wasser. Es ging über das stille unendliche furische Haff, vorbei an der schmalen, lang gestreckten preußischen Wüste", diese weite verlorene Einsamkeit der Ostseedünen, deren gefährliches Wandern man durch chenso müheselige wie wenig erfolgreiche Anpflanzungen junger Kiefern­triebe aufzuhalten versucht. Mitten in der gelben Dede eine Oase: Schwarzort, das Bernsteindorf, grün schimmernd zwischen Weer und Haff  . Gegen Sonnenuntergang schwammen wir in die See hinaus, und dann umfing uns die holdejte Mondscheinmacht bei der blonden Eva. Ach, es war keine Liebesgeschichte, sondern ein so getaufter Hügel, auf dem wir wohl bis Mitternacht   weilten und über die lind wogende Fläche des leuchtenden Meeres irgendwohin in die Ferne träumten.

Am nächsten Vormittag waren wir in Memel  . Ich habe noch heute den Eindruck einer halb versunkenen Stadt. Nur auf dem Fischmarkt, wo die litauischen Bauern Bilder fremden Volfslebens boten, ging es lebendig her. Sonst schien die Stadt wie ausge= storben. Seit Jahr und Tag war cine Straßenbahn zum Bahn­Hof fertig. Aber die Leitungsdrähte fanden noch immer keine Verwendung. Leere Kneipen mit englischen Inschriften, eine englische Kirche mit zerbrochenen Scheiben erinnerten noch an die Glanzzeiten, da Memel   für die englischen Segelschiffe ein Rast­hafen war und in den Straßen sich englisches Schiffsvolt tummelte. Das war längst vorüber. Die englischen Dampfschiffe verkehrten direkt mit den russischen Häfen, und die paar fremden Schiffe, die traurig in dem foten Safen lagen, blieben auch nicht lange: der Dampffrahn schafft schnelles Entladen. Nur der russisch- deutsche Holzhandel blühte noch Damals!

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Der nördlichste Ort des Deutschen Reiches Nimmersatt liegt freundlich und fruchtbar in blinkender Sauberkeit an der Gee gebettet. Hier herrschte ein reger Grenzverkehr, nicht nur von Schmugglern, sondern auch von russischen Uniformen, wie sie die russischen Gymnasiasten und die russischen Offiziere tragen. Ein flinkes Wäglein sollte uns über die Grenze bringen. Beim lehten Haus des deutschen   Nordostens machten wir halt: Es war die einsame Schenke des waderen Hirsch Feinstein, der zu den Zeugen des Prozesses gehörte. In der Wirtsstube war ein un­ruhiges Gewühl verdächtiger Gestalten; nicht recht geheuer, aber Hirsch Feinsteins rothaarige Tochter beherrschte munter und energisch die ungeberdigen Gäfte.

Freitag, 26. März.

Das Frühlingslied.

da, die sich faul auf einer Britsche räfelte und augenblicklich eine liegen in tiefem bebendem Frieden, als umarmte ich irgendeine Bause zwischen zwei Schnäpsen verschlief, und ein jüdischer Rei- neue Freiheit. Das Meer aber begann zu brausen. fender aus Deutschland  , dem der Beamte geheimnisvolle Zeichen Seitdem wenn ich an Rußland   dente, sehe ich immer das auf seinen Baz geschmiert hatte und der deshalb ängstlich, wie Armenhaus von Krottingen  !.. unter dem Drud eines ungewissen Schicksals in die Stadt ging. Wir aber durften passieren, freilich nicht vollständig. Unseren Warum?" photographischen Apparat mußten wir zurüdlassen. " Es ist Krieg."" Aber doch auf der anderen Seite, in Asien  ." " Es ist Krieg. Dabei blieb cs. Wir durften in Krottingen nicht Die ersten Vögel, die in den Städten oder Vorstädten ihr Früh­photographieren, weil in der Mandschurei   mit Japan   gefriegt lingslied erschallen lassen, sind die Amseln. So wenig die Dichter wurde! Bald merkten wir noch mehr Rußland  . Um uns kreiste die Amsel zu rühmen pflegen Nachtigall und Lerche ziehen sie ein radelnder Kosak, verfolgte uns und ließ uns nicht aus den gewöhnlich vor- so gehört sie doch zu unseren besten Sängern; Augen. darüber sind alle Vogelfenner und Vogelfreunde einig. Da fist üppiger Part, jogar ein Palmenhaus. Nächst der Stadt ist ein großer polnischer Herrensiz. Ein sie auf dem Wipfel der noch kahlen Linde im letzten Strahl der sinkenden Sonne, und westwärts gewandt sendet sic dem scheidenden Frauen arbeiteten schweigend, gebüdt. Alles war unordentlich, verfallen. Es roch Tagesgestirn ihren Gutenachtgruß nachfo fagt der gemütvolle Wie weich und reich legt nach polnischen Romanen. Wie kann es Reichtum in dieser Oede 30ologe Marshall vom Amselgesang. aushalten? Automobile gaben die Antwort. Der gnädige Herr war in Ostende  , und nächste Woche wird die gnädige Frau ins Automobil steigen und ins Salzkammergut   fahren.

