1\l 160.- 1915. Unterhaltungsblatt öes vorwärts Freitag, 16. Juli. Der Pflug. Es liegt ein Feld mit Granaten besät. Da hat der Krieg mit donnernden Schlägen gemäht. Äat   die Erde mit Garben, mit Menschen bedeckt und ist dann in weitere Femen geschreckt. Nur ein Pflug, wie ihn der Bauer verließ, als ihn der Wind des Todes anblies, steht ruhig im Feld, zur Arbeit bereit, als käme schon morgen die friedliche Zeit. Als käme schon morgen das Ende der Not, als grüne schon morgen das heilige Brot. Als blühe, was gestern der Tag zerschlug Ruhig wartet im Feld ein Pflug! Max Barth el. Musketier. Der Sprecher öes Nenflhengeflhlechts. ii. Jede aufsteigende Klasse glaubt mit der Erfüllung ihrer Klassen- ziele der ganzen Menschheit die Erlösung bringen zu können, jede wähnt, wenn sie sich ihre ganz bestimmte und ganz bedingt« Frei- heit erkämpft, sei d i e Freiheit für den Erdball errungen. Niemand übernahm sich in diesem Glauben so sehr wie nach ihrem Sieg die junge bürgerliche Klasse Frankreichs  , und in ihren Reihen wiederum war niemand so davon durchdrungen, dah die französische   Revolu- tion nur der Beginn der Weltrevolution sei und daß das franzö- fische Volk sich zur Nation des Menschengeschlechts erweitern müsse wie Cloots. Aber vorderhand muhte er sich in dem Paris   einleben, das ihm nach dem Sturz der Bastille als der Hauptort des Erdballs erschien. In einem bescheidenen Stübchen mietete er sich ein, um gleichsam in einem Zelt den Feldzug für die Menschenrechte mitzumachen, und durchstreifte nun, die trunkene Seele voll Begeisterung, kreuz und quer die Stadt: so wußte er binnen 24 Stunden um die revo- lutionäre Temperatur von Paris   Bescheid. Bald drängte ihn sein Temperament zu Taten: als Emissär begab er sich nach der Bre- tagne, um die frohe Botschaft der Revolution zugunsten aller zu verkünden. Dem Landvolk steckte er, gehatzt und gehetzt von den Krautjunkern und ihren Schergen, flammende Fanal« auf und stürmte auch in den Städten die Herzen wach, sich mit Vorliebe an die jungen Leute wendend, denen er predigte:Hütet Euch vor Euren Vätern! Greise sinds überlaßt sie der Vergangenheit, denn Worte wie Patriotismus und Freiheit gehören nicht zu ihrem Wörterschatz!" Ms Cloots, zufrieden mit dem Erfolg seiner Propa- gandafahrt, nach Paris   zurückkehrte, hatten die Szenen des 5. und 6. Oktober König samt Nationalversammlung gezwungen, aus Ver- sailles nach Paris   überzusiedeln. Da man ihm in gemäßigten Kreisen die Helden des 6. Oktober als Plünderer, Hungerleider und Kopfabschneider malte, als ganz gemeine Kanaille, entgegnete er kühl, es sei die Pflicht eines Patrioten, sich mit der Kanaille zu ver- schwistern[dt s'encanailler): er wolle alles sehen, von der Zeder bis zum Usop, und nachdem er mit dem Bauern Bekanntschaft ge- macht, könne er sich auch mit dem Arbeiter beschäftigen; wenn sie wirklich acht bis zehn Köpfe abgeschnitten hätten, so sei das wenig, um zwölf bis fünfzehn Jahrhunderte Unterdrückung zu rächen, und wenn man ihn vor ihrer brutalen Unwissenheit warne, so antworte er wie jener britische Lord einem Franzosen   geantwortet, der sich über die Unverschämtheit der englischen Bauern beklagt hatte:Um so besser! Vor zwanzig Jahren waren sie minder unverschämt, weil sie minder frei waren, und ich hoffe, daß sie