it. 173.— 1915. Unterhaltungsblatt ües VorwärtsDie Crmoröung von saures.Von den Wirren und Stürmen des ausbrechendenKrieges ist der Tod von Jaures vor einem Jahre alsbaldverschlungen worden. Taß das Herz des internationalenSozialismus zu schlagen ausgehört hatte, wo die Weltseiner Glut und Krast am dringendsten bedurfte, machteuns alle erslarren. Jetzt, nach einem Jahre, wo wir nochtäglich unter den Kolgen dieses wahnwitzigen Verbrechensqualvoll leiden, soll die Erinnerung an das unselige Er-e,gnis aufgefrischt werden. M. Beer hat in seinemschlichten und«indringlichen Gedächtnisbüchlein:„JeanJaurhs, sein Leben und Wirken", das soeben im Verlagder Internationalen Korrespondenz, Berlin-Karlshorftl Preis 10 Pf.), erschienen ist, seinen Tod und das Echo,das er im proletarischen Frankreich fand, geschildert.In den letzten zehn oder fünfzehn Jahren machten sich imGeistesleben Frankreichs Bestrebungen bemerkbar, die auf einewachsende Abkehr vom Nationalismus, das heißt auf eine Abnahmedes Vertrauens zur Vernunft hindeuteten. Tie philosophischenGrundgedanken der französischen Revolution, die auf die Allmachtder Vernunft sich stützten, wurden immer mehr angezweifelt, undman neigte zur Neberzeugung, daß die Instinkte, Triebe undLeidenschaften oder die irrationalen fnicht-vernunftgemäßens Be-standteile des menschlichen Geistes ursprünglicher und mächtigerseien und kräftigere Beweggründe zum menschlichen Handelnlieferten als die vernünftigen und logischen. Noch mehr: die ganzeWeltentwickelung sei alogisch: sie habe nichts mit Ucberlegung zutun, sondern werde von irgendeinem inneren und unberechenbarenLebenstriebe erzeugt. Die neueste Psychologie(Lehre vom mensch-lichen Geiste) ist bereits stark irrational.Die Abkehr vom Rationalismus hat eine tiefe Bedeutung fürdas soziale Leben. Sie bedeutet in der Religion eine Stärkungdes Glaubens und des Wunders; in der Politik eine Wieder-belebung der Monarchie und der nationalistischen Instinkte; ja, dieStärke des Syndikolismus ist enge verbunden mit der Hochschätzungder elementaren Instinkte der Massen, der Unterschätzung voraus-sehender organisatorischer Arbeit, dem Wunderglauben an denGeneralstreik: an die höchste Aeußcrung des Lebenstriebs desProletariats.Diese knappe und gedrängte Kennzeichnung der neuestenAeyßerungen deS französischen Geistes dürfte es einigermaßenbegreiflich machen, daß hervorragende französische Katholiken. Roda-listen, Chauvinisten und Syndikalisten gemeinschaftliche An-tnüpfungspunkte fanden und zusammen gegen die Republik, gegendie Aufklärung und gegen die Sozialdemokratie wirkten.Jaurss, der geistige Erbe der französischen Revolution, derRationalist, der Republikaner, der Freidenker und internationaleSozialdemokrat, der mit eherner Logik und unübertrefflicherSprachgewalt seine Ideen verteidigte und verbreitete, galt denJnstinktanbetern, Alogikern und Romantikern als der Inbegriffalles Falschen und Schlechten. Der Haß gegen ihn steigerte sich mitdem Wachsen des wiedercrwachten Nationalismus, mit der Zu-nähme der weltpolitischen Spannung, die durch den Konflikt überMarokko, den Abschluß des englisch-französisch-russischen Einver-ständnisses, die Einkreisung und Isolierung Deutschlands vcrur-sacht wurde und den Revanchepolitikern neue Hoffnung gab. Nachdem Ausbruch des serbisch-österreichischen Konflikts witterten dieRationalisten Blutgeruch und nahmen die Feinde des Vaterlandesaufs Korn. Jaures wurde vom„Tempi" zu einem öffentlichenFeinde gebrandmarkt, und die„Action