Nr. 202.- 1915.
Unterhaltungsblatt des Vorwärts freitag, 3. September.
geholt, nur der linke Fuß steckt noch eingeklemmt. Mit aller Kraft aus verkündeten Bilde entsprach. Daß der Künstler, dem seine ziehe ich nach,„ Gott sei Dant, er gibt nach"- und zwei Mann Eigenart zunächst die Verkörperung knorrig herber Männlichkeit an
Im feindlichen Granatfeuer verschüttet. ziehen mich vollends aus der Höhle des Schreckens heraus. Da sehe zuweisen schien, ein über diese Sphäre weit hinaus langendes Ver
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Ein verwundeter Offizier erzählt in der Köln . 3tg.": Wie alltäglich hatten die Engländer in aller Frühe ihr Artilleriefeuer gegen unsere Stellungen vor ypern wieder aufgenommen. Den Verlust von S.... und des Stüßpunktes, den wir ihnen abgenommen, fonnten sie anscheinend noch nicht verschmerzen. Aber Heute sollte das Feuer länger als sonst andauern. Es ist jetzt 2 Uhr nachmittag geworden. Seit drei Tagen hatten unsere Leute faum geschlafen, seit 24 Stunden nur wenig zu sich genommen. Granaten, Schrapnelle und Minen schicken uns die Engländer in bunter Folge herüber. Sie hielten sich aber wacker, die braven Saarbrücker! Noch immer höre ich einen Burbacher in seinem behäbigen Dialett sagen:„ Ach, Herr Leidnand, wenn se doch nur emol fämen, mir haue se, daß se de Schlappe verliere!" Besser als den Tagen vorher saßen heute die englischen Granaten in unseren Gräben und Unterständen. Die Hälfte der Gruppe steht, die andere Hälfte legt sich mit aufgepflanztem Bajonett daneben," ordne ich an und setze mich in den letzten Unterstand, der noch zu finden ist. Es ist der Beobachtungsstand einer Batterie mit zwei Offizieren, einem Unteroffizier und einem Telephonisten. Zu ihnen seze ich mich auf die Erde nieder und harre der Dinge, die da fommen. In dem gegenüberliegenden Rest eines Unterstandes suchen ein Fähnrich mit seinem Puzzer, mein Melder und mein Bursche Deckung. Kaum sind wir untergeschlüpft, da kommt auch schon die erste Granate angesaust. Mit einem Wu- i- i- i- i- trach- bum" schlägt sie in unserer Nähe ein. Dreck, Eisenstücke, Steine und allerhand Brocken fliegen um uns herum, auch eine gefüllte englische Fleischkonservenbüchse ist dabei.„ Will'm, willste friestiden!" hören wir noch den Gefreiten Wommer rufen, der einem Kameraden die herangeangelte Fleischbüchse anbietet. Kräftig lachen wir über diesen Humor in der ernsten Situation.
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ich schon, wie aus dem feindlichen Schüßengraben die aufmerksam mögen besitzt, das hatte er bereits vor Jahren in Tolstois Nachlaß gewordenen Engländer auf uns anlegen, zielen und abschießen. stück„ Und das Licht scheinet in die Finsternis" gezeigt, wo er das Achtung", rufe ich, die Engländer schießen auf uns!" Die Kugeln sausen von dem Dichter entworfene Selbstporträt mit lieber Innerlichkeit uns um die Köpfe. Zum Glück traf teine. Wunderbarerweise bin nacherschuf. Und völlig ebenbürtig reihte sich diesem Gemälde des ich ohne jede äußere Verlegung geblieben. Der Nervenchock, die grüblerisch zerrissenen Religiösen das des kindlich- frommen, an, der die Schranken Quetschungen und die riesigen Kopfschmerzen, besonders aber der enthusiastischen Schwärmers Sang heftige Schmerz in meiner alten schweren Verletzung vom Auguſt menschlicher Kraft durch Wunder überfliegen zu können träumt. des vorigen Jahres wurden noch betäubt von dem Gefühl, Gerettet!" In allem Ueberschwenglichen ließ er die Schlichtheit eines Die Granate hatte unsern„ bombensicheren" Unterstand mit einem Wesens durchklingen, das zwanglos seiner eigenarten Natur geVolltreffer vollständig zerstört. Der Unteroffizier war dabei leider horcht. Von wundervoller Zartheit war der Ausdruck der Liebe zu ums Leben gekommen, die