Hr. 122.- 1915. Unterhaltungsblatt öes vorwärts Freitag, 28. Mai. hier mitleilen. Ganz oben Mißdeutung des Zwecks des auszuschließen, in besonders Direktion führt eine Dame, Wandertheater. Von Leo Heller  . Im Dorf wird Theater gespielt. An den Mauern der Häuser und Scheunen, an den Laternenpfählen und Wegweisern, die auf die Straßen ins Gebirg hinausdeulen, kleben die Komödienzeltel, und die gar nicht wortkarge Kaufmannsfrau erzählt mir, daß die Schau- spieler sich schon wochenlang im Ort aufhalten, daß es brave und anständige Menschen seien, die keinem was zu leid tun, und daß sie sein gut Komödie spielen. Nur schade, daß sie keine besseren Ge- schäft'e machen, aber die Kriegszeiten sind halt schwer und hart, und wenn die Leute etwas übrig haben, dann geben sie's nur ungern sür's Theatergehen aus. In der Großstadt glaubt man, daß die reisenden Theatergesell- schaften so gut wie�ausgestorben sind, und daß Bühnenleiter vom Schlage Emanuel Strieses nur noch in der Mythe fortleben. Und nun stand ich vor einem Theaterzettel, der mir schwarz auf weiß bekundete, daß die schmiere in der Großstadt nur fälschlich tot- gesagt wird, daß sie nicht nur lebt, sondern sich auch des besten Wohlgedeihens erfreut. Was ich hier las, gönne ich auch anderen zu lesen. Darum will ich den Inhalt des Anschlagzettels steht, wahrscheinlich um eine Unternehmens von vornherein fetter Schrift: Theater. Die als Leiter des Unternehmens aber erscheinen ihr Ehegemahl und ihr Schwager. Unter dem Strich, der Firma und Namen der Lenker des Thespiskarrens vom übrigen Wonlaut der Ankündigung trennt, steht ein Gedicht: Der Dichter an seine Jugend:Sag mir das Wort, das so oft ich gehört; lang lang ist's her, lang lang ist's her. Sing mir das Lied, das dereinst mich betört; lang lang ist'S her. Lang lang ist's her." Und dann:Novität! Im k. k. Hoftheater in Wien   über 200 mal aufgeführt. Repertoirstück aller großen Bühnen. Hier noch nie ge- sehen. Jugend. Drama in 3 Akten. Meisterwerk von Max Halbe  ." Dem Personenverzeichnis, das bis auf eine Ausnahme, nur Namen enthielt, die der Direktor seinen Kindern über dem Tausbecken gegeben hat, folgt der gestrenge Vermerk:Kinder unter 14 Jahren haben zu dieser Vorstellung keinen Zutritt". Aber gleich- sam wie selbst erschreckt über den kategorischen Ton dieser Verordnung fährt die Direktion fort:Verehrungswürdige! In diesem neuesten Werke beweist der Autor, daß er der berufene Schilderer seelischer Eni- Wickelungen und seelischer Konflikte ist; was seinem Meisterwerk Jugend den Hauptwert verleiht, ist, daß es der Verfasser verstanden hat, dos heikelste und kleinste der Menschenseelen mit voller Klarheit zu schildern; den Gedanken, die Tat, das Kolorit, die Kunst des Autors, Stimmung zu erwecken, vornehmlich die brillante Technik des Stückes erwecken warme Teilnahme. Die Steigerung wächst von Alt zu Akt und hält bis zum Schluß die Gemüter in äußerster Spannung. Wir haben keine Kosten gescheut, um dieses neueste Werk anzukaufen und hoffen, unsere Bemühung, Ihnen auch das neueste nicht vorenthalten zu wollen, durch zahlreichen Besuch belohnt zu sehen. Dies wünscht die Direktion, in deren Wohnung der Karten-Vorverkaus für sämtliche Vorstellungen stattfindet." Von den Preisen der Plätze wird erzählt, daß ein Sperrsitz eine Krone, der erste Platz 70 Heller, der zweite 50 Heller und ein Stehplatz 30 Heller kostet. Ich pries mein Schicksal, daß es mich gerade an dem Tag in das Dorf geführt hatte, an dem Halbes MeisterwerkJugend" zur Aufführung gelangen sollte. Nicht, als ob der Spielplan des