I

Nr. 92. 1915.

-

Unterhaltungsblatt des Vorwärts

Die Waldstadt an der Front.

Der Kriegsberichterstatter des schwedischen Blattes Dagens Nyheter " auf dem öftlichen Kriegsschauplats, Bengt Berg , der sich zurzeit am Dunajec befindet, jendet seinem Blatte die nachstehende Schilderung, die uns besonders interessant erscheint, weil sich in ihr zum ersten Male ein Neutraler eingehend über die Leistungen der deutschen Pioniere ausspricht.

Die Redaktion.

Mittwoch, 21. April.

Hause die Fenster aufzureißen und die Scheiben zu pußen? Oder große Mörser zu sprechen begann, Und von welcher Niederlassung Diele und Tische zu scheuern und jahrzehntealte Spinnweben von hinterm Walde um die Dämmerung der Feuerschein kam, und der Wand zu fegen? Alles dies aber haben hier die Mädchen für wer seit gestern abend gefallen ist.. alles", die Pioniere, getan. Wo sie Tische und Bänke vorfanden, Hat es dann womöglich einen getroffen, den wir kannten, oder die altersschwach und wackelig waren, haben sie solange an ihnen von dem wir sonst irgendwie gehört hatten, so wird es wohl eine geleimt und herumgehämmert, daß sie nun noch mindestens für Weile merkwürdig stiff, bis schließlich der General oder der Major ein paar Generationen haten. Wo sic keine Häuser vorfanden, oder ein stilles Wort des Gedenkens und des Bedauerns sagen. Dann aber nur solche, an deren Wohnlichmachung sic selbst verzweifeln ist es für diese Stunde scheinbar vergessen. Weiß denn auch mußten, da sind sie kurzweg in den Wald hinaufgestiegen, haben jemand, wer morgen fällt, und von wo der Feuerschein morgen eine Anzahl Stämme gefällt, und gesägt und gehobelt und gebaut, aufloht? Niemand. Womöglich gar von unseren eigenen Häusern, daß es allein schon eine Freude war, ihnen zuzuschauen. die wir selbst gebaut haben....

Schlägt eines Tages aber auch wirklich mal eine Granate cin was schert uns das? Wir fällen und legt unser Haus in Asche den nächsten tauglichen Baum und bauen ein neues neben die Trümmer! ( Deutsch von W. P. Larsen.)

Berliner Ausstellungen.

