Ar. 146.- 1915.
Unterhaltungsblatt ües vorwärts
Mag, 25. Jan!.
Litaneien aus öem Schützengraben. Dm, G. Wolter. Da« Stroh. O Stroh, göttliche Vorsehung des Soldaten, ich will dir sagen, was ein dankbares Herz mir eingibt. Du allein hast Mitleid mit uns in unserem Unglück, und kommt die Nacht, so bietest du unserem erschöpften Leibe ein warmes, weiches Lager dar. Wir höhlen unser Bett darin und haben uns kaum ausgestreckt, so fallen wir auch schon in Schlaf, der erquickend sein würde, kämen nicht so oft Alarm, Schießereien, Posten und Mannschaften, die ihn unter brechen. Doch ist das alles vorüber, so finden wir dich stets treu und gütig wieder. O Stroh, göttliche Vorsehung des Soldaten, wir segnen dichl O Stroh, freundlich biegst du dich zu tausend Zwecken. Zu einem Wisch gebunden, zündest du unser Feuer an, reinigst unsere „Trittchen" und verstopfst die Spalten unserer Unterstände. Um eine Hürde gewickelt, bildest du eine hermetisch schließende Tür. Vom Fingernagel leicht gespalten, ersetzest du uns die teuren Streichhölzer. Sind deine Halm« platt und fest, so befreien sie unsere Zähne von den Fasern der täglichen Suppe, und find sie dünn und hart, so stochert man damit das Nikotin aus dem verstopften Pfeifenrohr. O Stroh, für all das Gute, das du uns er- weisest, segnen wir dich! Haferstroh, du bist leicht und zart wie daS kleine Mädchen, dessen Haar und Röcke im Winde flattern, wenn es dem Vater entgegenläuft. Die Berührung mit dir ist unseren Gliedern mollig und die Glöckchen deiner Rispen läuten uns in lichte Träum«. Roggenftroh, du bist schlank und geschmeidig wie da« Mädchen, das im Frühlingskleid auf grünem Pfade dahinschreitet. Dein Lager ist das herrlichste von allen, und wenn wir eine deiner Garben erwischen, sind wir die Glücklichsten der Glücklichen. Weizenstroh, du bist goldig, fest und spröde wie die protzige Stadtbürgerin, die chre Tochter verheiratet hat und beim Gehen ihre schweren Juwelen klappern läßt. Bist du gedroschen, so schenkst du uns ein warmes, solide? Bett. Bist du noch voll Körner, so lieferst du uns außer Bett und Dach etwa? zu kauen, da« unsere untätigen Kiefer zerstreut. O Stroh, ob Weizen-, Roggen- oder Haferstroh, göttliche Vor- sehung des Soldaten, wir segnen dichl Die Pfeife. Gesegnet seist du, kleine Pfeife, du Herd der Wärme, Licht und Freude. Du hast keinen Stil und keine Schönheit. Dein kurzes Rohr wird von unseren Zähnen benagt, und dein schmutziger Kopf ist halb verkohlt. Kaum verdienst du das Beiwort.Nasenwärmer". Und doch gäben wir dich nicht hin um hundert Dreier! Und wenn wir das Pech haben, dich zu verlieren, seufzen wir, wie Ariadne seufzte, als sie von TheseuS verlassen war. Gesegnet seist du, kleine Pfeife! Du bist die Trösterin. Dank deiner ertragen wir geduldigen Herzens schlaflose Nächte, Kälte und Eintönigkeit allzu trübseliger Stunden. Ohne dich wären wir längst im gelben Schlamm der Schützengräben vor Heimweh gestorben. Du allein verhütest e«, daß wir den Verstand verlieren, denn du weckst die Erinnerung an den Abendfrieden daheim. Du fesselst uns ans Leben, an dieses Leben, das uns so geringfügig erscheint beim Heulen der Kugeln und beim Schnauben der Geschosse. Gesegnet seist du, o Trösterin! Du bist die Leuchtende. In Nebel und Langeweile verloren, sieht der Wachtposten am Graben entlang kleine rote Fleck«, die die Finsternis der Winternacht durchbohren. Er fühlt, daß er nicht allein ist, daß auch andere wachen— im selben Graben, in den Nachbargräben, dann weiter ins Unendliche bis ans Meer. Er erkennt, daß er ein Glied in der unermeßlichen Kette