in abermals zehn Jahren noch unverschämter sein werden als heute." In der Tat fühlte sich Cloots unter den Städtern des Faubourg St. Antoine so wohl, als befände er sich mitten in Attika, denn zu seinem Er- staunen wurden hier auf oftener Straße Debatten gefiihrt, in denen man Voltaire  , H-elvetius. d'Membert, Diderot   und Rousseau   als Schwurzeugen bemühte. Als er danach wieder einen Abstecher in die sogenannte große Welt machte, erschien sie ihm erbärmlich klein und nur von nacktester Selbstsucht beherrscht. Ab und zu machte er sich ein besonderes Vergnügen daraus, in eine Kirche zu treten, und dort, ein Kaplan des Atheismus, von der Kanzel herab gegen die Pfäfferei zu wettern, als Text Bacons Wort unterlegend:Die Kirchengeschichte ist die Geschichte von den Räu- bereien der Priester". Aber der überzeugte Jakobiner, zu dem der Klevische Baron geworden war, rief noch lauter und häufiger als gegen den lieben Gott die Gemüter gegen denguten König" auf. Hartnäckig wiederholte er feine Mahnung, den Vogel in einen festeren Käfig zu setzen, wenn man seine Flucht verhindern wolle. In einem radikalen Schriftchen, dlotion d'un membre du club des Jacobins(Antrag eines Mitglieds des Jakobinerklubs), schlug er vor, dem König im Frieden wie im Kriege den Oberbefehl über die bewaffnete Macht zu entziehen.Franzosen  !", rief er aus,Euer König ist weder ein Geschwaderchef noch ein Armeegeneral noch ein Oberrichter noch ein Polizeipräsident; er ist das Haupt der Nation. Darum herunter mit seiner Uniform!... Und umgekehrt müssen die Unteroffiziere ungesäumt zum Offiziersrang aussteigen können. Ohne diese Vorsichtsmatzregel gebe ich dem Konstitutionsgebäude, das Ihr mit soviel Mühe und Ruhm aufrichtet, keine dreißig Jahre Dauer!" Aber unbeachtet, fast ungehört verhallten seine Worte, und der Beschluß der Nationalversammlung, der das Recht der Entscheidung über Krieg und Frieden dem König abnahm und der Nation zu- sprach, lenkte feinen Eifer vorläufig in eine andere Richtung. Dieser Beschluß schien ihm das Antlitz der Erde umzugestalten, dennein fteies Frankreich   kann nur umgeben sein von Ländern, die nicht minder befreit sind; eine Nation kann mit einem Kabinett nicht durch geheime Noten verhandeln. Die Revolution hat die Grenzen überschritten; die Allgemeingültigkeit der Menschenrechte ist er- klärt." Und während man sich rüstete, die Föderation der ftanzösi- scheu Departements zu einem einigen und unteilbaren Frankreich  durch ein Fest zu begehen, packte ihn der Gedanke, eine Föderation nicht nur Frankreichs  , sondern des ganzen Universums symbolisch vorzubereiten. Eine Natur, die sich in Extasen immer ganz, bis auf den Bodensatz ausschüttete, warh und wirkte er für diesen Ge- danken mit aller Glut seiner Seele, und bald war es beschlossene Sache: eine Abordnung des Menschengeschlechts unter seiner Füh- rung sollte von der Nationalversammlung einen besonderen Platz bei dem Fest erbitten. Am 19. Juni ging die denkwürdige Szene vor sich. An der Barre der Nationalversammlung erschien Cloots  , gefolgt von 36 Ausländern, Preußen, Holländern, Engländern, Russen, Polen  , Italienern, Spaniern, Schweden  , Schweizern, und sogar ein Araber und ein Chaldäer fehlten nicht, die fteilich beide seit langem als staatlich angestellte Dolmetscher