Wo das Gebirge in Tal des Dunajec allmählich in eine sanft­Sie haben jedoch nicht allein für die Menschen gebaut, son­gewellte Hügellandschaft übergeht- dort liegt unsere Waldstadt dern in gleichem Maße auch für das Vieh und ihre Vorräte, und im Schuße der drohenden Batterien. Ich entdeckte sie eines Abends, zwar nicht etwa Baracken, durch deren Dachrißen die Sonne scheint als ich durch die letzten Ausläufer der Karpathen herabgefahren und der Regen klatscht, sondern regelrechte solide Blockhäuser mit kam, und nichts von der Welt hätte mich zu bestimmen vermocht, abgedichteten Fugen in Wänden, Fenstern und Türen. War eine in dieser Gegend zu verweilen, wenn ich nicht auf die deutschen Wand besonders dem Bergwind ausgefeßt, so wurde vor ihr noch Broniere gestoßen wäre. Und da ist es nun wahrhaft herzerquickend eine zweite Schußwand aufgerichtet und mit Zweigen, Laub und zu sehen, daß es inmitten aller Verwüstung, die der Krieg mit sich allem möglichen Material aufgefüllt, das geeignet ist, die Kälte bringt, da die Felder und Weinberge gerstampft und niedergetreten von außen abzuhalten. Sie schlagen auch nirgends den Hausrat zu werden und die Granaten die Dächer der Ansiedelungen im sammen, um ihn als Brennmaterial zu benußen, sondern sammeln Fluge vor sich herfegen, daß es in einer solchen Zeit immerhin beim Holzfällen im Walde oder in freien Stunden sorgfältig alle Bei Friz Gurlitt( Potsdamer Straße 113) ist der zweite Teil doch noch Menschen gibt, die nicht nur niederzureißen, sondern auch este und Zweige auf, die sie der Feuchtigkeit wegen stets erst der Ausstellung Deutscher Meister aus Privatbesik wieder aufzubauen verstehen; Menschen, die nicht um einen Tages einige Tage am Herbfeuer trodnen. zu sehen. Je 35 Arbeiten von Louis Corinth und Max John arbeiten, sondern samt und sonders, Offiziere sowohl wie Ich wohne in einem solchen Blockhaus im Walde, etivas ober- Biebermann. Man empfängt einen starken Eindruck von dem Soldaten, in den wenigen freien Stunden der Kampfespausen halb der eigentlichen Stadt, bei einem deutschen Pionierhauptmann. Rebenswert und der bewußten Entwickelung dieser beiden Waler; einzig von dem Bestreben geleitet sind, ein Stüd Band bewohnbar der jich mit einigen wenigen Mann sein Haus in zwei Tagen man stellt zugleich feit, daß der Vorwurf, die deutschen Sammler zu machen, das es sonst vielleicht nie wieder geworden wäre, und gebaut hat. Es ist nicht sonderlich lang und nicht sonderlich breit, wären durch die Kunsthändler zum unentwegten Einkauf von Fran durch die Tat, nicht durch Worte, zu erweisen, wer es in Wahrheit und alles, was darin ist, wurde an Ort und Stelle zusammen- 30sen und anderen Ausländern verführt worden, cine Uebertrei­ist, der gerade hier im Osten für die Kultur eine Lanze bricht. gezimmert, aber es ist wohnlich und so hoch, daß wir sehr bequem bung ist. aufrecht darin stehen können. Zwei Schlafpritschen, eine über der Im ersten Augenblick möchte man es für ein Wagnis halten, Bevor die deutschen Pioniere in die Gegend kamen, war unsere anderen, nehmen etwa ein Viertel des Raumes ein; vor dem Corinth neben Liebermann gehangen zu ſehen; man ist aber bald Stadt wohl eine der allerelendesten in ganz Galizien , was doch einzigen Fenster ist aus einem breiten, soliden Brett ein Wand.berrascht, wie achtenswert der lezic Nachfolger des Rubens neben dem intellektuellsten Wegbahner des Impressionismus besteht. Die Hütten mit zerschliffenen Strohdächern, zum Teil mit Bretter- tisch angebracht und vor diesem prangt ein in einer freien Stunde große Corinth - Ausstellung, die vor einigen Jahren Cassierer ge­gezimmerter derber Lehnstuhl. Unter der Dede bergen mehrere macht hat, ließ befürchten, daß die dekorativen Tendenzen, das verschlägen anstatt der Fensterscheiben, und mit Türen, gerade 28andbretter allerlei Vorräte, eine große, an der Wand fest- Marfarthaftige und die Neigung, Bilder im Atelier zu stellen, wie so hoch, daß eine Kuh sich zur Not hindurchzwängen konnte. In gemachte Kiste ist ein Schrank, und unser Ofen, der den ganzen das Corinth als ein verfappter, wenn auch fleischlich emanzipierter in frieblicher Eintracht zuſammen inmitten der von den Vorfahren ag über brennt, heist ſo prächtig, daß das schmale Schornstein. Nichermann mit ofatomilder Witterung unb einer organifaturi­rohr vor Gifer oft rotglühend wird.

-

überkommenen Misthaufen, bis die Hütten einzufallen drohten, und die Höfe sich in Jauchtümpeln verwandelten bis ein gütiges Geschick ihnen die deutschen Pioniere sandte, die unverzüglich zu bauen, abzuleiten und auszufehren begannen und aus der elende sten aller galizischen Riederlassungen nach Ablauf von einigen Wochen eine bewohnbare Stadt gemacht hatten, aus der heutzutage felbst die Spuren der Russen wieder verwischt sind, die zu dem galizischen Schmuß auch noch den russischen hinzubrachten und im übrigen alles furz und klein schlugen, um sich Brennmaterial zu beschaffen.

