Nr. 242.- 1915. Unterhaltungsblatt öes vorwärts Mittwoch, 29. Oktober. Meine beiöen letzten Tage in öer Zront. Ein Berliner Genosse, der bei Dpern gekämpft hat und dort verwundet wurde, schreibt und: Em   wunderbarer Maimorgen dämmerte herauf. Ein Sonn» tagmorgen. Das Morgenrot stand blutigrot im Osten und ver» kündete«inen schönen Tag. Eine dumpfe Ahnung stieg in mir cnMor, und ohne es recht zu wollen, summte ich leise vor mich hin: Morgenrot, Morgenrot, Leuchtest mir zum frühen Tod. Ahilp schilp, schilp schilpt" riefen in einer nahen Pappel die Spatzen. Friedliche Ruhe lag über unserem Graben. Die Hälfte der Kameraden schlief; tiefe, regelmäßige Atemzüge und Schnarchen waren das einzige, das zu hören tvar. Die andere Hälfte stand und beobachtete lautlos, starren Blickes nach vorn durch die Schietz» scharten und Gucklöcher. Der Feind war ruhig. Ab und zu platte ein Explosivgeschoß unmittelbar über uns. Doch solche Kleinig- leiten vermögen nicht einmal die Schlafenden, die so selig von ihren Liebeit daheim träumen, zu stören, geschweige denn uns Wachende aus der Ruhe zu bringen. Offenbar war der Feind, die Eng» länder, ebenso müde und abgespannt wie wir. Hatten wir doch tags vorher ihre Stellungen gestürmt, sie in wilder Flucht zurück- geschlagen und viele Gefangene gemacht. Das war ein heißer Tag. Viele hatten ins Gras beißen »müssen. Sie fielen, waren stumm für immer oder schrien auf und blieben röchelnd liegen. Tie feindlichen Maschinengewehre mähten. Tack tack tack tack tack tack gingS mit kurzen Unterbrechungen. Und dazwischen orgelten die Granaten und pfiffen die Schrapnells. Aber vorwärts ging es, vorwärts, vorlvärts Das war nicht ich, der da vorwärts stürmte, in der einen Hand das Äowshr mit aufgepflanztem Seitengewehr, in der andern den großen Spaten und die Pfeife im Munde. Das war ein anderer. Alles war mir Wurscht. Man wird Fatalist in solchen Situationen. Hätte man mir die Tabakpfeife zerschossen, es hatte mir m jenen fürchterlichen Stunden weher getan als ein Bein- oder Armschutz. In den feindlichen Reihen sah es schlimmer aus. Meter für Meter hatte unsere Artillerie vor unserem Angriff den Boden mit Gra- naten und Schrapnells gepeitscht und umgewühlt. Diese artille» ristische Vorbereitung unseres Sturmes war von furchtbarer Wir» tung. Was irgend krauchen konnte, floh oder wurde zu Gefange- nen gemacht und mit Bedeckung nach hinten abgeführt. VonvärtS ging's, vor>»ärts, vorwärts--- über Berge von Leichen. Da will es der Zufall, daß ich beim Hinlegen unmittelbar hinter einer umgeknickten Pappel meinen Platz finde. Heute ist eS mir unbegreiflich, wie ich das sich mir bietende entsetzliche Bild ohne Schaudern hoben sehen können. Ein Bolltreffer unserer 30,5. Mörser batte den Baum, der ziemlich«inen Meter im Durchmesser hatte, anderthalb Meter über dem Erdboden umgelegt. Und ring?» umher lagen elf zerfetzte Soldaten der englischen Territorialarmee, die offenbar hinter dem starken Baum Schutz vor unseren Schrap- nells suchten. Aber in dem mörderischen Feuer war ein Entrinnen für sie unmöglich, hier ereilte sie ihr Schicksal. Einen Augonblick regte sich ettoaS wie Mitleid in meinem Innern. Weniger mit diesen unglücklichen Opfern des Kampfes als mit denen, die daheim in Angst und Sorge um jene sind. Meine Gedanken schweifen ab, ich mutzte an mein Daheim deichen. Doch nur einen Augenblick, denn wir sprangen auf und stürmten weiter. Vorwärts geht'S, vorwärts% Wieder