Nr. 243. 1915.

Unterhaltungsblatt des Vorwärts Dounerstag, 21. Oktober.

( Schluß.)

Es scheint, daß weder wir noch der Feind die friedliche Stille des anbrechenden Sonntags stören wollen. Kein Schuß fällt. Da eröffnet mir ein vorsichtiger Blick über den Grabenrand nach rück­märts die verlockende Aussicht auf die erstürmten feindlichen Stellungen mit ihrem reichen Inhalt an Corned beef, Frucht­fonserven, Weißbrot und sonstigen Lebensmitteln, auch Rauchtabat, dem vorzüglichen Navy cut. Die Erfahrung hatte uns gelehrt, daß die Engländer ganz vorzüglich verpflegt wurden, weshalb denn auch bei Mangel auf unserer Seite des öfteren scherzweise gesagt wurde: Wir müssen wieder einen englischen Graben stürmen.

Terrain zu sondieren. Die drei Kameraden liegen regungslos am Trompeten in München eingezogen, hatte aber mehr Fanfaren ge­sammen. Also auch er getroffen

Mit

Meine beiden letzten Tage in der Front. Boden. Plöslich springt der eine laut schreiend auf und bricht zu blafen und Proklamationen erlassen als es zu Schöpfungen von Dauer gebracht. Als gereifter Zuschauer, der seine eigenen Wege Drüben arbeitet jest bit ganze Batterie. Rings um uns ging, fam Suederer in die Bewegung. Er schuf die beiden Werke, plazen die Schrapnells. Ich will aufspringen, doch das rechte Bein die all' das Gesunde der neuen auf Wahrheit und kraftvollen Aus­versagt den Dienst und ich falle wieder auf die Erde. Hundert- bruck gerichteten Strömung mit bodenständiger Eigenart in sich ver­fünfzig Meter halb nach rechts steht ein zerschossenes Haus. Hinter einigten: den Roman" Ein Verrückter" und das Drama dieser Ruine bin ich schrapnellsicher, also dahin. Mühsam krauche Die Fahnenweihe". Beide erschienen im Jahre 1894. ich auf dem Erdboden entlang. Ich bin kurz davor, da verwehrt einem Schlage war Ruederer in der vordersten Reihe. Sein lodern­das wirklich dramatisch pulsierte, hatte mir ein Teich das Weiterkommen. Es hilft nichts, ich frieche um des Temperament, ihn herum, feuchend, kalten Schweiß auf der Stirne.. Endlich bin sich fünstlerisch voll ausgeprägt. Er war unser aller Hoffnung für ich in Sicherheit. Hinter der Mauer, auf einem Hausen Mauer- das Drama, das endlich Kraft und Größe zeigen mußte, und er war Ich bereits die Erfüllung für die satirische Komödie. steine, neben einem toten Engländer, halte ich erschöpft an. reiße die Hosen auf und untersuche die Wunde. Kaum markstück- Die Tragödie des Dorflehrers, der in seinem Kampfe für groß ist das Loch. Vergebens suche ich auf der hinteren Körper- freies Menschentum durch die Mächte des Beharrenden in den Tod hälfte den Ausschuß. Also das Geschoß steckt noch drin. Mit getrieben wird, wurde im Vorwärts" bereits 1895 abgedruckt und zitternden Händen drücke ich die Watte meines Wundpäckchens machte den Namen Nuederer auch in zahlreichen anderen Partei­auf den Einschuß. Jezt, aus der unmittelbaren Gefahr heraus, organen populär.„ Die Fahnenweihe" war der blutigste Hohn auf atme ich erleichtert auf. Ich bin nicht mehr weit vom Graben, die verlogene Bauerntheaterei und drüber hinaus auf eine ganze man muß den ganzen Vorgang beobachtet haben.„ Sanitäter, Sani- sentimentale und heuchlerische Literaturgattung. täter!" brülle ich mit Löwenstimme. Ich höre rufen, man ant­wortet, aber ich muß noch warten. Noch ist das Kommen in dem wütenden Artilleriefeuer zu gefährlich.

