It. 220.- m Unterhaltungsblatt öes vorwärts Frettag, 24. September. Das völtergemijch der Saltanhalbinsel. Bon Heinrich Tunow. I. Der Weltkrieg zieht immer weitere Bölkerkreise in seinen Strudel. ES kann heute als sicher gelten, das? neben Serbien  , dessen Streben nach dem Besitz Bosniens   und der Herzegowina den äußeren Anlaß zum Kriege geboten hat, auch Bulgarien   und vielleicht auch Rumänien  in das gewaltige Völkerringen eingreifen werden. Seit die Türkei  ftch den beiden europäischen   Zentralmächten angeschlossen hat, ist die englische und russische   Diplomatie rastlos bemüht gewesen, um außer Italien   auch Griechenland   und Bulgarien   durch Versprechungen und Drohungen zur Kriegserklärung an die Türkei   zu bewegen, besonders Bulgarien  , da mit dem Vorrücken der bulgarischen Truppenmacht gegen Konstantinopel   der langwierige schwere Kampf der Westmächte um die Dardanellen bald entschieden sein würde. Das Ergebnis dieser diplomatischen Bemühungen dürfte fteilich den englisch  -russischen Wünschen wenig entsprechen. Vielleicht steht ein neuer Krieg auf der Balkanhalbinsel   bevor, dem alten südöstlichen Wetterwinkel Europas  . Es ist sogar mehr als wahrscheinlich, daß dort sich zunächst eine der wichtigsten Phasen des Riesenkampfes abspielen wird. Um so nötiger ist einige Kenntnis des bunten Völkergemisches auf dem Balkan   und der zwischen den einzelnen Teilen dieses Gemische» bestehenden Gegensätze, denn viele Völkerstürme sind seit den Tagen des alten Hellenentums über den Balkan   dahin gebraust, und st« alle haben ihre Spuren hinterlasien. Nach der geschichtlichen Neberlieferung saßen als älteste Be- wohner der Balkanhalbinsel   einst in deren östlichem Teil am Schwarzen Meer bis nordwärt« zur Donau   die Thraker, im Westen am Adriatischen Meer   die Illyrer und nordöstlich der Donau  , im heutigen Rumänien  , verschiedene vorgeschobene Stämme der Skythen  : alle drei wahrscheinlich BolkSstämme der Jndogermanen, wenigstens Thraker und Skythen   werden uns von den altgriechiscken Schriftstellern al« große Menschen mit Heller Haut» färbe, blauen Augen und lichten Haaren geschildert. Schon in alter Zeit aber bildeten diese Völkerschaften keine streng gegeneinander abgesonderten Volks« und Sprachgruppen. Die Thraker dehnten fich mehr und mehr nach Westen und Südwesten aus, einzelne Haufen drangen sogar bis Boötien und Attila   vor; während die Illyrer, als deren Sitze zuerst das heutige Bosnien  , die Herzegowina, Dal« matien und Westserbien genannt werden, teils weiter nach Süden an der albanischen Küste enilang vordrangen, teils an der Ostküfte Italiens  , besonders im heutigen Venetien  , Siedelungen anlegten. Die Folge waren mancherlei Mischungen, die sich beträchtlich mehrten, als die Römer eindrangen und im letzten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung sich nach und nach die verschiedenen eingesesienen Stämme, die Mösier, Rätier, Norer usw. unterwarfen, bis dann Trajan   im Jahre 106 n. Chr. auch die Donau   überschritt und das Jenseits des Flusses gelegene Gebiet zur römischen Provinz erklärte, die den Namen Dakien erhielt. Der Eroberung folgte die Anfieblung römischer Kolonisten, bis dann um das Jahr 27» die Goten in Dakien eindrangen und dieses Gebiet, nachdem der römische Kaiser Aurelian   seine Heere über die Donau   zurückgezogen hatte, in Beschlag»ahmen. Doch auch sie er« freuten