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sich der volle Ton an Ohr und Herz des Lauschers! Ist es nicht, als ob der Vogel in seinen melodischen Tönen spräche mit der ihn umgebenden abendlichen Frühlingsnatur? Von Liebe singt er, von Liebe, Lust und Leben! Abends ist er fast der letzte mit seinem Strottingen ist wahrhaftig eine Stadt, es wohnen Menschen Lied und morgens sicher der erste. So sitzt er da und flötet seine darin: zumeist Litauer und Juden. Aber es ist ein Gewirr Strophe, dann macht er eine Pause und lauscht. Und wir, wpir elender, zerlöcherter Hütten, die schief sich zur Erde neigen, lauschen mit ihm und hören von fern gedämpft und undeutlich schumuhige Holzgerüste, die mit grauem Dreck ausgefüllt scheinen. den Gesang einer anderen Amsel herüberdringen. So fizen ihrer Inmitten der Baracken ein schmutziger Tümpel, in dem zerlumpte vicle und spinnen ein Tonnez um die Promenade, die äußere Frauen zu einem unerfindlichen Zwede Wäschestücke schwenken. Aus Stadt und die umgebenden Gärten, ein Tonnek, in dem sie mit dem Unflat der Behausungen ragt nur die Kirche farbig hervor. ihrem Liederhort der Knotenpunkt sind." Ein Junge, der unablässig sich in dem schwarzen Kraushaar tratt, führt uns in den byzantinischen Bau. Mein Gefährte erfüllt den Teeren Raum mit Orgelspiel; der kleine Führer erstarrt ob solchen lebermuts vor Schrecken und wird erst durch einige Münzen wieder erweckt. Draußen in der blendenden Sonne erwartet uns schon unser Aufpasser: der stumm radelnde Kojak.

Wir haben Zeit. Es ist um Mittag. Wir hatten zuvor ge­sehen, wie Rußland   durch eine schwere Kette geschlossen wurde, wie eine Haustür am Abend. Während der Mittagspause hörte der Grenzverkehr auf, niemand durfte heraus, niemand hinein. Wir sparen wie gefangen. Und wie Gefangene schienen auch alle diese ärmlichen, müden, traurigen Menschen; als ob sie immer eine Gefahr im Rücken spürten, einen Hinterhalt, Angeber, Häscher. Nirgends entdeckten wir ein Zeitungsblatt. Obwohl ein Ausflug nach Krottingen ein beliebtes Vergnügen der Königsberger ist, schien man hier wie außerhalb der Welt zu leben und gar nichts von den Dingen da draußen zu wissen, tausend Meilen jenseits aller Kultur. Die litauische Bevölkerung wirkte verschlossen und versonnen, wie eigenwillige Settierer. Nur die jungen Jüdinnen, die vor den Häusern standen, blühten wie ein Stück Orient: gesund, ernst, von einer schwermütig- sinnlichen Schönheit. Mein Weg­genosse geriet in Entzücken und beteuerte, den Abenteuerblick im Auge, er könne sich entschließen, sich hier anzusiedeln. Anreden muß er eine, auf jeden Fall, es ging nicht anders. Wo ist