Ich sehe die Stameraden von meinem Vorhaben, in die ge­stürmten Stellungen zurückzugehen, in Kenntnis. Man ist teil­weise wegen der damit verbundenen Lebensgefahr dagegen und sucht mich abzuhalten. Aber allen Vorstellungen zum Trotz frauche ich hinaus, und heidi so schnell mich meine Füße tragen, laufe ich in gebückter Stellung zurück. Ein paar kühne Sprünge über Ge­fallene und Granatlöcher, über ein totes gesatteltes Pferd, und ich bin am Ziele. Ein letzter Sprung, der erstürmte Graben nimmt mich auf und gewährt mir Schuh und Deckung.

"

Wie

Griff und

Dieser Schlag var vernichtend. Die Komödie wurde denn auch boykottiert, und da sie fest im oberbayerischen Boden wurzelt, fand ihre Verbreitung auch später ihre engen Grenzen. Die stärkste deutsche Möglich, daß ich von meinem Vorhaben Abstand genommen, Das Feuer läßt nach und hört bald ganz auf. Jezt steht einer satirische Komödie, die der Naturalismus in Deutschland gezeitigt hätte ich eine Ahnung gehabt von dem Zustand, in dem ich die von den dreien mühsam auf und humpelt in den Graben. Der hat, fehlt in unserem Bühnenrepertoire. Scie Ruederer hat in den Jahren, die nach diesen Erfolgen kamen, Gräben fand. Regellos, in Haufen übereinander, lagen die teil- einzige von uns vieren, der zurückkam. Er hatte, wie ich später weise bis zur Unkenntlichkeit verstümmelten Leichen. Und da- erfuhr, einen Oberschenkelschuß bekommen. Bald ist unser Re- all die Erfahrungen gesammelt, die ihn befähigen mußten, der zwischen Patronen, Brotbeutel, Müßen, Maschinengewehre, Ge- gimentsarzt, Stabsarzt Dr. W., mit einem Feldunterarzt bei mir Dramatiker der großen gesellschaftlichen Komödie zu werden. wehre, abgebrochene Seitengewehre und blutiges Verbandzeug in und beide legen schonend den ersten Verband an. Als sie sich mit fein zweiter verspottete er in all den ,, Unterströmungen“ und wirrem Durcheinander, zertreten und zerwühlt. In der Ecke an dem Versprechen entfernen wollen, mir schleunigst Krankenträger Nebenregierungen", den Künstlerzirkeln, in denen sich alle freien einer Schulterwehr ſizt, in ſich zuſammengeſunten, die Leiche eines zu schicken, die mich nach dem Berbandplaß bringen ſollen, mache Strafte erbittichen Unitatterisierung all die Zorbeiten, Schwächen jungen Soldaten, in der erstarrten Hand das aufgeschlagene ich sie auf die beiden Kameraden aufmerksam, die noch immer " New Testament ". Eine Schrapnellfugel in den Kopf hatte seinem regungslos auf dem Flecke liegen, wo das verhängnisvolle und Lächerlichkeiten der großen und kleinen Welt. jungen Leben just in dem Moment ein Ende gemacht, als er in Schrapnell uns traf. In einer Zeltbahn schleifen sie den einen höchster Gefahr Trost in dem Buche und Versöhnung mit seinem heran, denselben, der vorhin so entsetzlich schrie. Er ist wachsbleich Gotte suchte. Ein erschütterndes Bild. Ich nehme ihm das kleine und bricht Blut. braune Buch, das mit einer Adresse versehen ist, ab und lasse es Eine Schrapnellfugel hat ihm den Magen und die Gedärme in meiner Tasche verschwinden. Unsere Artillerie hatte gute, aber zerrissen. Vorläufig erlöst ihn eine wohltuende Morphiumsprite von seinen Qualen. schreckliche Arbeit geleistet. Der andere war durch eine Schrapnellkugel in den Kopf auf der Stelle getötet.