in Paris   tätig waren.Eine Anzahl Fremder," redete Cloots die Versamm- lung an, aus allen Himmelsrichtungen wünscht, sich inmitten des Marsfeldes aufstellen zu dürfen; und die Freiheitsmütze, die sie mit Begeisterung erheben werden, wird das Unterpfand der bal­digen Befreiung ihrer unglücklichen Mitbürger sein. Die römi- scheu Triumphatoren schleppten die besiegten Völker mit, an ihren Karren gekettet; Sie aber werden, in dem ehrenvollsten Gegensatz dazu, in Ihrem Triumphgug freie Männer sehen, deren Vater- land in Ketten liegt, und deren Vaterland eines Tages frei sein wird durch den Einfluß Ihres unerschütterlichen Mutes und Ihrer philosophischen Gesetze. Unsere Wünsche und unsere Ehr- erbietung find die Fesseln, die uns an Ihren Triumphwagen binden. Niemals war eine Gesandtschaft geheiligter. Unsere Beglaubigungsbriese sind nicht auf Pergament geschrieben, aber unsere Mission ist in unverwischbaren Lettern in das Herz aller Menschen gegraben, und dank den Vertretern der Menschenrechte sind diese Zeichen den Tyrannen nicht mehr unverständlich. Sie haben, meine Herren, anerkannt, daß die Souveränität im Volke ruht. Nun ist überall das Volk von Diktatoren unterjocht, die sich, Ihren Prinzipien zum Trotz, für Souveräne ausgeben. Aber man kann sich nur die Diktatur anmaßen, die Souveränität ist un- verletzlich, und die Gesandten der Tyrannen könnten Ihr er- habenes Fest nicht so ehren wie die Mehrzahl von uns, deren Mission stillschweigend von unseren Landsleuten, von unter- drückten Souveränen also, gebilligt wird. Welche Lehre für die Despoten! Welcher Trost für die unglücklichen Völker, wenn wir ihnen verkünden, daß die erste Nation Europas   uns das Zeichen für das Glück Frankreichs   und der beiden Erdhälften gegben hat." Lauter Jubel unterbrach an mehr als einer Stelle die stolzen Sätze, und die Bersamtnlung votierte nach einer Antwort des Prä- sidenten Menou begeistert die Anwesenheit der Wordnung des Menschengeschlechts bei dem Bundesfest. Der Begeisterungssturm derselben Sitzung fegte die Adelstitel samt allem Drum und Dran fort, aber bureaukratischer Starrsinn wollte es, daß, trotz seines Widerspruchs, derSprecher des Menschengeschlechts" als Baron de Cloots du Val-de-Gräce in das Protokoll einrückte, denn seine Rede war vor der Abschaffung des Baron und des von gehalten worden. Auch sonst setzte ihm der bissige Spott der Reaktionäre hart zu. Während er aus ganz Europa   Widerhall seiner Worte zu vernehmen glaubte, höhnten ihn die Royalisten, deren Grimm über die Ab- schaffung der Feudaltitel nach einem Prügelknaben suchte, daß die ganze Abordnung lächerliche Theatermache gewesen sei. Nicht ein- mal die Ehre der Erfindung ließ man Cloots, sondern bezeichnete den Herzog von Liancourt   als Macher des Schauspiels. Einer der Abgeordneten sei nämlich, die Namen verwechselnd, zu Biencourt gekommen und habe um sein Salär gebeten.Was wollen Sic, mein Freund?", fragte Herr von Biencourt.Herr, ich habe den Chaldäer in der Nationalversammlung dargestellt und ich komme wegen der zwölf Frank, die man mir versprochen hat." Aber Anacharsis Cloots  , wie er sich jetzt unterschrieb, ließ sich all das wenig anfechten. Am Tag nach dem Aufzug in der Kon- stituante marschierte er wacker mit einem Spaten aufs Marsfeld hinaus, um dort