Frangaise", dieser Mittel-Punkt aller oben gekennzeichneten Tendenzen, übertrumpfte den„Temps" und schrieb:„Jeder weiß es: Herr Jaures— c'estrAllemagne." Jaures ist Deutschland— er ist der VerräterFrankreichs(18. Juli lgl4l. Tie Leute um die„Action Frangaise"stnd die französischen„Schwarzen Hundert"— fanatische Hetzer,denen Apachen und Bravos stets zur Verfügung stehen. In denkritischen Tagen vom 25, bis zum 31. Juli wirkte Jaures in Wortund Schritt in Paris, Lyon und Brüssel für den Frieden. Am ver-hängnisvollen 2tbend des 31. Juli war er zusammen mit Renaudelund Longuet beim Ministerpräsidenten Viviani, um int Namen desfranzösischen Sozialismus die Regierung sür die Ausrechterhaltungdes Friedens zu gewinnen. Was dann folgte, erzählt die„Huma-nite" vom 1. August 1914:Jaures kam kurz vor 8 Uhr(31. Juli, abends» in die Redak-tion. Er war vom Ministerium des Auswärtigen zurückgekommen,wo er, von der sozialistischen Fraktion beqhiftragt, Herrn ReneDie Crweckung öer Maria Carmen.Stj Bon Ludwig Brinkmann.Ter junge Mann ermüdet mich. Jede Geiellfchatt die vonAmerikanern im Lande gegründet wird, erbost ihn bis zurgiaserei. Ich kann es aber doch nicht ändern. Mir tut esselbst leid, daß die herrlichen Möglichkeiten dieses Landes unsso entgehen;— ich habe aber daS Meine getan, bin mit gutemBeispiel vorangegangen. Nun mögen andere ihr Glück vor-suchen!—Ich habe also Stuarts und meine Angelegenheit in dieHände eines Rechtsanwaltes gelegt, der nach Empfang seinesVorschusses sich daran machte, den Gejellschaftsvertrag desJmparciol zu studieren.Er ließ sich auch in einen spitzfindigen Briefwechsel mitPowells Rechtsbeiständen. oen Herren Abrahams, Adarou. Co.. ein. aber es kam nicht eben viel dabei heraus; unserGegner hat unstreitig nach dem Wortlaute des Vertrages dasRecht auf feiner Seite, da eine Aweidrittelmajorität ollesanfangen kann, was ihr beliebt, vor allen Tingen die Auf-lösung der Geiellfchaft zu erzwingen vermag. Unser Rechts-freund schlug zwar vor. trotzdem eine Klage anzustrengen;aber er war ehrlich genug zu bemerken, daß auf unsererschlechten Grundlage einem so reichen Mann wie Powellgegenüber die Sache ziemlich aussichtslos sei. So unterbliebdas natürlich, und ich wandte mich der anderen Aufgabe zu;Käufer oder wenigstens Bieter sür die Maria Carmen zufinden.Im Laufe dieser Jahre habe ich wohl einige Herren demNamen nach kennen gelernt, die sich für Minen interessieren,Kapitalisten und Agenten; und auch Tickinson hat mich reich-lich mit Adressen, Einführungsbriefen und Winken versehen.Aber überall, wohin ich kam und wo ich meine Geschichte undWünsche vortrug, fand ich eine bitterkalte Aufnahme.Interesse war ja genügend vorhanden, was in der Silber-großsiadt nur selbstverständlich ist, und niemand wurde müde,meinen Tarstellungen bis in die kleinste Einzelheit zu folgen;man verschlang geradezu alle meine Neuigkeiten; aber�vennes hieß, mit hunderttausend oder mehr Pesos in der Taschenach Lama zum Auktionator zu fahren und die Grube zukaufen, dann schlugen alle die Hände über dem Kopfe zusam-men. als sei eine solche Summe etwas ganz Ungeheuerliches.Viviani besuchte; Renaudel und Longuet hatten ihn dorthin be-gleitet. Er unterhielt sich sodann einen Augenblick mit dem Ge-schäftsleiler der„Humanste" und mit einigen Freunden. Er hattenoch nicht zu Abend gegessen und noch viel zu tun. Man ging insRestaurant Croissant hinunter, das nur wenige Schritte von derRedaktion gelegen ist, und Jaures und seine Freunde nahmen amlangen Tische Platz, links vom Eingang. Der Ernst der Stundehielt alles in tiefer Erregung. Er gab Instruktionen an seinepolitischen Mstarbeiter. Das Abendessen war bald zu Ende. Indiesem Augenblick stand Bürger Doli«, der Redakteur des„BonnetRouge", aui und zeigte den Tifchnachbarn von Jaures eine Photo-graphie.