zwingt uns das starke feindliche Feuer, innige Bekanntschaft mit dem feuchten, lehmigen Boden zu machen. UnS ist eS lieb, denn stoßweise arbeitet die Brust eines jeden. Tie Wangen fest an die kalte Erde ge» schmiegt, Regen wir da; die Kühlung tut so wohl. Keiner spricht ein Wort, das Reben wäre auch unnütz. Die stummen Blicke sind beredt genug. Wessen Auge verrät nicht die bange Frage: Wie soll das enden? Ping ping ping ping pfeifen über uns die feind- liehen Jnfanteriegeschosse und pitsch patsch, einige schlagen un» mittelbar vor uns ein. Wieder dicke Luft. Mso weiterl Vorbei geht? an ein paar gut gepflegten feind- lichen HeldengrÄbern. Dann über einen Bach. Ich verliere beim Sprung über ihn mein Kochgeschirr und mit ihm das Brot, da» ich in ihm verstaute. Und rings um uns in der Luft das Pfeifen und Platzen der englischen Explosivgeschosse, das Krepieren der Schrapnells, daS ferne und nahe Einschlagen feindlicher Granaten und das Donnern unserer Batterien. Ein Konzert der Hölle. Die Erde zuckt förmlich. Und über alldem strahlt der Himmel in wolkenloser Bläue und lacht die liebe Sonne. Stunden, in denen man um Jahre altert.-- Als der Abend sinkt, liegen wir ungefähr 50 Meter vor dem feindlichen Drohtvoohau und graben uns ein. Mühsam geht'S, denn der feuchte, lehmige Boden klebt wie Brei an den Spaten, und wir müssen die Hände nehmen, um die klebende Erde von ihm her- unterzudrücken. Doch der Graben wird fertig, und wir atmen auf. Bis zu den Knöcheln stehen wir im Wasser. Was schadet's, einigermaßen sind wir ja gedeckt. Das Brüllen der eisernen Kanonenschlünde verstummt. Das blutige Tagewerk ist getan, und die hereinbrechende Nacht findet uns, wie wir in die Grabenwände Sitze schaufeln, um auszuruhen. Die Spannung löst sich. Ich setze meine Pfeife in Brand und trinke die Nachtlust in vollen Zügen. Zu unseren Häupten steht daS Sternbild des großen Bären, so klar, so ruhig wie in der Heimat. Ein ganz eigenartiges Gefühl beschleicht mich, als ich daran denke, wie jetzt, im nämlichen Augenblick, unter seinem Scheine heitere, sorglos plaudernde Menschen in der Taucntzien- stratze und auf dem Kurfürstendamm   lustwandeln. Eine wohltuende Ruhe umfängt uns. Nur ab und zu zerplatzt ein feindlickes Explosivgeschoß. Doch das will nichts beißen. Zischend sausen die Leuchtraketen in die Luft und bestrahlen für Mi- nuten die Landschaft taghell. Blutigrot leuchten rechts und links Flammen zum Himmel, ein paar Einzelgehöfte gehen in Feuer auf. Und die Stimmung richtig erfassend, klingt von rechts aus unserem Graben eine gut geschulte Stimme herüber: Lodern zum Himmel Seh ich die Flammen. Schaudern ergreift mich-- Allerdings jetzt mehr einHelden", denn«in lyrischer Tenor. Dann wird«S still. Der Schlaf tritt in seine Rechte. Aber jeder zweite Mann wacht und beobachtet durch die Schießscharten nach vorne, das Gewohr in der Hand, um nach zwei Stunden durch die Schlafenden aigelöst zu werden. Horchposten werden ausgestellt und gleiten lautlos, wie Schlangen, über den Grabenrand und durch das feuchte Gras. Doch die Nacht bleibt ruhig. Mit dem anbrechenden Tage stellt sich aber ein Quälgeist ein, der Hunger. DaS abendliche Essenholen hatte wegen des Sturmes unterbleiben müssen. Zudem konnten die Gulaschkanonen unmög- lich nachrücken. Ueberdies hatte ich ja während des Angriffs daS Pech, mein Kochgeschirr nebst dem darin enthaltenen Brot zu ver- lieren. Ein Kamerad hilft mit etwas Brot auS, und in der Ecke des Tornisters findet sich eine Schmalzbüchfe, deren Inhalt zu­sammengekratzt und auf die Stulle geschmiert wird. ES schmeckt auch ohne Salz. Hunger ist der beste Koch.