Theaters nicht noch andere Stücke umfaßt hätte, die des Ansehens unwürdig gewesen wären. Ich bin davon überzeugt, daß das SchauspielDon Cäsar oder König und Lautenschlägerin" mit seinen zehn Gesangsnummern oder das TrauerspielManuela oder Die Rächerin ihrer Mutter", fernerEmilie oder Das Ehebruchsdrama im Forsthaus"(Auch hier haben Kinder unter vierzehn Jahren keinen Zutritt) nickt minderStimmung und warme Teilnahme" zu er- loecken imstande find, dieJugend" aber gehört zu meinen besonderen LieblingSstücken. Und darum überlegte ich es mir keinen Augenblick, die Wohnung der Direktorin zu erfragen, um mich mit einer Einlaß- karte für das Theater zu versehen. Ein junges Mädchen unterrichtete mich davon, daß die Frau Direktorin in derMorgenröte" wohne. Dort fand ich sie auch in Gesellschaft zweier ihrer' Töchter, von denen die eine Geige spiclie, während die andere Papierwickel in ihre blonden Haare flocht. Die Prinzipalin der Truppe beschäftigte sich mit einem Teller dampfender Kartoffelsuppe, deren Duft sich über die Schwelle des Gemachs ver- breilete, um die ganzeMorgenröte" zu erfüllen. Als ich ein- getreten war, hatten die Töchter Geigenspiel und Lockenwickeln unterbrochen. Verzeihen Sie die Störung," sagte ich höflich. Worauf die Direktorin in klassischem Deutsch erwiderte:Hat nischte zu bedeiten." Geschmeichelt rückte ich mit meinem Wunsch heraus. Ae Sparrsitz wulln Se? Josefine, gib ock den Harrn ä Sparrsitz. In dar arst'n Reihe, da kenn' Se nämlich am scheensten sahn'n." Der Herr Direktor nicht zu Hause?" Nee, dar is Requisiten zuholn gegangen." Wird es heute abend gut besucht sein?" Nischte ward sein! Zeit werd'S zum Aufhängen! De Leit hon keen Gald nich. Wenn ich nock'ch af die Biene spring' mecht, kam se ock noch nich. Ich donk ock scheen..." Sie nahm meine Krone in Empfang, spuckte auf die Münze und verbarg sie sorglich in einer Zigarrenschachtel. Dann machte sie sich wieder über ihre Kartoffelsuppe her. Um acht Uhr sollte die Vorstellung beginnen. In dem Saal, in dem jetzt Thalien gehuldigt wird, finden zu gewöhnlichen Zeiten Tanzunterhaltungen statt. Bis vor wenigen Wochen waren in ihm galizische Flüchtlinge einquartiert gewesen. Ein Viertel des Raumes gehört der Bühne. Aus dem Vorhang ist die bekannte Göttin zu sehen, die sich stets in stark ausgeschnittenem Zustand zu zeigen pflegt. Mitten vor dem Vorhang steht der Ein- sagekasten. Als wichtigster Teil der Bühne ist er besonders groß geraten und ganz mit grünem Papier überklebt. Wie ich später wahrnahm, scheint er aber trotz seiner Geräumigkeit bloß als Zier- stück zu dienen, denn er bleibt während der Vorstellung unbewohnt: der Einsager steht hinter einer Kulisse. Werden die Pausen im Dialog allzu empfindlich lang, dann steckt er seinen Kopf auf die Bühne und spricht an Stelle der Schauspieler, die den Text ver- gessen haben. Ich war der erste Theaterbesucher. Außer mir befanden sich nur zwei Menschen im Saale  : der diensthabende Feuerwehrmann, der einen Stehplatz inne halte, sich aus die Rampe stützte und an Asthma zu leiden schien, und die Platzanweiserin, die wohl die Groß- mutter des Direktors war. Ich wurde äußerst liebenswürdig empfangen und zu meinem Vergnügen recht weit vom Orchester gesetzt. Nun saß ich da und studierte den Vorhang. Mittlerweile waren die Darsteller erschienen, die sich durch den Saal hinter den Vor- hang begaben. Der asthmatische Feuerwehrmann verließ seinen Stehplatz, um ebenfalls hinter dem Theater zu verschwinden. Eni- weder lag er dort der vorgeschriebenen Feuerinspektion ob, oder er trank ein