jit si-m dc6 t)otit)art0 s» Architekt und Ingenieur. (3 um Wettbewerb für die neue Markthalle.) Äor wenigen Tagen erst haben wir hier mit Bedauern fest- gestellt, daß zu dem Wettbewerb um die neue Markthalle, einem Bauobjekt von vielen Millionen, einigermaßen willkürlich fünf Parteien aufgefordert worden sind. Schon heute, beim Besichtigen der im Rathaus ausgestellten Entwürfe, finden wir unser Miß- trauen gegen die Richtigkeit solcher seltsamen Engherzigkeit de» stätigt. Es soll gewiß nicht geleugnet werden, daß einige Vor- schlage der Fünf eine Klärung und Förderung der gestellten Auf- gäbe bedeuten; es ist auch gern zuzugeben, daß die beiden preis- gekrönten Planungen sehr beachtenswerte Arbeiten sind, die eine mehr als technische Errechnung, die andere als das einzige, archi- tektonisch ernst zu nehmende Projekt. Niemand aber wird guten Gewissens behaupten können, daß die größte Halle des Kontinents nach einem der nun zustande gekommenen Entwürfe gebaut werden dürfte. Der Wettbewerb der Fünf kann nur als eine Vorstufe zu einem größeren, jetzt auch für Künstler zugänglichen angesehen werden. Die bisher geleistete Arbeit braucht darum keineswegs fortgestrichen zu werden; im Gegenteil, sie wird mit Dank von den neu hinzukommenden Bewerbern aufzugreifen sein. Es sind jetzt sozusagen die elementaren Selbstverständlichkeiten, vor allem die der Grundrißgeftaltung, der Wegzuführung, der GeschotzdiSposition skizziert worden. Durch den Entwurf von Hermann Jansen   ist außerdem erwiesen, daß die ungewöhnlich große Aufgabe archi- tektonisch nicht zerstückt zu werden braucht. Man kennt jetzt un- gefähr das Ziel. Man weiß, daß die Herren der alten akademischen Schule mit solch einer durchaus modernen Aufgabe nichts anzu- fangen wissen. Man findet wieder einmal bestätigt, was gefühl- volle Freunde der Baukunst immer gesagt haben, daß nämlich die vollendetste Konstruktion und die wirtschaftlichste Lösung noch keine Architektur sind, und daß die besten Absichten deS Ingenieurs erst durch den Architekten(nicht durch den Fassadenfabrikanten) zu ihrem wahren Leben erlöst werden können. Die Akademiker müssen draußen bleiben. Der Entwurf von Cremer u. Wolffenstein kommt gar nicht in Frage. Da aber kein Kundiger etwas anderes als solch ein Gemisch aus banalen Ab- sichten und zerschlissenen Motiven von diesen Baugrossisten erwar« ten konnte, so muß nochmals gefragt werden: wie Überhaupt das Berliner   Hochbauamt darauf verfallen konnte, solchen Veteranen einer nie lebendig gewesenen Fassadenklitterung eine Aufforde- rung zukommen zu lassen. Die 10 000 Mark, die jeder der Fünf, also auch die Bauräte Cremer u. Wolffenstein, bekommen haben, sind glatt hinausgeworfen; sie waren es von vornherein. Die Vor- schlüge, die Max Landsberg und Walter Koeppen   zu machen haben, sind gleichfalls kaum lebensfähig; aber sie zeigen doch immerhin eine Baugesinnung, über die sich noch reden läßt. Landsberg   wurde pathetiscfi und machte aus Versehen ein Warenhaus; Koeppen, dessen Arbeit viel jugendliche Frische aufweist, erinnert« sich zur ungelegensten Zeit an bayerische Ausstellungshallen. Bleibt also außer Hermann Jansen  , der mit der Ingenieurfirma Breest u. Co. zusammenarbeitete, nur Karl Bernhard, der leider das Unglück hatte, von den abermals viel zu alten Architekturzeichnern Reimer u. Körte berufen zu werden. Nun darf man aber nicht glauben, daß die Ingenieure sich über das, was es hier zu leisten gilt, völlig einig wären. Im Gegenteil, ihre Meinungen gehen weit auseinander. Es ist auch nicht weiter verwunderlich, daß jede dieser Meinungen durchaus einleuchtet und vieles