Aber über all dem Grauen vergesse ich nicht den 3wed meiner Expedition. Ein paar umfangreiche Zwiebackbeutel nehmen die rings umherliegenden Büchsen mit Corned beef, Fruchtkonserven und Tabak auf, ein anderer wird mit Zwieback und Weißbrot bis obenan gefüllt.

So trete ich die Rückkehr in unseren Graben an. Denselben Weg geht's zurück, gebückt im Laufschritt und die natürlichen Deckungen des Terrains benußend. Unbehelligt komme ich an, mein Vorhaben ist gelungen. Rasch ist das Mitgebrachte verteilt und mit Behagen futtere ich die vorzügliche Weißbrotstulle mit Aprikosenmarmelade zum Frühstück. Aprikosen waren von jeher meine Schwäche. Dann qualmen wir unſeren Tabat, ein flottes Mundharmonikakonzert schafft Abwechslung. Des öfteren schon hat die„ Schnauzenraspel" jene seelische Depression vertrieben, die nur zu oft einkehrt. So kam jener verhängnisvolle Mittag heran, der mein letzter draußen werden sollte.

Das von mir Verteilte ist natürlich bald verzehrt. Was ist das unter so vielen, und wer kann die unergründliche Tiefe hung­riger Soldatenmagen ermessen? Das Ergebnis einer kurzen Be­ratung ist, daß vier Mann, darunter auch ich, noch einmal zurück­gehen und Lebensmittel holen sollen. Wir haben das gewagte Unternehmen nicht bis zum Schluß durchführen können.

Auf demselben Wege, den ich vormittags einschlug, gehts zurück. Bald sind wir am Orte des Grauens und in kurzer Zeit find wir mit dem was wir fuchten vollauf bepact. Also nun bieder vor, nach unserem Graben. Im Geiste kosten wir schon das delikate Mittagsmahl durch. Aber, wie schon so oft, hatten wir auch hier die Rechnung ohne den Wirt gemacht.

Knapp die Hälfte des Weges haben wir zurückgelegt, da kommt's unheimlich herangepfiffen. Wir wissen, was folgt und werfen uns wie auf Kommando platt zu Boden. Im selben Augenblick playt das Schrapnell unmittelbar über uns, der Hagel von Bleikugeln geht über uns hinweg. Der Feind hat uns beobachtet und befunkt uns. Wir springen auf und stürzen vor, da kommt das zweite ge­pfiffen. Wieder liegen wir am Boden und wieder geht die Ladung über uns hinweg. Da plaßt das dritte, im selben Augenblid wie wir aufspringen, vor uns schräg oben. Ein Volltreffer! Ich stürze auf die rechte Körperseite, wälze mich ein paarmal um und bleibe liegen. Eine Kugel hat mich in die rechte Leiste getroffen. Der Schenkel und Unterleib wird naß und warm; ich fasse in die rechte Hosentasche, die Hand ist blutig beim Herausziehen. Einen Augen­blick verdunkelt sich das Licht, doch ich hebe den Kopf, um das

53]

Rotes Vlamenblut.

Von Pierre Broodcoorens . Eine Stimme, diese verfängliche Stimme, die er beſtändig in seinem Innern hörte, unaufhörlich rief sie:

" Du hast just den Harmonikaspieler von Suljique ge­sehen. Wie jung und schön er ist! In seinem Alter, und nicht, wenn man schon anfängt, dem Winter seines Lebens entgegenzugehen, muß man sich verheiraten und Kinder zeugen. Du hast Dir Dein Kreuz selbst gezimmert. Trag es

nun!"

Doch er wollte dieser Stimme, die seinez spottete, kein Gehör geben.

Sie aber wiederholte eindringlicher:

"

Du hat ihn gesehen, den schönen, jungen Hein Donka! Hast Du ihn gesehen? Du aber bist nur ein Alter!" In seiner Mordmut krampfte er die Fäuste, und diesmal antwortete er der Stimme:

„ Ja, ein Alter! Aber die Rache flößt ein neues Blut ein. Die Rache verjüngt!"