Glas Bier, um einen bereits ausgebrochenen inneren Brand zu löschen.... Der Zuschauerraum füllte sich. Titel, Autorname und die an- gekündigte Spannung, die von Akt zu Akt wachsen sollte, halten ihre Wirkung vornehmlich auf den weiblichen Teil der Ortsbevölke- rung ausgeübt. Das Publikum, das gekommen war, dieJugend" zu lehen, bestand fast durchweg aus Matronen, die sich in der an- geregtesten Weise über die Brot- und Mehlkarten unterhielten. Schlag halb neun Uhr war es im Orchesterraum lebendig geworden. Vor dem Pianino saß die Direktorin, die am Mittag ihre Kartoffelsuppe gelöffelt hatte und an den beiden Pulten standen ein Mann mit grauen Haaren, der aber trotzdem Kniehosen trug, ein etwa acht- jähriger Junge, der die Haare bis zur Bewußtlosigkeit geschnitten hatte und das Mädchen, das ich in der direktorialen Wohnung be- reils kennen gelernt hatte. Da ertönte die Klingel. Die Direktorin griff zu denPerlen der Tonkunst", Greis, Knabe und Mädchen stemmten die Geigen gegen das Kinn und die musikalische Einleitung zu HalbesJugend" begann. DerHoch Habsburg"- Marsch von Kräl. Was in derJugend" vorgeht, lveiß jeder, der der deutschen Schaubühne auch nur einigermaßen Freund ist. Das Zimmer im Hause des Pfarrers Hoppe spiegelte auch hier die Behaglichkeit seines Herrn wieder. Alles wäre recht hübsch und gut gewesen, wenn die Dielen im Pfarrhaus keinen so schrecklichen Lärm gemacht hätten. Aber ich bin fest davon überzeugt, daß der Fußboden auch dann ein entsetzliches Geräusch verursacht hätte, wenn ein Mäuslein über ihn gelaufen wäre. Um wie viel dröhnender mußten auf ihm die Stiefel Pfarrer Hoppes, Kaplan Schigorskys und Amandus' zur Geltung kommen. Wenn einer von ihnen einen Schritt tat, so meinte man das Donnern des ausbrechenden Vesuvs zu vernehmen. Selbst Annchens Elfcngang konnte der Tatkraft der Bretter, die wahrschein- lich über leere Bierfässer gelegt worden waren, keinen Abbruch tun. Das Spiel ging vor sich. Annchen war wirklich allerliebst, und man mußte es ihr im Hinblick auf ihre mehr als gefällige Er- scheinung wohl verzeihen, daß sie auch nicht ein Wort ihrer Rolle konnte. Sie holte daher den Teil des Halbeschen Meisterwerks� der ihrer Darstellung zufiel, aus der rechten Kulisse. Sie und das Publikum waren ganz Ohr. Da sie fürchtete, daß das Geräusch der Bretter, die auch für sie die Welt bedeuten, die Wirkung ihres Spiels beeinträchtigen könnte, so suchte sie, so oft sich einer ihrer Partner in Bewegung setzte, den Donner zu überschreien. An dein Kaplan fiel mir wiederum auf, daß er beständig statt t d sagte. So sprach er von einem Dag des Herrn, von einer christlichen Dat und von dem Deilhaftigwerden göttlicher Gnade. Als er Zylinder- Hut und Brevier ergriff, um zur Kirche zu gehen, spendeten ihm die Matronen im Publikum starken Beifall. An dem guten, Vertrauens- vollen Pfarrer Hoppe ließ sich nur tadeln, daß auch er stark in Kunstpausen arbeitete. Wenn die Hilfskraft in der Seitenkulisse einmal tief Atem schöpfen mußte, dann kam es wohl vor, daß der Pfarrer, der Kaplan und Annchen im Stübchen saßen und sich, ohne ein Wort zu sprechen, lächelnd in die Augen sahen. In solchen Augenblicken vernahm man nur den asthmatischen Feuerwehrmann, der mit seinem kurzen Atem auf dem Stehplatz stand und jeden Moment darauf gefaßt war, daß ein Feuer auskommen könnte. So ging Szene auf Szene vorbei. Alles ging zu wie im Buche. Hans, der flotte Hans erschien, verfolgt von den inißtrauischen Blicken Amandus! Der Pfarrer hatte ihm Wein auftragen lassen. Das war der Farbe nach echter Rotwein