für sich hat. So ist z. B. Bernhard der An- ficht, daß nur die größte Oekonomie an Raum und damit an Geld solch gewaltigen Hallenbauten den Grundriß und die Gestalt be- stimmen darf. Er drückt darum die Höhe der Hallen möglichst herab und meidet mit Bewußtsein ein ihm überflüssig erscheinen- des Zusammenfassen der drei von ihm für notwendig erachteten Baukörper. Er sagt sich, je geringer die Deckenspannung, die zu überbauen ist, desto niedriger der Baupreis; je mehr Nutzraum, desto größer der wirtschaftliche Ertrag. Breest   u. Co. sind anderer Meinung; sie glauben, daß die vorliegende Möglichkeit, Hallen von unerhörten Abmessungen zu schaffen, nicht ungenutzt bleiben darf, und daß größere Deckenspannungen nicht gar so wesentlich für den Baupreis einer so komplizierten teckmischen Anlage, wie eine Markt- halle es ist, sein können, daß aber die Höhe der Hallen nicht nur für deren architektonischen Ausdruck, sondern direkt für deren Nutzung vorteilhaft ist. Breest   u. Co. sind der Meinung, daß bei einer niedrigen Halle der Lichteinfall den Waren zu nahe rückt; daß aber bei einer bestimmten Höhe, durch die Einschaltung eines Hohlraumes, in dem das Licht zerstreut und zugleich die Luft temperiert wird, der Nutzwert der Halle steigt. Dergleichen Me:- 8i] Ueberfluß. Von Martin Andersen Nexö  . Nur eins ging ihm nahe der Frühling. Er empfand seine Spannung in der Seele und dichtete ihn in seinen Körper hinein, träumte sich dem Aufspringen der Knospen nahe, gleich den Bäumen draußen. Jeden Morgen weckte ihn der erste schwache Lichtschein, und erwartungsvoll schlich er ans Fenster, um da draußen neue Fortschritte zu erspähen und zu sehen, wie der Tag werden würde. Er sehnte sich nach Sonne, immer mehr Sonne, und es bereitete ihm großen Kummer, wenn der Tag grau zu werden schien. Dann saß er den ganzen Tag an seinem Fenster und starrte in den Frühlingsregen hinaus, sah die Erde trinken und trinken, als könne sie niemals ihren Durst stillen. Unten iin Garten gruben Aage und Else nntten in all dem Regen. Naß erhoben sie sich von der nassen Erde, jung, plastisch, saft- gespannt wie die Bäume draußen mit den runden Aesten und der glatten Rinde. In diesen Tagen lag über Aages Gesicht ein gedämpfter Ausdruck, ein Anflug von Stimmung über den Augen, der den verworrenen Verhältnissen zu Hause zuzuschreiben war; es stand ihm gut, groß und kräftig wie er war. Und Elses Hals und Wangen   und der Busen, der sich unter der«chürze rundete I Die Erde entsandte ihre Säfte in die beiden, die ihr entsprossen als reiche Triebe. Und Karl hatte seine Freude daran, sie einander in die Arme zu werfen, weil sie Teile des großen Frühlings und nichts anderes waren Millionstelteilchen! Und weil er jenen un- ersättlichen Drang fühlte, den Lenz sich vollenden zu sehen in allem und allen. Aage war während dieser Zeit täglich draußen; die beiden wandelten zusammen unter Karls Fenster und schienen ihm funkelnd, unklar, aber verschönt, wie durch Tränen geschaut. Er verfolgte sie mit den Augen bis weit auf den Weg, wenn sie zusammen ausgingen, um junge Pflanzen oder eine bestimmte Sorte Ackererde zu holen. Karl machte immer weitere und weitere Gänge am Arm des Vaters. Dabei sprachen sie von Dingen, die sie selber nichts angingen: für Karl mußte jetzt alles so fern liegen, und der Vater fing an, verschwommene Greiseninteressen zu be- kommen. Er war redselig und umständlich geworden, schien einen Mittelpunkt für sein Dasein zu entbehren, er alterte mitten im Frühling. Oft machte er sich ohne Veranlassung daran, irgend etwas zu verteidigen, das in alten Zeiten von ihnen gemeinschaftlich