"

Die Männchen fingen übrigens nicht überall gleich gut; jung aus den Neste genommene und aufgezogene, die feinen guten Ge­sanglehrer in ihrer Umgebung hatten, fingen zeitlebens stümper haft. Die Amsel verfügt, wie männiglich befannt, noch über andere Töne als ihr wohllautendes Flötenlied: wenn sie ärgerlich oder er­schreckt ist, gibt sie eigentümlich schnalzende, aufgeregte Töne von sich, die von anderen Tieren sicher als Warnungslaute aufgefaßt werden. In seltenen Fällen ist auch beobachtet worden, daß Amseln ähnlich den Staren Töne nachahmen, die sie in ihrer Umgebung hören. Im vergangenen Jahre beobachtete man auf dem Bahn­Hofe in Basel   beim Rangieren, daß die Pfeifensignale der Bahn­beamten sehr geschickt nachgeahmt wurden. Man vermutete irgend­eine Bosheit, bis sich herausstellte, daß der Pfeiffünstler eine Amsel war, die die Pfeiftöne der Bahnbeamten gelernt hatte! Gine Be­schreibung der Amsel ist unnötig, denn jedermann in Stadt und Land hat Gelegenheit, sie zu sehen. Auf eine Einzelheit sei aber aufmerksam gemacht, nämlich auf die Farbe ihres Schnabels: bei den Männchen ist er goldgelb, jedoch erst, wenn sie beinahe ciu, Jahr alt sind. Er bleibt auch seitlebens gelb, während er beim Star im Herbste grau wird, um erst im Früjahr wieder die gelbe Färbung anzunhmen.

So angenehm die Amsel für den Unbeteiligten ist, so verhaßt ist sie stellenweise dem Obst- und Weinzüchter. Als einer unserer größten Singvögel verbraucht sie viel Nahrungsstoffe und ist daher. Fast alles Genießbare ist ihr recht, Er wußte nicht recht, nach welcher Sehens-| außerordentlich gefräßig. würdigkeit von Strottingen er sich erkundigen sollte. Aufs Gerate- stamme es nun aus dem Tier- oder Pflanzenreiche, und sie paẞt Das schöne ihren Speisezettel immer der Jahreszeit an. Im Frühjahr und wohl fragte er also: Wo ist das Armenhaus?" Mädchen war erstaunt. Aber Fremde haben nun einmal ihre im Sommer haben die Obstpflanzungen, im Herbste die Wein­sonderbaren Einfälle. Sie geleitete uns bereitwillig und schweig- pflanzungen erheblich unter ihrer Gefräßigkeit zu leiden. sam zur jämmerlichsten aller Hütten.

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Es hielt uns nicht länger. Wir flohen aus dem Jammer- Deutsche   Krankenpflege in französischer

Beleuchtung.