ist, die hin- läuft zwischen Dörfern, durch Wiesen, Wälder und Obstgärten Frankreichs . Dir verdankt es der.Wollige", wenn er sich seiner heiligen Mission bewußt ist. Gesegnet seist du, o Leuchtende! Du bist die Wärmend«. Allerdmgs macht ei einige Mühe, dich in Brand zu setzen. Die feuchten Streichhölzer gehen nicht an, die Feuerzeuge haben den Stein verloren oder den Zunder v«r- braucht. Der Feind, der unfern Löchern gegenüber wacht, zwingt uns zum Niederhocken, den Kopf von der Decke umhüllt, um den feuchten Tabak anzubrennen, ohne daß die Flamme unsere An-
Wesenheit verriete. Sind aber diese Schwierigkeiten einmal über- wunden, so dringt die mollige Wärme uns süß in Leib und Seele, und wir genießen eine halbe Stunde der Glückseligkeit. Sogar nach deinem Erlöschen strecken sich unser« steifen Finger noch lange bei der Berührung deines warmen, runden Holze«. Gesegnet seist du, o Wärmende! Du bist die Reinigende. Ohne dich würde unser erschöpfter Organismus alle MiaSmen des schmutzigen KoteS, des schim- melnden Strohs und der faulenden Etzwaren aufnehmen, die in den Ecken unseres Zuschlupfwinkels liegen. Dein Rauch ersetzt uns alle orientalischen Düfte. Wir imprägnieren damit Mund, Hände und Kleider. Du ersetzest uns Kölnisches Wasser, Haut- creme und Lysol. Gesegnet seist du, o Reinigende! Du bist die Demokratische. Im Schützengraben, wo weder Geburt noch Geld etwas gelten, bist du das Symbol der Gleichheit, die sonst nirgends zu finden ist. Man sieht dich zwischen den Zähnen des Bauern, des Bürgers und des Geistesarbeiters. Allen spendest du denselben tröstenden Balsam und denselben scharfen Rauch desselben.Knasters". O kleines Pfeifchen, einzige demo- kratische Einrichtung unseres Landes, gesegnet seist du! Zu jeder Stunde bist du unsere Freundin. Du stillst unfern Hunger und Durst. Du erquickst den Müden, wärmst den Frie- renden, hältst den Schläfrigen wach, beruhigst den Nervösen. Gesegnet seist du, kleine Pfeife, Herd der Wärme, des Lichts und der Freude! Die Nacht. O Nacht, du bist verräterisch und voll Hinterhalte. Sobald die Dämmerung die sichtbare Welt in ihre graue» Schleier hüllt, be- ginnt dein Reich. Hinterlistige trügerische Herrscherin, deine Schatten umkreisen unsere Personen mit dem Netz ihrer Fallen wie wachsame Polizisten. Und dann gehen alle unsere Schritte, Griffe und Bewegungen fehl. Durch dich gleiten wir im Schlamm aus, patschen durch die Pfützen der Gänge und zermalmen mit un- seren breiten Sohlen Dinge, deren Name schon ein Schimpf ist. Du bist schuld, wenn wir die Wand unseres Unterstandes ins Koch- geschirr bröckeln. Und wenn dann die Erde zwischen den Zähnen knirscht, ersetzt sie uns Pfeffer und Salz, die fehlen. Du bist schuld, wenn wir mit den Fingern in der Suppe herumfummeln, unser Viertel Wein ins Stroh gießen und unsere schmutzigen.Quadrat- latschen" am Gesicht des Nachbars abreiben. O verräterische Nacht, wir fluchen dir! O Nacht, du bist trügerisch und reich an Illusionen. Deine wallenden Schleier verändern alle Perspektiven und täuschen unsere vom langen Wachen getäuschten Sinne. Ein Pfahl auf dem Felde erscheint uns als ein Feind, der sich aufrichtet, und eine aufge- schossene Saatrunkel, die sich wiegt, simuliert einen Soldaten mit flacher Mütze. Und Schüsse fallen im Dunkeln, sträucherverletzend, rübentötend. Wie das Äuge, fällt mich das Ohr deinen Listen zum Opfer. DaS Rauschen des Windes in den Ulmen halten wir für das Rascheln der Schützen, die auf dem Bauche im Grase kriechen, und den kurzen Schrei der Nachtvögel für den Ruf feindlicher Pa- trouillen. O trügerische