„Das ist das Bild meiner jüngsten Tochter," sagte er.„Darf man es sehen?" fragte Jaures freundlich. Er nahm daZBild, betrachtete es einen Augenblick, erkundigte sich nach dem Alterdes Kindes und machte dem Vater einige Komplimente.ES war zwanzig Minuten vor zehn.Plötzlich krachten zwei Revolverschüsse durch das offene Fenster,an dem JaureS saß. Sofort hörte man den Schrei einer Frau:„Jaures ist getötet! Jaures ist getötet!"Wie eine leblose Masse war Jaures auf die Bank dahin-gestürzt. Sämtliche Gäste waren nunmehr auf den Beinen undschrien und drängten sich um ihn. Während einer Minute herrschtenVerwirrung und Bestürzung. Während sich einige Freunde vonJaures auf die Straße stürzten und den Attentäter verfolgten,legte man den Gemeuchelten auf die Bank hin. Er atmete kaum.und seine Augen waren geschlossen. Hatte er das Bewußtsein, daßein Verbrechen an ibm verübt worden sei? Darauf wird mannie mit Sicherheit antworten können. Ter Tod trat nicht äugen-blicklich ein. Während man aus die Ankunft eines Arztes wartete,trat einer der Gäste, ein Apotheker, an Jaures heran, fühlte ihmden Puls und schüttelte bedenklich den Kopf. Man entblößte ihmdie Brust, das Herz schlug kaum noch. Man legte den Körper aufden Tisch. Eompere-Morel, der inzwischen herbeigeeilt war, hieltweinend die leblose Hand. Renaudel versuchte, mit seiner Ser-viettc das Blut zu stillen, das aus der Wunde— einer kleinenroten Lefsnung im Hinterkops— floß...„Meine Herren," sagte der Arzt, nachdem er den Körper unter-suckst hatte,„ich fürchte, ich habe hier nichts mehr zu suchen." DreiMinuten später erklärte er:„Jaures ist tot."Der Ministerpräsident Viviani, der eine Revolte der PariserArbeiter befürchtete, ließ am 1, August an die Mauern von Parisfolgenden Aufruf anschlagen:„Ein abscheuliches Attentat wurde soeben begangen: HerrJaurss, der große Redner, der der französischen Tribüne Glanz ver-lieh, wurde m seiger Weise ermordet. Im Namen der ganzen Re-gierung entblöße ich mein Haupt vor dem Grabe des sozialistischenRepublikaners, der sür so edle Ziele gekämpft und der in diesenschweren Zeiten im Interesse des Friedens die patriotische Aktionder Regierung unterstützt hat. In der ernsten Krise, die dasVaterland durchmacht, rechnet die Regierung auf die Vaterlands-liebe der Arbeiterklasse wie der ganzen Bevölkerung, daß sie dieRuhe wahren und die öffentliche Erregung nicht noch steigern wer-den durch eine Agitation, die die Hauptstadt in Uitorduuug versetzen könnte. Ter Menchelmörder ist verhaftet; er wird der Strafenicht entgehen. Möchten alle Bürger Vertrauen in das Gesetzhaben! Geben wir alle in dieser schweren Gefahr ein Beispiel derKaltblütigkeit und der Etnigteit!"Die gesamte französische Presse— einschließlich des„Temps"und der„Action Franpaise"— verurteilten den Meuchelmord.Rückhaltlos zollte sie dem großen Toten ihre Achtung und Be-wunderung.In der„Humanite", die Jaures im Jahre 1904 gegründet undihr tagtäglich seine beste Kraft gewidmet hatte, veröffentlichteMarcel Sembat— in normalen Zeiten der geeignetste NachfolgerJaures'— folgenden Artikel:„Sie haben ihn uns in der schrecklichen Stunde genommen, woFrankreich ihn mehr denn je braucht. Ach, die Narren, die