Nr. 236.- 1915.

Unterhaltungsblatt des Vorwärts Mittwoch, 13. Oktober.

lange im Lager war und vorher an der russischen   Front gekämpft vorhanden wie vor Monaten. Im Gegenteil: es ist schlimmer hatte; ich fragte ihn, was er von den Russen halte. Die Russen geworden. Und ein Straßenbild, wie das auf dem Newskyprospeft, übersetzte diese Antwort meinen französischen Kameraden, worauf acht nehmen soll. fie Bravorufe ausstießen....

Bei den deutschen Kriegsgefangenen find Löwen," meinte er, die von Kamelen geführt werden." Ich muß als ein Sturmzeichen aufgefaßt werden, vor dem man sich in

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in Biserta  .

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Petersburger Sturmzeichen.

Die unheimlich dumpfe, düster drohende Stimmung, die gegen­

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Kleines Feuilleton.

Zum Schuh der Schauspieler.

1. Die Direktion hat das Recht, den zwischen den Kontra­Henten geschlossenen Vertrag mit einer fortlaufenden achttägigen Kündigungsfrist ohne jede weitere Entschädigung zu lösen.

Diese Vertragslösung fann jedoch nur stattfinden, wenn dic Direktion die Verträge des gesamten Personals löst.

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2. Bittgesuche irgendwelcher Art sei es nun direkt oder in­direkt an die Hohen und Höchsten Herrschaften des Fürstlich Schwarzburgischen Hofes zu richten, ist strengstens verboten und zieht die sofortige Lösung des Vertrages der Beteiligten nach sich. In Arnstadt   scheinen merkwürdige Vorstellungen von dem Recht der Angestellten zu herrschen. Sogar das Petitionsrecht wird ihnen versagt und Verstöße gegen diesen Verstoß gegen das Recht werden mit Brotlosmachung bestraft.

wärtig in Petersburg   herrscht, wird in einem auch die materielle Der neue Weg", das Blatt der Deutschen Bühnengenoffenfchaft, Not der Bevölkerung scharf beleuchtenden Aufsaße des" Rietsch" veröffentlicht zwei Punkte aus einem Bühnenvertrag, der die Schau. geschildert, dessen Inhalt wir wiedergeben: In den Straßen macht spieler als Bürger minderen Rechtes behandelt; sich ein beängstigendes Geräusch fühlbar; es ist kein Schreien und Das Fürstl. Schwarzburgische Theater Arnstadt  , Rudolstadt  , Klagen, sondern ein dumpfes Murren und Summen. Man Sondershausen  , Direktion Julius Heydecker, fügt seinen Verträgen streitet nicht mehr über das Schicksal der Moskauer   Kongreß- ein gedrucktes Formular mit Bestimmungen bei, von denen Punkt 1 beschlüsse, nicht einmal mehr über die Frage der Wiederein- und 2 lauten: berufung der Duma und über die Maßnahmen, die dazu ge troffen werden müßten. Die Ereignisse überstürzen sich ja so jäh, daß die Neuigkeiten des neuen Tages die Sorgen und Streitfragen des eben vergangenen verdrängen. Das Leben steht nicht still, sondern hat bei uns jetzt ein so überhaftetes Tempo eingeschlagen, daß die Menge nur eine ungewisse Empfindung, keine flare Vor­ftellung davon hat. Wandert man durch die Straßen der Haupt­stadt, so gewinnt man den Eindruck, daß sich ihr Bild in den letzten Tagen wesentlich und entscheidend gewandelt habe. Wie hätte wohl früher die Polizei Volksversammlungen in Petersburg   geduldet? Sie waren auch gar nicht üblich, und jetzt sind sie die alltäglichte Erscheinung. Sogar auf cem Newskyprospekt kann man die Haufen dicht aneinandergedrängt sehen. Noch in der vorigen Woche waren Flüchtlinge zu wirren Knäueln geballt, die so grell von dem ge­wohnten ruhigen Eindruck des Newstyprospett abstachen. Jest sind keine Flüchtlinge mehr in der Hauptstraße anzutreffen, aber an ihre Stelle sind andere Typen getreten, Gestalten und Erschei­nungen, die sonst eher überall anders als gerade dort ihre Ver­Diese neuen Volksmassen, die nun Petersburg überfluten Frauen, aus Greifen, Jünglingen und Kindern zusammen. Alle und bis in sein Herz eindringen, setzen sich aus Männern und Berufe, alle Stände sind hier vertreten. Alles sind Leute, die der des Schillertheaters nehmen am Sonntag, den 17. Oktober, Die Volksunterhaltungs- Veranstaltungen Hunger treibt, die unter der Teuerung stöhnen und murren und sich ihren Anfang. Im Charlottenburger   Schillertheater findet am für einige Stunden hier aufstellen in der Erwartung, zu den Läden zu wo ein Pfund Lee ober bergleichen