(Schluß folgt.) kleines Feuilleton. Zur Geschichte üer Sutter. Wir sind gar keine starken Bulteresser, wie man vielleicht glauben sollte, wenn man täglich darüber klagen hört, daß die Butlerpreise in die Höhe gehen und damil dem Voile ein unenlbehrlicheS Nah­rungsmittel versagt wird. Nach fachmännischer Schätzung ist der Verbrauch in Deutschland   auf 18 Gramm für den Kops und Tag berechnet, was 13'/, Pfund im Jahr, also etwas über ein Pfund im Monat ausmachen würde. Die Tatsache mag richtig sein, man muß aber im Zusammenhang damit den Verbrauch an anderen Speisefetten, Margarine und Schweineschmalz, berechnen und be- denken, daß diese beiden nicht mehr wie vor dem Kriege zu den billigen Nährstoffen gehören, ja überhaupt nur noch schwer zu haben sind. Seit wann die Naturbuttcr zu den menschlichen NahrungZ Mitteln gehört, ist sehr schwer festzustellen. Unsere ältesten Literatur denkmäler berichten nichlS darüber. Selbst Homer  , in dessen Uiw weit die Viehzucht eine so große Rolle spielt, weiß nur von Käse und immer wieder Käie zu erzähle». Käse und Brot und saftige» fette« Fleisch vertilgen seine Helsen genug; aber niemand denkt ans Buttern. Gelehrte wollen wissen, daß auch die Römer noch nicht ge buttert haben und daß diese Kunst erst von ihnen in Germanien   ge lernt sei. Aber aucki hier gibt die Literatur keinen Anhalt. TaciluS erwähnt wohl da» Bier und die Wildbraten der alten Deutschen  , aber von Butter weiß er auch nichts. In den ersten Jahrhunderten de» Mittelalters muß es mit der Butter noch schwach bestellt gewesen sein, denn nichts wird zu ihrem Ruhme verkündet. Nur läßt sich mit Bestimmtheit voraussetzen, daß sie zahlreiche Liebhaber hinter den Klostermauern gefunden hat. Nichtsdestoweniger haben die geistlichen Herren auch in ihren in- haltsreichen Folianten die Butter nicht erwähnt. Bezeichnend ist auch, daß in den mittelalterlichen Städten unter den Namen der Plätze zunächst derMilchmarkt" und erst später der.Butlermarkt" auftaucht; nicht minder, daß in denNechnunaen für die großen Gastereien, die der Rat zu Nürnberg   während des Karnevals 1499 dem Mark­grafen Friedrich von Ansbach und anderen Fürstlichleiten gab, die Ausgabe für Butter fehlt, obwohl alle gelieferten Nahrung»- und Genußmittel genau spezifiziert sind, darunter auch 1092 Pfund Schmalz, das Pfund zu acht Pfennig. Möglich, daß ein Teil dieses Schmalzes mit Butter identisch ist. denn in spätmittelalterlichen Polizeiverordnungen ist öfter vonMilchschmalz" die Rede. Später, in der zweiten Hälfte deS 16. Jahrhunderts, spricht HanS von Schweinichen   von.Butterschmal!". Sein Bericht über die Hoät- zeit des böhmischen Edelmannes Wilhelm von Rosenberg   zählt wahre Chimborassos aller möglichen Fressalien auf; an Butterschmalz allein wurden 117 Zentner verbraucht. In den ältesten gedruckten Kochbüchern findet sich die Butter vereinzelt angeführt. Seit dem 17. Jahrhundert, wo sie auch schon in Gedichten vorkommt, hat sie dann im feineren Haushalt mehr und mehr Aufnahme gefunden. Anstelle der Morgensuppe tritt schon in der zweiten Hälsle des 17. Jahrhunderts Gebäck und Butter. Das trockene Brot weicht mit dem wachsenden Wohlstande dem Butter- brot. Seitdem ist die Butterbemme in der deutschen Familie ein lieber Hausgenosse geblieben, und