Nr. 227.- 1915.
Unterhaltungsblatt des Vorwärts Sonnabend, 2. Oktober.
Fallendes Laub.
Obschon das Spiel des Laubfalles sich alljährlich wiederholt, versezt es uns doch stets aufs neue in jene wehmütig ernste Stimmung, wie sie sich immer beim Scheiden und Meiden unseres Innern bemächtigt. Doch wir sind nicht sentimental genug, in dieser Gefühlsanwandlung ganz zu versinken; vielmehr nötigt uns jener einfache und doch so bedeutungsvolle Vorgang in der uns umgebenden Natur, seinen Ursachen und Folgen nachzusuchen, das Wie und Warum zu erforschen, also das Gesetzmäßige der Erscheinung kennen zu lernen. Denn da der Laubfall, zwar in unseren Breiten von einem poetischen Schimmer umgeben, doch in allen Erdstrichen und an fast allen laubtragenden Bäumen sich vollzieht, so muß er wohl den Ausdruck eines das gesamte Pflanzenreich beherrschenden Gesetzes sein, nicht aber, wie so viele irrig meinen, nur als Folge eines heimtückischen Nachtfrostes eintreten.
Je nach der Witterung beschleunigt oder verlangsamt sich die Zeit des Laubfalls, doch umspannt sie immer mehrere Wochen; denn Laubfalles, doch umspannt sie immer mehrere Wochen; denn während die einen schon in der ersten Hälfte des Herbstes ihr Laub verlieren, warten die anderen die Zeit ruhig ab, bis die herben Nachtfröste ein längeres Säumen unmöglich machen; ja dritte besigen Energie genug, ihre Blätter, seien sie auch zu Mumien zufammengeschrumpft, den ganzen Winter über festzuhalten, bis es den sanften Flüſterungen des kommenden Lenzes gelingt, sie zu überreden, gegen neuen Schmuck das vergilbte Kleid abzuwerfen. Sonach hat der Laubfall seine Geschichte, wie jedere andere Vorgang im Naturleben. Da tritt nichts auf, was nicht schon vor bereitet worden, da vollzieht sich nichts, was nicht notwendige ollzieht fi Folgen haben könnte.
Welche Ursachen aber sind es, die das Fallen des Laubes bedingen? Sind es die neuerscheinenden Achselknospen, die da drängen und schieben an dem Alten, daß es stürze? Keineswegs, denn nicht in allen Blattachſeln ſizen Knospen. Oder ist es das allgemeine Gesez vom Kreislauf des Lebens, nach welchem Entſtehen, Sein und Vergehen sich miteinander verschlingen, so daß aus dem Leben der Tod und aus dem Tod das Leben erblüht? Folgt das Blatt dem gewaltigen Zuge nach unten, um im Schoß der Mutter Erde zu verwesen und dieser die Stoffe wiederzugeben, die ihm zur Bildung dargereicht wurden? Auch das ist nicht Ursache, sondern nur Folge. Es hat vielmehr der Baum selbst den Fall seines Laubes schon seit Monden vorbereitet; er selbst hat burch einen Bildungsvorgang den Blätterschmuck von seinem eigenen Wesen nach und nach abgesperrt, so daß dieser immer mehr verkommen und absterben mußte. Solange nämlich die Saft strömung im Innern des Baumes recht lebendig vor sich geht, so lange hat auch der Baum die Blätter nötig, um sich durch diese mit der Luft in Berbindung zu setzen, so daß der von der Wurzel aufsteigende Saft durch die breiten Flächen der Blätter einer Ginwirkung der frischen Luft ausgesetzt werde, fich läutern und zum eigentlichen Bildungssafte umgestalte und schließlich wieder abwärts steige, um nun erst zur Verdickung schon vorhandener, sowie zur Bildung neuer Bellen verwendet zu werden. Aber nur kurze Zeit währt die Zirkulation des Saftes im Baume, und je mehr sich diese verlangsamert und verringert, je weniger sind die Blätter nüße, bis endlich auch sie erfahren müssen, daß, wer seine Schuldigkeit getan hat, gehen kann. Doch hat es den Anschein, als wolle der Baum nicht hart und undankbar gegen seine treuen Diener, die doch zugleich seine eigenen Kinder sind, erscheinen, darum baut er nur leisen Schrittes und unbemerkbar die Schranken auf, die das Blatt ihm selbst entfremden sollen. Denn schon mehrere Wochen vor dem Falle beginnt an der Stelle, wo die Blattlösung erfolgen soll, die Bildung eines garten, fleinzelligen Gewebes einzutreten, das zwar nur langsam sich erweitert und erhärtet, doch in eben