sammlungen abzuhalten pflegten.

daß Vorräte herbeigeschafft werden müssen. Die Menschen, die

Mit Recht empört sich das Blatt der Schauspieler über eine solche Behandlung, und bemerkt, daß es derartige Petitionen auch nicht für geeignet hält, die Würde des Schauspielerstandes zu era höhen. Das einfachste Mittel gegen die Petitioniererei hat der Herr Direktor offenbar übersehen: er stelle seine Angestellten so, daß sic nicht nötig haben, die hohen usw. Herrschaften zu belästigen. Notizen.

Als französischer Untertan hat ein Kaufmann, dessen Heimat die deutsche Schweiz   ist, die Dardanellenkämpfe mitgemacht. Er wurde verwundet und fam mit zahlreichen Leidensgenossen nach Tunesien  , wo er bis zu seiner bölligen Genesung berblieb. In fesselnder Weise schildert er jetzt in der Neuen Zürcher Zeitung  " ſeine tunesischen Erlebnisse; von ganz besonderem Interesse sind feine Mitteilungen über ein in der Nähe von Biserta   befindliches deutsches Gefangenenlager: Wir trafen," erzählt er, ein Lager von etwa 200 deutschen   Kriegsgefangenen, das inmitten eines Palmen- und Olivenhaines idyllisch gelegen war. Es waren mei­stens Badenſer, Pfälzer   und Kurpfälzer, und sie waren sehr ver­wundert, einen Franzosen zu treffen, der ebenso gut deutsch sprach wie sie; ich klärte sie über dies Rätsel auf. Sie boten alle einen braunen, von Gesundheit stroßenden Anblick mit ihren dicken Baden und mit ihren fast schwarzen, muskulösen Armen. Bei­nahe alle hatten ihre Hemdärmel aufgekvempelt und schauten wehr­bar trozig drein; sie boten mir alle freundlich guten Tag und er­fundigten sich, wie es draußen" aussehe, und ob es bald aufhöre. Da trat ein Offizier hinzu und fragte mich ein bißchen spöttisch, pb wir die Dardanellen schon hätten. Ich gab ihm zur Antwort: in zwei bis drei Wochen( es war Ende Juli), obwohl ich es selbst nicht glaubte. Er lachte mir ins Gesicht und meinte: Na, Kleener, Sie werden Großvater sein, wenn Sie sie haben." Ein bißchen in meinen Gefühlen verlegt, wandte ich mich wieder den anderen zu. Wir tamen auf die Kost zu sprechen. Sie beklagten sich alle über das fade, weiße Brot, über die vielen Tomaten und Zwiebeln, die sie eſſen müßten, und die ganze Zeit hätten sie nur Schaffleisch. Sie konnten nicht begreifen, daß dies die einzig rationelle Ernäh­rung in diesem Klima sei, daß Schweinefleisch direkt gefährlich und daß Zwiebeln und Tomaten das beste Mittel gegen Fieber und Verdauungsstörungen Krankheiten, die in engem Zusammen­hang mit dem tropischen Klima stehen find. Später, als ich nach Marseille   tam, hatte ich Gelegenheit, auf der Ueberfahrt mit einem Sanitätssoldaten, der 11 Monate Ge­fangener in Bahern gewesen war, zu sprechen. Bei der Gelegen­heit konnte ich einige interessante Parallelen ziehen. Der Mann Brot sei ein Greuel für einen Franzosen, die ganze Nahrung un- burg werden, je drohender das Gespenst der Not an allen Eden und Am Abend wird im Schidersaal, Bismarckstr. 110, die Reihe der in der Nähe von Tunis  . Auch er beklagte sich über das Essen: das mehr verkauft werden soll. Je knaper die Lebensmittel in Peters- an dem das Klavierquartett op. 25 in G- Moll von Brahms   und Mozarts Klaviertrio in E- Dur Nr. 3 zur Aufführung kommen, berdaulich und schlecht zubereitet Es ist ja wohl zu begreifen, daß ein Deutscher eher die französische als ein Franzose die deutsche Enden seinen graufigen Schatten erhebt, desto stärker wird die Nahrung verträgt. Was die Behandlung durch die Zivilbevölke- Erregung in diesen dumpf geballten Menschenhausen, desto wilder Dichter- und Tondichter- Abende mit einem Geibelabend eröffnet. Die Arbeiter borlesungen der Humboldt rung anbetrifft, so sei sie, gab er zu, in Deutschland   zu seiner Ver- erklingt der Schrei nach Abhilfe, macht sich die Forderung geltend, akademie. Für Oftober- Dezember sind vorgesehen: An drei minberung faſt freundlich gewesen. Man habe sie mit einem mit hier stundenlang