nichts mutet uns in Goethes Werk so deutsch   und vertraut an, wie die Szene im.Werther", da Lotte ihren Geschwistern die Butterbrote zur Abendmahlzeit auSteitl. �us öer Seele öes französischen   Soldaten. In derSemaine Litteraire" veröffentlicht Romain Rolland   zwei Briefe, die ein als Unteroffizier im Felde stehen­der französischer Lehrer, ein alter Verehrer des Dichters, an ihn gerichtet hat. Diese Briefe, die übrigens ihrem Verfasser iiach Form und Inhalt durchaus Ehve machen, eröffnen einen Blick in das Seelenleben und die Stimmungen des französischen   Soldaten. ES heißt in einem dieser Briefe(wir benutzen eine Uebcrtragung derNeuen Zürcher Zeitung  "):Alles, was ich gesehen und gehört habe, seitdem ich hier bin, hat mich davon überzeugt, daß der Krieg nie genug gehaßt werden kann, sowie ferner, daß er von denen, die ihn führen, von Herzensgrunde gehaßt wird. Er ist herzlich ver- haßt. DerPoilu"(der Soldat) hat nichts von einem Haudegen an sich; sein lebhafter Wunsch ist, aus dem Kriege heimzukehren und nie mehr wieder damit zu beginnen. Ich versichere Sie, daß die Krieger von heute die sichersten Friedensfreunde der Zukunft sind. Diese Menschen werden ihre Pflicht auch weiterhin tun; denn das ist notwendig für den Frieden, für den siegreichen Frieden, der das Wesentliche ihrer Gedanken ausmacht. Ter Krieg verdient gehatzt zu werden, denn abgesehen von all seinen Schrecken, die man sich nicht vorstellen kann, hat er nicht einmal das so oft gerühmte Verdienst, in den Seelen die heroischen Tugenden zu wecken und festzuhalten. Tie AmangSkrise ist längst dahin. Nach der Begeistc- rung eines Augenblicks, die alles Niedrige und Mittelmäßige zum Schweigen gebracht hatte, sind die Seelen sehr schnell wieder das geworden, was sie waren: die einen vornehm, die anderen gering, die Mehrzahl ohne Größe wie ohne Niedrigkeit, einfach und an- spruchslos. Tausend Kilometer von ihren Feldern entfernt finde ich unsere Landleute wieder, wie sie auf dem Lande sind: wie sie die Verhältnisse mit fatalistischem Verzicht hinnehmen, ihre Aufgabe willig und mit der gewohnten Geduld erfüllen, sich häufig beklagen und immer gehorchen, keineswegs heldische, aber tüchtige Menschen. Der Krieg hat nichts in ihnen geschaffen, er hat ihnen keine Eigen- schaft beschert, die sie nicht schon besahen." Was die Lobgesängc zu Ehren der Soldaten anbetrifft, die die französischen   Zeitungen an- stimmen, so bemerkt der Briefschreiber, daß die Soldaten, die sich in diesen Auslassungen nicht wiedererkennen, nur darüber lachen, ebenso, wie sie über die gefälschten Bilder lachen, die den Anspruch erheben, daS innere Leben an der Front kennen zu lehren.Sie lassen sich kein X für ein II machen, sie sehen den Krieg zu sehr in der Nahe, um ihn malerisch, ideal, wohltätig zu finden. Daß der Krieg bei einigen eine reinigende Krisis hervorgebracht bat, glaube ich gern: daß er aber die Gesamtheit»erändert, der Masse eine Richtung aufgedrückt habe, hie einige gern bei ihr sehen mächten. das leugne ich. Der ungeheure Wunsch, der bei allen zum Ausdruck kommt, die der Krieg zusammengeführt hat, ist, daß er nicht wieder beginne, daß ihre Kinder seine Häßlichkeit nicht mehr kennen lernen mochten."_ Rotlze». Musikchronik. Die Kannnerinufikavende de» Steiner- Rothstein-OuartcttS im Lessing-Museum(Brüderstr. 