sich nicht lange ihres Besitzes. Getrieben von den nach« drängenden Hunnen überschritten sie 876 die Donau  , fielen in Thrakien   ein und plünderten dieses jahrzehntelang aus. Ihnen folgten die Volksstämme der Heruler und Gepiden und darauf im fünften und sechsten Jahrhundert verschiedene Züge der Slaven auS dem südlichen Rußland. Sie ließen stch größtenteils zunächst nörd« lich der Donau  , im heutigen Rumänien  , nieder, drangen dann aber in größeren Haufen südwärt« vor. Ihre Sitz« an der Donau   wie auch die ftüher von den Gepiden besetzten Gebietsteile wurden nun teilweise von den Avaren, einem vom Kaukasus heranziehenden Tatarenstamm, besetzt. Dann tritt ein neue« Boll in der Geschichte der Balkanvölker auf, das bald ein großes Reich begründete: die schwarzen Bulgaren   sBolgari): ein Zweig Rner an der Wolga  (da- malS Bolga genannt) hausenden großen uralisch-finnischen Völkerschaft. Sie überschritten 679 die Donau  , unterwarfen die südwärts im heutigen Nordbulgarien fitzenden Slawen und begründeten unter ihrem Khan Jsperich das alte Bulgarenreich, das sich durch blutige Eroberungen mehr und mehr ausdehnte und unter dem Zaren Simeon<883 927), dem ersten der Bulgarenzaren, sein« höchste Macht erreichte. Es umfaßte damals nicht nur den größten Teil de« heutigen Bulgarien  , sondern auch Mazedonien  , Thesialirn, TvirnS, Albanien   sowie ferner die Walachei und die anstoßenden ungarischen Grenzgebiete. Doch schon unter seinem Nachfolger, dem Zaren Peter, spaltete stch das Reich. Der östliche Teil, das Reich der logenannten Donaubulgaren, bestand bis 979, das bulgarische Westreich mit der Hauptstadt Ochrida   noch bis 1018. Dann wurden beide dem Byzan« tinischen Reiche einverleibt. Zwar versuchte nochmals ein Teil der Ostbulgaren einen selbständigen Bulgarenstaat aufzurichten, und eS gelang ihnen auch, sich von dem Joch der Byzantiner zu befreien und im mittleren Balkan ein kleines Zarenreich mit der Hauptstadt Tirnowo   zu gründen(1186); doch dauerte die Herrlichkeit nicht lange, 1396 fiel das Gebiet an die Osmancn. Die alten Bulgaren   waren also keine Slawen, aber da diese sie an Zahl weit übertrafen und Nachschübe aus dem Stammsitz an der Wolga   ausblieben, gingen sie bald völlig in den unterworfenen Slawen auf. Sie übertrugen zwar auf die südlich der Donau  sitzenden Slawen ihren Namen, büßten aber ihre Sprache und Sitten wie auch ihre Religion ein. Sie bekehrten sich zum Christen- tum, das Michael Boris(362 888) zur StaatSreligion machte. Während dieser Bulgarenherrschaft hörte indes die Zuwanderung ftemder Völkerelemente nicht auf. Zu Beginn des 9. Jahrhunderts tauchten die turkmenischen Ungarn   an der Nordgrenze DakienS auf und nahmen 994 dauernd von Siebenbürgen   Besitz. Ferner setzten sich im 10. Jahrhundert in der jetzigen östlichen Walachei die Blochen (Walachen) fest, kein einheitlicher Volksstamm, sondern, wie die Bul  « garen, ein Mischvolk, hervorgegangen aus den Resten der alten ein« gesesienen thrakischen Bevölkerung und der römischen Kolonisten, den sogenannten Dakorömern, sowie bulgarisch  -slawischen und finnischen Volkselementen. Ein Teil dieser Walachen begründete 1247 östlich des AlutaflusieZ ein kleines walachischeS Fürstentum, das sich nach und nach verschiedene angrenzende Gebiete angliederte, so daß sich unter der Herrschaft Mirceas(13861418) der Walachenstaat nicht nur über die eigentliche