mit Tausenden Pariser   Bürger freiwillig an den Erdarbeiten zur Vorbereitung des Bundesfestes die Hände zu rühren. Und das war ein Sinnbild: unbekümmert ging Cloots seinen Weg, ein Arbeiter am Werk der Freiheit. Totl Er kommt nicht Die Schar der auf dem Bahnsteig Versammelten hat sich bereits völlig verlaufen. Schwarz und leer grinsen die offenen Abteile die Frau an, die suchend an ihnen vor- übereilt. Die Lust ist noch erfüllt vom Duft der Blumensträuße, mit denen die Wartenden bewaffnet waren. Er kommt nicht." Die blassen Lippen der Frau murmeln es tonlos. Mit hängenden Gliedern bleibt sie in der Nähe des Ausgangs stehen, schaut mit leeren Blicken ohne das goldene Glänzen zu sehen zu dem hohen, von einem Sonnenstrahl ver- klärten Fenster der Bahnhalle empor. Ein Schatten legt sich über ihren Weg. Ein langer Herr in schwarzem Anzug steht vor ihr. Das knochige, strenge Gesicht, aus dem ein Paar kleine, graue Augen unbewegt den Jammer in den Mienen der Frau sehen, beugt sich ein wenig zu der kleinen Rund- lichen herab. Sie warten gewiß auf den Reservisten Müller V Eisesschauer böser Ahnung rinnen durch die Adern der Frau. Ja, auf den wart' ich. Er ist mein Mann." Tot!" sagt der lange Herr mit einer erledigenden Hand- bewegung. Die Frau taumelt, sieht einen Augenblick noch den Sonnen- strahl in der Höhe, der aber plötzlich blutrot ist, und fällt dann zu Boden. Der Schaffner, welcher mit einer Laterne die Schienen ab- sucht, ruft den Knipser zur Hilfe. Man holt Wasser. Inzwischen entfernt sich der lange Herr, ohne daß ihn jemand daran gehindert hätte. Die Frau schlägt die Augen auf.Tot ist mein Mann?" fragt sie schaudernd. Wer hat das gesagt?" fragt der Knipser und schaut sich zornig um.Etwa der Schwarzrock, der soeben hier war? Glauben Sie's nicht, Frau. Der Kerl ist verrückt. Dies ist der zweite Fall ein richtigerFall", den wir mit ihm erleben. Aber der soll noch mal kommen. Ich kenn' ihn wieder!" Er hebt drohend die Faust. Kriegspsychose," meint ein Herr aus der sich im Nu um die Frau sammelnden Menge.Allerorten hört man von solchen Roheiten durch den Krieg verrückt Gewordener." Wie aber weiß er, daß mein Mann Müller heißt?" fragt die Frau in wieder erwachender Sorge. Man lächelt.Mit den Sammelnamen Schulz und Müller wird er aufs Geratewohl operieren," tröstet der alte, gütige Herr. Warten Sie ruhig noch, Frauchen. Wenn Ihr Mann verwundet ist kommt er sicher mit dem nächsten Zuge." Einige Damen mühen sich um die junge Frau. Riechbüchsen tauchen vor dem blassen Gesicht auf. Man labt sie mit Stärkungs- wein, den der alte Herr bei sich trägt. Die blauen Augen unter den blonden Scheiteln blicken wieder etwas zuversichtlicher in die Welt. Die Crweckung öer Alarm Carmen. 61] Von Ludwig Brinkmann. Es regnet werter, ich habe viel Zeit, und meine schwierige Abhandlung rückt langsam vorwärts. Marina sitzt häufig bei mir und erzählt. Stundenlang kann sie so sitzen und plaudern, geschwätzig und ausdauernd wie der Regen, der auf die Steinfliesen des Hofes niederklatscht. Sie fragt so viel, und Wir stammen aus zu verschiedenen Welten, als daß wir uns miteinander verständigen könnten. Was ich tue, das interessiert sie am meisten. Und was mein Tun für einen Zweck hat. Selbstverständliche Fragen und daher nicht so leicht zu beantworten. Man