angegriffen worden war. Zuweilen nungSverschiedenheiten der Ingenieure gibt es noch viele; man möchte aber meinen, daß bei einer gründlichen und sachverständi- gen Prüfung hier bald bei dem einen, bald bei dem andern, viel- leicht auch durch Zusammenfassen der Vorschläge von beiden Sei- ten, das Beste sich leicht auffinden lassen müßte. Wegen des In- genieurs brauchen wir uns jedenfalls nicht zu sorgen. Wie sehr aber ein kluger Architekt die Vorschläge des Ingenieurs verbeut- lichen und versinnlichen kann, zeigt sehr zum Nutzen der Kon- struktionsarbeit von Breest   u. Co. der Entwurf von Hermann Jansen  , der eben darum der einzige ist, den man architektonisch ernst zu nehmen hat. Vor allem bewährt sich Jansen auch diesmal wieder als Städte- bauer. Es ist sehr vernünftig, wie er die Räume der Verwaltung und Ueberwachung, also das Zentralorgan des gewaltigen Jnsti- tutes, in die Mitte des ganzen Baukomplexes gelegt hat. Von dieser hofartig ausgestalteten Mitte aus recken sich nach links und rechts die ungeheuren, zusammen fast einen Kilometer langen Hallenbauten. Die beiden Hallen mit dem durch einen(freilich nicht überzeugenden) Turm betonten Zentrum wollen und können als eine architektonische Einheit empfunden werden. Diese Ab- ficht ist noch nicht vollkommen gelungen; aber, daß sie angestrebt wurde, hebt den Entwurf Jansens sehr entschieden über die vier übrigen Vorschläge hinaus. Es ist geradezu architektonische Blind- heit, sich solch eine seltene Möglichkeit, eine gigantische Baumasse einheitlich zu silhouettieren, entgehen zu lassen. Und selbst, wenn solche zusammenfassende Gestaltung, solch Hinausgehen über das Nacktnotwendige, um einiges teurer sein sollte als die rein der- nunftgemäße Konstruktion, so würde man sich dennoch dafür ent- scheiden müssen; denn Architektur ist mehr als reine Rechnung. Auch die gothischen Dome waren ein Hinausgehen über die kon- struktive Notwendigkeit. Man verstehe das recht: nicht ornamen- tales Scherzwerk, nicht bloßes Hinzutun schaler Architekteneinfälle wivd verlangt, wohl aber eine Ausprägung und. Sichtbarmachung des Geistes, der die Aufgabe regiert. In solch einer Markthalle, die den Riesenleib einer Weltstadt versorgt, mutz etwas von dem Rhythmus dieser großen Stadt zu spüren sein. Jansen hat hier- von Witterung; ob er aber wirklich solche profane Monumentali- tat zu leisten vermag, läßt sich nach dem vorliegenden, immerhin erst tastenden Versuch noch nicht sagen. Es heißt, daß mit dem Bau der Markthalle möglichst bald be- gönnen werden soll. Darauf ist zu erwidern, daß selten einlang- sam voran" mehr angebracht war, als gerade bei dieser Gelegen- heit. Die größten Hallenbauten des Kontinents macht man nicht im Handumdrehen! Der Fünferwettbewerb war der erste Schritt, nicht mehr. Nun, nachdem das Programmatische wesentlich beut- licher wurde, wird das Schöpferische sich entfalten können. Die beiden Herren aber, die das Berliner   Bauwesen leiten, der Baurat Krause für den Tiefbau, der Geheimrat Hoffmann für den Hoch- bau, können jeder Solneßfurcht ledig gewiß keinen anderen Wunsch haben als den, das Berliner   Stadtbild durch diese Markthalle um ein wirklich vollkommenes Bauwerk bereichert zu sehen. Darum: bevor mit dem Bau der Markthalle angefangen wird, müssen zu- nächst die wirklich produktiven Baukünstler Deutschlands  (und nicht nur die Berliner  ) befragt werden. Robert Breuer. Theater und Nuflk. Kammerspiele:Der Weibsteufel  ", Drama von Karl Schönherr  . Im Gegensatz zu AnzengruberS locker ge­fügten. dafür in der Ausmalung des Episodischen so glanzvollen österreichischen Bauerndramen