Es geschehen Zeichen und Wunder: nun ist selbst in diese Gegend, was wohl nie ein Mensch für möglich gehalten hätte, eine gewisse Ordnung eingezogen, ein geregeltes Leben mit einer ge­regelten Arbeit, von der hier früher anscheinend niemand eine Borstellung besessen hat. Die Arbeit wird selbstverständlich mili tärischerseits bezahlt, und man hat die Einwohner mit der Zeit zu allem herangezogen, wozu man sie gerade brauchte, und selbst wenn es keine sonderlich dringenden Arbeiten gab, stets darauf gesehen, daß sie irgendeine Art von Beschäftigung hatten, die, ob fie nun Wege ausbessern oder für den Train allerlei Lastfuhren besorgen, noch immer mehr einbringt, als sonst eine Arbeit zu Friedenszeiten in dieser Gegend eingebracht hat. Was jedoch mit die Hauptsache ist, die Bevölkerung hat während dieser Zeit von den Pionieren geelrnt, daß ein tüchtiger Arbeiter im Laufe eines Tages eine Summe von wertvoller Arbeit zu leisten vermag, die hier früher niemand für menschenmöglich gehalten hat.

Malerei ist.

anatomischer

hin, über den eine Brücke führt, unter der ein Heuwagen gut und alle turbulenten Szenen, den ganzen populären Corinth fortlieb Ein paar Steinwürfe weit unter uns schlängelt sich der Weg schen Fähigkeit fondergleichen der Natur entreißt, ungünstig wirken müßten. Da Gurlitt aber mit fluger Stritit alle großen Formate, gerne hindurch kann. Sie liegt jest ancheinend völlig sinnlos da, und nur Bilder aufhing, auf denen die Malerei das Juustrative benn alles im Umkreis ist knochenhart gefroren und sämtliche Wege überwiegt, so steigt der Gesamteindrud, den wir von dem Maler der sind überdies nach allen Zeilen der Front hinaus mit Holzboblen Salome und anderen Theatralifen haben, wider alles Grwarten; belegt; aber es hat auch schon andere Zeiten gegeben, da die Wege es zeigt sich, daß Corinth , wenn er vom literarischen Ehrgeiz ab­so grundlos waren, daß die Wagenräder völlig in ihnen versanten, sieht, und die Natur über sich kommen läßt, durchaus ein Hand­und da entfchloffen sich die Pioniere furzerhand, um schneller her- werksgenosse der modernen, die Effenz der Wirklichkeit suchenden über und hinüber zu gelangen, diese Brücke zu bauen. Auch in der alten Stadt unten stößt man vielfach auf Anders deutlich, wenn man ihre Selbstbildnisse miteinander vergleicht. Der Unterschied zwischen Corinth und Liebermann wird bejon bauten an die Häuser, wo sich solche als notwendig erwiesen haben, Corinth stellt sich breitbeinig neben ein Totengerippe, oder er um während wir hier oben ja sozusagen eine ganze Stadt aus neuen armt in einem übermütigen Erinnern an Rembrandt und die Blockhäusern bewohnen. Das vornehmste unserer Stadtviertel ist Gastia ein Modell, das er obendrein zur Steigerung des Künstler­unstreitig das der Flieger, das am weitesten oben liegt; bort besteht festes von allem Ueberfluß an Kleidern befreite. Liebermann bält jedes Haus aus mehreren Räumlichkeiten mit besonders angebauter sich von derartigen Effekten und romantischen Sentimentalitäten Küche, und die Bauern aus der Stadt unten kommen zu diesem fern; er malt fid) in gepflegter bürgerlicher Kleidung als einen Dorado hinaufgepilgert und starren es mit offenen Mündern und wohlhabenden Berliner oder im Arbeitsgewand, in einem Leinen­Augen an, denn sie haben es sich niemals träumen lassen, daß mantel, den man auch für die Uniform eines Chirurgen nehmen jemand so fabelhaft vornehm wohnen kann. fann. Corinth will, wenn er sich selber darstellt, den Maler im Schlapphut, den Künstler jenseits von gut und böse, den lebens­An sonnigen Tagen, wenn die Sonne in den Hochwald fällt, frohen Gesellen aller jener verschwenderischen Meister der unge­leuchten an unserem Häuschen in ihren Strahlen lustig die bli bundenen Renaissance herausstreichen; Liebermann betont, daß er blanken Scheiben; tommt jedoch der Abend, so leuchtet von innen ein Arbeitsgenosse der Technifer, der Herzte und Chemiker, und eine wärmende Glut, und bisweilen steigen hier und da kleine zwar auf eine besonders feinnervige und sinnenscharfe Art ist. Das Funkenschwärme aus den Schornsteinen, wenn die Mannschaften berbe, breite, vollblütige Gesicht Corinths zeigt uns einen Opti­gerade dabei sind, ihr Nachtmahl zu bereiten. misten, der noch daran glaubt, die Welt als ein Genießer und Sieger beherrschen zu können. Das schmale, scharfgeschnittene Gesicht Liebermanns mit den mißtrauisch und spöttisch ſchenden triumphiert, sondern es als ein Verstehender erleidet. Corinth Mugen verrät den Skeptiker, der über das Leben nicht als Held fender Pfeife zu besprechen, was es Neues gibt. Was die russischen posiert ein wenig den Kraftmenschen; Liebermann hält sich zurück, Batterien weit drüben südwärts suchten, als sie sich um die Mittags- die elastischen Ströme seines prüfenden Geistes pulſen unter einer zeit glühend schossen. Und was der Flieger gesagt hat, als er fühlen, neutralisierten Oberfläche. Diese Trennung der Persönlich auf zweitausend Meter emporgestiegen war, und bald darauf der feiten kennzeichnet die Werke: Corinth will immer einiges mehr, heiße Hand auf meinem Haar ruhen lassend, sagte er zärt- meine Eltern mich zu ihren Freunden, einem alten Ehepaar lich: Mein Töchterchen! Erst erzähle Du mir was hast Du heut getrieben?"