ihn be-schimviten! Jetzt, wo er nicht mebr unter uns ist, merken sie seinenWert: hie Größe des Verlustes erschreckt sie. Sie erblicken jetzt inihm eine L-uelle bes Lichts, nachdem das Licht erloschen ist.Im Kriegssahr 1870, inmitten des nationalen Zusammen-bruchs, versuchte Frankreich, die Trümmer zu sammeln, und esfand in Gambetta den Mann für die höchsten Anstrengungen. Jetzt,da Jaures tot ist, wer ist denn unter uns von dieser Größe, umdie furchtbare Rolle zu übernehmen? Er ist verschwunden: derSchrecken ersaßt unsere Gegner, daß er verschwunden ist.Unsere Gegner? Warum nur von diesen sprechen? Wie stehtes mit uns? Im Frühjahr verloren wir Francis Pressense undjetzt Jaures!Es war die alte Geschichte: Geld hatte man genug, aber keinesflüssig.Toch ich ließ mich nicht so leicht entmutigen. Ich suchteeine Geiellschasl zusammenzubringen, vielleicht drei Rtänner,von denen jeder im Falte des Erfolges einen Anteil über-nehmen sollte, lins beiden, Stuart und mir, wäre das auchlieber gewesen, da es ja nicht angenehm war, wenn ein andererwiederum dieselbe Macht wie Powell in einer Hand vereinigte.lind es gelang mir, die Sache so weit zu fördern, daß dereine oder andere versprach, mit Tickinson zwecks gemeinsamenVorgehens bei der Versteigerung in Korrespondenz zu treten.Sebr viel Befriedigendes kam auch dabei nicht heraus, dadoch mein Hauptziel war, jemanden zu einem weit höherenAngebote als hunderttausend Pesos zu verleiten; aber überall,wo Tickinson beteiligt war, klang als obere Grenze dieserBetrag durch, und meine neuen Bekanntschaften schienen auchnicht geneigt zu sein, bedeutend höher zu gehen.Indessen war doch ein erfreulicher Ansang gemacht. TerImparciat begann in der Hauptstadt an Interesse zu gewin-nen, und manche Leute sagten fest zu, zum Versteigerungs-termine nach Lama zu fahren, wenn es auch keinen anderenZweck hätte, als den Minendistrikt von Taviche einmal kennenzu lernen. Und darauf entwarf Tickinson einen ganz schlauenPlan, nämlich die kapitalkräftigsten und besonders interessierterscheinenden Leute zur kostenlosen Fahrt einzuladen. Tannbrächte man sie zunächst zusammen zum Ziele, und am Abendvor der Versteigerung würde ein Versuch gemacht, so etwaswie eine Kausorganisation zu gründen. Die Hauptsache sei;den Interessenten eben einmal vorher die Maria Carmen zuzeigen, was Powell nicht verwehren dürfe; und wenn sie denHausen Silbererz im Patio sähen und ein opulentes Mahlbei Tickinson genössen, würde die notwendige Begeisterungschon kommen. Die Kunst ist eben: die Amerikaner zu enthu-siasmieren— dann sind sie zu allem sähig.Ter Plan war klug, wenn auch sehr kostspielig. TochTickinson wollte uns das nötige Geld zu diesem Zwecke zurVerfügung stellen, und Stuart und ich hatten eben alles zugewinnen oder alles zu verlieren.Inzwischen wurde mit einer wahrhaft unanständigenEile, die Powell augenscheinlich nur durch mächtige Trink-geldipendcn an die sonst so langweiligen Behörden erzwungenhatte, der zweite Tezeinber als Versteigerungstermin von denHerren Abrahams, Adaro u. Co. festgelegt, und ich ließ nun,da wohlweislich von Powells Seite nichts dergleichen geschah.in ein paar mexikanischen und amerikanischen Zeitungen einJaures stirbt, die Mobilmachung ist erklärt. Jaurös gebt, derKrieg kommt. O, wenn man auf seine Worte gehört, wenn manseinen Rat besser befolgt hätte, vielleicht wären wir jetzt nicht in denKrallen des Ungetüms. Man stimmte ihm zu— ja ich weiß es. ichsah es, wie die Minister ihn ausfragten, seinen