tragen die seines Landsmannes Schönherr   das Gepräge energisch einheitlicher Konzentration.Erde  " wieGlaube und Heimat" waren auf je einen einzigen Ton ge- stimmt, der in den Abwandelungen der verschiedenen Szenen ständig wiederkehrt. Er zeichnet eleinentarische Naturen, die, mit ihrem triebhaften Empfinden tief in der ererbten Scholle und dem Heimat- boden wurzeln und ihre Art im Rahmen einer einfach gegliederten Handlung erschöpfend ostenbaren. Dort steht der trotzig harte Egoismus des lebenszähen Alien, der bis zum letzten Atemzug das Regiment auf seinem Bauernhof nicht aus den Händen geben mag, hier in dem historischen Schauspiel aus der Zeit der Gegenreformation der Seelenkampf, in dem gläubige Ge- wissen die schwerste Not, die Trennung von der Heimat ans sich nehmen, in dem Mittelpunkt. Auch das neue Stück zeigt wieder jenen Zug zur Einheit. Freilich in einer Steigerung, die bei einer weniger vollkommenen Darstellung als bei Reinhardt der Bühnenwirkung leicht gefährlich werden könnte. Fünf Akte hat das Schauspiel und nur drei Personen den Mann, sein Weib und einen Grenzjäger zählt der Zettel auf. Im engsten Kreis, kam Karl mit Einwänden, und der Alte ereiferte sich und sprach von der unfruchtbaren Opposition, die nie einen Fort- schritt hervorbringe. Dann schwieg Karl verwundert; und er lenkte behutsam ab, um den Vater nicht zu betrüben. Er wünschte, daß der Alte in Frieden verfallen sollte, ohne sich selbst unnütze Vorwürfe zu machen. An einem trüben Tage kam der Vater aus der Stadt zurück, wo er den ganzen Vormittag umhergeschlendert war. Er ging unruhig durch die Stube, gähnte und war ganz rastlos. Du langweilst Dich, Vater," sagte Karl.Es ist auch nicht amüsant, Krankenpsleger zu sein." Davon ist gar keine Rede. Aber ich weiß nicht, ich bin so sonderbar ruhelos. Ich habe immer das Gefühl, als bestände ich aus lauter leeren schubläden; das ist durchaus nicht angenehm, weißt Du." Auf dem Markt ist ein großes Kohlengeschäft abzugeben, kauf es!" Ja, das wäre eine Idee!" Er ging eifrig im Zimmer auf und ab.Obwohl nein, ich glaube doch nicht, daß mir das liegt. Du, ich bin in meinem Leben Geschäftsmann genug gewesen. Das heißt, die Sache interessiert mich noch sehr; aber all die tägliche Arbeit und Schererei nein, ich Hab doch keine Lust, wieder anzufangen. Obendrein in einem ganz neuen Geschäftszweig, der eine Menge Mühe erfordert, bis man sich eingearbeitet hat. Nein!" Ich bin jetzt auch bald so gesund, daß wir unsere Koffer packen können." Ja, Du hast weiß Gott   recht," sagte der Vater, während er mitten im Zimmer stehen blieb und zu Boden starrte, als ob er lauschte.Die Welt   zu durchreisen, das wäre nicht das Schlinunste, was einem auf seine alten Tage passieren könnte. Falls man es aushalten kann?" Er sah den Sohn von der Seite an. Dann trippelte er wieder umher, die Hände in der Tasche und mit nachdenklichem Ausdruck:Tja, tja! Es ist auch wahr, das hat man noch zugut." Er blieb am Fenster stehen und starrte in die Ferne:Glaubst Du denn nun, daß es da draußen wesentlich anders ist als hier daheini?" Nein, das mag wohl sein," erwiderte Karl lächelnd. Da siehst Du'sl" sagte der Vater eifrig.Daran kann es nicht liegen durchaus nicht. Ich habe gestern abend darüber nachgedacht: es ist nicht gerade die Vergangenheit selber, die ich vermisse, aber ich bin enttäuscht. Nun Hab ich mich viele Jahre lang darauf gefreut, ganz mir zu gehören und mit mir schalten und walten zu können, wie ich wollte, und nun ist alles nur leer, all das Begehrenswerte ist fort. der auf den Reiz jedweder Mannigfaltigkeit von vornherein der- zichtet, spielt