Walachei, sondern auch über einen Teil Siebenbürgens  , des nördlichen Bulgariens   mit Silistria   und der Dobrudscha   erstreckte. Nach dem Vordringen der OSmanen nördlich der Donau   wurde jedoch auch das walachische Fürstentum bald zum türkischen Tributärstaat und geriet dann völlig unter die Oberhoheit der Türken. Außer den Ungarn   drangen um die Mitte deS 10. Jahrhunderts die Petschenegen und ein Jahrhundert später die Kumanen, eben« falls zwei Turkstämme, in die Gebiete nördlich der Donau   ein. Dazwischen findet immer wieder in jenen Jahrhunderten ein er« neules Eindringen slawischer Volksstämme aus Rußland   statt. Schon um die Mitte deS 7. Jahrhunderts lassen sich eine Anzahl slawischer Stämme im heutigen nördlichen Serbien   und westlich davon, in Bosnien  , Kroatien   und Dalmauen nieder, die gewöhnlich unter dem Namen Serben zusammengefaßt werden. Sie fügten sich zunächst dem byzantischen Reiche ein und erkannten dessen Oberherrschaft an, ein Teil schüttelte aber 1043 unter dem Woiwoden Dobroslaw die Herrschaft der Byzantiner ab und begründete ein serbisches Reich, das unter dem Serbenzaren Stephan Duschan sich zeitweilig auch über Mazedonien  , Albanien  , Thessalien  , Nordgriechenland und einen Teil Bulgariens   ausdehnte, bis auch dieser zusammeneroberte Staat schließlich um die Mitte des 16. Jahrhunderts unter türkische Herr« schalt gerät. Schon diese kurze Geschichte der Einwanderungen und alten Staatengründungen beweist, welch ein buntes Völkergemengsel die Balkanhalbinsel   enthält; eine Reihe kleiner, oft über weite Flächen verstreuter Nationen und Natiönchen mit mannigfachen nationalen Gegensätzen, zu denen sich überdies noch allerlei wirtschaftliche und religiöse Verschiedenheiten gesellen. Kleines Feuilleton. Erfolge öer Kältetechnik. Uober das sich immer mehr erweiternde Anwendungsgebiet der Kältetechnik, die neuerdings in der Frage der Nahrungsmittel- konservierung bei uns so eine bedeutende Rolle spielt, macht W. AhrenS in der.Naturwissenschaftlichen Wochenschrift* einige inter­essante Angaben. In den letzten Jahren hat die Kälteindustrie hauptsächlich in Kleinbetrieben wie Metzgereien, Restaurants, Krankenhäusern usw. sich neue Verwendungsgebiete gesichert, die die Kenntnis ihrer Anwendungsmöglichkeit und Vielseitigkeit auch in weitere Kreise getragen hat. Die bedeutendsten Kühlvorrichwngen finden fich auf Schlachthöfen, in Molkereien und in den großen städtischen Markthallen, in denen das Lagergut aus den verschiedensten Gegenden zusammentrifft. Durch da» Zurückhalten bestimmter Lebensmittel. wie der Eier, in den Kühlhallen wird ein Ausgleich zwischen Zufuhr und Verbrauch herbeigeführt und die Möglichkeit einer Teuerung eingeschränkt. ES kommt bei der Kühlung nicht nur auf die Tcm- peratur, sondern auch auf den Feuchtigkeitsgehalt der Luft an; Eier trocknen bei geringem Feuchtigkeitsgehalt aus, bei zu hohem verlieren sie an Geschmacksreinheit. Obst und Gemüse hält sich am besten bei einer ganz bestimmten Feuchtigkeit der Luft. Fleisch ist bei künstlicher Kühlung viel gesicherter vor Bakterien und anderen Mikroben als bei jener mit Natureis, da eine unmittelbare Berührung mit dem kältegebenden Körper nicht statt- findet. Auch im Bergbau wird die Kältetechnik bereits erfolgreich angewandt. Will man nämlich einen Schacht in schlammigen Wasser« haltigen Boden bauen, so treibt man in der Umgebung