jit si-m dc6 t)otit)art0 s»Architekt und Ingenieur.(3 um Wettbewerb für die neue Markthalle.)Äor wenigen Tagen erst haben wir hier mit Bedauern fest-gestellt, daß zu dem Wettbewerb um die neue Markthalle, einemBauobjekt von vielen Millionen, einigermaßen willkürlich fünfParteien aufgefordert worden sind. Schon heute, beim Besichtigender im Rathaus ausgestellten Entwürfe, finden wir unser Miß-trauen gegen die Richtigkeit solcher seltsamen Engherzigkeit de»stätigt. Es soll gewiß nicht geleugnet werden, daß einige Vor-schlage der Fünf eine Klärung und Förderung der gestellten Auf-gäbe bedeuten; es ist auch gern zuzugeben, daß die beiden preis-gekrönten Planungen sehr beachtenswerte Arbeiten sind, die einemehr als technische Errechnung, die andere als das einzige, archi-tektonisch ernst zu nehmende Projekt. Niemand aber wird gutenGewissens behaupten können, daß die größte Halle des Kontinentsnach einem der nun zustande gekommenen Entwürfe gebaut werdendürfte. Der Wettbewerb der Fünf kann nur als eine Vorstufe zueinem größeren, jetzt auch für Künstler zugänglichen angesehenwerden. Die bisher geleistete Arbeit braucht darum keineswegsfortgestrichen zu werden; im Gegenteil, sie wird mit Dank von denneu hinzukommenden Bewerbern aufzugreifen sein. Es sind jetztsozusagen die elementaren Selbstverständlichkeiten, vor allem dieder Grundrißgeftaltung, der Wegzuführung, der GeschotzdiSpositionskizziert worden. Durch den Entwurf von Hermann Jansen istaußerdem erwiesen, daß die ungewöhnlich große Aufgabe archi-tektonisch nicht zerstückt zu werden braucht. Man kennt jetzt un-gefähr das Ziel. Man weiß, daß die Herren der alten akademischenSchule mit solch einer durchaus modernen Aufgabe nichts anzu-fangen wissen. Man findet wieder einmal bestätigt, was gefühl-volle Freunde der Baukunst immer gesagt haben, daß nämlich dievollendetste Konstruktion und die wirtschaftlichste Lösung noch keineArchitektur sind, und daß die besten Absichten deS Ingenieurs erstdurch den Architekten(nicht durch den Fassadenfabrikanten) zuihrem wahren Leben erlöst werden können.Die Akademiker müssen draußen bleiben. Der Entwurf vonCremer u. Wolffenstein kommt gar nicht in Frage. Da aber keinKundiger etwas anderes als solch ein Gemisch aus banalen Ab-sichten und zerschlissenen Motiven von diesen Baugrossisten erwar«ten konnte, so muß nochmals gefragt werden: wie Überhaupt dasBerliner Hochbauamt darauf verfallen konnte, solchen Veteraneneiner nie lebendig gewesenen Fassadenklitterung eine Aufforde-rung zukommen zu lassen. Die 10 000 Mark, die jeder der Fünf,also auch die Bauräte Cremer u. Wolffenstein, bekommen haben,sind glatt hinausgeworfen; sie waren es von vornherein. Die Vor-schlüge, die Max Landsberg und Walter Koeppen zu machen haben,sind gleichfalls kaum lebensfähig; aber sie zeigen doch immerhineine Baugesinnung, über die sich noch reden läßt. Landsberg wurdepathetiscfi und machte aus Versehen ein Warenhaus; Koeppen,dessen Arbeit viel jugendliche Frische aufweist, erinnert« sich zurungelegensten Zeit an bayerische Ausstellungshallen. Bleibt alsoaußer Hermann Jansen, der mit der Ingenieurfirma Breest u. Co.zusammenarbeitete, nur Karl Bernhard, der leider das Unglückhatte, von den abermals viel zu alten Architekturzeichnern Reimeru. Körte berufen zu werden.Nun darf man aber nicht glauben, daß die Ingenieure sichüber das, was es hier zu leisten gilt, völlig einig wären. ImGegenteil, ihre Meinungen gehen weit auseinander. Es ist auchnicht weiter verwunderlich, daß jede dieser Meinungen durchauseinleuchtet und vieles für