Nacht, wir fluchen dir! O Nacht, du bist verräterisch und schön wie die fatale Frau im Zeitungsroman. Im Winter umgarnst du>ms fünfzehn oder sech- zehn Stunden lang mit deiner zauberischen Macht, und während der Posten seine ewig gleichen Austräge ausführt, haben wir alle Mutze, deine Schönheit zu bewundern. Dein Blick wie Stahl so kalt, von tausend durchdringenden Diamanten besetzt, zieht uns unwillkürlich an.... wir sind wirklich deine entzückten Verehrer, o Celimene mit den schönen kalten Augen. Um den Polarstern senkt der Wagen langsam seine Deichsel, hebt sie dann und ver- schwindet schließlich. Ein mattes Schimmern erinnert uns, daß es noch einen Tag gibt, der Osten färbt sich wie blasser Safran. Und endlich hebst du dich hinweg und lässest uns das Entsetzen deiner Erinnerung und die bange Erwartung deiner Rückkehr. O verräterische Nacht, Nacht voll Hinterhalte und reich an Illusionen, schöne, allzu schöne Nacht, o Kriegsnacht, mit aller Kraft unserer Seele fluchen wir dir! (Uebersetzt von H. Hesse.)
Die größte Dauaufgabe öer Neuzeit. Stadterweiterungen, Anlage neuer Stadtviertel, die Gründung neuer Dörfer, wie sie z. B. in den Ansiedelungsgebieten des beut- schen Ostens notwendig geworden ist, und selbst der Bau ganzer Städte(wie Kiautschou ): alle diese Aufgaben und Leistungen er-
scheinen wie Winzigkeiten, verglichen mit der geradezu riesenhaften Bauaufgabe, vor die der Krieg Deutschland gestellt hat. Denn bei dem Wiederaufbau O st Preußens gilt es nicht nur etwa leinige Häuser, Felder, Güter, Städte, Straßen, Brücken und Eisen- bahne»», sondern es gilt, das ganze Land zu er- n e u e r n, das Land als Nährboden, als Erzeugungs- gebiet wichtiger Produkte, als Arbeitsstätte einer neuen Bevölkerung, als geschichtlicher Boden, als Wohnort, Heimat und Erholungsstätte deutscher Bürger. Mit Reckt ist gesagt ivorden, daß an dieser Aufgabe das neue Deutschland seine Kultur zu bewähren haben werde; mit Recht hat der D e u t s ch e B u n d H e i»n a t- schütz für diese große Sache mobil gemacht und Ostpreußen und seinem Wiederaufbau ein eigenes Heft gewidmet, das soeben bei Georg D. W. Callwey in München erscheint und Beiträge nam- haftester Kenner und Fachleute zu dieser großen Frage der- öffentlicht. Zwei Grundsätze kehren in allen diesen Bei- trägen leitmotivartig wieder; pfleglicher Anschluß an das Heimatliche, Bodenständige, geschichtlich Gegebene und zugleich allgerneine Durchführung einer bescheidenen Einfachheit und Sparsainkeit in Formen- und Schmuckgebung. Beide Forderungen gehen eng Hand in Hand; denn was das ostprcußische Land an guten Bauten in Dorf und Stadt aus alter Heimatüberlieferung ausweist, das zeigt gerade jene einfache Schlichtheit, jene natürliche Zweckinäßigkeit, die für den Wiederaufbau allgemein zu verlangen ist. Erst die Neuzeit hat an diesen guten alten Geist auch in Ost- preußen Hand gelegt; und wenn die schinachvolle Verwüstung durch die Russen unsägliche? Leid über das schöne Land gebracht ha:, so hat sie doch wenigstens auch das kleine Gute, daß sie so manches zerstört hat,'was das Gesicht des ostpreußischen Landes entstellte: Brücken, die nicht zur Landschaft patzten, Mictskästen, die die feine Wirkung alter Straßenzüge roh vernichteten, auch manches öffentliche Gebäude, mit de,» keine Ehre einzulegen war. Daß die Russen z. B. das häßliche neue Obergeschoß des alten Ordensschlosses zu Tapiau abgeschossen haben, soll ihnen nicht weiter verdacht sein. WaS die der Wiederherstellung bedürftigen ostpreußischcn Städte betrifft, so hat sich ihre alte Anlage, die fast durch- weg in die