ein blasses Gelb, das reiner und wärmer wieder bei der Rüster, Stehen so die künstlerischen Leistungen der Kinematographie dem Corabaum und dem Ahorn hervortritt. Die Buche vertauscht noch auf einer ziemlich niedrigen Stufe, so ist ihre technische ihr herrliches Grün mit einem warmen Braun, ganz ähnlich die Leistungsfähigkeit schon zu einer außerordentlichen Vollendung geEichen, während die Vogelkirsche sie alle mit ihrem purpurroten bracht. Die Bilder sind flar, scharf; die neuen 120 Meter Film Schmuck überbieten will. Ueberblicken wir nun den herbstlichen fassenden Kameras erlauben Aufnahmen von sechs Minuten ununterWald in dieſen mannigfaltigen Tinten, so wird uns seine Zu- brochener Dauer; die Wiedergabe zaubert uns, wenn man von der sammenstellung aus den verschiedensten Baumarten erst recht klar; Farbe absieht, ein absolut naturgetreues Bild des Originales vor. denn in ihrem immer charakteristisch gefärbten Herbstkleide lassen Man hat nun angesichts dieser hohen technischen Vollendung schon sich diese vom flüchtigen Blick viel leichter unterscheiden, als wenn mehrfach den Vorschlag gemacht, die Kinematographie doch in weit sie alle im schwellenden Grün nur eine gleichartige Laubmasse zu höherem Maße, als dies bisher geschieht, als Bildungsmittel in Schulen, Universitäten, technischen Hochschulen usw. zu verwenden. bilden scheinen. Fragen wir aber nach den Ursachen dieser Verfärbung, so be- Dr. Ernst Schulze schlägt in seinem Buche„ Der Kinematograph lehrt uns die Wissenschaft, daß eine chemische Veränderung des als Bildungsmittel" vor, ihn auch zur Vermittelung von Wissensstoff Zellinhalts vor sich gegangen sei, daß namentlich das Blattgrün an die breiten Volksmassen zu verwenden. Er weist auf die russische ( Chlorophyll), jene in allen grün aussehenden Pflanzenteilen vor- Regierung hin, die die am Alten hängende russische Bauernschaft kommende stickstoffhaltige Verbindung, durch Einwirkung des Lichts durch kinematographische Vorführungen zu besseren Anbau- und zersetzt worden sei und sich demzufolge in Blattrot( Erythrophyll) Wirtschaftsmethoden zu erziehen sucht. In ähnlicher Weise beaboder Blattgelb( Xanthophyll) verwandelt habe. Auch hat wohl die sichtigt die Landwirtschaftskammer für die Rheinproving in den 50 Menge des Sauerstoffs, die in das Gewebe der Blätter aufgenommen ihr unterstehenden Lehrschulen die Kinematographie als Bildungswird, einen großen Einfluß auf die Färbung, da nachgewiesen mittel zu verwenden. Sie hat sich zu diesem Zweck mit der Lichtworden ist, daß höhere Orydationsstufen die herbstlichen Farben bildnerei in München- Gladbach in Verbindung gesezt und ihr den in den Blättern hervorbringen. Eben derselbe Vorgang ist es auch, Auftrag zur Herstellung einer ganzen Anzahl von Filmserien der die Wangen des Apfels rötet, der die Blätter mancher Pflan- gegeben. So soll beispielsweise die landwirtschaftliche Arbeit von zen überhaupt nicht grün, sondern bald bräunlich, bald rot erscheinen der ältesten Handarbeit bis zur Anwendung von Dampfkraft, macht und auch unsern Efeu zur Winterzeit nicht ganz un- Elektrizität und sonstigen modernen Methoden dargestellt werden. berührt läßt. Aehnlich ließe sich für Hochschulen die Arbeit in Hochöfen, WalzProdukts von seiner Gewinnung, die vielleicht in fernen Ländern werken, Fabriken darstellen. Der Eniwidelungsgang eines technischen erfolgt, bis zur Berpadung als Fertigprodukt kann auf diese Weise in ebensoviel Minuten vor Augen geführt werden, wie man sonst vielleicht Monate brauchen würde, um ihn zu studieren.