so tatenlos beieinander stehen, wühlen sich immer Sonnabenden unentgeltliche wissenschaftliche Abende; an vier Sonn­Wohlwollen gemischten Bebauern betrachtet, wie man Kinder an sieht, die einen Fehltritt begangen haben. Die deutschen   Gefange- mehr hinein in den Gedanken an sich selbst, an ihre persönlichen tagvormittagen unentgeltliche Führungen durch Berliner   Kirchen und nen aber sagten mir, sie seien in Marseille   vom Pöbel, der, wie ich Bedürfnisse, an ihre Not. Ihre Stimmung wird immer düsterer Museen. Ferner folgende Vorlesungen: Die sozialen Bewegungen besonders unterstreichen will, mehr aus Italienern   als aus Frans und anklagender und darin liegt augenblidlich eine große Ge- im Altertum"," Die Chemie der wichtigsten Säuren und ihrer Ealze", ,, Verbrechen und Verbrecher", Richard Wagner  "," Gartenbau in und zosen besteht, schwer beleidigt und verhöhnt worden. In Tunesien   fahr für den Staat. Und Abhilfe ist fern und weit im Felde. ſelbſt ſah man über sie weg; nur des Abends, wenn sie in ge- uns unbezwingbar machen und dem Feinde eine einmütige über- reihe beträgt 50 Pf. Programme und Hörerkarten find im Haupt­Anstatt der Organisation, von der so viel geredet wird, die um Berlin  "," Luftschiffahrt". Die Hörgebühr für jede Vorlesungs­schlossenen Reihen im Taktschritt von der Arbeit zurückkehrten, be­trachtete die Bevölkerung mit Staunen die hohen Gestalten, wie wältigende nationale Kraft entgegenstellen soll, greift immer mehr bureau, Kurfürstenstr. 166 I, in vielen Geschäftsstellen der Konsum­fie mit stolz erhobenem Haupte daherkamen, umgeben von den Bersplitterung und Loslösung um sich. Und das Traurigste hier- genossenschaft usw. erhältlich. blizenden Bajonetten der kleinen algerischen Landstürmler. bei ist, daß wir lediglich durch eigene Schuld zu diesem Zustande Was die Arbeit betrifft, die von den Gefangenen geleistet gelangt sind. Wäre bei uns tatsächlich ein Mangel an Lebens­werden muß, so wurde mir folgendes gesagt: Die Deutschen   standen mitteln vorhanden, so würden alle bereitwillig das geforderte morgens um 5 Uhr auf, tranken den Kaffee und gingen 26 Uhr Opfer auf sich nehmen, wie es ja mit all den anderen Opfern des an die Arbeit; um 9 Uhr tamen sie zurüd, bereiteten ihr Mittag- Krieges der Fall ist. Aber Rußland   hat ja Ueberfluß an Lebens­essen und durften dann bis um 2 Uhr Siesta halten;% 3 Uhr mitteln, wie man ruhig behaupten darf. Wäre die richtige mußten sie wieder an der Arbeit sein; um 5 Uhr war Feierabend. Verteilung und Organisation da, wir könnten nicht nur selbst satt Sie waren am Bau einer Straße in der Nähe von Ferryville be- werden, sondern auch unsere Verbündeten satt machen, wenn der schäftigt und nahmen immer große Steinfrüge voll Trinkwasser Durchgang durch die Dardanellen offen stände. Die furchtbare mit hinaus. Sie mußten, wie sie mir selbst sagten, nicht zu strenge Strijis in der Ernährung, die sich an vielen Orten und selbst in der arbeiten, nur sei die Hize unleidlich... Sie schliefen unter Reichshauptstadt geltend macht, hat nur in der Planlosigkeit, in großen Belten, ungefähr 20 zusammen, und hatten als Unterlage dem völligen Mangel einer Organisation ihren Grund. In Mos­eine Strohmatraße, die auf einem Holzgestell ruhte. Zum Be- tau hat man z. B. die Studenten der Universität dazu angehalten, decken hatte jeder eine Fußdede, was unter jenem Himmel voll- den Holztransport zu besorgen. Anstatt die akademische Jugend dem ständig genügt. Regelmäßig erhielten sie ihre Batete und Briefe Militärdienst zuzuführen, wie in einer Ministerkonferens beschlossen Vom Leben in der Liefe. Durch die Fortschritte der aus der Heimat sowie Geldsendungen... Regelmäßig durften wurde, wird sie zu groben, niedrigen Arbeiten herangezogen, als biologischen Tiefseeforschung sind in der lezten Zeit Bewohner aus fie auch die Zeitungen des Landes kaufen und einige, die Fran- ob dafür keine anderen Leute mehr