und dem Geschmack nach schien's auch echter Rotwein zu sein, denn Hans bonützte die Gelegenheit: er trotzte den Regiebemerkungen und trank mehr Gläser, als der Dichter vorgeschrieben hat. Wenn Annchen mit den schrillsten Tönen ihrer Stimme:Hanschen, mein Hanschen I" schrie, dann fiel der Vorhang und die Muse bekam wieder ihr glattes Gesicht und das Orchester intonierte den hübschen Walzer aus demLieben Augustin" und zum Schluß, bevor der böse Schuß aus der Flinte des Amandus gefallen war, die Mazurka aus demBettelstudent." Im Lauf der nächsten Woche soll das SchauspielDer fliegende Holländer  " mit Gesangeinlagen von Richard Wagner   in Szene gehen. Ich habe mich gleich nach Schluß derJugend"-Aufführung auf einen Sperrsitz für diese Vorstellung vorgemerkt. vom Meere bis nach �rras. Der Kriegskorrespondent des AmsterdamerAlgemeen Hau- delsblad" hat eine Fahrt längs der ganzen nordwestlichen Front der Alliierten, von Nieuwport bis Arras  , unternommen und be- richtet nun über seine Eindrücke in dem obengenannten Blatte. Wir entnehmen daraus folgendes: Dieser Tage habe ich die Situation längs der ganzen Front von Nieuwport bis Arras   in Augenschein nehmen können. Ich war in St. Joris  , als dortselbst, am 6. und 7. Wim einige heftige Gefechte stattfanden. Die französischen   Marinesoldaten hatten Verstärkungen erhalten und so glückte es den Bundes- genossen, am 7. Mai einige merkbare Vorteile zu erringen. Frei- lich war das nicht so einfach.- Die Deutschen   ließen einen Hagel von Projektilen regnen und man bedenke, daß, wenn es den Ver- bündeten glückte, sich längs St. Joris   und Lombartzydc vorzu- schieben, die Stellungen der Deutschen   bei Westende unhaltbar ge- worden wären. An diesem Frontteil ist das Terrain hügelig, so daß einmal auf der einen oder anderen Düne aufgestelltes Ge- schütz einen großen Teil der Umgebung beherrscht. Die Ver- bündeten hatten hier nun eine ansehnliche Truppenmacht zu- sammengezogen. Eingeleitet wurde das Gefecht mit Artillerie- und Jnfanteriefeuer zugleich und nach einem hartnäckigen Kampfs behaupteten die Bundesgenossen nicht nur das Terrain, sondern hatten auch noch Gelegenheit, es sehr stark zu befestigen. Das schien ihnen sehr zustatten zu kommen. Denn schon in der nächsten Nacht wurden sie von den Deutschen angegriffen. Diese hatten scheinbar auf eine gewisse Erschlaffung gerechnet, die früher tat- sächlich oft eingetreten war, wodurch dann am Tage errungene Vorteile verloren gingen. Diese Möglichkeit hatte man jedoch vorausgesehen und als in der Nacht die Deutschen   sich näherten, wurden sie entsprechend empfangen. Ich befand mich gerade im Wachtquartier, einem Halbvernich- teten Häuschen, als die Meldung von dem drohenden Angriff kam. Sofort wurde alles alarmiert, Laufgräbenmannschaften wie Re» serven, und in kürzester Zeit standen Tausende bereit, für den Fall, daß es nötig war. Doch dessen bedurfte es nicht. Scheinbar hatten die Deutschen   nur eine Ueberraschung geplant, denn sie zogen sich zurück, als sie merkten, daß die Verbündeten nicht schliefen. Ganz ohne Kampf verlief freilich diese schöne Frühlingsnacht nicht. Mit dem Rauschen des Meeres vermischten sich die scharfklingenden Die Crweckung öer Maria Carmen. Von Ludwig Brinkmann. Doch richtig frei fühle ich mich erst, wenn ich in meinem Walde, in der Einsamkeit bin, fern von diesem Gewimmel der Menschen, lediglich in der Gesellschaft der Bäume. Wohl ist es mir dann auch schwermütig zu Sinn. Es klingt wie ein Paradoxon; meinem Gefühle nach ist es aber keines. Der Pessimismus scheint meine