sich hat. So ist z. B. Bernhard der An-ficht, daß nur die größte Oekonomie an Raum und damit an Geldsolch gewaltigen Hallenbauten den Grundriß und die Gestalt be-stimmen darf. Er drückt darum die Höhe der Hallen möglichstherab und meidet mit Bewußtsein ein ihm überflüssig erscheinen-des Zusammenfassen der drei von ihm für notwendig erachtetenBaukörper. Er sagt sich, je geringer die Deckenspannung, die zuüberbauen ist, desto niedriger der Baupreis; je mehr Nutzraum,desto größer der wirtschaftliche Ertrag. Breest u. Co. sind andererMeinung; sie glauben, daß die vorliegende Möglichkeit, Hallen vonunerhörten Abmessungen zu schaffen, nicht ungenutzt bleiben darf,und daß größere Deckenspannungen nicht gar so wesentlich für denBaupreis einer so komplizierten teckmischen Anlage, wie eine Markt-halle es ist, sein können, daß aber die Höhe der Hallen nicht nur fürderen architektonischen Ausdruck, sondern direkt für deren Nutzungvorteilhaft ist. Breest u. Co. sind der Meinung, daß bei einerniedrigen Halle der Lichteinfall den Waren zu nahe rückt; daßaber bei einer bestimmten Höhe, durch die Einschaltung einesHohlraumes, in dem das Licht zerstreut und zugleich die Lufttemperiert wird, der Nutzwert der Halle steigt. Dergleichen Me:-8i] Ueberfluß.Von Martin Andersen Nexö.Nur eins ging ihm nahe— der Frühling. Er empfandseine Spannung in der Seele und dichtete ihn in seinenKörper hinein,— träumte sich dem Aufspringen der Knospennahe, gleich den Bäumen draußen. Jeden Morgen weckte ihnder erste schwache Lichtschein, und erwartungsvoll schlich erans Fenster, um da draußen neue Fortschritte zu erspähen undzu sehen, wie der Tag werden würde. Er sehnte sich nachSonne, immer mehr Sonne, und es bereitete ihm großenKummer, wenn der Tag grau zu werden schien.Dann saß er den ganzen Tag an seinem Fenster undstarrte in den Frühlingsregen hinaus, sah die Erde trinkenund trinken, als könne sie niemals ihren Durst stillen. Unteniin Garten gruben Aage und Else nntten in all dem Regen.Naß erhoben sie sich von der nassen Erde, jung, plastisch, saft-gespannt— wie die Bäume draußen mit den runden Aestenund der glatten Rinde. In diesen Tagen lag über AagesGesicht ein gedämpfter Ausdruck, ein Anflug von Stimmungüber den Augen, der den verworrenen Verhältnissen zu Hausezuzuschreiben war; es stand ihm gut, groß und kräftig wie erwar. Und Elses Hals und Wangen und der Busen, der sichunter der«chürze rundete I— Die Erde entsandte ihre Säftein die beiden, die ihr entsprossen als reiche Triebe. UndKarl hatte seine Freude daran, sie einander in die Arme zuwerfen, weil sie Teile des großen Frühlings und nichtsanderes waren— Millionstelteilchen! Und weil er jenen un-ersättlichen Drang fühlte, den Lenz sich vollenden zu sehen—in allem und allen. Aage war während dieser Zeit täglichdraußen; die beiden wandelten zusammen unter Karls Fensterund schienen ihm funkelnd, unklar, aber verschönt, wie durchTränen geschaut. Er verfolgte sie mit den Augen bis weitauf den Weg, wenn sie zusammen ausgingen, um jungePflanzen oder eine bestimmte Sorte Ackererde zu holen.Karl machte immer weitere und weitere Gänge am Armdes Vaters. Dabei sprachen sie von Dingen, die sie selbernichts angingen: für Karl mußte jetzt alles so fern liegen, undder Vater fing an, verschwommene Greiseninteressen zu be-kommen. Er war redselig und umständlich geworden, schieneinen Mittelpunkt für sein Dasein zu entbehren,— er altertemitten im Frühling. Oft machte er sich ohne Veranlassungdaran, irgend etwas zu verteidigen, das in alten Zeiten vonihnen gemeinschaftlich