Um diese Stunde geschieht es zumeist, daß wir uns, eine Welche Leistungen haben die Pioniere aber auch hier, sozusagen Handvoll Männer, in einem der größten Häuser versammeln, um mitten auf dem Schlachtfelde vollbracht, und wieviele scheinbare mitsammen das Nachtmahl einzunehmen und hintenach bei damp­Belanglosigkeiten sind darunter, an denen ein anderer womöglich achfelzuckend vorbeigegangen wäre, in denen ich jedoch gerade wieder einmal die deutsche Gründlichkeit erkenne. Wer denkt sonst so ohne weiteres mitten im Kriege daran, in einem fremden

2]

Vom Weg meiner Jugend.

Von Clara Viebig .

-

- Landgerichtsrat Mathieu ein Jahr nach Trier , wo sic vor Düsseldorf gelebt und wo ich geboren worden war, in Pension taten. Mein Vater wurde immer fränfer, meine Mutter war immer befümmerter um ihn bemüht, unser Haus war fein Haus mehr, in dem ein junges Leben sich sorglos entfalten fonnte. Und sie wollten mir doch Sonne geben, die Sonne einer so unbekümmerten Lebensfreudigkeit, wie fie dem guten Onfel Mathieu aus jedem Fältchen seines humor. vollen Gefichts lachte, ous jedem schalkhaften Buden seiner Mundwinkel bligte. Wie sehr habe ich diesen Mann geliebt! Wenn ich jetzt durch die Straßen meiner alten Vaterstadt Trier schreite, ist es nicht die einst versunkene und wieder auf. erstandene Größe der römischen Baudenkmäler, die mich mit einem Schauer der Ehrfurcht überrieselt; nicht die sanfte Lieblichkeit der blauen Mosel, nicht die malerischen Formen der roten Felsen, hinter denen die Eifelberge grünen, be­wegen meine Seele mein Herz ist hier weich und liebevoll, weil es an Onkel Mathien denkt. Hier bin ich einst neben ihm hergeſchlendert, hier sind wir Hand in Hand die Mosel entlang gewandert, hier sind wir in die Eifelberge hinaufgestiegen. Wie hat es mich oft gepackt da oben, damals als junges Ding, daß ich mich am grünen Rain niederwarf und laut jauchzte, so laut, daß die Einsamkeit wieder jauchzte! Noch sehe ich das eigentümliche Schmunzeln um den Mund des alten Herrn, wenn ich, vor Lust mich nicht zu lassen wissend, wie berauscht von Weinach, wir hatten doch gar keinen getrunken, nur Quft, Seimatluft, Moselluft, Eifelluft- mich stammelnd an seinen Hals warf: Ich bin so glücklich!"