13.

Auf einem Konsol zwischen den beiden Fenstern, die aus den Gemüsegarten hinaussahen, fohlte der Docht der Weiß­blechlampe, die ihr Del verbraucht hatte.

Wir brauchen nicht lange auf die Krankenträger zu warten. Vorsichtig heben sie uns auf die mitgebrachten Tragen und schaffen uns auf den Verbandplab, von wo aus wir noch denselben Nach­mittag per Auto in sausender Fahrt nach St. ins Feldlazarett ge­schafft wurden, zusammen mit acht schwerverwundeten Engländern. Dort ist der Kamerad in der nächsten Nacht seinen Wunden erlegen. Noch einmal ließ ich, als man mich beim Abtransport hinter dem zerschossenen Hause auf die Bahre legte, meinen Blick über das sonnenscheindurchflutete Kampffeld gleiten. Alles war so still, so friedlich, und die frechen Spaßen schilpten, als wenn nichts passiert wäre. Freilich, nur eine Episode, eine kleine Begebenheit aus dem gewaltigen Ringen.

-

Kleines Feuilleton.

Joseph Ruederer.

O. M.

Stählern und zäh schien uns, die wir ihn näher kannten, Joseph Ruederer, diese echtbajuvarische Kraftnatur, die so viel Lust am Leben und so viel Freude am Naufen hatte. Und nun ist er doch mit 55 Jahren dem beinernen Herrn Meier, dem ex felber in feiner Nobelle Der Totengräber eine grandiose Gestalt verliehen hatte, erlegen." Mittwoch früh ist er an einem Nierenleiden in München gestorben.

Ein Bajuvare, d. h. ein Altbayer, war Ruederer durch und durch. Er stammte aus hartem und erdkräftigem Bauerntume, und er fehrte seine Abstammung gern heraus. Was machte es, daß die väterliche Generation nach München eingewandert war und dort in der Nationalindustrie des Bieres Millionen verdient hatte. Der Stern blieb derselbe auch in dem städtisch erzogenen und verfeinerten Sohne, der freilich das Künstlertum, das ja im Bayernvolte ein uralt Angebinde ist, von Geburt an in sich trug. Es hat harte Stämpfe gegeben, bis der zum Fortseßer des väterlichen Gelderwverbs bestimmte einzige Sohn sich die Bahn frei machte. Am über zeugendsten hat dabei offenbar der absolute Migerfolg gewirkt, mit dem die kühnen Unternehmungen von Ruederer jun. gesegnet waren.

In den Tragikomödien", Meisterstücken scharfer Beob­achtung und dramatisch zugespigter Erzählungskunst, herrschte die pessimistische, dem Leben in alle Abgründe folgende Darstellung vor, in den Wallfahrer-, Mörder- und Malergeschichten lebte sich seine groteske Phantasie aus.( Der unheimliche Totengräber" aus der ersten Sammlung stand 1910 im Vorwärts".)

Die große Abrechnung mit der Bourgeoisie, auf die wir alle warteten, fam nicht. Ruederer blieb der Eingänger, der über allem stehen wollte und so den Punkt nicht fand, von dem aus er eine Welt hätte aus den Angeln heben können. Aber in prachtvollen Proben jener Spott- und Rauflust setzte er sich mit seiner lieben Vaterstadt auseinander. Schade, daß alles im Münchnerischen- ver­blieb. Die kleine Satire" Auf drehbarer Bühne"( 1901) bewies jedenfalls, daß seine Kralle noch scharf war.

Die Komödie„ Die Morgenröte", die den Lola- Montez- Stoff ausnutzt zu einer derben Verspottung des Revolution spielenden Spießertums, wurde unter Reinhardt ein voller Bühnenerfolg. Aber Der Schmied von Koche!", mit dem Ruederer 20 Jahre ge­rungen hatte, blieb ohne die erhoffte Wirkung.