Zeit des Deutschritterordens zurückgeht, als charaktervoll und glücklich erwiesen. Für die damalige Planung waren die Verteidigungsrücksichten maßgebend, und daher sind keine großen durchgehenden Verkehrsstraßen angelegt, sondern es sind bei dem Eintritte der Straßen in die Stadt Gebäudegruppen qner vor- gelagert worden, so daß von diesen aus eine Verteidigung der Hauptzufuhrstraßen»nöglich war. Wenn da nun Fanatiker des Modernen die Gelegenheit des Wiederaufbaues zu Straßen- .Regulierungen", Durchbrüchen und zur Anlage großer Verkehrs- straßen benutzt sehen wollen, so ist ihnen ein nachdrückliches.Hände weg!" zuzurufen. Die oftprcußischen Städte, die wiederaufgebaut werden sollen, haben nicht die Bedeutung, daß große Verkehrsadern darauf angewiesen sind, mitten durch sie hindurchgeführt zu werden, und der Ausweg, der z. B. in Gerdauen bereits gefunden ist, den Verkehr um die Stadt herumzuführen, ist auch für die anderen Plätz e durchaus empfehlenswert. Der alte Anlageplan dieser Städte verdient also geachtet und festgehalten zu werden;»richt auf die Verlegung oder die Verbreiterung der Straßen, fondern auf die künstlerische Behandlung der Straßenwände, denen Geschlossenheit und Charakter zu geben ist,>vird es ankommen. Wohl aber sollen beim Wiederaufbau der zerstörten Städte die An- spräche der modernen Technik und Gesmidheitspflege überall berück- sichtigt werden,»md ganz besonders wird auf eine durchgreifende Wohnungshygiene Wert zu legen sein. Ein schöner Vor- schlag geht dahin, mit dem Wiederaufbau der ostpreußischen Städte Einfamilienhaus-Siedelungen vor ihren Toren zu verbinden. Die Kriegsversehrten sollen in großen.Zahl in Ostpreußen ein neues Heiin finden, kleine Grundstücke init Ein- familienhaus und Stall sollen ihnen dort geboten, auch Krieger- Witwen sollen angesiedelt und kinderreiche Familien bevorzugt werden. Und wie die Städte, so soll das ganze Land zu neuer Blüte erbaut werden. Ein Mitglied des preußischen Abgeordnetenhauses hat die Parole ausgegeben, das verwüstete Ostpreußen müsse in einen blühenden Garten verwandelt werden. Zur Ver- wirklichung dieses schönen Gedankens gehört vor allem die An- siedlung zahlreicher Kleinbauern, die dem Boden des Landes den Charakter gepflegten Kulturlandes aufzudrücken vermögen. Aber nicht überall soll allein die menschliche Arbeit herrschen, nicht überall die Natur völlig dem Willen des Menschen geknechtet werden. Auch Oedländcreicn, Naturdenkmäler aller Art, charakteristische
Die Erweckung öer Maria Carmen. 27j Don Ludwig Brinkmaun. Stuart fängt cm meinen Zorn zu erregen. Er fummert sich nicht um mich, den einzigen Freund; wie ich mit meinen Sorgen fertig werde, ist ihm gleich. Rechnet er mich zu den Toten, die ihre Toten begraben sollen? Mit Hilfe unserer Leute bettete ich Ward in sein noch farbenfrisches Haus, mit ihm einige Blütenreiser unseres Gartens; und das enge Gefäß, das seine sterbliche Hülle barg, wurde geschlossen. Von unseren Arbeitern wählte ich acht aus, die ihre traurige Bürde abwechselnd die weite, zehn Kilo- meter lange Reise zum Kirchhofe tragen sollten; eine kleine Schar von Leuten hatte sich als Gefolge versammelt— doch Stuart kam nicht aus dem Berge heraus, trotzdem ich bereits einen Boten zu ihm gesandt hatte. Es wurde halb sieben und höchste Zeit zum Aufbruche. Ich ließ den Zug abmarschieren und unsere beiden Pferde satteln. Nun Entschloß ich mich, selbst in den Berg hinein- zugehen, um Stuart zu holen. Trotz all meiner Trauer, trotz all der Aufregung und Abspannung der letzten Tage und Wochen brannte ich vor heftigem Ingrimm gegen den starrköpfigen Gefährten.