Rat suchten. Abermau stimmte ihm allzu leicht zu! An Stelle der klaren und in-telligenten Aussprache, die er empfahl, setzte man gewundene,doppelsinnige und konfuse Worte, die ohne Wirkung blieben. So istdas Gute, das er seinem Vaterlandc tun wollte, verhindert worden.Grausam wäre sein Schmerz, wenn er die jetzt veröffentlichtenMobilmachungsbefehle gelesen hätte. Aber alle, die ihn kannten,würden darauf schwören, daß Jaures trotz alledem auf die Aufrecht-erhaltung des Friedens gehofft und mit seinem tapferen Optimis-mus bis zu Ende für ihn gekämpft haben würde. Er würde die An-sicht noch im letzten Augenblick abgelehnt haben, daß der Krieg unvermeidlich sei, auch wenn er die Movilmachungsorder gelesenhätte. Unsere Pflicht ist es, seine Arbeit fortzusetzen und mit allerEnergie im Kampfe sür den Frieden zu beharren."In den drei Tagen zwischen der Ermordung und der Bestattungvon JaureS weilten seine Freunde an der aufgebahrten Leiche. DieWitwe Jaures', die Tochter Madeleine und der Sohn Louis emp-fingen zahllose Beileidskundgebungen.DaS Leichenbegängnis fand am 4. August unter ungeheurerBeteiligung der Bevölkerung in Paris statt. Jllm Grabe sprachenRene Viviani, Edouard Vaillant, Marcel Sembat, FerdinandBuisson, Leon Jouhaux und Eamille Huysmans. Buisson sagte:„Ich überbringe den letzten Gruß an denjenigen, der dasMuster und das Beispiel der Aufrichtigkeit war. Im Namen seinerKollegen, Schüler und Lehrer der Universität begrüße ich den großenBürger, der es immer und überall verstanden hat, das Vaterland inder Menschheit und die Menschheit im Vaterland zu lieben."Im Namen der Eonfederation Generale du Travail hielt LeonJouhaux eine hinreißende Trauerrede:„... Freund Jaures, duSendbote des Friedens, des internationalen Einverständnisses, duverläßt uns zu einer Stunde, wo, inmitten einer niederge-schmetterten Welt, die schrecklichste Kriegsepopöe, die je Europa mitBlut befleckte, ihren Anfang nimmt. Märtyrer dein» heißenLiebe zur Menschheit! Deine Augen werden den roten Schein desWeltbrandes nicht sehen und auf die schrecklichen Massen von Leichennicht blicken, die die Kugeln zu Boden legen werden. Und das istfür uns Arbeiter ein Trost in unserer Trauer. Denn wenn dir,du edles und tapferes Herz, die Kriegsschrecken erspart bleiben, sowerden doch dein Andenken, dein Bild in diesen tragischen Tagenstets vor unseren Augen schweben, um uns in der blutigen Nacht.die sich auftut, zu begleiten und zu hüten. Vor dieser Bahre, woder Größte der Unseren kalt und leblos ruht, haben wir die Pflichtzu sagen und mit aller Kraft zu erklären, daß es zwischen ihm iinvuns keine scheidende Schranke gab. Man konnte glauben, daß wirdie Gegner von Jaures waren. Wie hat man sich getäuscht! Wohlgab es zwischen uns und ihm taktische Meinungsverschiedenheiten.aber im Grunde haben seine und unsere Aktion einander vervoll-ständigt. Sein intellektuelles Wirken erzeugte unser praktisches,tatkräftiges Wirken. In den großen oratorischen Auseinander-setzunaen, die durch die sozialen Fragen verursacht wurden, brachteuns Jaures Licht. Mit ihm haben wir immer kommuniziert.Jaures>var unsere Gedankenwelt, unsere lebendige Lehre. Ausseinem Bilde, aus seinem Andenken werden wir in der Zukunftunsere Kraft schöpfen."Eamille Huysmans sprach im Namen des Internationalensozialistischen Bureaus:„Zehn Millionen organisierte Arbeiter undSozialisten sahen in Jaures die Verkörperung de§ edelsten, be-redtesten und vollkommensten Strebens des Sozialismus. DasGenie von Jaures