"

Ruederer wollte die große Zeitung zum Mittelpunkt einer weite Kreise des modernen Lebens umspannenden Komödie machen. Sie soll geschrieben, aber von keiner Bühne angenommen sein. Ich weiß, in welchem Geiste er diese Sache anzugreifen gedachte, und vielleicht bleibt seinen roten Freunden hier ein Vermächtnis zu erfüllen...

Jeder Schaffende trägt sein Gesez in sich. Wer miterlebt hat, wie Joseph Ruederer, der ein unermüdlicher Besserer und Um­gestalter war, über Nacht eine neue Erpositionsszene hinwarf. war überzeugt, daß hier unsere stärkste dramatische Kraft am Werke war. Irgendwo in dem komplizierten Schaffeneprozeß waren wohl Hemmungen, die nicht alles sich zu Ende gestalten ließen. dankbar was da ist von Ruederer hat Kraft und Ursprünglichkeit. Steines feiner Werke iſt geſchrieben, um Gra folg zu erringen oder zu behaupten, teine Zeile um des Geldes Er war ein Ganzer und ein Eigener.

Aber

willen.

Notizen.

K. H. D.

Vorträge. Bom Zentralinstitut für Erziehung und Unterricht werden für die einzelnen Vorträge besondere Karten aus­gegeben, die bei der Geschäftsstelle( Berlin W. 35, Potsdamer Straße 120, 10-5 Uhr) unentgeltlich zu entnehmen oder unter Beifügung des Portos durch die Post zu bestellen sind.

Die Vorlesungen an der Handels- Hoch­schule Berlin nehmen am 26. Oftober ihren Anfang. Die ein­

Ruederer war über 30 Jahre alt, als er anfangs der neunziger bestimint. Die Belegung erfolgt durch Lösung einer Hörerkarte in Jahre zu schreiben begann. Der Naturalismus war mit Baufen und der Kasse der Handels- Hochschule, Spandauer Str. 1.

Für den Augenblick jedenfalls schienen seine Inhaber es| Kinderstrümpfe, eine Untertasse, ein Löffel, grobes Kinder aufgegeben zu haben. spielzeug umher.

Nur das trübe Ticktack einer plumpen Wanduhr war zu vernehmen, die ein fupfergerahmtes Emaillezifferblatt hatte und zerbeulte Zinkgewichte, die an der Windfangwand der beiden in den Garten führenden Türen befestigt war.

Den beiden Türen gegenüber führte eine andere zu einem fleinen ziegelgepflasterten Gang, der zum Stall und dem Speicher ging.

Die Hütte hatte kein Oberstock.

Links von dem hohen, tiefen Stamin, dessen Mantel mit einem Baumwollstreifen gesäumt war, führten Steinstufen in den mit Krügen und Geräten vollgestopften, Steller hinab.

Zur Rechten stellte eine hinreichend steile Leiter, die zu einer in der Decke angebrachten Falltür führte, die Verbindung mit dem Bodenraum her.

Die Mauer, die mit dieser Seite parallel lief, hatte in der Mitte eine niedrige Tür, durch die man in ein Neben­zimmer gelangte, das als Schlafgemach diente.

Die Uhr zeigte drei Uhr morgens. Die zuckende Flamme der Campe wurde kleiner und

fleiner.

Finsternis herrschte jetzt in der armen Hütte mit ihren verräucherten Balten, die mit Streideinschriften und groben Schnißereien verziert war. Die Bilder und überladen ver­goldeten Heiligenbilder in ihren Kapellchen aus ausge­Das rote Licht, das sie mit schnellen Zuckungen ausstieß, schnigtem Papier hoben sich nicht mehr aus den tiefen Schatten ließ die unsaubere Umgebung in einem düsteren Halbdunkel. hervor. Diese Umgebung, die gewiß den düsteren Tragödien der Manchmal nur ließ ein etwas lebhafteres und fast ge­barbarischen Zeiten hätte zum Hintergrund gereichen können, spenstiges Licht die Dinge noch in einem seltsamen Umriß er­wie übrigens all die anderen strohgedeckten und aus ge- scheinen.