beiden Artillerieoffiziere schwer verletzt. der Kranken, die freundlich stille Fassung gegenüber dem Bekenntnis Nun liege ich hier, einen Tag nach dem furchtbarsten aller meiner seiner Kinder; wundervoll der Ausklang, als die, die er durch sein Erlebnisse in diesem Kriege, mit einem der beiden Beobachter in Gebet gerettet glaubt, in seinen Armen tot zusammenbricht. So dem freundlichen Zimmer eines Feldlazaretts in Belgien. Wir war es doch nicht gemeint." In dem:„ Oder doch", dem letzten sprechen beide nicht von den Schrecken des gestrigen Tages, bei den Wort der Sterbenden, schlägt dann nach einem Augenblick des Gedanken daran läuft es mir noch eisig über den Rüden. Stumm Zweifels die Flamme seines Glaubens nochmals leuchtendsehen wir uns von Zeit zu Zeit an, voll Tank über die Rettung triumphierend auf. und in den Augen ein stummes Staunen, daß wir mit dem Leben davongekommen sind!
Kleines Feuilleton.
Schillers„ Räuber" in der Volksbühne.
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Die Aufführung zeigte das Walten einer sorgsamen, feinfühligen Regie. Die Versammlung der Geistlichen bot einige sehr ergötzliche Typen.
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dt.
Aus Grodnos Vergangenheit und Gegenwart. Wie Kowno, so überrascht auch Grodno durch seine malerische Lage. Der Njemen durchschneidet hier eine Hügellandschaft und bildet ein landschaftlich überaus reizvolles Tal, dessen Ränder ettva Zum zweiten Male hat das Volkstheater am Bülowplaß sich aufgetan. Grimmiger tobt jetzt der Krieg als vor Jahresfrist. Um 30 Meter hoch und ziemlich steil aufragen. So, am tiefen Flußso verheißungsvoller führt der Verband der Freien Voltsbühnen tale, liegt Grodno auf dem rechten Ufer des Niemens ausgebreitet das Ideal der Bildung weiter in die Zukunft hinein. Diesmal der erste Blick auf sie zu versprechen scheint. Denn es ist eine aber freilich hält die Stadt, wenn man sie betritt, nicht, was wurde der Geist Schillers zum Geleite erwählt; und so erhält das Stadt von Hütten und Kleinhäusern, unter denen sich hier und da, revolutionärste Drama der deutschen, ja der Weltliteratur in diesem weit von uns belegenen englischen Schüßengraben eingeschlagen hat, Wahl als das Räuberdrama zur Eröffnung des neuen Spieljahres der Stefan Bathorys, der sich freilich die Verwandlung in ein GastEin Blick überzeugt mich davon, daß die Granate in den nicht Augenblicke eine gewisse symbolische Bedeutung. Eine glücklichere gewissermaßen unvermittelt, stattliche Gebäude, alte Paläste und moderne Bauten erheben. Zu den Palästen gehört vor allen Dingen den die Engländer während ihres Artilleriefeuers als gefährdet zu fonnte schwerlich getroffen werden. räumen pflegen. Bei der Explosion war die Büchse mit zu uns Die andere Sensation besteht in der Uebernahme der künstle- haus hat gefallen lassen müssen; er erinnert an Grodnos Glanzherübergeschleudert worden.„ Wu- i- i- i- i- trach- bumm" die rischen Leitung des Hauses überhaupt und dieser Aufführung im be- zeit, als es Königsresidenz war, und ebenso lenkt das zuletzt als zweite Granate. Sie war schon bedenklich näher eingeschlagen. Jetzt sonderen durch May Reinhardt. Hier an dieser Stätte sind, wenn Militärkasino benutzte Alte Schloß, das aus dem 15. Jahrhundert funken auch unsere Artilleriſten über uns hinweg den Engländern ent- hoher wille vorhanden ist, große technische und schauspielerische Auf- stammt, und von dessen Garten man wohl die schönste Aussicht auf gegen.