vorhanden wären. Vier Meerestiefen heraufgeholt worden, die man früher für unbelebt ge­zösisch konnten, übersetzten ihren Kameraden den Inhalt der Tele- Monate sind bereits verflossen, seitdem eine Beratung die andere halten hat. So wurden neuerdings Mitteilungen von Fischen ge gramme. Sicherlich wird nirgends der Verlauf des Krieges mit iagt, die alle den Zweck haben, für den Kriegsbedarf und für die macht, die in Tiefen bis über 6000 Meter leben. Sie gehören zur fobiel Spannung verfolgt, wie in einem Gefangenenlager. Ich Wolfsernährung zu sorgen. Unterdessen wartet das Bolt mit fieber- Familie der Brotulidae und sind bei den Philippinen und im fragte einen der Männer, wieso er alle Kriegsneuigkeiten sogar hafter Spannung auf die sogenannte Erneuerung der Gewalt, Atlantischen Ozean gefunden worden. Der in der größten Tiefe besser als wir wisse, obwohl er doch kein Wort Französisch   könne. die es von allen Bedrängnissen befreien soll. Nur auf dem Gebiete gefangene Fisch, nämlich in 6035 Meter, war eine bisher unbekannte Er gab mir zur Antwort, daß er, wenn sein Kamerad vorübersebe, der Kriegsleitung ist einiges geschehen, sonst ist nichts um ein Art. Die Größe der Fische beträgt 10-23 Bentimeter. Sie tragen zwischen den Zeilen lese, und das könne er auch auf Deutsch  . Haar besser oder anders geworden, und die Borbedingungen zur z. 2. Zähne. Natürlich sind sie mit Organen ausgestattet, die an Hierauf wandte ich mich wieder an den Offizier, der noch nicht Aufrechterhaltung des normalen Lebens sind heute genau so wenig den ungeheueren Wasserdruck in diesen Tiefen angepakt find. sich. Der Gatte, ein hübscher, schwarzhaariger Mann mit Eine lebhafte Unterhaltung hatte sich zwischen den drei einem fräftigen, aufgewirbelten, gut pomadisierten Schnurr- jungen Arbeitern entsponnen, die Schmachtlocken hatten und bart, saß seiner Frau gegenüber, einem jungen, aber durch Gummischuhe trugen. Einer von ihnen, der auf dem Fuß­das Leben im Laden schon verblühten Weibe. Sie hatten boden saß, besah von allen Seiten sein Paar neuer Halb­ruhig eine Zeitung über ihre Knie gebreitet und aßen mit schuhe. Der, welcher es sich zum Ruhm anrechnete, am Ende Sülze   belegte Brötchen. Jedesmal, wenn er einen Happen eines Balles verprügelt worden zu sein, hatte einen Frosch­genommen hatte, strich sich Monsieur mit den Fingerspigen schädel mit hervorquellenden Augen und einen Mund, der die Krümelchen aus dem Schnurrbart. Als er sich gesättigt von einem Ohr bis zum andern reichte. Kragwunden über­hatte, entnahm er einem schwarzen Etui eine Zigarette, stieß zogen sein blasses Gesicht mit einem veilchenblauen Neze. sie behaglich auf den Nagel seines Daumens auf, zündete sie Hört auf, oder ich werde ungemütlich!" Trotz der nahbevorstehenden Abfahrt verweilten noch die Augen halb geschlossen an, und schickte blaue Rauchgewinde Gruppen vor der Reihe der gelben Türöffnungen. Ein Zug- zu der hellen Decke empor. schaffner rannte pfeifend vorüber, indem er eine Tür nach Souhe Flohil nahm einen Schluck Branntwein.  der anderen zuschlug. Flohil glaubte einen Plaz erspäht zu Ueber die beschlagenen Fensterscheiben hin bewegte sich haben und stieg auf das Trittbrett. Der Zug setzte sich in die blinkende Unruhe der draußen in der Nacht verstreuten Bewegung. In Wahrheit waren die drei Wagenverschläge aber Die rasselnde Bewegung des Zuges beherrschte das Ge­gedrängt voll, und er mußte zwischen Lehrburschen, die räusch der Unterhaltungen. Um sich verständlich zu machen, Zigaretten rauchten, stehen. Jeden Augenblick warf ihn das schrie man sich einander zu. Ein langes Schüttern brachte Schütteln des Zuges zwischen sie. Er ließ sich schließlich, die auf der Bank des Nachbarberschlages die ausgereckten Körper Senie aneinandergedrückt, auf den mit Speichelflecken ver- von drei Erdarbeitern ins Rollen, die, den Kopf auf den ver­schränkten Armen, schlummerten. schmutzten Fußboden nieder.