— Ich traf Stuart auf emem Felsvorsprunge der Wand sitzend. Als er mich erkannte, sagte er mit einem fast ironi- schen Lächeln: „Nun, Lewis, laß uns sehen, ob die Maschinen«Was taugen. Nun ist der große Augenblick gekommen, zu zeigen. ob Du etwas kannst. Ich hoffe, der Mann am Generator paßt auf— wir fangen an!" Und er sprang zum Fördermotor, drehte die Kurbel des Kontrollers, und der eine kistenförmige Eimer sank in die Tiefe. Nicht ganz eine halbe Minute später erschien der andere Eimer, bis zum Rande mit Wasser gefüllt, über der Oeffnung des Schachtes. Stuart hielt die Maschine an, zwei Mann zogen die schwere Kiste an sich und leerten sie auf sein Geheiß aus, daß die trübe Flut sich über den Boden des Ausbaues ergoß und allmählich in den Sumpf der vierzig- pferdigen Pumpe hinabrieselte. Dann ward der Eimer in seine ursprüngliche Lage zurückgestoßen; Stuart schaltete den Kontroller; das Gefäß fuhr in die Tiefe hinab, und wiederum nach etwa dreißig Sekunden kam der andere Eimer ans Licht der Glühlampen, der ebenso entleert wurde und ebenso seine Reise wieder antrat.
Ich war über diese Tollkühnheit sprachlos. Jedesmal, wenn der Fördermotor anfing seine Last zu heben, sank die Spannung im Netze derartig, daß die Glühlmnpen nur noch ganz schwach rotglühend waren, und ich überzeugte mich durch das AmP�remeter, daß während der Anlaufsperiode der Motor weit über hundert Pferde in Anspruch nahm; dazu waren noch all die Lichter, die vierzigpferdige Pumpe und die Leitungsverluste dem kleinen Generator aufgebürdet. „Wie lange gedenkst Du damit fortzufahren? Wie lange glaubst Du, daß unsere Maschinen das ertragen werden?" fragte ich Stuart. „So lange bis sie entweder verbrannt sind, ivaS nach all dem Unglück nicht viel zu sagen hat; denn bis eine neue Pumpe kommt, in vier Wochen vielleicht, wird Deine Ge- schicklichkeit ja sämtliche Maschinen wieder repariert haben; oder aber bis ich trockenen Fußes am Boden des Schachtes stehe!" „Das ist eine Tollkühnheit, Leichtsinn, John! Warum soll denn nun alles mit einem Male so gewaltsam zerstört werden?" „Ach, nach so viel Leichtsinn kommt es auf ein wenig mehr oder weniger auch nicht groß an, und jetzt heißt es: entweder Erfolg haben— oder ganz zugrunde gehen. Ich habe mir vorgenommen es zu versuchen! Nun muß ich Dich aber um Deine Hilfe angehen— Du hast ja über Nacht gründlich ausgeschlafen." „So, habe ich das?" warf ich ein. „Jedenfalls wohl! Diese sechs Mann hier, die mit mir gearbeitet haben, diese schlappen Kerle fallen mir, weil sie sich nicht auf ihren Betten haben strecken können, beinahe um; ich brauche Ablösung. Richte mir drei Schichten ein, jedesmal vier Mann, die je vier Stunden zu arbeiten haben; die besten unserer Leute. Natürlich muß am Generator derselbe Dienst stattfinden; daß ich meine Ablösungen prompt hierher be- komme, dafür lasse ich Dich sorgen. Ich selbst kann mich um nichts kümmern; ich werde hier bleiben bis zum Ziele— oder zum Zusammenbruche der Maschinen! Laß mir ein paar Decken hierherkommen und auch mit einer Regelmäßigkeit mein Essen. Entschuldige bitte, daß ich so über Dich verfüge; ich weiß genau. Du wirst keine leichte Aufgabe haben, den Betrieb in Ordnung zu halten; aber ich muß von allen er- warten, daß sie ihr Bestes tun!" „John, lange kann das nicht weitergehen, auch Du hältst es nicht aus. Du hast nun drei Nächte nicht mehr geschlafen I" „Kümmere Dich nicht um mich; ich bin ganz Nebensache. durchaus! Schaffe mir nur die Ablösungen her; wenn die Leute auf diese neue Beschäftigung em wenig eingelernt find».