Wie hätte ich etwas verschweigen können?! Vor dem Blick dieser tiefen, blauen, entrüdten Augen gab's fein Ge­Ich habe dann mein heimliches Glüd doch nicht allein für heimnis. Und immer fand ich Verstehen, Verzeihung, ein. mich behalten können. Zuerst erzählte ich der Nachbarstochter gehendste Liebe. Unter dem kaum fühlbaren Drud dieser mageren, trodenen, fiebernden Finger glättete fich mein oft davon, und als diese hoch und heilig versprach, mich nicht zu gar wirres Denken. Und die kindische Unruhe eines jungen verraten, las ich ihr an einem verschwiegenen Ort aus dem Buch der Lieder vor. Ich las mich in einen Rausch hinein, Herzens, das so hastig schlug, das so viel wollteach, viel zu biel! ging unter im Frieden einer abgeklärten Resignation. und auch sie wurde davon mitergriffen. Ob wir alles ver. Es mögen wohl Worte der Weisheit gewesen sein, die der standen haben? Ich bezweifle es; aber etwas hatten wir weißhaarige Mann zu dem blonden Kinde gesprochen hat. Ge­ficher verstanden: die Musik der Verse, den föstlichen Wohl- scholten hat mich mein Vater nie; ich habe ihm alles ge­laut. Und ein Respekt fam mich an vor solchen Versen standen, jede Unart, jeden trozigen Gedanken, er hatte immer wo solch ein Dichter gedichtet hatte, durfte da noch jemand ein mildes Nicken dafür, und als ich ihm von Heine sprach, da anderes dichten?! hat er fein gelächelt: Noch etwas früh, mein Töchterchen! Solcher Respekt hat mich mein Leben lang nicht verlassen. Aber der Vorteil ist größer als der Nachteil. Lies Du nur, Ich habe immer eine ehrfüchtige Schen vor der Kunst gehabt, lies!" Und das machte ich mir zumute. Was half es, daß so daß es lange, lange gedauert hat, bis ich mich selber an sie meine Mutter wehrte, daß sie schalt über die ewige Leserei", herantrante. Die Jugend ist mir fast darüber hingestrichen, ich hatte den Vater zum Verbündeten. denn was ich als junges Mädchen heimlich erdachte und nieder­schrieb, das ist auch heimlich geblieben; ich habe es zwar noch Neben uns wohnte ein alter Mann, Herr Meuser, ein nicht verbrannt, es liegt ganz hinten in einem Fach meines Kohlenhändler; ganz plöglich auf einer Geschäftsreise hatte Schreibtisches, aber ich lasse es niemanden lesen, und wenn ich ihn der Schlag getroffen. Nun saß er finster und unbehilf felber einmal hineinblicke, dann klappe ich geschwind wieder ich in seinem Sorgenstuhl, und all die vielen Bücher, die er fich in seinem Leben zusammengetragen hatte, bald hier, bald zu und sage mir: doch gut, daß nicht alles gedruckt wird! Der Vater hat es nicht mehr erlebt, daß die Tochter da- ohne Wahl fonnten ihm die Langeweile nicht ver­Schriftstellerin geworden ist. Ob er sich wohl darüber gefreut treiben. Er war ja blind, blind; um ihn undurchdringliche hätte? Ich glaube es. Er hatte einen freien Geist, einen Diese Eindrücke sind die Keinte für meine