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Die Amsel gehört zu den wenigen Vögeln, die in kurzer Zeit Roch vor wenigent­Und nun begann Rußland  ! Man bedurfte feines Grenz- Wir traten in einen dunklen Flur ein, der nach hinten einen ihre Lebensweise vollständig verändert haben. zeichens; man fab sofort was russisch war. Das grüne, sorgsam Ausgang zu einem engen Hof hatte. Durch die geöffnete Tür Jahrzehnten galten die Amseln als außerordentlich schüchtern; in bebaute preußische Land ging jah in eine dürre, struppige Gras- sehen wir uralte Männer und Frauen, die Fische schuppen und den letzten Jahrzehnten aber ist aus dem schüchternen Waldvogel halde über, die mit großen Steinen dicht bejät war; seitdem die falzen, während sie zugleich die schon zugerichteten Fische in rohem ein fecker Stadtvogel geworden, der es sich in Park- und Garten­Giszeit diese erratischen Blöcke aus den Bergen Skandinaviens   Bustand gierig verschlingen. Links und rechts in dunklen Löchern anlagen wohl sein läßt und seine Scheu vor den Menschen voll­auch untr den ent­hergebracht hat, schien kein Pflug über diese iveite leere Grenz- lag es eng neben und übereinander auf Brettern in modrig ständig aufgegeben hat. Es ist infolgedessen marfe gegangen, auf der selbst Ziegen hätten verhungern müssen. stinkenden Lumpen. Ewige Lampen in den Nischen verbreiteten schiedensten Anhängern des Vogelschubes im allgemeinen Dann aber erhob sich am Eingang Rußlands  , vor der ersten eine rote Dämmerung. Ueberall lagen, fauerten Gestalten, stumm lebhafter Streit darüber entbrannt, ob die Amseln schädlich oder russischen Stadt Krottingen   ein schmuckes Haus, alles ringsum die einen, unablässig lallend die anderen, Krüppel, Blinde, Blöde, nüßlich seien und ob zu ihrer Einschränkung etwas geschehen müsse. Man wirft dem schwarzen Sänger nämlich durch offenbaren Wohlstand überragend. Es war das Zollhaus. Sieche. Wohin waren wir geraten? Armen, Wir wußten die Ursachen solchen Behagens. Die Beamten halten dioten- und Altershaus schien in dieser Hölle der Verpestung vor, daß er sich nicht nur an Obst und Wein vergreift, sondern sich feile Verträge mit den Schmugglern und bezogen für ihre ge- und Verderbuis. Wir wurden entdeckt. Ginige verkrüppelte Un auch nicht scheut, die Gelege von nüßlichen Singvögeln auszu= wissenhafte Nichttätigkeit gewisse Prozente von den gepaschten holde erhoben sich, umringten uns und bettelten unterwürfig nehmen; außerdem wirkt die gefräßige Amsel stellenweise durch Waren. Wir aber hatten keinen Vertrag mit dem mürrisch und feiernd. Wir verteilten die paar russischen Münzen, die wir be- die Vertilgung von Regenwürmern schädlich. Zu einer Einigung tückisch blickenden Wächter Rußlands  . Es dauerte lange, bis er faßen. Da fielen sie vor uns nieder und, Segenswünsche speiend, sind die streitenden Parteien noch nicht gelangt. unsere Grenzpässe durchstudiert und endlich in Ordnung befunden füßten fie brünstig unsere staubigen Stiefel.. Wir durchforschten indessen einen großen Aushang, der Dreisprachig russisch, litauisch und deutsch  - uns verkündete, Hause, aus der Stadt, aus Rußland  . Jenseits der Grenze wagten was alles verboten sei, und streng bestraft werde. Es las sich wir uns wieder als Menschen zu fühlen. Aber erst in dem bei grob, barbarisch, abschreckend; wir glaubten jeden Augenblic, eine Königsberg gelegenen Ostseebad Cranz   wich der Druck von mir. aust würde uns paden und nach Sibirien   schleppen. Das Ge- Gerade als ich den Strand erreichte, wurden Zettel an den An- Wir Deutsche werden jetzt von den Nationen, mit denen wir fühl völliger Rechtlosigkeit begann in dem Augenblick, da wir schlagtafeln angeklebt: Plehive, der verhaßteste Gewalthaber Ruß- Krieg zu führen gezwungen find, als die ärgsten Hunnen und dieses russische Amtsgebäude betreten hatten. Sonst war außer lands war durch eine Bombe ausgetilgt! Ich warf mich in den Barbaren verschrien. Die Franzosen   besonders können sich in ihrer uns nur noch eine recht russische Erscheinung männlichen Geschlechts durchsonnten Sand und bis in die sinkende Nacht blieb ich reglos Verblendung in Beschimpfungen gar nicht genug tun das Hotel Zum Fiord  " dem Bahnhof gerade gegenüberlag ,, Da kenne ich einen, der das alles und noch mehr kann," und auf allen Seiten von alten Geschäftshäusern umgeben sagte sie und führte ihn lächelnd zum Tisch. war. Nein, hier hatte ein Hotel nichts zu suchen, hier mußte" Ja, man hat allerdings gezeigt, daß man etwas ver­ein Schifferhaus liegen mit Fischern und Seeleuten im tragen und auch maßhalten kann, und ich kenne wahr­Keller und Schiffern in der Stube; eine amerikanische   Bar haftig jeden Sniff im Startenspiel. Aber einen andern findest mußte es sein, wo man schnell hineinrennen und einen Schluck Du, glaube ich, in der ganzen Stadt nicht." Nein, aber jekt is, lieber Sörensen, solange das Essen nehmen konnte, und in der warmen Stube mußte man über seiner Tonpfeife und einem Glase Bier figen fönnen. Hier warm ist; dann will ich Dir eine Ertrataffe Kaffee kochen, Du an der Ecke mitten vor dem Hafen sollte es liegen, er hatte siehst so matt aus." Sie ging in die Küche, und Sörensen das Ganze im Kopf mit Unkosten und Gewinn. Jedesmal, begann zu essen. Aber er hatte keinen Appetit, und als fic enn er zum Hafen ging, mußte er daran denken, wie vor- wieder hereinfam, saß er mit schlaffer Miene müßig am Tisch. „ Aber Sörensen, Du rührst ja nichts an," sagte sie be­züglich gerade diese Ecke sich eignete, und es wunderte ihn, daß fümmert. Und ich hatte es Dir jo leder gemacht. immer noch niemand darauf verfiel.