sich VaS ländliche Ehedrama, dessen Ausgang der Zu- schauer überdies im Umriß schon nach dem ersten Akt voraus sieht, ab. Und dabei fehlen alle zarteren Seelenregungen, die den Vor- gang komplizieren würden. Die drei Figuren bewegt allein der dumpfe animalische Trieb. Und doch liegt in dem Stück, wie diese Aufführung gezeigt hat, eine'starke Wucht und eine Stimmung, deren leidenschaftlich heißer Atem au den Ein­druck der ZolaschenTherese Raguin" gemahnt. Mit den Strindberg- schen Frauengestalten, an die man gleichfalls denken könnte, hat Schönherrs spät zur Sinnlichkeit erwachtes Weib, das dann, un- erschöpflich an Verstellung, in zügellosem Taumel weiter rast, wohl die Teufelei gemeinsam; indes, das Bild das er entwirft, ist niehr Natur, hält sich von der anklägerisch erhitzten Natur, in der der Schwede die Frauen mehr heruntermacht als schildert, völlig fern. lieber die Vorgeschichte der Ehe zwischen dem kraftstrotzenden hübschen Bauernmädchen und dem gebrechlichen häßlichen Ge- sellcn, den sie zum Mann genommen Hai, gleitet Schönherr   mit wenigen, all zu wenigen Andeutungen hinweg. Was sie dem Bund geneigt gemacht hat, war seine Schlauheit. Sie scheint geglaubt zu haben, daß er's damit zu Wohlstand bringen werde. Und sie täuschte sich hierin nicht. Als Hehler einer Schwindler- bände in dem Grenzdorf häuft er seit der Heirat Taler auf Taler, Der Tag ist nah, wo sich der langgehegte stolze Zukunftstraum, das Gasthaus auf dem Marktplatze zu kaufen, erfüllen wird. Aber nicht bloße Berechnung kettet sie an ihn; es ist ihr lieb, den Kranken, der in dankbarem Pantoffelheldentum bewundernd zu ihr aufblickt, mütterlich zu pflegen, Als ihr der Mann erzählt, einer der Grenzjäger wolle mit ihr karessieren, bis er das Geheimnis, wo sie die Schmuggel- wäre bergen, herausgeholt, und er sie bittet, dem jungen Burschen zum Schein gefällig zu begegnen, braust sie in wilder Empörung auf. Es dünkt ihr schimpflich. Widerstrebend und mit glühendem Zorn gegen den Fremden willigt sie endlich in den Plan. Höhnisch empfängt sie den Grenzjäger. Aber bald reizt es sie, die Macht ihrer Schönheit auszukosten. Die raffiniertesten Tricks stehen ihr, der eben noch so schwerfällig Ungelenken, sobald ihr Blut entflainmt ist, zu Gebote. Haß und Begierde wechseln. Doch diese ist die stärkere Macht. Neben der Kraft, durch die der Junge sie bezaubert, erscheint ihr die kümmerliche Zwerggestalt des Gatten zum erstenmal abstoßend, flößt ihr Ekel ein. Heuchlerisch wiegt sie den endlich argwöhnisch Gewordenen, damit er sie im Testament bedenke, in Sicherheit und flüstert dein Liebhaber schwarze Mord- gedanken zu. Entsetzt prallt der zurück. Er will sich losreißen. Aber bei einem letzten Besuch weiß sie die Eifersucht der beiden Männer so zu stacheln, daß sie ins Handgemenge geraten; der Jäger wird im Rausch der Leidenschaft wirklich zum Mörder ihres Mannes. Mag er die Tat doch im Gefängnis büßen, lvas kümmert sie's? Sie ist nun frei und will genießen. ES gibt noch mehr der schönen. starken Burschen. Sie weiß jetzt, rühmt sie sich, wie mit dem Manns- Volk umzuspringen ist. Lucie Höflich   füllte die Gestalt mit intensivstem Leben. Die Hemmungslosigkeit der einmal aufgerufenen Instinkte, die ruchlos verwegene nachtwandlerische Sicherheit, mit der sie vorwärts schreitet auf der erwählten Bahn, kam zu frappantem Ausdruck, und überall klang dabei auch im verschlagendstcn Verhalten der linterton bäuerlich bornierter Primitivität mit an. Ebenbürtig stand ihr Pallenberg in der Figur des ver- schrumpelten, gerissenen Gatten gegenüber. Auch der kleinste Zug in dem Porträt war sprechend, und