„ Der erste Schuß saß gut, der zweite fönnte etwas fürzer gaben zur Reife zu führen. Der erste Wurf war start und gut. heit der Stadt. Denn das Grodno von heut ist nicht mehr, was das Flußtal in ganz Grodno genießt, an die bedeutende Vergangensein," meldet Leutnant K. vom Beobachtungsposten seiner Batterie Die dekorative Einrichtung gleicht jener vom Deutschen Theater her. Das Grodno von einst war. Heut ist Grodno eine recht lebhafte Wu- i- i- i- i- trach- bumm" saust die dritte englische Granate Sie hat Würde troß einer manchmal fast puritanischen Einfachheit. gegen uns heran; sie sitzt schon bedenklich nahe, die Engländer Die Szenerie ließ sich stimmungsreich an. Mehr räumliche Lichtung Fabrik- und Handelsstadt, deren Industrie sich hauptsächlich auf die schießen heute verteufelt gut! Stumm und ernst legen sich wird noch den Waldbildern zu geben sein. Nun zur Darstellung. Erzeugung von Tuch, deren Handel sich auf das Getreide stützt, und unsere Leute auf die Erde nieder, keiner verläßt den Posten, Paul Wegener als Franz gab wohl die schauspielerisch wie von den reichlich 40 000 Einwohnern, die die Stadt zählt, sind auf den er gestellt ist." Tuuuut, tuut, tut, tut" ſummt es vom künstlerisch reiffte Leistung. Das weibhaft Weichliche in diesem teuf- mindestens zwei Drittel Juden. Ein ganzes Viertel ist von moTelephon her.„ Hier B. Stelle 5. Leitung geprüft- Schluß!" lischen Charakter wurde auch äußerlich markiert. Von anfänglichen hammedanischen Tataren bewohnt, die übrigens in Sokolka, auf " Wu- i- i- i- i- krach- bumm", wieder sigt eine Granate in un- Uebertreibungen wuchs der Künstler zu echter Naturwahrheit im halbem Wege zwischen Grodno und Bialystok, eine eigene größere mittelbarer Nähe und eine Garbe von Dreck und Sprengstüden Spiegel blendender Kraft empor. Paul Hartmann offenbarte Ansiedelung haben. Aber was ist Grodno nicht einst gewesen! Es zählt zu den sprigt in die Höhe. Die Sache wird immer ungemütlicher. Jetzt als Karl ein überraschendes Können. Seine Energie, mit der sich legt auch Leutnant 2. sogar seine Zeitschrift" Wild und Jagd", die weise Mäßigung verbündet, scheint wohl danach angetan, um wichtigsten und geschichtlich ältesten Städten des litauischen Landes, er bisher eifrig studiert hat, aus der Hand und meint gelassen: die Bande zusammenzuhalten. Sie zeigt einige famose mit dessen Hauptstadt Wilna es von je in alter und reger Ver" Die war aber verteufelt nahe." Das Telephon meldet sich wieder: Typen auf; so Paul Biensfeldt( Spiegelberg), Joseph bindung gestanden hat. Die Stadt hat nicht immer den heutigen Batterie fragt an, wie die letzten Schüsse saßen."" Der erste Danegger( Schweizer), Alfred Breiderhoff( Roller). Dem Namen getragen, sondern hieß in alten Zeiten Horodna, und Schuß saß, die" jäh verstummt die Antwort, denn in Bater gab May Gülstorff einen Stich ins Maulheldentümliche, unter diesem Namen wird sie im Jahre 1120 zuerst erwähnt, um diesem Augenblick ſezt ein betäubender Krach ein, dann die Stille Komische, womit er Erfolg hatte. In der ersten Räuberszene sprigte des Todes. Ein Augenblick der Bewußtlosigkeit folgt bei uns, fein und funfelte es nur so vor wildherzigem Jugendmut. Da lag Hören und Sehen mehr. Dunkel der Nacht um uns, wir sind ver- Größe drin. Gut im Rhythmus der Töne und Laute sozusagen ging schüttet!„ Hilfe, Hilfe!" gellen dann die Verzweilflungsrufe durch auch die Lagerfzene auf. Ueberhaupt war es eine hervorragende einander. Eine Granate war direkt auf unseren Unterstand nieder- Aufführung, für die das überwiegend von Mitgliedern bis auf den gefallen und hatte ihn zerstört! Ich stecke bis über den Kopf im Sand, letzten Platz erfüllte Haus mit brausendem Beifall zu danken nicht faum vermag ich die Augen zu öffnen. Rufen kann ich nicht. Mühselig recke ermüdete. ich den Hals etwas hoch, da sehe ich dicht über mir einen ganz schwachen Lichtschimmer. Trümmer von Balken und eisernen Schienen Liegen auf meinem Leib. Ich versuche, mich etwas höher zu recken, aber schon rieselt von neuem Sand auf mich herab. Endlich gelingt es mir, den Kopf frei zu bekommen.