Kühlrohre in die Erde, bringt den vorgesehenen Raum so in Erstarrung und hebt das Gemisch als feste zusammenhängende Masse aus. Darauf gibt man dem Bohrloch noch ein« wasserundurchlässige AuSfütterung. In der Brauerei finden Maschinen von großer Kälteleisttina häufig Anwendung, noch größer sind solche Anlagen in großen überseeischen Fleischgefrieranstalten, die für das tägliche Schlachten von oft mehreren tausend Rindern ausreichen. Selbst auf Schiffen und Eisenbahnen werden Kllhleinrichtungen immer häufiger eingebaut. Vampire. Den gewiffenlosen Militärlieferantc» widmet Mathilde Serao, die bekannte italienische Schriftstellerin, im �Giorno* eine liebevolle Betrachtung. Sie vergleicht sie mit dem Seidenwurm und führt zur Begründung dieser merkwürdigen Gegenüberstellung folgendes auS: .Der Militärlieferant hat vor Beginn und während des Krieges ein ganz farbloses Wesen, und wenn er ein Rechtsanwalt ohne Prozesse, ein Ingenieur ohne Beschäftigung, ein Buchhalter ohne Stellung, ein Theaterunternehmer ohne Theater, ein Kinomann ohne Film? ist, tut er doch immer so, als wenn er seinem eigentlichen Beruf nachginge, während er doch heimlich nur um da» fleischige Maulbeerbaumblatt, die KriegSliefcrung. herumstreift. Natürlich war der Militärlieferant ein strammer Kriegsfreund, und als der Krieg gegen Oesterreich   ausbrach, fand er, daß das noch lange nicht genüge, und daß man auch Deutschland  den Krieg erklären müsse. Und wenn er in seinem lmersättlichen LieferungShungcr auch hofft, daß eS doch noch zu diesem Kriege kommen werde, so sind doch immer vier oder fünf wunderschöne Lieferungsmonate für ihn verloren.... Um nicht aufzufallen, führt der Kriegslieferant während deS Krieges ein recht bescheidenes Leben; ist aber der Krieg zu Ende, so ist auch der Vergleich zwischen dem anständigen Seidenwurm und dem Kriegslieferanten zu Ende; denn der Seidenwurm wird ein Schmetterling und erhebt sich in die Lüste, während er seine wertvolle Arbeit, seine Puppe, dem Menschen überläßt. Der Kriegslieferant wird zwar auch ein flotter Schmetterling, aber die Puppe behält er trotzdem für sich. Und nach 6 oder 12 Friedensmonaten kauft sich plötzlich Herr Schulze für 600 000 M. einen prächtigen Palast; Herr Müller gibt seiner Tochter eine Mitgift, die ans Fabelhafte grenzt; Herr Meyer, der immer zu Fuß ging, hat plötzlich zwei Autos, eins für die Stadt und eins für»Touren*; die Tochter des Herrn Schmidt hat Ohrringe, die 30 000 M kosten.... Da? ist so die Laufbahn solcher Emporkömmlinge, die die höchsten und heiligsten Gefühle ihres Volkes ausgebeutet haben, dieser schlimmsten Sorte von Vampiren, verfluchten Vampiren.._ Notize». Borträge. Freitag, den 24. September, abends S1/« Uhr, spricht im Monistenbund lNollendorfhof, Bülowstr. 2) Dr. M. H. Baege über da« Thema:.Zur Psychophhsiologie de» GedächtniffeS und der Begriffsbildung.* Kunstchronik. Im Lichthofe de» Kunstgewerbemuseum» ist eine Sammlung von 7(X) Aquarellen au» dem Besitz der königl. HauSbibliothel ausgestellt, vorzugsweise Darstellungen von Achitek« turen, Landschaften, ferner Blätter von Menzel und Hosemann. Ein neues Museum. In Lübeck   wurde«in städtt- sche».Museum für Kunst und Kulturgeschichte* in den stimmung«- vollen Räumen deS ehemaligen Annenkloster» eröffnet. ES soll lübeckischer Art und Kunst dienen, die ja für die EntWickelung nord« deutscher Kunst einst allgemeine Bedeutung hatte. Rotes vlamenblut. SO] Von Pierre Broodeooren». Tatsächlich hatte eS ja nichts Kompromittierendes, wenn man sich nach Grammont begab. Ich muß Dir aber sagen, daß er doch blaß geworden ist." bemerkte Jannah. über ihren Schraubstock gebeugt. Die Dirne erschrak. Bah!" machte sie.Er weiß von nichts." Ganz ruhig erhob sie sich. In diesem Augenblicke ließ ein scharfes Fingergetrommel auf einer der Fensterscheiben die drei Mädchen den Kopf wenden. Da ist er ja I* rief Palmhre. Gott  , was für ein Gesicht!