durch alle Widerwärtigkeiten des Körpers und der Seele schimmerte etwas Rührendes, das für den armen Schelm um Mitleid warb. Nur Herr H a r t m a n n schädigte stellenweise die Wirkung durch ein Uebertreiben des Kraftmeiertums in der Person deS jungen Grenzjägers. Der Applaus war lebhaft.' ät. Theater des Westens:Die Land st reicher" von Karl M. Z i e h r e r. Wenn die Absicht bestand, die ältere deutsche Operette wieder aufleben zu lassen, so konnte ein Zurückgreifen auf ZiehrersLandstreicher", als eines seiner frühesten Werke übrigens kein Mißgriff sein. Und der durchschlagende Erfolg bestätigte eine günstige Meinung, die man allenfalls haben mochte. Zunächst ist das Libretto als eine sehr gelungene Kompagniearbeit der Herren Krenen-Lindan zu bewerten, obgleich die Handlung zum Schluß ganz wo anders hinausgeht, als wie man erwarten darf. Denn das eigentliche Landstreicher- richtiger Hochstapler» milien bleibt nur im ersten Akt gewahrt. Wir kennen dies Milieu freilich ans NestroysLumpazivagabnndes" und Johann von StraußensFledermaus" zumal den permanent sternhagel- voll besoffenen Gerichtsdiener. Indes hat der Text eine gute Seite: er ist fast durchgängig von echtem, manchmal allerdings auch Übel Ich kann mich nicht einmal daran erfreuen, denn ich vergesse fortwährend, wie unerträglich die alten Verhältnisse waren, und ich muß mich jeden Augenblick selber daran erinnern. Und sie waren ja doch ekelhaft und unleidlich nicht wahr? Darüber waren wir uns doch einig. Was?" Karl nickte mechanisch. Die Befreiung bedeutet ja reinen Tisch," fuhr der Vater fort.Jeder Winkel in einem ausgefegt und gereinigt, nicht wahr? Aber ich bin zu alt dazu, mir selber neuen Inhalt zu geben. Als das Alte mir als Brille diente, konnte ich das Neue sehen und mich daran erfreuen und mich danach sehnen; ja, Du, ich bin wie einer, der seine Brille verloren hat und überhaupt nichts mehr sehen kann. Darum vergesse ich so leicht, wie die Vergangenheit war, und wünsche mich in sie zurück nicht um ihrer selbst willen. Eine Brille ist doch besser als gar nichts." Ehelicher Muff! Hausfreunde und Duldsamkeit! Ver- worrene Sittlichkeitsbegriffe! Liebe zuni Neuen, hübsch ge- paart mit Respekt vor dein Alten! Gut bürgerliche gewichtige Taten und Anfrührerideen unter der Bettdecke!" Karl sprach langsam und leidenschaftslos, als ob er aus einem Katalog vorläse.Heirate, Vater, und alles andere soll Dir gewißlich zuteil werden. Tu und Deine Generation ver- tragen es ja doch nicht, in Wirklichkeit zu siegen; aber heirate, und Du kannst in der Idee wieder jeden Tag, jede Stunde siegen! Heirate, lieber Vater, damit Du Dein ideales Leben wieder in den Wolken sehen kannst!" Der Vater blickte ihn lange an.Jetzt wirst Du boshaft," sagte er und ging zu Dortea Hansen hinunter. Aber Karl war durchaus nicht boshaft. Es durch- schauderte ihn von Zeit zu Zeit bloß eiu wenig, während er am Fenster saß und in die schwere, bleigraue Luft hinaus­schaute, wo die Schwalben auf und ab sagten, sich im Fluge mit deni weißen Bauch nach oben wandten, sich trafen und trennten und sich wieder trafen bei ihrer ruhelosen Paarungsjagd. .Während er so dasaß und starrte, gewahrte er Aage, der über die Wiesen kam, eine Angelrute über der Schulter. Er ging in der Richtung auf das Haus zu und war wie gewöhn- lich mit etwas Ueberflüssigein beschäftigt; auf seinem Wege über die Felder stieß er mit dem Fuß an die frischen Maul- Wurfshügel, so daß die Erde umherflog. In einem Mund- Winkel hatte er eine kleine Tonpfeife. Karl hörte ihn die Füße unten auf dem Flur abtreten und die Treppe heraus- kommen.(Forts, folgt,).