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Björnsons:„ Ueber unsere Kraft"
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von dieser Zeit ab in der Geschichte Bolens und Litauens zu den meistgenannten und meiſtumfämpften Pläßen zu gehören. Die großen Völker- und Geschichtsschicksale haben fast regelmäßig auch Grodno in ihren Bereich gezogen; der Mongolensturm von 1241 hat die Niemenstadt beinahe weggefegt; später sind die Ritter vom Deutschen Orden wiederholt siegreich vor ihren Wällen erschienen und haben die Stadt durch schwere Zerstörungen ihre Ueberlegenheit fühlen lassen. Ihre Glanzzeit setzte im 16. Jahrhundert ein, als König Stefan Bathory Grodno zu seiner Residenz erhob, und seit 1675 hat jeder dritte polnische Reichstag hier seine Sigungen abgehalten. Die Geschichte des polnischen Reichstages ist es dann gewesen, die Grodno zu einem düsteren Namen in Polens Geschichte gemacht hat, denn hier wurde im Jahre 1793 die zweite Teilung des Königreiches bestätigt, und im Jahre 1795 legte König Stanislaus August hier endgültig seine Krone nieder Finis Poloniae!( Das Ende Polens.) Und so spiegelt sich denn auch in den bemerkenswerten Bauten, die das niedere und kümmerliche Häusergewimmel von Grodno überragen, die Tatsache wieder,
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im Theater an der Königgräger Straße. Kein Beifall an dem ganzen Abend. Aber das Schweigen war Ein Bild des Schreckens bietet sich mir. Verwundete mitten ein unvergleichlich mehr beredter Ausdruck der Macht, mit der unter Sand und Trümmer. Heiland hilf mir", stöhnt der Unter- Björnsons Dichtung in der Wiedergabe der beiden Hauptrollen durch zier. Schon erblickt mich mein braver Bursche, der von dem benach Sea yßler und Helene Fehdmer wirkte. Das lange Gespräch, barten Unterstand zu uns herübergekrochen war. Trotz der gefährlichen in dem die frank im Bette hingestreckte Pfarrersgattin von ihm, Situation versucht er, mich mit den Händen aus den Trümmermassen dem Einzigen erzählt, gewann durch diese Schauspielerin eine so des Unterstandes zu befreien. Schon kann ich den Arm frei be- strömend reiche, wechselvolle Fülle der Empfindung, daß man die fommen, da stürzen auch schon der Fähnrich und die anderen braven Länge gar nicht spürte. Leiden und verklärte Freude ver- daß seine Glanzzeit dem 16. und 17. Jahrhundert angehört. Die Stameraden unerschroden herbei, um ungeachtet der Gefahr zu retten, wob sich in dem blassen Antlitz und dem leisen, hellen Bernhardinerkirche, deren Leidensstationen beachtenswerte Wild„ Die Rettung in Sicht", wie schön wäre der Klang Jede Wendung blieb hauerwerke sind, ist kurz vor 1600 entstanden, und die PfarrGedanke gewesen, wenn nicht die Schmerzensrufe der verschütteten in Grenzen bescheidener Natur und strahlte zugleich im firche, die ein gutes Jahrzehnt später erbaut ist, erzählt mit ihrem und verwundeten Kameraden gewesen wären. Nach etwa 20 Mi- Widerscheine einer erhöhten und geläuterten Persönlichkeit. schweren Barockstile von der Zeit, wo Grodno der Mittelpunkt eines nuten haben mich die braven Kameraden aus den Trümmern heraus- Rayblers Sang war ganz der Mann, der dem durch sie vor- reichen und lebenslustigen polnischen Adels war.. die beschäftigt waren, mit den Zinken ihrer Nechen die fahlen Heuhaufen zu wenden.