wahre Natur zu sein. Ich bin vielleicht anders veranlagt als die Mehrzahl der Menschen; oder bilde ich es mir nur ein, da ja über solche Dinge kaum jemand spricht? In allen kl ei nen Dingen des Lebens, bei meinen Arbeiten, für meine nächsten Pläne beseelt mich ein unverwüstlicher Optimismus, der mir vieles gelingen und, wenn etwas fehlschlägt, mich den Fehlschlag mit Gleichmut ertragen läßt; meine Freunde sprechen von meiner glücklichen Hand, und ich fühle manchmal selbst etwas davon; schon als Knabe ging es mir so, wenn ich im Garten meines Vaters pflanzte; jedes Kräutlein gedieh mir da. Doch wenn ich zur Ruhe komme, in einer kontemplativen Stunde, da quälen mich unbeantwortbare Fragen nach dem letzten Zwecke von all dem, und nur kommt es so nutzlos, so leer, so unbe- greiflich ziel- und planlos vor, was wir da treiben. Ich weiß Wohl, welche Schmerzen mir in solchen Stunden bevorstehen, doch immer wieder gehe ich ihnen nach, immer wieder drängt es mich hinaus in die Nacht, in den rauschenden Wald, in die Höhen des Gebirges, als müßte ich endlich finden, was ich überall suche, als müßte mir endlich Klarheit werden, da ich so arg im Dunkeln tappe. So habe ich heute wieder lange in meinem Walde ge- sessen; aber schließlich fühlte ich, daß es doch besser wäre, ich wanderte wieder ins Torf zurück. Der Wald ist ziemlich gelichtet. Was jetzt noch�steht, mag erst zu größerer Nützlichkeit heranwachsen. Stuart möchte ja noch weit mehr herausholen, selbst die dünnsten Bäumchen in Schienenschwcllen umgewandelt sehen; aber da leiste ich ihm doch Widerstand. Und er ist nicht Räuber genug, um mir nicht recht zu geben. Als ich zum letzten Male bei der Mine war, erzählten mir Stuart und Ward, daß unsere Holzproduktion sich einer ge- wissen Berühmtheit in Taviche erfreue; sie haben sogar Auf- forderungen bekommen, etwas von unserem Grubenholze ab- zutreten; und Ward hat berechnet, daß auf Grundlage der offerierten Preise sich unser Wald und unsere aufgewandte Arbeit geradezu glänzend rentiert habe, so gut, wie man es leider von der Maria Carmen nimmer erwarten könne. Das war mir lieb zu hören, war es doch ein Erfolg ineiner Arbeit! Und ich habe nun wieder etwas zu bedenken und zu berechnen. Das Tal ist fast bis hinab nach Juquila für guten Wald anbaufähig. Ich habe Erkundigungen ein- gezogen. Die ganze weite Fläche ist für weniges Geld zu haben. Natürlich müßte alles aufgeforstet werden, auch das. was wir niedergeschlagen haben. Das ist eine lange, müh- same, kostspielige Arbeit. Aber es wird ihr ein reicher Lohn werden: mit jedem Jahre wird hier das Holz seltener und, wenn erst einmal mehr Minen im Distrikte angelegt sind, be- gehrter und wertvoller. Und dann die Köstlichkeit eines der- artigen Besitzes, das Hochgefühl, das schönste Tal in der Ein- samkeit des Hochgebirges sein eigen nennen können! Aber noch einen anderen größeren Reichtum schließt dieses Tal ein, den Maniallspec, der vom Hochplateau des Gebirges in unseren Wald hinabstürzt. Er ist nicht allzu wasserreich; aber Cypriano versichert, daß er das ganze Jahr über fast die gleiche Wassermenge führt, und auf einer kurzen Strecke seines Weges hat er ein ganz bedeutendes Gefälle. Hier ein Turbinenwerk zu erbauen und elektrische Energie in den Minendistrikt von Taviche zu führen, müßte unschätzbaren Ge­winn bringen. Alles in allein würden etwa fünftausend Pferdekräftc zu erzielen sein, könnten also den Minenbesitzern des Tales von Oaxaca   fünfzig Tonnen Kohlen im Tage sparen und sicher ihren ganzen Bedarf decken. Wenn dem Jmparcial nur größere