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Rotes Vlamenblut.

Bon Pierre Broodcoorens  . Inmitten des Ballastes qualmte ein Haufen Glut un Schlacken. Rauchfeßen zogen sich zwischen den massiven Pfeilern hin, und aus dem Dunklen ließen sich furzatmende tierische Laute vernehmen: das mächtige unter Druck Atmen der Loko­motiven.

Lichter.

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Der Homer der Jnfetten" gestorben. Der französische   Insektenforscher J. H. Fabre   ist gestorben. Vor zwei Jahren wurde seiner bei seinem 90. Geburtstage überall ehrend ge­dacht und sein Leben und Forschen geschildert. In einem Dörfchen in der sonnenfrohen Provence hat er jahrzehntelang seine Insekten ohne sie zu ber beobachtet und ihre Lebensgeschichte dargestellt menschlichen oder ins Mystische zu erhöhen. Fabre hat seinem Ideal des unabhängigen Gelehrten treu bleiben können; von der offiziellen Wissenschaft wurde er ziemlich spät entdeckt, obwohl Darwin   bereits seine vorzüglichen Beobachtungen zu schäßen wußte. Bon feinem Hauptwerfe, dem Souvenirs entomologiques" find Teile ins Deutsche übersetzt und haben in vielen Lesern Liebe zur Naturs beobachtung an der großen, merkwürdigen, wenn auch meist weniger beachteten Insektenwelt geweckt.

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Wohl mindestens zum zehntenmal versuchte der Kleine Blonde in der Mitte der Gruppe seine kurze Pfeife anzuzünden. Jedesmal blies ihm der eine oder der andere der Kameraden das Zündhölzchen aus. Ein heftiger Zorn färbte ihn rot, während heimlich gelacht wurde. Er hob die Hand.

,, Traust Dich ja nicht."

,, Nein? Nein? Willst Du mal sehn?" Aber ein Stoß warf sie gegen die Tür. Der Zug hielt. Eine rauhe Stimme sprang am Zug entlang: ,, Denderleeuw  ! Denderleeuw  ! Die Wochenabonnenten aussteigen!" 9.