13) nehmen Mittwoch, den 29. Oktober, ihren Anfang und folgen zwei- wöchentlich. Der erste Abend bringt Streichquartette von Schubert und Dvoräla. Anfang 8l/t Ubr. Eintritt 60 Pf. Da« zweite Volks-Sinfoniekonzert des Blüthner-OrchesterS findet am Donnerstag, den 21. d. M, abends 8'/« Uhr. im Schultheiß, Hasen- Heide 22/31, statt. Eine« Dichters Heimatssehnsucht. Der Schweizerische Schriststellerverein hat durch Vermittelung des briti­schen Gesandten in Bern   an die britische Regierung da« Gesuch sicheren Geleites für den deutschen Dichter Dauthendey   gerichtet, der seil Ausbruch de« Krieges in Sumatra   festsitzt und dort schwer erkrankte. Rotes vlamenblut. 621 Von Pierre BroodcoorenS  . Mer wer war das sellsame Wesen, dem diese unbeweg- liche und teilnahmslose Maske, diese mit zahllosen Löchern versehene Maske gehörte, die wie der Kopf eines Ent- hauptcten auf dem äußersten Rand der Luke stand, die auf den Hof desWeißen Rosses" hinausblickie? Es mochte ungefähr eine Viertelstunde her fein, daß dieS schreckliche Gesicht auf dem schwarzen Grunde der Nacht die wüste Orgie beobachtete wie ein Theaterspiel. Jannah CitterS war die erste, die es wahrnahm. Wer ist die Maske da? ES ist doch niemand'naus- gegangen?" stammelte sie erschreckt. Zehn Stimmen fragten auf einmal: Wo?" Aber da." Sie wies nach der Luke hin. Man stürzte hinzu. Wie ein Irrlicht war die Erscheinung verschwunden. 12. Die Vorhänge der vier Fenster desWeißen Rosses" waren heruntergelnssen, als durch Felder und Wiesen Souhe Flohil endlich bei der Schenke angelangt war. Ein großes Hanffeld, durch einen Steig in zwei Hälften geteilt, schob sich zwischen das Hans und den Weg. Zur Linken hob sich über eine unregelmäßige Hecke das Durcheinander der dünnen Wipfel eines Obstgartens und zeichnete sich sauber gegen einen Teil des Mondhimmels ab. Zur Rechten, ein Stück vom Backofen ab, lagen unter einer Strohüberdachung Holzscheite aufgestapelt. Bei einem Winkel des Gartens erhob sich vor der Tür cm Brunnen. In dem Augenblick, wo er schon an die Tür pochen wollte die aus Furcht vor Kontrolle, weil Vidrine Tap die Schenke eben erst eröffnet hatte und noch keine Gewerbesteuer bezahlte, doppelt verschlossen lvar zögerte Souhe. Sofort hatte er in dem Gelärm die Stimmen Hein Donkas. Jannah Citters und Hillas erkannt. Wenn er sich verriete! Schon schlug ihm das Herz bis in die Kehle vor rasendem, innerem Beben. Seine Schläfen sausten. Nein, er würde die Selbstbeherrschung verlieren. Er fühlle eS an dem fieberhaftem Beben seiner Hände, an der heftigen Er regung, die ihm die Kehle schnürte. Wußte er übrigens nicht schon genug? Er meinte, daß er gar nichts mehr hinzw erfahren könnte. Er wurde feig, noch einmal ergriff ihn die Furcht vor der Wahrheit und die unerträgliche Pein, die mit ihr im Zusammenhang stand. Von einem panischen Schrecken erfaßt, schickte er sich an, zu fliehen, als ihn ein Einfall erstarren machte und jäh an Ort und Stelle heftete. Auch Jannah war mit m dasWeiße Roß" gekommen. DaS Frauenzimmer hatte das Kleine also nicht zu Hause ge- lassen. Sicher hatte sie es mitgenommen. O Unglück! So klein sie noch wahr, wohnte Martha also der Aufführung ihrer Mutter bei, und deren Sünde bespritzt sie mit ihrem Schmutz. Eine magnettsche Gewalt hielt den Mann jetzt an den niedrigen Wänden desWeißen Rosses" fest. Er erinnerte sich einer vorhanglosen Luke, durch die man in das Haupt- zimmcr der Schenke blicken konnte. Er wandte sich zur Linken, ging am Kaninchenstall vorbei, an einem Schuppen und einem Verschlag, wo die Ackergeräte untergebracht