branntem Ton gebauten, über die flandrische Erde hin ver- Man hätte dann auf einem Tisch aus weißem Holz, der streuten Hütten. an der Wand stand, die die Küche von dem anstoßenden Zimmer

Dies war durchaus noch, nach zehn Jahrhunderten, dieser trennte, ein aufrecht unter einer cingerahmten Gottesmutter feuchte, trübfälige Aufenthalt der Sklaven der Scholle, mit aufgestellten Regenschirm erkennen fönnen, eine Flasche mit seiner niedrigen, schwarzen, in der Mitte gesenkten Decke, feinem Del, Näpfe, mehrere Rollen mit schwarzem Zwirn, feinen mit gelbrotem Ocker oder weißem Stalt getünchten einen Stiefelfnecht, einen ausgetretenen Schuh und einige Wänden aus Lehm oder Ton, seinem festgestampften Fuß- Teller mit Speiseresten. boden und seinen flaschengrünen Fensterchen in ihren kleinen Ein andermal traf der flüchtige Lichtschein mit einem Nuten. trübroten Reflex eine Handschuhnähmaschine, über die eine Nur halbwilde Wesen, menschenscheue Troglodyten, eine zerlöcherte Schürze geworfen war, Holzschemel und, auf dem Art von zurückgebliebenen Muschiks oder elenden irländischen Löwener Ofen, den Kochtopf, den Staffeetopf, einen großen, Pächtern fonnten sich einem solchen Loch anpassen. eisernen Kochkessel. Auf dem Fußboden lagen unordentlich

Plößlich wurden draußen an der Mauer beim Gemüse­garten hin auf dem harten Boden Schritte vernehmbar. Im Schloß freischte ein Schlüssel und unter einem Gesumm von Stimmen wurden heftig die zwei Türen der Windfangwand aufgestoßen.

" Ha, ich glaube, das stinkt hier gehörig nach Petroleum! " rief eine freischende Stimme.

Hilla Citters trat, mit über die Augen herabhängenden Haaren, als erste ein.

Hein Donka folgte ihr, die Harmonika unterm Arm, die Hände in den Taschen. Dann folgte, leicht taumelnd, mit unsicherem Blick, Jannah. Jm Arm trug sie die in einen grauen Schal gehüllte Martha.

ihnen die Gesichter. Der Punsch hatte sie alle vergnügt gemacht und belebte

Mein Liebster," sagte Hilla lustig, indem sie die Kapuze ihrer blauen Pelerine zurückwarf, Du wirst wohl schon hier schlafen müssen. Nicht möglich, daß Du jetzt noch nach Sul­sique zurückkehrst."

fallen.

Der Musikant stellte sein Instrument in eine Ecke, wischte sich, den Schnurrbart und ließ sich beim Ofen auf einen Stuhl ,, Natürlich," antwortete er in einem Ton, der sich so gleich­gültig wie möglich zu sein bemühte.

Doch gleichzeitig blickte er sie auf eine Weise an, die sie lachen machte. Sie las seine Gedanken in seinen Augen, und diese Gedanken entsprachen ihren eigenen Absichten. Da er das Schweigen zu bedrückend fand, fügte er hinzu: ,, Es ist ja nicht das erstemal, wie?" ,, Ganz nach Belieben!" schluckte Jannah. Sie war jetzt vollständig betrunken.

Mit ihrer freien Hand suchte sie tastend in dem jämmer­lichen Durcheinander auf dem Tisch nach Zündhölzchen . Auf der Erde fißend, mit dem Rücken gegen die Wand gelehnt, streifte sich Hilla ungeschickt die Schuhe ab.

,, Soll Martha nicht noch ein bißchen Milch kriegen?" stotterte sie besorgt. Sie schläft ja. Laß fie in Ruhe." Sie stieß einen gemeinen Fluch hervor.

( Forts. folgt.)