ersten Eifel­Geist, wie man ihn nicht allzu häufig in den engen Schranken Kommst Du, mein Auge?" fragte er erwartungsvoll, geschichten gewesen. Onfel Mathieu war Untersuchungs­preußischen Beamtentums findet; einen Geist, der stark war wenn die Tür leise knarrte; und sein finsteres Gesicht hellte richter; wenn er mit seinem Sefretär auszog, um Tatbestände in einem schwachen Körper. Ich erinnere mich meines Vaters sich auf. aufzunehmen, um Obduktionen beizuwohnen, so zog ich mit nur als eines franken Mannes; den hageren Körper ein Ich war schon am Bücherschrank. Und dann las ich ihm aus, das heißt, man fegte mich in irgendeinem Wirtshaus ab wenig borgeneigt, hatte er in den tiefliegenden blauen Augen vor, ohne Wahl, wie es gerade kam: Eugen Sue , Lord Lytton und empfahl mich der Obhut der Frau Wirtin. Es dauerte oft unter der hohen Stirn ein Leuchten, das nicht mehr von Bulwer , Flygare Carlen und Honoré de Balzac , Walter Tange, bis die Herren ihre Geschäfte erledigt hatten, aber mir dieser Welt war. Ein stiller und ernster Mann. Einen fröh. Scott und Victor Hugo Gott weiß was noch alles! In wurde die Zeit nicht lang. Wirtinnen sind meist gesprächig, lichen Bater habe ich nie gekannt, und doch hat dieser ernste miserablen leberiegungen, in einem Deutsch zum Erbarmen. fie wissen zu erzählen; und ich wußte zu fragen. Mann mit dem schneeweißen Haar sein junges Kind so gut Es stand viel Minderwertiges in diesem Bücherschrank; In den kleinen Eifelgärten, wo wild durcheinander Un­verstanden. Das beste meiner Kindheit waren die Stunden, neben dem Guten das Schlechte, neben dem Schönen das An- kraut und brennende Liebe, Kartoffeln und Sturmbut, Feuer­die ich bei ihm verbringen durfte. stößige. Ich habe das Anstößige nicht gefühlt; mit eintöniger lilien und Nachtschatten wuchern, hörte ich manche Geschichte Kinderstimme schnatterte ich darüber hinweg. O, wie recht von Liebe und Haß, von fromment Gelübde und verbreche­hat mein Vater gehabt! Das Lejen hatte gewiß einen Nach- rischer Schuld, von Wallfahrtswundern und gebrochener teil, einen großen Nachteil, ich las mich fast frank, aber der Treue, von Sabgier, von Mizgunst. Wie draugen in der Vorteil war doch noch größer. weiten Welt, so war's auch hier in der Einsamkeit. Nur dog die Leidenschaften hier gewaltiger wachsen, fie wachsen unge. zügelt, fie werden riesengroß. ( Forts. folgt.)

Nacht.

--­

Dämmerung war's, die Aften waren abgetan, er hatte fich in dem kleinen Arbeitszimmer müde aufs Sofa gestreckt. Ich fauerte auf dem gestickten Teppich vor dem Sofa und hatte dem Vater beide Arme auf den Schoß gestreckt: Erzähl mir was!" Dann legte er die Offenbarung Johannis, in der Vom blinden Herrn Meuser her stammt meine erste Be­er viel zu lesen pflegte, beiseite, und seine magere, ach, oft so kanntschaft mit der Weltliteratur. Und die setzte ich fort, als