was zu retten ist.
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Rotes Vlamenblut.
Von Pierre Broodcooren 3.
,, Auch ich habe Liebhaber. Ich kann doch wohl die Feste auch besuchen, wie?" Worauf wollte sie hinaus? Sie spionierte ihn da
wohl aus?
Er stotterte:
derer an?"
Natürlich! Aber was geht Dich das Vergnügen anJest wars an ihr, die Erstaunte zu spielen. Sie verNa was! So was Dummes! Was soll das heißen: Auch ich habe Liebhaber?"
stand nicht, heuchelte nichts zu wissen.
Unfundig, geschickte Wortwendungen zu machen, brachte er seine Gedanken grob geradezu heraus. Sie fing an mit den Beinen zu baumeln und sich, den Oberkörper schaukelnd, über ihn lustig zu machen. O, nichts!"
Er zuckte die Achseln und spuckte verächtlich auf die Straße.
Ich bin an Ort und Stelle. Ich wende hier. Du kannst absteigen."
Bist Du böse?" fragte sie und sprang hurtig auf die Erde. Er blinzelte mit den Augen, gab sich einen Stoß und jagte dann in einem gleichgültigen Ton: " Ich? Warum denn?"
Ich dachte," machte sie unschuldig. Er dachte:
Sie macht sich über mich lustig." Seine Baden färbten sich lebhaft rot. Im übrigen hatte er das Gefühl der männlichen Machtlosigkeit gegenüber den Nichtswürdigkeiten des Weibgeschöpfes. Auf Wiedersehen, Souhe!" ,, Adieu."
Er ließ die Kühe die Wiese betreten. Bei eurer Baumgruppe angelangt, machte Nille mit den Händen ein Schallhorn vor dem Mund:
,, Grüße Deine Liebste!" rief sie, mit einer Stimme, die aus der Entfernung dünn herüberklang.
Unter einem lauten Lachausbruch setzte sie sich dann in Bewegung und lief auf eine Gruppe von Heumacherinnen zu,
der Stimme ineinander.
Gesenkten Kopfes blickte Flohil ihr nach. ,, Ganz gewiß, sie hat uns gesehen." Er fnirschte mit den Zähnen. Biest!"
Er ließ die Kühe halten, sprang vom Wagen herab und machte sich an die Arbeit.
7.
Eines Morgens ging auf dem Felde Liſtels, des Gutsbesigers von Fransbeke, die Kartoffelernte zu Ende. Es war am Ende des Waldes. Das breite hügelige Feldstück, das auf der einen Seite von der Hecke eines Gemüsegartens, auf der anderen durch das Gestrüpp und Buschholz begrenzt wurde, das den Hochwald flankierte, erhob sich mit einem ziemlich steilen Hang bis zu einem Graben, der es von einem Steig trennte, und jenseits des Steiges waren Wiesen, an die sich, dem Hang gegenüber, bebautes Land anschloß. Eine über den Bach gelegte Plante bot Bugang zu dem Weg. Ganz oben wurde das Land von der Straße des Weilers gesäumt. Etwas weiter hin verloren sich Straße und Weg in die balsamische Frische des Waldes hinein.
Es war gegen 6 Uhr.
Und die Rücken bogen sich, die Arme streckten sich aus, die harten, sonnverbrannten Hände lasen auf und scharrten. Ueberall wurde emsig hintereinander fort gearbeitet. Eine Melodie von wunderlichen Kehllauten erhob sich aus dem Lärm der Kuhhirten, lang hingezogen, nach der Heimfehr sich sehnend, auf den endlosen Wiesen.