richte ein- mal solche Fragen an einen denkenden Menschen ich bin auf die Antwort gespannt. Silber graben? Oder Maschinen bauen? Oder Bücher drucken? Wir werden gestehen müssen, es ist in all dem nichts. Oder wenn wir einen Zweck heraus- konstruieren, dann ist es etwas gar Armseliges. Ich revanchiere mich manchmal und frage nach den Zwecken, die mit Marinas Handlungen verknüpft sind. Ich will eben leben," ist ihre ständige Antwort. Und sie hat ganz recht. Sie könnte mich wirklich etwas lehren. Sie will eben leben, und man muß ihr zugestehen, daß sie mit Kon- sequenz jede Tätigkeit vermeidet, die nicht in ausgesprochener Form diesem Zwecke dient. Allerdings geht sie täglich zur Messe und wundert sich, daß i ch es nicht tue, aber auch das nur in der einen zugestandenen Absicht, nach dem Tode weiter zu leben. Und sie genießt ihr Leben, genießt das Ge- fühl lebendig zu sein, Leben in sich zu tragen. Wir guten Europäer haben das längst verlernt. Wir empfinden unsere Existenz nur, wenn wir Maschinen bauen, oder Silber graben, oder Bücher drucken. Marina sieht mich also beim Schreiben, sieht, wie sich eine Seite nach der anderen mit seltsamen Krakelfüßen bedeckt. Damals, als ich ihr zum ersten Male auseinandersetzen mußte, was oll das Getue im Hochgebirge für einen Sinn habe, hatte ich schon keine so leichte Aufgabe. Wie sollte ich ihr begreif- lich machen, daß der Manialläpec eine geheimnisvolle Kraft in sich trage, die man in Peltonrädern erfassen und dann in kupfernen Zwirnsfäden fortleiten kann, um an anderen Orten Maschinen treiben zu lassen und so Menschenkraft überflüssig zu machen? Schließlich aber hatte sich Marina mit meiner Hilfe die Sache so klar gemacht: Kleine Kobolde wohnen im Wasser, die mit eisernen Löffeln eingefangen werden, wenn sie s» leichtfinnig find, in das Maschinenbaus hineinzu- schwimmen; dann müssen sie auf den langen Leitungen, die sich von Mast zu Mcstt bis nach Taviche und Oaxaca   und viel- leicht noch weiter hinspannen, fortmarschieren, müssen in die Silbergruben der Berge hinein, die ganze Nacht cm den Rädern drehen und dürfen dann, wenn sie ihre Arbeit getan, mit Morgengrauen wieder auf den Drähten zurückbalanzieren und sich in das Wasser flüchten. Ich gab dem Mädchen im allgemeinen recht, nur mit zwei Ausnahmen: erstens müssen die Kobolde auch am Tage schaffen; man sieht sie nur nicht, weil sie unsichtbar sind doch Marina wollte das nicht so ohne weiteres glauben; zweitens aber wandern sie nicht auf den Drähten zurück, sondern fahren hoch durch die Lüste auf einer Wolke reitend wieder heim, bis diese an den Kuppen der Berge hängen bleibt, so daß die kleinen Geister flink hinabsteigen können, um durch Ritzen und Schluchten wieder zum Bache zu gelangen, in den die endlich Erlösten sich lustig hineinstürzen; deshalb schäumt es und tobt es auch so in den Bächen; das macht, die Kobolde fühlen sich wieder in ihrem Elemente! So hat Marina die Sache mit der Wasserkrastzentrale vielleicht eingeleuchtet aber meine Abhandlung? Schließlich erzählte ich ihr: Ich arbeite an demselben Werke wie draußen in den Bergen, hier allerdings nur in Gedanken, wie es draußen in Wirflichkeit geschieht. Das ist aber kein so erheblicher Nach- teil, wie Du vielleicht denkst, liebe Marina. Ganz im Gegen- teil, hier