angegriffen worden war. ZuweilennungSverschiedenheiten der Ingenieure gibt es noch viele; manmöchte aber meinen, daß bei einer gründlichen und sachverständi-gen Prüfung hier bald bei dem einen, bald bei dem andern, viel-leicht auch durch Zusammenfassen der Vorschläge von beiden Sei-ten, das Beste sich leicht auffinden lassen müßte. Wegen des In-genieurs brauchen wir uns jedenfalls nicht zu sorgen. Wie sehraber ein kluger Architekt die Vorschläge des Ingenieurs verbeut-lichen und versinnlichen kann, zeigt sehr zum Nutzen der Kon-struktionsarbeit von Breest u. Co. der Entwurf von HermannJansen, der eben darum der einzige ist, den man architektonischernst zu nehmen hat.Vor allem bewährt sich Jansen auch diesmal wieder als Städte-bauer. Es ist sehr vernünftig, wie er die Räume der Verwaltungund Ueberwachung, also das Zentralorgan des gewaltigen Jnsti-tutes, in die Mitte des ganzen Baukomplexes gelegt hat. Vondieser hofartig ausgestalteten Mitte aus recken sich nach links undrechts die ungeheuren, zusammen fast einen Kilometer langenHallenbauten. Die beiden Hallen mit dem durch einen(freilichnicht überzeugenden) Turm betonten Zentrum wollen und könnenals eine architektonische Einheit empfunden werden. Diese Ab-ficht ist noch nicht vollkommen gelungen; aber, daß sie angestrebtwurde, hebt den Entwurf Jansens sehr entschieden über die vierübrigen Vorschläge hinaus. Es ist geradezu architektonische Blind-heit, sich solch eine seltene Möglichkeit, eine gigantische Baumasseeinheitlich zu silhouettieren, entgehen zu lassen. Und selbst, wennsolche zusammenfassende Gestaltung, solch Hinausgehen über dasNacktnotwendige, um einiges teurer sein sollte als die rein der-nunftgemäße Konstruktion, so würde man sich dennoch dafür ent-scheiden müssen; denn Architektur ist mehr als reine Rechnung.Auch die gothischen Dome waren ein Hinausgehen über die kon-struktive Notwendigkeit. Man verstehe das recht: nicht ornamen-tales Scherzwerk, nicht bloßes Hinzutun schaler Architekteneinfällewivd verlangt, wohl aber eine Ausprägung und. Sichtbarmachungdes Geistes, der die Aufgabe regiert. In solch einer Markthalle,die den Riesenleib einer Weltstadt versorgt, mutz etwas von demRhythmus dieser großen Stadt zu spüren sein. Jansen hat hier-von Witterung; ob er aber wirklich solche profane Monumentali-tat zu leisten vermag, läßt sich nach dem vorliegenden, immerhinerst tastenden Versuch noch nicht sagen.Es heißt, daß mit dem Bau der Markthalle möglichst bald be-gönnen werden soll. Darauf ist zu erwidern, daß selten ein„lang-sam voran" mehr angebracht war, als gerade bei dieser Gelegen-heit. Die größten Hallenbauten des Kontinents macht man nichtim Handumdrehen! Der Fünferwettbewerb war der erste Schritt,nicht mehr. Nun, nachdem das Programmatische wesentlich beut-licher wurde, wird das Schöpferische sich entfalten können. Diebeiden Herren aber, die das Berliner Bauwesen leiten, der BauratKrause für den Tiefbau, der Geheimrat Hoffmann für den Hoch-bau, können jeder Solneßfurcht ledig gewiß keinen anderen Wunschhaben als den, das Berliner Stadtbild durch diese Markthalle umein wirklich vollkommenes Bauwerk bereichert zu sehen. Darum:bevor mit dem Bau der Markthalle angefangen wird, müssen zu-nächst die wirklich produktiven Baukünstler Deutschlands(und nichtnur die Berliner) befragt werden.Robert Breuer.Theater und Nuflk.Kammerspiele:„Der Weibsteufel", Drama vonKarl Schönherr. Im Gegensatz zu AnzengruberS locker gefügten. dafür in der Ausmalung des Episodischen so glanzvollenösterreichischen Bauerndramen tragen die seines LandsmannesSchönherr das Gepräge energisch einheitlicher Konzentration.