schloß sich nicht im Rahmen einer Partei an.Er war noch mehr als der Vertreter einer Klasse. Er war dasSinnbild des Zeitalters. JauröS gehörte nicht nur den Franzosen.Er gehörte allen Nationalitäten. Sein Hinscheiden, sagte gesternein englisches Blatt, ist eine europäische Katastrophe. Ich eriimeremich auch, was er für die Arveiter anderer Länder bedeutete. � Ichsehe noch, wie die Delegierten anderer Länder mit ihrer Entschei-dung warteten, bis Jaures gesprochen hatte; und wenn sie nicht inder Lage waren, mit ihm übereinzustimmen, so liebten sie es, sichseiner Auffassung zu nähern. Er war mehr als ein Künstler—mehr als ein großer Redner. Er war das Gewissen: er war einemoralische Macht. Er verstand es, ein Beispiel der Disziplin zusein... Tie Ermordung des größten Bürgers war die Ankündi-gung des größten Unheils, und man möchte fastjügen, daß dasSchicksal sich vorgenommen hätte, die barbarischen Szenen dem unermüdlichen Lpttmismus desjenigen zu ersparen, der trotz alledemauf dem Glauben an den endgültigen Sieg der menschlichen Ver-nunst unerschütterlich beharrtc."_entsprechendes Inserat einrücken, in dein ich den Wert derMine in rosigsten Farben schilderte; zu weiteren Auskünstengab ich die Adresse meines Rechtsbeistandes auf.Und schließlich, um allem die Krone auszusetzen, begannich noch) ein Stück journalistischer Tätigkeit: ich schrieb einenglänzenden Artikel für den„Mexican Herald" über denreichen Silberbergbau im Tale von Oaxaca im allgemeinenund über die Schönheit der Maria Carmen im besonderen.Kurz, wir waren an der Arbeit— Powell sollte es schonspüren! Die Hoffnung unsere Mine uns zu erhalten, habenwir aufgegeben: aber das Kapitat soll uns bleiben!—In allen solchen Enttäuschiingen, neuen Hoffnungen,Fehlschlägen waren Tickinsons Briefe meine einzige, wirklicheHilfe. Von Stuart erfuhr ich kaum etwas; der ist ein schlechter Plauderer, aber ein noch viel schlechterer Schreiber. Einelakonische Briefbestätigung und eine Bemerkung, daß es„soweit" ihm wohl ergehe, das war alles, ivas ich zu hörenbekam. Ganz anders Tickinson; der verfolgte jede Phasemeiner Tätigkeit mit lebhaftestem Interesse, und wenn erauch nur kurze, sachliche Briese schrieb, so verging doch kaumein Tag, ohne daß ich von ihm zu hören bekam. Ich fühltemehr und mehr in die Denkweise dieses wahrhaft großenMannes ein, und meine Bewunderung stieg natürlich immerhöher, so daß sie fast zu der Liebe, in der vertrauend der Sohnzum Vater aufschaut, erwuchs. Ein Schatten über diesesVerhältnis wart nur mein Mitwissen an Jones Beziehungenzu Stuart. Hätte er mir doch nie etroas davon gesagt!Ich kann mir nicht Helsen; so freundlich sich manches wohlanzulassen scheint; dieser finstere Schatten überwölkt uns denHimmel, und es gelingt mir nicht, mich zum Hoffen, zumfelsenfesten Vertrauen zu ermannen—--Es ist vielleicht Kinderei, sünglinghafte �krupulosität;wer kann aber gegen seine Gesühle?—Wie gesagt, meine Zeit ist nicht sonderlich ausgefüllt ge-wesen, wenn auch so manches angeregt wurde. Zumeist warmeine Beschäftigung Schwatzen— das ist aber kaum alsTätigkeit zu bezeichnen.Mein Arm ist nun ganz verheilt, aber etwas steif ge-blieben, und die Erinnerung an mein Liebesabenteuer wirdwohl sobald nicht verschivinden; daher iit die Lust zu einemneuen nicht gerade groß: vielleicht habe ich auch den Kopf zuvoll von allerhand Sorgen. Ich habe mich nicht einmaldarum gekünunert, ob Jeannette noch in der c-etadt weilt. Insolchen erregten Zeiten vergißt man rasch.(Forts, folgt.)