Um sich zu zerstreuen, beobachtete Flohil die Fahrgäste, ,, Sie sind glücklich. Und ich, warum befinde ich mich Heulend durchschnitt der Dampftram die dice Finsternis, indem er, ohne sich zu genieren, zwischen ihre Beine lange zwischen diesen Leuten? Ich leide, und sie wissen nichts vom rauhen Westwind getrieben, der vom Meer her wehte. Sprizer braunen Speichels spie. davon." Der Zug schwankte, schütterte und stieß. Auf der Plattform Nachdem er mit dem Bleistift eine Menge Anmerkungen Ihre runden, gut genährten Gesichter und ihre Sorg- wurde Souhe Flohil geschüttelt wie der Schiffer auf seinem in sein Notizbuch eingetragen hatte, entfaltete ein alter losigkeit reizten ihn. Sie waren doch ebensolche Menschen wie Deck. Windstöße peitschten ihm das Gesicht wie Meereswellen. Handlungsreisender mit einer Judennase seine Wachstuch- er. Gibt es eine Gerechtigkeit? Gott   war vielleicht nichts Händevoll dicken Ruß und Kohlenstaub vom Dampftessel bekam mappe und schickte sich an, mit sichtlichem Interesse ihren In- als ein Spott. Der Velours seiner Hose spannte sich über er in die Augen. halt zu prüfen. Er zählte in Zeitungspapier eingeschlagene den Schenkeln. Er fühlte den Druck seines Messergriffes auf In Michelbeke stieg er aus. photographische Platten ab, nahm ein Paket Zigarren und feinem Fleisch etwas stärker. Jäh fuhr er auf, schüttelte die Eine wunderliche Empfindung übertam ihn, je mehr er ließ es in seine innere Rocktasche gleiten. Darauf bertiefte er Beine, recte sich, betrachtete dann mechanisch seine Reise- sich Nederbrakel näherte. Eine sonderbare Milde, vielleicht sich in die nachdenkliche Betrachtung mehrerer Stoffproben- gefährten. Feigheit. läppchen. Die vollständige Ordnung die in seiner Mappe" Ja, der da darf sich rühmen, mir eine tüchtige Tracht herrschte, schien ihn in der guten Meinung, die er von sich Prügel berabfolgt zu haben." selbst hatte, zu bestärken, denn er lächelte. Er schloß die Mappe forgfältig, warf einen gelangweilten Blid in sein Kursbuch, breitete ein paar Stoffhandschuhe auf den Knien aus, unterdrückte ein Gähnen. Dann drückte er sich in die Wagenecke, nahm seinen niedrigen Hut ab, um eine alte Müze' ne aufzusehen, und ohne die anderen Reisenden auch nur eines einzigen Blickes zu würdigen, schickte er sich mit offenem Mund an zu schlafen.

Nach ihm zog ein Ehepaar Flohils Aufmerksamkeit auf

" Dir, Cramp? Nicht möglich!" ,, Ganz gewiß!"

,, Und Du hast Dich nicht gewehrt, hm?"

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,, Sag' doch, was hätt' ich machen sollen? Er hat's auf ganz nichtswürdige Weise angefangen. Hat mich mit dem Stopf gegen den Magen gestoßen, daß ich nur so in den Rinn­stein fugelte."

,, Aha, da hast Du Deinen Meister gefunden." " Du hast Dein Teil abgekriegt."

Er schritt weit aus, manchmal querfeldein. Seine Füße fanten bis zum Kuöchel in den weichen Schmuz. Klumpen beschwerten seine Schuhe, die in den Lachen pliff, pluff machten. Zuweilen tauchte hinter ihm aus zerrissenem Ge­wölf, goldgesäumt um einen blauen Winkel herum, die Scheibe des Mondes hervor. Sein Schatten legte sich dann riesenhaft über die grundlosen Wege hin, über die schwarzen, von Hasel­nußbüschen und Erlen eingefaßten Böschungen, und er mußte sehr aufpassen, daß er nicht in ein Schlammloch geriet oder sich in den Feldern verirrte.

Worts. folgt.)