„Erde"wie„Glaube und Heimat" waren auf je einen einzigen Ton ge-stimmt, der in den Abwandelungen der verschiedenen Szenen ständigwiederkehrt. Er zeichnet eleinentarische Naturen, die, mit ihremtriebhaften Empfinden tief in der ererbten Scholle und dem Heimat-boden wurzeln und ihre Art im Rahmen einer einfach gegliedertenHandlung erschöpfend ostenbaren. Dort steht der trotzig harteEgoismus des lebenszähen Alien, der bis zum letzten Atemzug dasRegiment auf seinem Bauernhof nicht aus den Händen gebenmag, hier in dem historischen Schauspiel aus der Zeit derGegenreformation der Seelenkampf, in dem gläubige Ge-wissen die schwerste Not, die Trennung von der Heimatans sich nehmen, in dem Mittelpunkt. Auch das neue Stück zeigtwieder jenen Zug zur Einheit. Freilich in einer Steigerung, die beieiner weniger vollkommenen Darstellung als bei Reinhardt derBühnenwirkung leicht gefährlich werden könnte. Fünf Akte hat dasSchauspiel und nur drei Personen— den Mann, sein Weib undeinen Grenzjäger— zählt der Zettel auf. Im engsten Kreis,kam Karl mit Einwänden, und der Alte ereiferte sich undsprach von der unfruchtbaren Opposition, die nie einen Fort-schritt hervorbringe. Dann schwieg Karl verwundert; und erlenkte behutsam ab, um den Vater nicht zu betrüben. Erwünschte, daß der Alte in Frieden verfallen sollte, ohne sichselbst unnütze Vorwürfe zu machen.An einem trüben Tage kam der Vater aus der Stadtzurück, wo er den ganzen Vormittag umhergeschlendert war.Er ging unruhig durch die Stube, gähnte und war ganz rastlos.„Du langweilst Dich, Vater," sagte Karl.„Es ist auchnicht amüsant, Krankenpsleger zu sein."„Davon ist gar keine Rede. Aber ich weiß nicht,— ichbin so sonderbar ruhelos. Ich habe immer das Gefühl, alsbestände ich aus lauter leeren schubläden; das ist durchausnicht angenehm, weißt Du."„Auf dem Markt ist ein großes Kohlengeschäft abzugeben,kauf es!"„Ja, das wäre eine Idee!" Er ging eifrig im Zimmerauf und ab.„Obwohl— nein, ich glaube doch nicht, daß mirdas liegt. Du, ich bin in meinem Leben Geschäftsmann genuggewesen. Das heißt, die Sache interessiert mich noch sehr; aberall die tägliche Arbeit und Schererei— nein, ich Hab dochkeine Lust, wieder anzufangen. Obendrein in einem ganzneuen Geschäftszweig, der eine Menge Mühe erfordert, bisman sich eingearbeitet hat.— Nein!"„Ich bin jetzt auch bald so gesund, daß wir unsere Kofferpacken können."„Ja, Du hast weiß Gott recht," sagte der Vater, währender mitten im Zimmer stehen blieb und zu Boden starrte, alsob er lauschte.„Die Welt zu durchreisen, das wäre nicht dasSchlinunste, was einem auf seine alten Tage passieren könnte.— Falls man es aushalten kann?" Er sah den Sohn von derSeite an. Dann trippelte er wieder umher, die Hände in derTasche und mit nachdenklichem Ausdruck:„Tja, tja! Es istauch wahr, das hat man noch zugut." Er blieb am Fensterstehen und starrte in die Ferne:„Glaubst Du denn nun, daßes da draußen wesentlich anders ist als hier daheini?"„Nein, das mag wohl sein," erwiderte Karl lächelnd.„Da siehst Du'sl" sagte der Vater eifrig.