liche Ablösung der Blätter nur eine charatteristische Erscheinung Die Annahme ist jedoch falsch, daß diese Verfärbung und endan den Laubgewächsen unseres fühlen Erdstriches sei und bei den immergrünen Pflanzen oder in den Tropen nicht stattfände. Viel mehr sind auch unsere Nadelhölzer, deren treues Grün keinen Wechsel zu kennen scheint, einem solchen dennoch unterworfen, da Für ein Filmarchiv tritt Georg Bernhard im Blutus" ein. wir wohl alle vom Lärchenbaum wissen, daß er schon nach dem Er meint, die Zentralstelle für den wissenschaftlich- technischen Anersten Nachtfrost seine zarten Nadeln fallen läßt und dann bis hauungsunterricht solle sich mit Unternehmern usw. in Verbindung zum Frühjahr tahl und traurig dasteht. Fester siten dagegen die feßen und unter Zuhilfenahme von Sachverständigen dann entsprechende Nadeln der Kiefer, die nur nach vier oder fünf Jahren wechseln; Aufnahmen machen. Diese wären gegen Gebühren zu verleihen. noch sparsamer im Laubwechsel zeigen sich Tanne und Fichte, denn Außerdem könnte die Zentralstelle die Ausarbeitung und Verandiese vollziehen einen solchen erst nach acht bis zwölf Jahren. Nur staltung von Ausbildungskursen in die Hand nehmen. Vielleicht der Umstand, daß Kiefer, Tanne und Fichte ihre nadelförmigen ließe sich, ähnlich wie es die Urania" für rein wissenschaftliche Blattgebilde in eben dem Maße neu hervortreiben, als die alten Zwecke darstellt, eine wirtschaftliche Lichtbühne gründen. Die aufabfallen, läßt uns sie niemals fahl erbliden und verleitet uns zu zuführenden Stücke fönnten nebenbei irgendeine interessante HandSem Glauben, als sei ihr Grün wirklich so stichhaltig, um in ihnen inng enthalten, so daß auch die Lichtbildtheaterbefizer solche Films das Bild der Treue zu schauen. Ebenso wechseln auch Efeu, gern benugen würden, wodurch die Kosten wesentlich herabgesetzt Singoun und Buchsbaum in so verstohlener Weise ihre Blätter, werden könnten. daß wir den Wechsel kaum gewahren und darum diese„ immergrünen" Pflanzen so gern in unsere Nähe bringen, um uns zur Zeit der Gisblumen an ihrem Anblick zu erquiden. Obwohl aber die Zahl der immergrünen Pflanzen nach dem Süden hin zunimmt, so ist doch der Laubfall auch in den Tropen bekannt, da hier viele Baumarten ihre Blätter mit Eintritt der trockenen Jahreszeit abwerfen und sich erst aur folgenden Regenzeit wieder neu belauben. Einen so ausgeprägten Charakter wie in unserer gemäßigten Bone erreicht der Laubfall dort freilich nicht, und sicher trägt dieser beständig wiederkehrende Wechsel in der Be- und Entlaubung unserer wälder nicht wenig dazu bei, uns mit jener poetisch- gemütlichen Anlage auszustatten, die uns, so wir auch unter Palmen wandeln mögen, immer wieder mit Sehnsucht zurückdenten läßt an die traute Heimat mit dem grünenden Lenz und dem einschläfernden Herbst!
Kleines Feuilleton.
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Notizen.