72]

Ueberfluß.

Von Martin Andersen Neyö.

Als er nach Hause kam, deckte seine Frau ihm gerade den Frühstückstisch.„ Hat Aage gegessen?" fragte er.

,, Weißt Du, ob jemand da war?"

" Ja, als ich mit Aages Essen drüben war, saß einer bei einer Halben Weißbier. Wenn es so weitergeht, kannst Du den Laden ebensogut zumachen."

Diese Zahlen sputten in seinem Kopfe hin und her, während er an der Schiffbrücke entlangging. Er verglich sie mit seinen eigenen sowohl in der Vergangenheit als auch in der Zukunft, und das Resultat steigerte in nicht geringem Grade die Müdigkeit, die er in der letzten Zeit empfunden hatte. Zum erstenmal gestand er sich selber offen ein, daß er ein klein wenig an der Vollkommenheit dieser Sache zweifelte, die ihren Anhängern so viele Entbehrungen auferlegte. Starke Genußmittel waren notwendig, das lag geradezu in der menschlichen Natur; aber er hatte gehofft, diese Natur so zu Ja, er ist drüben in der Wirtsstube. Tüchtig verdrieß­verändern, daß die Leute andere starke Getränke dem Alkohol lich war er und behauptete, er sei nicht als Abstinenzlerwirt borzögen, der jedenfalls die eine schlechte Eigenschaft hatte, verheuert; aber jetzt, wo er etwas zu essen gekriegt hat, findet daß man nicht beliebig viel davon genießen konnte. Sonder- er sich so einigermaßen wieder hinein." barerweise hatte er vergessen, sie Funk unter die Nase zu reiben, und es war doch ein so ansehnlicher Einwand! Seine Fabrikate hatten diese große Umwälzung in der mensch­lichen Natur hervorrufen und das Bedürfnis nach den starken Genußmitteln auf ein Gebiet überleiten sollen, wo es keine Na jetzt kriegen wir hoffentlich bald Tauwetter. Ich unwürdigen Folgen gab, aber das war vollständig mißglückt. denke, ich will den Verein dazu bestimmen, einen Karneval Nun wohl, er war doch angesehener als der alte Funk, die zu veranstalten, das füllt die Kasse immer ein bißchen.- Leute konnten nicht anders, als sich vor demjenigen beugen, Glaube mir, mit Funk ist nicht viel los, er hat nicht mehr der sich selbst am Nacken packte. Aber in den Gemeinderat lange zu leben. Und weißt Du was, der alte Gauner hat all fam er nicht; die Arbeiter gaben den Ausschlag, und sie die Jahre mit dem Schwiegersohn Halbpart gemacht, ohne stimmten für den Gastwirt Jensen, aus dem einfachen Grunde, daß einer es geahnt hat! Gott   weiß, was die drüben ohne weil sie ihm Geld schuldeten. Rein ökonomisch hatte er es ja ihn anfangen werden?" zu etwas gebracht, aber das hatte er seiner persönlichen" Glaubst Du nicht, daß die Leute trotzdem hinfinden Tüchtigkeit und nicht der Sache zu verdanken; und wer werden, jetzt, wo der Weg geebnet ist?" wußte, ob er es in der andern Stellung nicht noch weiter ge-" Glaub das nur nicht so bestimmt! Im Hotel„ Zum bracht hätte? Da hatte dieser Funk wenigstens jeden Tag Fiord" fizt ein verflirt tüchtiger Mann - und dann die Sonntag gehabt und sich keine Beschränkung auferlegt, und Rage vom Hafenhotel, Du!" das hatte ihm gerade das Doppelte eingebracht, ohne daß er Dann müssen sie sich für Funk einen andern holen." irgendwie eine tüchtige Persönlichkeit genannt werden konnte. Sörensen lachte laut: Ja, Du schwabest schön ins Blaue Sörensen ging an der Hafenseite entlang, wo fast jeder hinein, ihr Frauen habt doch wirklich für das praktische Leben Keller eine Destille war, jog die Dünste von Alfohol, Rauch feinen Blid. Kannst Du mir einen Mann zeigen, der es ver­und Wärme ein, die aus dem Kellerhalse emporschlugen, fooft trägt, vom Morgen bis zum Abend und die Nacht mit durch die Türen sich öffneten, und stellte Betrachtungen darüber an, ausumpfen, und der auch maßzuhalten weiß, wenn es wen man für geeignet halten konnte, Funk abzulösen. Er nötig ist? Und dann muß er alle Bauern aus der Umgegend konnte sich niemanden denken, und anderseits sah er jetzt sehr durch und durch kennen und Rednertalent haben und außer wohl ein, daß das Hotel ohne einen Mann wie den alten dem ein tüchtiger Kartenspieler sein! Nein, Du, so einen Funk nie hätte gedeihen können, da es so abseits lag, während| Mann findet man nicht alle Tage."