„Daran kannes nicht liegen durchaus nicht. Ich habe gestern abenddarüber nachgedacht: es ist nicht gerade die Vergangenheitselber, die ich vermisse, aber ich bin enttäuscht. Nun Hab ichmich viele Jahre lang darauf gefreut, ganz mir zu gehörenund mit mir schalten und walten zu können, wie ich wollte,und nun ist alles nur leer, all das Begehrenswerte ist fort.der auf den Reiz jedweder Mannigfaltigkeit von vornherein der-zichtet, spielt sich VaS ländliche Ehedrama, dessen Ausgang der Zu-schauer überdies im Umriß schon nach dem ersten Akt voraus sieht,ab. Und dabei fehlen alle zarteren Seelenregungen, die den Vor-gang komplizieren würden. Die drei Figuren bewegt alleinder dumpfe animalische Trieb. Und doch liegt in demStück, wie diese Aufführung gezeigt hat, eine'starke Wuchtund eine Stimmung, deren leidenschaftlich heißer Atem au den Eindruck der Zolaschen„Therese Raguin" gemahnt. Mit den Strindberg-schen Frauengestalten, an die man gleichfalls denken könnte, hatSchönherrs spät zur Sinnlichkeit erwachtes Weib, das dann, un-erschöpflich an Verstellung, in zügellosem Taumel weiter rast, wohldie Teufelei gemeinsam; indes, das Bild das er entwirft, ist niehrNatur, hält sich von der anklägerisch erhitzten Natur, in der derSchwede die Frauen mehr heruntermacht als schildert, völlig fern.lieber die Vorgeschichte der Ehe zwischen dem kraftstrotzendenhübschen Bauernmädchen und dem gebrechlichen häßlichen Ge-sellcn, den sie zum Mann genommen Hai, gleitet Schönherr mitwenigen, all zu wenigen Andeutungen hinweg. Was siedem Bund geneigt gemacht hat, war seine Schlauheit. Sie scheintgeglaubt zu haben, daß er's damit zu Wohlstand bringen werde.Und sie täuschte sich hierin nicht. Als Hehler einer Schwindler-bände in dem Grenzdorf häuft er seit der Heirat Taler auf Taler,Der Tag ist nah, wo sich der langgehegte stolze Zukunftstraum, dasGasthaus auf dem Marktplatze zu kaufen, erfüllen wird. Aber nichtbloße Berechnung kettet sie an ihn; es ist ihr lieb, den Kranken, derin dankbarem Pantoffelheldentum bewundernd zu ihr aufblickt,mütterlich zu pflegen, Als ihr der Mann erzählt, einer der Grenzjägerwolle mit ihr karessieren, bis er das Geheimnis, wo sie die Schmuggel-wäre bergen, herausgeholt, und er sie bittet, dem jungen Burschenzum Schein gefällig zu begegnen, braust sie in wilder Empörungauf. Es dünkt ihr schimpflich. Widerstrebend und mit glühendemZorn gegen den Fremden willigt sie endlich in den Plan. Höhnischempfängt sie den Grenzjäger. Aber bald reizt es sie, die Machtihrer Schönheit auszukosten. Die raffiniertesten Tricks stehen ihr,der eben noch so schwerfällig Ungelenken, sobald ihr Blut entflainmtist, zu Gebote. Haß und Begierde wechseln. Doch diese ist diestärkere Macht. Neben der Kraft, durch die der Junge sie bezaubert,erscheint ihr die kümmerliche Zwerggestalt des Gatten zumerstenmal abstoßend, flößt ihr Ekel ein. Heuchlerisch wiegtsie den endlich argwöhnisch Gewordenen, damit er sie im Testamentbedenke, in Sicherheit und flüstert dein Liebhaber schwarze Mord-gedanken zu. Entsetzt prallt der zurück. Er will sich losreißen.Aber bei einem letzten Besuch weiß sie die Eifersucht der beidenMänner so zu stacheln, daß sie ins Handgemenge geraten; der Jägerwird im Rausch der Leidenschaft wirklich zum Mörder ihres Mannes.Mag er die Tat doch im Gefängnis büßen, lvas kümmert sie's? Sieist nun frei und will genießen. ES gibt noch mehr der schönen.starken Burschen. Sie weiß jetzt, rühmt sie sich, wie mit dem Manns-Volk umzuspringen ist.Lucie Höflich füllte die Gestalt mit intensivstem Leben.Die Hemmungslosigkeit der einmal aufgerufenen Instinkte,die ruchlos verwegene nachtwandlerische Sicherheit, mit dersie vorwärts schreitet auf der erwählten Bahn, kam zufrappantem Ausdruck, und überall klang dabei auch im verschlagendstcnVerhalten der linterton bäuerlich bornierter Primitivität mit an.Ebenbürtig stand ihr Pallenberg in der Figur des ver-schrumpelten, gerissenen Gatten gegenüber. Auch der kleinste Zug indem Porträt war sprechend, und durch