Zwischen den bronzen angeglühten Stämmen der Espen stiegen in blauen Wirbeln Rauchsäulen auf. Der violette Tag badete die Dinge mit seinem sanften Geheimnis. Auf den Anruf Listels hin gruben ein Dußend den färglichen, von tiefen Furchen durchzogenen Boden. Die Reihe der Bursche reichte bis zu dem undurchdringlichen Dickicht des Hollunders und der Haselsträucher unten am Hange hin. Die schmutzigen Hemden standen über den beharrten Brüsten auseinander. Mit ihren Muskeln, die unter der braunen Haut wie Bälle rollten, hantierten die bis oben nackten Arme die Saden nach einem bäuerlichen Rhythmus. Unter ihren scharfen Zuden brachen die von trocknen und schwärzlichen Stengeln gekrönten Furchenhügel allmählich zusammen und gaben die schmutzigen, bleichen, länglichen Knollen frei. Mit gebeugtem Rücken lasen sechs kräftige, junge Affordarbeiterinnen sie auf. Die Daumen schoben sich fleißig um die Kartoffeln herum, die, bevor man sie in die Säcke tat, flüchtig abgefragt wurden. Wenn lettere gefüllt waren, bugsierte sie ein Bursch auf einem Schubkarren zu dem Wagen hin, der auf dem Pflaster der
Sanft brach die Dämmerung herein. Der im Zenith schieferblaue Himmel senkte sich im Osten mit einer licht- Straße hielt. gelben und türkisblauen Klarheit, durch die sich mattrote Streifen zogen. An Feuerhimmeln weitete sich ein Wogen weißer, mit Gold und Blut gesäumter Federn, das sich über den Himmelsbogen hin ausbreitete. Und in einer fupferfarbenen Flut funkelte, einem Feuerbrand gleich, zwischen den roten Verzweigungen dieses Wolkenfächers die Sonne.
Inmitten seiner Leute rauchte Listel, die Hände in den Taschen, die Beine gespreizt, seine kurze Pfeife.
Er war ein Mann in seinen reiferen Jahren, stämmig und vollblütig, schwarzhaarig, das Geficht von den Mittags gluten verbrannt. Nachlässig, einen Strohhut im Naden, trieb er mit Biedermannsmanier zur Arbeit an, indem er mit den schroffen Befehlen lustige Späße mischte. Manchmal spuckte er, der Rede die Tat gesellend, in seine schwieligen Hände, ergriff die dreizackige Hacke und machte den Knechten vor, wie man das Gerät am besten in die Erde seßt, diese heraushebt und zerteilt.
,, Munter! Es gibt heut abend im Gut noch einen guten runt. Mut gefaßt, vorwärts!"
Hilla war nicht die trägste. Aus Gefälligkeit gegen den Gutsbesizer, dessen Leute nicht ausreichten, hatte sie sich für diesen Tag mit Auré, einer ihrer Schwestern, einer kleinen, munteren Mageren, die ein bißchen hinfte, in Afford gegeben.
Es war für sie ein mächtiges Vergnügen, das die seßhafte Eristenz ihrer Handschuhnäherei in ihrer Eintönigkeit mal unterbrach. Außerdem wurde sie gut bezahlt und würde am Abend in dem niedrigen Saal des Gutshofes am Feste teilnehmen und mit der Schar der munteren Burschen und ausgelassenen Bauern ihr Vergnügen haben. Ihre Späße erfreuten sie und sie ärgerte sich gelegentlich eines zufälligen Zusammenstoßes feineswegs über eine etwas derbe Zärtlichkeit. Listel selbst ließ es an so etwas nicht fehlen. Hin und wieder flatschte seine Hand auf ein emporgerectes Hinterteil. Eine Heiterfeit erhellte dann die finsteren Gefichter der Knechte. Ermutigt durch die Vertraulichkeit des Herrn fuhren sie in den Pausen der Arbeit ihrerseits unter Mieder und Röde. Schreie wurden laut, die sich in der majestätischen Stille des Abends mit einem Glucksen verloren.( Forts. folgt.)