wird es mir wohl auch gelingen gelegentlich ein wenig zu nicken, dicht bei der Fördermaschine, um bei der Hand zu sein, wenn etwas nicht in Ordnung sein sollte." „Aber was soll das alles? Wie kann die kleine vierzig- pferdige Pumpe die ungeheure Wassermenge schaffen, selbst wenn sie Tag und Nacht arbeitet? Sie hat dock) mit ihrem natürlichen Zuflüsse gerade genug zu tun, und wenn das mit den Kisten so weiter geht, dann wird die Flut die Ma- schine hier oben bald unter Wasser gesetzt haben!" Ich sah, daß Stnart die Richtigkeit meines Argumentes anerkannte. Er biß sich ärgerlich auf die Lippen. Mir fiel plötzlich eine Lösung ein, und doch schwankte ich einen Augen- blick meine Weisheit zu enthüllen; es wäre ja ein kleiner Triumph gewesen, schließlich recht zu behalten. Indessen für kindische Spielereien war die Lage denn doch zu ernst. Ich hatte mich nämlich erinnert, daß die Pumpe nicht für die richtige Fördermenge bemessen, sondern etwas zu groß war. „Wenn wir den Schieber ganz öffnen, können wir das Wasser schaffen, glaube ich; aber der Motor ist viel zu klein." „Es muß versucht werden," rief Stuart,„öffne bitte so- fort das Ventil!" Ich nahm vom Brett an der Wand den Schraubenschlüsiel und drehte die etwas verrostete Klappe; sofort stieg der Aus- schlag des Ampdremeters bedeutend an; es würde mehr Wasser gefördert. „Es geht, es geht!" rief Stuart ganz begeistert.„Wir werden zum Ziele gelangen!" „Wo soll aber der Generator dabei hin, von den beiden Motoren ganz abgesehen?" „Himmel! Wenn er in Stücke stiegt— wir haben dann wenigstens die Rettung versucht! Was brauchen übrigens die Glühlampen zu brennen? Ein paar Wachsstöcke tun denselben Dienst, und es wird etwas Energie gespart!" „Meinetwegen, John, wir werden es versuchen; es soll niemand sagen, wir hätten nicht mit allen Mitteln das Un-. vermeidliche aufzuhalten getrachtet; nun aber komm!" „Ich, kommen? Wohin denn?" .„Mein Gott, hast Du denn ganz vergeffen, daß binnen etner Stunde oder zwei sich das Grab über Artur geschlossen haben wird?" „Daß er auch gerade jetzt zu dieser Stunde dahingehen mußte, wo die höchste Not über uns hereingebrochen! Ich habe keine Zeit für ihn— ich kann nicht, darf nicht, darf an nichts anderes denken als hinab in die Tiefe zu gelangen!" .Last Du denn alles Gefühl für Ehre und Achtung ver- loren!" rief ich empört. (Forts, folgt.)