waren. Die abgeschnittenen Ranken eines WeinstockeS lagen im Wege umher, es gab eine breite, freie Stelle. Er achtete nicht darauf, gelangte zu der Luke und schwang sich hinauf. Hinter ihm weiteten sich endlos gegen die Höhe des Mont-aux- Faucons, des Weilers de la Guerre und der Dörfer Segelsem und Schoorisse hin die blauen, von dem eisigen Hauch des Nordost gefegten Wiesen. Und er sah. Und für Augenblicke litt er die ewige Oual der Verdammten. Der einzige Grund, den er gehabt hatte, in Pein und Sorge zu leben, zerging in einer fürchterlichen Nichtswürdigkeit. Er hatte geglaubt, eine Vorstellung von seinem Leid zu haben. Seine Einbildungen waren kindisch im Ver- gleich mit der Wirklichkeit. Sie wehte ihm den glühenden Atem von Höllenbränden entgegen. Wenn wir unserem Miß- geschick noch nicht von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen, bleibt uns noch immer Hoffnung, daß es vielleicht doch nicht so schrecklich ist, und ganz so umfassend, ivie man es uns ge- schildert hat. Hure I So hatte der Brief also doch nicht ge- logen l Dieser schändliche Brief behielt den anständigen Zweifeln eines braven Mannes gegenüber recht! Blieb sogar hinter der Wahrheit zurück! Er sah Hilla auf den Knien Hein Donkas sitzen, ihm die Arme um den Hals schlingen,. unzüchtig ihm den Busen an die Brust drücken. Sie küßte ihn aus aller Kraft, ohne Ahnung, daß das Gesicht an das Fenster gepreßt, ihr Gatte sie beobachtete, starr, keuchend, mit fürchterlich stierem Auge. Er tastete in die Tasche, nach dem Meffer. Ich steche sie nieder, bei Gott  !" Sehr schnell wiederholte er die Todesworte. Die anderen waren nicht mehr vorhanden. Mit verschwommenen dunstigen Formen bewegten sie sich in einer Art von Nebel, auS dem sich nur die schändliche Klarheit des Ehebruchs hervorhob. Aber die erschreckte Geste JannahS hatte die Aufmerksam- kcit der Zechgcnossenschast auf Flohil gelenkt. Instinktiv machte er einen Sprung nach rechts hin. Er ging am Stall hin, aus dem das kräftige Atmen der Tiere drang, und stürzte ein Gäßchen hinab, ivobei seine Schuhe den Schutt inS Rollen brachten. Mein Gott  ! Mein Gott! Mein Gott!" Am Kreuzweg hatte er vor dem gekreuzigten Christ jäh Halt gemacht. Auch der da war ein Märtyrer. Auf der morschen Bank kniend, umschlang er eng die mageren Beine des Gekreuzigten. Er hatte seine Maske herabgerissen und weinte, schluchzend seine glühende Wange gegen die eisübcr- zogenen Füße des göttlichen Meisters gedrückt. Sein Herz barst vor ungeheurem Schmerz. Flüche mischte er mit Gebets- fetzen, fürckterliche Drohungen mit dem Aufschwung seiner Andacht. Warum Hein töten? Dieser Junge war nicht der am meisten Schuldige. Hatte er nicht gesehen, wie er die Anerbietungen der Dirne zurückwies und sich ihren unzüchtigen Umarmungen zu entziehen suchte? Vielleicht unterlag er der sündigen Liebe dieses WeibeS, toll von ihrem Leib, von Begier und Wollust gepeinigt, wie von einem Fluch? Der liebe Heiland hatte recht:DaS Weib ist es, das das Werk Satans vollendet". Er raffte sich wieder auf, lief durch Pfützen, das feuchte GraS der Gräben, an seinen eisenbeschlagencn Schuhen allen Schmutz der grundlosen Wege mitschleppend. Er hatte den Ruf ferner Stimmen vernommen. Was tat'S l Diese Hilla!... Wohl, er bereitete ihr Ahr   Gericht, vor Gott   selbst, der in ihm war. Er kostete die düstere Freude eines Folterknechts in Erwartung der Qualen und des Blutes, das er voraussah. (Forts, folgt.)