alle Widerwärtigkeiten desKörpers und der Seele schimmerte etwas Rührendes, das für denarmen Schelm um Mitleid warb. Nur Herr H a r t m a n nschädigte stellenweise die Wirkung durch ein Uebertreiben desKraftmeiertums in der Person deS jungen Grenzjägers. DerApplaus war lebhaft.' ät.Theater des Westens:„Die Land st reicher" vonKarl M. Z i e h r e r. Wenn die Absicht bestand, die ältere deutscheOperette wieder aufleben zu lassen, so konnte ein Zurückgreifen aufZiehrers„Landstreicher", als eines seiner frühesten Werke übrigenskein Mißgriff sein. Und der durchschlagende Erfolg bestätigte einegünstige Meinung, die man allenfalls haben mochte. Zunächst istdas Libretto als eine sehr gelungene Kompagniearbeit der HerrenKrenen-Lindan zu bewerten, obgleich die Handlung zum Schlußganz wo anders hinausgeht, als wie man erwarten darf.Denn das eigentliche Landstreicher- richtiger Hochstapler»milien bleibt nur im ersten Akt gewahrt. Wir kennen dies Milieufreilich ans Nestroys„Lumpazivagabnndes" und Johannvon Straußens„Fledermaus"— zumal den permanent sternhagel-voll besoffenen Gerichtsdiener. Indes hat der Text eine gute Seite:er ist fast durchgängig von echtem, manchmal allerdings auch ÜbelIch kann mich nicht einmal daran erfreuen, denn ich vergessefortwährend, wie unerträglich die alten Verhältnisse waren,und ich muß mich jeden Augenblick selber daran erinnern.Und sie waren ja doch ekelhaft und unleidlich— nicht wahr?Darüber waren wir uns doch einig. Was?"Karl nickte mechanisch.„Die Befreiung bedeutet ja reinen Tisch," fuhr der Vaterfort.„Jeder Winkel in einem ausgefegt und gereinigt, nichtwahr? Aber ich bin zu alt dazu, mir selber neuen Inhalt zugeben. Als das Alte mir als Brille diente, konnte ich dasNeue sehen und mich daran erfreuen und mich danach sehnen;ja, Du, ich bin wie einer, der seine Brille verloren hat undüberhaupt nichts mehr sehen kann. Darum vergesse ich soleicht, wie die Vergangenheit war, und wünsche mich in siezurück— nicht um ihrer selbst willen. Eine Brille ist dochbesser als gar nichts."„Ehelicher Muff! Hausfreunde und Duldsamkeit! Ver-worrene Sittlichkeitsbegriffe! Liebe zuni Neuen, hübsch ge-paart mit Respekt vor dein Alten! Gut bürgerliche gewichtigeTaten und Anfrührerideen— unter der Bettdecke!" Karlsprach langsam und leidenschaftslos, als ob er aus einemKatalog vorläse.„Heirate, Vater, und alles andere soll Dirgewißlich zuteil werden. Tu und Deine Generation ver-tragen es ja doch nicht, in Wirklichkeit zu siegen; aber heirate,und Du kannst in der Idee wieder jeden Tag, jede Stundesiegen! Heirate, lieber Vater, damit Du Dein ideales Lebenwieder— in den Wolken— sehen kannst!"Der Vater blickte ihn lange an.„Jetzt wirst Du boshaft,"sagte er und ging zu Dortea Hansen hinunter.Aber Karl war durchaus nicht boshaft. Es durch-schauderte ihn von Zeit zu Zeit bloß eiu wenig, während eram Fenster saß und in die schwere, bleigraue Luft hinausschaute, wo die Schwalben auf und ab sagten, sich im Flugemit deni weißen Bauch nach oben wandten, sich trafen undtrennten und sich wieder trafen— bei ihrer ruhelosenPaarungsjagd..Während er so dasaß und starrte, gewahrte er Aage, derüber die Wiesen kam, eine Angelrute über der Schulter. Erging in der Richtung auf das Haus zu und war wie gewöhn-lich mit etwas Ueberflüssigein beschäftigt; auf seinem Wegeüber die Felder stieß er mit dem Fuß an die frischen Maul-Wurfshügel, so daß die Erde umherflog. In einem Mund-Winkel hatte er eine kleine Tonpfeife. Karl hörte ihn dieFüße unten auf dem Flur abtreten und die Treppe heraus-kommen.(Forts, folgt,).