schaffe ich im großen; all die Kobolde, die im Wasser und im Winde und im Innern der Erde in der Kohle stecken, fange ich nun sämtlich in Gedankennetzen ein und lasse sie alle erdachten und erdenklichen Räder der Welt drehen und sehe zu, was daraus wird." Und was kommt denn dabei heraus?" Daß kein einziges Rad mehr durch Menschenhand gedreht zu werden braucht, liebe Marina!" U«b was hat denn das für einen Zweck?" Siehst Du denn das nicht selbst ein? Wenn unsere Kobolde, unsere Naturgeister alle Räder drehen, dann können doch die Menschen den ganzen Tag lang Siesta halten; das ist doch gewiß keine schlechte Sache!" Ja, aber was sollen sie dann beginnen?" Hm, im wesentlichen dasselbe, was Du tust, Marina, leben einfach leben. Sie alle können dann in schönen Häusern wohnen und sich fein fleiden und Englisch   mit- einander sprechen und wissen von Gott   und der Welt eben- soviel wie der Herr Euro. Und dann sind sie alle gleich, Marina; denn nicht die Farbe der Haut macht heute den Unterschied, sondern ganz allein die Größe des Hauses, in dem die Menschen wohnen, und die Pracht ihrer Kleider; dann aber gibt es keinen Abstand mehr zwischen Indianern und Mestizen und Spaniern und Amerikanern und Deutschen  , dann sind wir alle ein einziges Volk!" Marina sah mich mit ihren schwarzen, großen Augen staunend an und verließ mein Zimmer. * Wenn es genug geregnet hat, dann hört es eben auf heute bestätigt sich wieder diese uralte Weisheit. Ich bin dann gleich hinaus auf die Arbeitsplätze geritten, wo es viel zu tun gab; die Sturmfluten hatten hie und da die kleinen künstlichen Dämme, die über Einsenkungen des Bodens hinweg die Rohrleitungen zu tragen haben, ganz fortgewaschen oder bedenflich unterspült. Ich bin im Grunde recht froh darüber, daß unsere Werke bereits in statu nascsacki dieser schweren, unerwarteten Prüfung ausgesetzt wurden; so sind die schwachen Stelleu frühzeitig genug zutage getreten und großer Schaden ist verhütet worden. Es ist nicht auszudenken, was es für das ganze Werk der Asociaciün be- deutet hätte, wenn plötzlich durch solche, in diesen trockenen Gegenden allerdings unbekannten Wolkenbrüche der ganze Betrieb für Wochen unterbrochen worden wäre, nachdem ein- mal die Existenz sämtlicher Silbergruben im Tale Oaxaca  von der in der Wasserzentrale erzeugten Energie abhing. So angenehm also diese schwere Prüfung auch ist, so muß jetzt doch mit doppelter Energie gearbeitet werden, die Schäden wieder gutzumuchen, damit die gesamte Arbeit nicht zu lange aufgehalten wird. Alles dürstet ja gierig nach der Kraft, die aus dem Hochgebirge fließen soll; und wir selbst, der Jmparcial, sind ihrer am bedürftigsten; neue Maschinen sind bestellt, und unser alter Gasmotor ist längst überlastet. Unser Wohl und Wehe hängt davon ab, daß ihm kein Unfall zustößt, sonst wäre alles vorbei. So ist für Beschäftigung wieder vollauf gesorgt. Den ganzen Tag erklomm ich, ohne zu rasten, die Höhe des Stau- Wehres und schritt wieder zum Plateau der Zentrale hinab; Wohl zwanzigmal habe ich den Weg gemacht, immer von Tozo begleitet, dem ich als meinem Vertreter die Bauleitung über- tragen. Und in meine zwanzig Gesellen ist wieder Leben hineingekommen, nachdem sie in der Woche des Regens allzu reichliche Gelegenheit zur Erholung hatten.(Forts, folgt.)