Musikchronif. Das Blüthner- Orchester be
ginnt am Sonntag, den 3. Oftober, abends 7½ Uhr, im BlüthnerSaal seine regelmäßigen Sonntagskonzerte mit einem BeethovenWagner- Abend. Dirigent Musikdirektor Paul Scheinpflug . Donnerstag im Part- Theater mit Hans Sachsschen Fastnachtspielen Das Brüsseler deutsche Theater wurde am und„ Wallensteins Lager" eröffnet.
Der unnationale Nationalist. Paul Soudah, einer der nicht allzu zahlreichen Literaturkritiker Frankreichs , die ihre Unabhängigkeit und Besonnenheit bewahrt haben, rechnet im " Temps" mit dem Häuptling der chauvinistischen Literaten, Maurice Barrès , ab. Er kommt zu dem Schluß, daß sich die literarische Persönlichkeit Barrès unter deutschem Einfluß entwickelt hat. " Seine ganze Philosophie kommt von der Romantik jenseits des Sheines her, mitinbegriffen sein systematischer Nationalismus, welcher der Nationalismus der deutschen historischen Schule ist, nur natürlich auf das französische Register übertragen und zugunsten Frankreichs gewendet. Die Anwendung ist verschieden, das Prinzip nicht. Wir Der Kinematograph als Bildungsmittel. dem Maße den Verkehr des Blattes mit dem Baume beschränkt Der Kinematograph ist in schlechten Ruf geraten, nachdem er wollen damit Herrn Barrès feinen Vorwurf machen. Seit Jahr und schließlich ganz unterbricht, so daß dieses, zuletzt auf sich selbst dazu benutzt worden ist, in titschigen, verlogenen Stüden die Sen- hunderten gibt es in Europa einen Austausch der Ideen und eine angewiesen, einem schnelleren oder langsameren Dahinsterben über- sationslust und falsche Sentimentalität des ungebildeten Publikums Raffenvertreter Leben geistig noch immer vom Franzosen Gobineau Kreuzung der Einflüsse." Es ist ganz lustig. Die alldeutschen zu befriedigen und noch immer mehr anzureizen. Auch die Versuche, Bevor jedoch die Blätter vom Zweig sich lösen, pflegen einige das Kinodrama" auf eine höhere künstlerische Stufe zu heben, sind und der nationalistische Geck Barrès hat sein geistiges Kleid aus der Arten ihr Ausschen auffallend zu verändern, während wieder an- bislang, von einigen Ausnahmen abgesehen, fehlgeschlagen. Offen- deutschen Garderobe. dere teiner Herbstfärbung unterworfen sind und, gezwungen vom bar ist der richtige fünstlerische Stil für das Filmdrama noch nicht Automobile als Erntewagen. In den fruchtbaren ersten Nachtfrost, im frischen, vollen Grün zur Erde fallen. So gefunden. Denn die Tatsache allein, daß die Eigenart des Films Landstrichen Russisch- Polens haben unsere Feldgrauen nicht nur den verfärben sich die Eschen und Erlen am Bache gar nicht und bieten das Fehlen des gesprochenen Wortes und die daraus hervorgehende Feind vor sich hergejagt, sie haben auch gleichzeitig für die Einzur Zeit des Laubfalles durch ihr frisches dunkles Grün die schön- Unmöglichkeit der feineren psychologischen Motivierung eine andere bringung der Ernte gesorgt. Bauernfuhrwerk und Pferde hatten sten Kontraste zu den verfärbten Bäumen. Grün fallen auch die Technik bedingt als die des Wortdramas, beweist noch nicht, daß in größtenteils die Russen requiriert, deshalb hat man nach der„ AllBlätter des Flieders, grün wirft auch die Akazie ihre Blättchen dieser Technik nichts Künstlerisches geschaffen werden kann. Dem gemeinen Automobilzeitung" zum Einbringen der reichen Ernte ab, die erst am Boden gelb werden. Doch die größere Zahl unserer Radierstift fehlt auch die bunte Mannigfaltigkeit und Leuchtkraft der mehrere Automobilkolonnen mit der nötigen Arbeitsmannschaft in Bäume hat ihren besonderen Herbstschmuck, und gelb oder rot Farbe, und doch wird kein Mensch behaupten, daß man mit ihm Dienst gestellt. Ohne diese leistungsfähigen Lastwagenkolonnen wäre leuchtet es von den meisten Gipfeln herab. Birke und Linde lieben nicht höchste künstlerische Werte schaffen kann. es faum gelungen, die Niesenarbeit zu bewältigen.
laffen ist.