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hatten

„ Ich kann es nicht herunterkriegen," entgegnete er rejig­niert, es bleibt mir im Halje stecken. Gott   weiß, was mir fehlt?"

,, Das ist gewiß die Influenza, die immer noch auf Dich lauert," sagte sie und nahm eine Flasche aus dem Büfett. ,, Nun trink aber wirklich mal einen Aquavit mit ein wenig China  , das kräftigt. Du darfst uns nicht so kränkeln." „ Aber Laura, das ist nicht richtig," sagte er und sah sie unsicher an.

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,, Ach, dummes Zeug, Du bleibst deshalb wohl ein ebenso guter Abstinenzler Du nimmst es ja nicht zum Ver­gnügen. Der Arzt verordnet es oft als Medizin, und wir können doch ebensogut wie er sehen, daß Du etwas zur Stärkung brauchst. Aber ich kann mir auch ein Attest vos ihm geben lassen, wenn das Dich beruhigt."

,, Nein, nein, es hat keinen Zweck, das Geld dafür aus­zugeben," erwiderte Sörensen und mischte sich einen Bittern, und es läßt sich ja, wie Du sagst, völlig verteidigen, wenn man an seine Gesundheit denkt." Er leerte das Glas und war im Begriff," Ah!" zu sagen wie in alten Zeiten, nahit fich aber zusammen. " Sich nun zu, daß Du aufißt, denn jetzt bring ich den Kaffee," sagte sie und legte die Hand mahnend auf seine Schulter. Dann ging fie in die Küche.

Er lauschte einen Augenblickt ihren Tritten, dann schenkte er sich hastig noch einen Schnaps ein, aber diesmal ohne etwas hineinzutun, er hatte selber nicht viel Vertrauen zu diesen Zusak. Und daß der Aquavit es war, der half, das konnte man daran sehen, daß China   in Wasser genommen gar nicht diese Wirkung hatte. Aber dann schlug er mit kräftiger Hand den Pfropfen ganz in die Flasche hinab und setzte sie beiseite. ( Forti. folgt.)