* flüsterte Florin«. Undeutlich war die düstere Gestatt FlohilS am Fenster sichtbar geworden. Wie spät ist es denn?* rief Hills. Sie warf einen Blick auf das Zifferblatt. Die Zeiger wiesen sieben Uhr. Ich habe mich verspätet. Er wird mich auSschellten,* sagte sie mit einer Grimasse. Wenn ich Du wäre, würde ich die Sache nicht leicht nehmen'" sagte Jannah nebenhin. Die andere zuckte leichthin die Achseln. Ah, sei doch still! Ich kenne ihn." Langsam ging sie hinaus. 17.' In der Nähe des Brunnens schloß stch ein eiserner Griff um Hillas Handgelenk. Sie stieß einen Schrei auS. «Aber Souhe, es ist ja nicht meine Schuld, daß ich nicht da war," stammelte sie erschrocken. Ohne zu antworten, zog er sie beiseite. Mit zitternden Knien ließ sie es geschehen, indem sie sich fragte, was er wohl tun würde. Und in der Vermutung, daß > vielleicht eine Anwandlung von Liebesraserei mtt im Spiel war, beschloß sie im voraus in ihrer dirnenhaften Leichtfertig- kcit, seinen Ansprüchen zu willen zu fem. Wenn Du etwas möchtest," scherzte sie, um sich Mut zu machen,so hättest Du Dir einen besseren Ort wählen sollen." Er beharrte in seinem Schweigen und schlug den Steig zwischen der Scheunenmauer und der Hecke ein. Hinter JolwmnSbeerbüschen breitete sich vor ihnen der Garten. Er nottgte sie dorthin. MS er ein Stück von dem Hause entfernt war, ließ er zwischen den Bäumen Hilla mit einem Male loS. Die Nacht umfing sie mit ihrem bangen Dunkel. Wo kommst Du her?* stieß er kurz und zischend hervor. Sie forschte nach dem Ausdruck seines Gesichts, sah aber weiter nichts als etwas unbestimmt Weißes mit zwei schwarzen Augenlöchern. Und es schien ihr, als ob ein Totenkopf sie aus seiner schwarzen Finsternis heraus anstarrte. Woher ich komme?" wiederholte sie zögernd und zitterte. Ja, um diese Zeit?" Plötzlich ging es Hilla auf, daß irgend ein guter Kerl, der sie auf dem Wege von Grammont in galanter Gesellschaft gesehen hatte, nichts Eiligeres zu ttm gehabt haben könnte, als ihren Liebhaber davon zu benachrichtigen. Sie suchte sich alle Gesichter ins Gedächtnis zurückzurufen, die ihr unterwegs auf der Landstraße aufgefallen waren. Aber sie entsann sich nicht, irgend einer ihr bekannten Person begegnet zu sein. Ich sehe schon, Du suchst nach einer Ausflucht, willst noch lügen." Sie blinzelte im Dunklen schnell mit den Augen. Warum? Jannah hat Dir'S ja gesagt. Ich bin.. Sie konnte nicht vollenden. Die beiden Hände des Manne? waren plötzlich auf ihre Schultern gefallen. Sie taumelte. Ah, Kanaille!" Und das hatte er geliebt! Nur ein paar Monate trennten sie noch von der Hochzeit. In seiner blinden Dumniheit hätte er die Hände dafür ins Feuer gelegt, daß sie brav und anständig wäre. Noch vor drei Tagen hätte er bei einem Haar in der Schenke den Händler erdrosselt, weil er schlecht von ihr gesprochen hatte. dreifach dummes Tier, daS er war! Er hätte den Kerl umarmen, ihm