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Rotes Vlamenblut.
Bon Pierre Broodcoorena. Zweiter Teil. 1.
vlämischen Arbeiter gekommen waren, zu einem Aufenthalt, der bis zum Frühling hin dauerte.
Seit Jahren langten Souhe Flohil von Nederbrakel und Vicus Mannevel von Michelbeke mit den ersten Nebeln im Lande an.
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weil Vicus schwach und krank war und er Mitleid mit ihm hatte. Vicus aber liebte Souhe, weil er wußte, daß er gut artig war, anderen Männern überlegen, und weil er ihm einen Schutz dankte, ohne den er sofort für seinen rohen Gefährten das Aschenbrödel geworden wäre, das zu, allem herhalten mußte.
Vom Beschneidungsfeste bis Silvester verbrachten sie in Wahrheit kaum zwei bis drei Monate zu Hause. Die Guts- Ihr Wortschatz war ein sehr beschränkter. Der Aufseher Dannis sah sie in die Rue du Prieuré besiger der Ile- de- France , der Saintonge oder von La Beauce In ihrer gemeinsamen Stube war es allein Flohil, der einbiegen. Sogleich fehrte er, seine flache Mütze auf dem benötigten während der guten Jahreszeit ihrer Arme. Und sein kindliches Lachen lachte. Nur selten geschah es, daß fahlen Kopf zurechtrückend, die schwachen Beine unter seinem sie waren ihrer Tausende, die von den beiden Flandern her Vicus fich heiter zeigte. Infolge eines Lebens von Sorgen dicken, von einem schwabbligen Fett gedunsenen Körper famen und für ihre 100 Taler die goldenen Ernten Frankreichs und Entbehrungen war er schweigsam und mürrischen Wesens. Manchmal aber färbte sich sein Gesicht von einer lebhaften bewegend, in die Fabrik zurück. Doch bevor er das geneigte in Garben schichteten. Röte. Dann holte er aus seinem Koffer seine hübsche Festharmonika hervor und, indem er seine knotigen Finger gewandt über die Nickelgriffe gehen ließ, spielte er unter den des Audenarder Landstriches. Dächern der wallonischen Stadt die traurigen sanften Weisen
Pflaster des Hofes hinabschritt, um seinen Platz am Ofen des Anfang Herbst brachen sie, nachdem sie die Ihrigen zum Bureaus wieder einzunehmen, verriegelte er fest das große, Abschied umarmt hatten, zum Bergwerk, der Fabrit, dem Hoch wie die Tür eines Gefängnisses mit Eisen beschlagene Tor. ofen auf. Souhe Flohil und Vicus Mannevel dachten schon gar zu ernähren. Von einem Haufen von neun Jungen war Geld ist in Flandern rar. Souhe hatte Weib und Kind nicht mehr an die jämmerliche Bude. Das Kaffeefännchen in der Tasche, den Leinwandsack über Vicus der älteste. Da seine Mutter bald zehn Jahre hinter Ein karges und dennoch tiefes Wohlwollen einte ste mit die Schulter, schritten sie schwerfällig auf dem aschfarbenen der Kirche unter ihrem weißen Holztreuz lag, waren sie ihrer einem Band, dessen Straft sie selbst nicht ahnten. Niemals Trottoir dahin, das an dem verwilderten Pfarrgarten entlang nur noch zwei, Ré Mannevel, der Vater, und der Vicus, der hatten sie über ihre Freundschaft gesprochen. Sie hätten auch zu den niedrigen Häuserchen des Marktfleckens hinführte. Sohn, die das Nest fütterten. Und manchmal fehlte es an nicht die richtigen Worte dafür gefunden. Aber immer " Die Nachtmannschaften haben sich aufs Ohr gelegt," Brot im Kasten, und arme, kleine Hände reckten sich in der wohnten sie zusammen; in Frankreich während der Ernte dachte laut der riesige Flohil. düsteren Kate bittend zu dem Alten hin, der finster und mit unter dem gleichen Bretterdach, in derselben Stammer bei der verhaltenen Tränen in seinem Stuhl beim Ofen saß.