Kapitalien zur Verfügung ständen, ließe sich da schon etwas anfangen. Wie ich das so bedenke, fühle ich kaum noch Sehl, sucht, in das Haus der Maria Carmen zurückzukehren. Ich träume schon davon, mir hier nach einem Jahrzehnt lohnenden Silber- grabcns einen Herrensitz auf eigenem Grund und Boden an- zulegen, ganz am äußersten Ei, de des Tales, fast an, Grate des Gebirges, mir ein Haus dort zu bauen, das sich an die alten Granitwände anlehnt und weithin die Berge über- schaut, die sich allmählich zum Stillen Meere abdachen. Dort möchte ich wohnen, von dort könnten ineine Gedanken fort- eilen, sich forttragen lassen von den Wolken und Winden, über das Große Meer hinaus, auf dessen Fluten sich alle Geschicke, alle Seligkeiten und Unseligkeiten der kommenden Völker erfüllen werden. Ich lächle über die Seltsamkeit nieiner Träume. Manch- mal wünsche ich inich als Patriarchen in diesen, wilden Ge- birge zu sehen, der über unernießliche Flächen Landes ge- bietet, der ein stolzes Geschlecht von Söhnen und Töchtern um sich aufblühen läßt, ein Eroberer des Alten, Brachliegen- den und ein Schöpfer neuer Werte. Doch manchmal sehne ich mich auch nach des Einsiedlers weltscheuem Dasein, der durch die rauschenden und doch verschwiegenen Wälder von aller Welt getrennt ist; sein granitgefügtes weites Haus er- hebt sich zwischen den uralten Zypressen, die in wohltuender Melancholie un, den Weiher emporragen, darauf die schweige samen Schwäne ihre langsame Bahn ziehen. So durchschneiden sich immer in meiner Seele die Sehlis süchte des aktiven und des kontemplativen Lebens. Manchmal fällt mir auch meine Diana von Chapul- töpec ein, die in nicht allzu weiter Ferne von hier weilt. Doch ach hat es einen Zweck ihrer zu gedenken. Weiß ich sie zu finden? Kann sie mir noch einen Anknüpfungs- Punkt meiner Gedankenreihen geben? Weder für mein Patriarchentum noch für meine Einsiedelei wäre sie Ge- fährtin und doch...! Wir müssen sehen, wie sich alles gestalten wird. *. Stuart ist gekommen; er hat sich auf ein paar Tage frei gemacht. Meine Bäume, die ich geschont, ließ er mir gottlob stehen. Und ineine forstwirtschaftlichen Pläne haben ihm eingeleuchtet; er findet mein hydraulisches Projekt sogar großartig. Nun nahm er sich wegen des großen Ankaufes die verschiedenen armseligen Besitzer des Tales alle der Reihe ach vor und drückte die Preise gewaltig. Wir sandten ein ausgearbeitetes Projekt an Ward, der es fein säuberlich mit der Schreibmaschine zu kopieren und Powell zu schicken hat, damit er seine Zustimmung gebe. Tann sind wir zu einem großen Streifzuge bis zum Meere aufgebrochen. Immer mehr lerne ich hierbei Stuart bewundern. Er ist der geborene Sohn der Wildnis. Keine Schwierigkeit gibt es für ihn, keine Strapaze, keine Gefahr. In allen Notlagen des Lebens bleibt sein Humor unverwüst- lich. Ueberall bricht sich die Leidenschaft dos Jägers und des Erzschürfers durcki. Entweder verfolgt er die Spur eines Wildes, eines Ozelotl, der grimmen   Tigerkatze, beobachtet den Flug der Vögel, um sich ihrer Standorte zu vergewissern, und spürt nach Adlernestern, oder er streicht mit Hammer und Meißel durch die unwirtlichen Felsen, die Formationen des Gesteines, die Schichten und Lagerungen prüfend, ob sich nicht wertvolle Mineralien fänden. Von jeder Wanderung bringt er eine kleine Sammlung Felsstücke mit heim, um sie in seinem..Laboratorium" ein Mörser, ein Glas, eine Stichflamme und zwei oder drei Flaschen mit Säuren auf einer Fensterbank aufgestellt zu' analysieren. Fürwahr recht nützliche Kunst hierzulande.(Forts, folgt.)