auf den Knien danken sollen, daß er ihm die Augen geöffnet! Aber nein! Er hatte ihn zu dreiviertel umgebracht. Liederliches Weibsbild! Niemand in den Dörfern, außer natürlich ihm, der interessierten Hauptperson, der nicht von ihren wüsten Ausschweifungen wußte. Und um sie von einem schimpflichen Vorwurf reinzuwaschen, der noch weit unter der Wahrheit stand, hatte er, ach! daS Zuchthaus, ja, das Zuchthaus gewagt! Ich verachte Dich!" spie er ihr inS Gesicht.Du bist schlechter als eine Hure! Solche zeigen sich doch wenigstens so, wie sie sind. Doch Du...1" Die Arme gekreuzt, den Kopf schüttelnd wie ein der- wundetes Pferd, begann er vor ihr auf- und abzugehen. Ah, das Fräulein war nach Grammont gegangen, eine Brunnenkette zu kaufen l Sie hätte ebenso gpt eine für ihre Liebschaften kaufen können, denn die. welche sie christlich zu- znsammengebroch stnnmenhielt. war zerrissen. Gemeines Mensch! Es wgr.I* ja wohl der Kurzwarenhändler, mit dem sie heute Nach- mittag in der Kutsche nach Schendelbeke und noch weiter ge- fahren war. Er weiß alle?!* dachte Hills. Ein Schreck weitete ihr die Augen, machte ihr die Zähne klappern. Mechanisch rieb sie stch mtt der Innenfläche der rechten den Rücken der linken Hand. Wie verloren in sein unsägliches Unglück, fuhr Souhe fort, auf- und abzugehen. Sein Schmerz machte sich Luft mit heftigen Gebärden und von erstickt gurgelnden Seufzern unterbrochenen Worten. Die Großmut, die er bislang ge- zeigt hatte, die Größe der Opfer, die er ihr gebracht, feiner Liebe, zeigten angesichts deS Zusammenbruches deS schönen Traumes ihre chimärisch-ungeheuerlichen Dimensionen. Und gegenüber dem Unstern, der sie zerstörte, unwieder- herstellbar, ergriff ihn eine Verzweiflung, die ttefer und un- geheurer war als sein Rachegefühl. Seine Lippen zuckten wie die eines Kindes, daS anfangen will zu weinen. Er hätte das ganze Dorf zum Zeugen seines Unglückes gewünscht, um den wilden Rausch unter den Trostbezeugungen und Teil- nahniekundgebungcn, deren er bedurfte, noch mehr zu ge- nießen. Ein anderer an meiner Stelle würde Dich niederstechen*. grollte er dumpf, indem er sich mit zuckenden Schultern bor sie hinstellte. Aber sie war nicht daS Meffer wert, daS man ihr in den Leib rannte. Ruckweise sprangen die Worte hervor, erregten stch an ihrem eigenen Gebell, wie Hunde, die einer Wildfährte nach- rennen. Nach dem Blitz, der ihn auf dem Markt von Schenkel- beke getroffen, hatte der Bursch in drei Stunden die große Entfernung bis nach Bois zurückgelegt. Was hoffte er eigentlich noch? Er wußte es nicht. Mächtige Waflungen brausten in seinem Innern. Er sah nicht mehr deittlich, er fühlte zuweilen einen Mordwahnsinn ihn die Nerven er­schüttern und von seinem Schädel, in. dem es wie ein Lärm von Glocken dröhnte, ihm eiskalt in die Glieder fahren. Doch eine Klarheit blieb. Die düsteren Sttmmen, die über alle aufzuckende Lava und alles Dröhnen des Kraters hinweg ihren Orkan gegen ihn bliesen, hatten sie nicht auslöschen können. Sie hielt sich, diese Flamme, zwar flackernd, aber unberührt und lebendig. Wenn er sich getäuscht hätte? Hilla war vielleicht zu Hause, in Frieden damit beschäftigt, Stttümpfe auszubessern oder Handschuhe zu nähen. Aber daS Mädchen war am frühen Morgen ausgegangen und um 4 Uhr nicht zurückgekehrt. Unter einem seltsamen Lachausbruch erlosch die Klarheit. Und wie von einem Todcsstreich getroffen, war er "cn.