Und nachdem er einen mit Tabaflauge gefärbten Schleim in das Reisiggewirr des schwarzen triefenden Heckenzaunes gespien hatte, fügte er hinzu:
Vicus Mannevel hatte noch nicht sein dreißigstes Jahr überschritten.
belgischen Fabrik, in der sie sich ruhten. Und manchmal, abends, wenn sie aus ihrer Hölle zurückkehrten, ließ der große Flohil, um dem heftigen Bedürfnis eines Zärtlichkeitsanfalles AusHa, wir sind also jetzt von den Defen und Bottichen aus. Mit seinem alten, von tiefen Runzeln durchzogenen Ge- Hagel von Handschlägen auf Vicus Rücken fallen, der ihnen Er nahm sich neben dem riesigen Flohil wie ein Knirps druck zu geben, deren llebermaß ihm zu viel wurde, einen abgelöst." Er zwinkerte mit den Augen, strich sich mit dem Hand. ficht war er hinfällig und frühzeitig von der Pferdearbeit lachend auswich. frumm geworden. In kurzen Anfällen schüttelte ein trockener Die Kirchuhr von Bracqungnies gab acht Schläge, die schwer rücken seinen langen roten Schnurrbart zurecht und wischte Susten den engen, knöchernen Käfig, in dem sein Herz ar- wie Steine der Ewigkeit auf die niedrigen Häuser des Fleckens dann die Finger an seinem gerippten Velourrock ab.
beitete.
Egal!" sagte Vicus gelassen. Sie hatten kaum mit ihren müden Schultern in der Rich- Und plötzlich spürte er etwas fad laues ihm den Mund tung nach dem Hintergrund hin gezuckt, wo in der blendenden verschleimen, er wandte den Kopf ab und spie ein winziges Helle seiner Bogenlampen, die über den endlosen, öden Höfen Teilchen seiner armseligen Eristenz in die Wasserrinnen. baumelten, ihr Käfig", die chemische Fabrik von Schleisinger In den Kolonien, die sie in der Fremde bilden, tun sich und Söhne mit seinen schmußigen Schieferdächern, seinen die blämischen Wanderarbeiter zuweilen zu einem Männer langen, fahlen Mauern, seinen drei Sandsteinschloten lärmend Haushalt zusammen. in den trübseligen Schneeabend hineinragte.
Es war der vierte Nivose*) dieses Jahres der Regengüffe. Der scharfe Wind winselte über diesen düsteren Winkel des Borinage hin, wohin Anfang Oftober in Scharen die
*) Der Nivoje zählte vom 21. Dezember bis 20. Januar.
A. d. Ueb.
Der von Souhe Flohil und Vicus Mannevel war ein Vorbild von Ordnung und Eintracht.
Sie hatten sich zusammengetan, weil sie ein starkes Band der Sympathie mit einander verknüpfte.
Auf Seiten Flohils besaß diese Neigung einen festen, männlichen Charakter, während sie bei Vicus Mannevel einen schwächeren, weiblichen hatte. Und Souhe war Vicus zugetan,
fielen.
,, Ein halb acht", stellte Vicus unruhig fest.
Er hatte die Schrulle, alle Augenblicke nachzusehen, welche Stunde seine Laschenuhr zeigte. Er zog aus seiner Rocktasche eine blinkende Nickelkapsel hervor, die Prämie einer Schweizer Uhrhandlung, für die er unter seinen Bekanntschaften auf monatliche Abzahlung ein Dugend Remontoiruhren untergebracht hatte.
Flohil ließ ihn nicht Zeit, seinen Uhrzeiger richtigzu
stellen.
..Hopp, Blutsauger! Ich bin hungrig!" Scherzhaft scheltend stieß er ihn mit seinen beiden ausgestreckten Handflächen vor sich her.
( Forts. folgt.)