Nr. 251.- 1915.

Unterhaltungsblatt des Vorwärts Sonnabend, 30. Oktober.

Die Alpensinfonie von Richard Strauß.  

berichtet zur Herstellung von Tierfutter oder zur Fabrikation von chemischen und medizinischen Produkten.

leicht es hochgeborenen Herren gemacht sei, aus ihren schlimmen Streichen mit Anstand sich heraus zu wickeln.

in

Die Größe der Aufführung lag darin, daß jene dunkle Kleistsche Mystik, die den Leser des Stückes falt und fremd berührt, im Spiele aiglers und Helene Fehdmers tieftvarmen Stimmungs­glanz erhielt. Es war in seiner Haltung, seiner Rede, dem strah lenden, sehnsüchtigen Lächeln, mit dem er in ihr Auge blickte, etwas über das Maß der irdischen Gewöhnlichkeit weit Hinausweisendes, das die Phantasie für des Dichters schwärmerische Auffassung_emp­fänglich machte. Die glockenhelle, in reiner unschuldiger Hingabe er­flingende Stimme der Fehdmerschen Alfmene gab solchem Schwunge einen wundervollen Widerklang. Sehr gut war auch Herrn Hartaus jähzorniger Bolterer Amphitryon und Herzfelds durchtriebener Sllave Sofias.

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dt.

Nun handelt es sich um gewaltige Mengen Blut, die nutzlos Kleist hat den Umriß der Handlung und in den meisten vergeudet werden, statt ihrem überaus hohen Nährtvert entsprechend Szenen auch das Detail übernommen. Aber die Eifersucht des 1. Aufführung in der Berliner Philharmonie  . im menschlichen Haushalt Verwendung zu finden. In Deutschland   Molièreichen Jupiter, dessen Eitelkeit es übel empfindet, daß er Das Empfinden und Verstehen der Natur in ihrer erhabenen allein sind es gegen 90 Millionen Kilogramm mit über sechzehn Alfmenes Liebe nur durch Täuschung erworben, verwandelt sich bei Schönheit und Wunderkraft bricht sich eigentlich erst während des Millionen Kilogramm Eiweiß. In der Zusammensetzung nähert ihm aus dem Kleinmenschlich- Parodistischen in die tragische Sehn­achtzehnten Jahrhunderts seine mehr und mehr erkennbare Bahn. sich das Blut am nächsten fettarmem Fleisch und besigt in 100 Gramm fucht eines Gottes, der sich inmitten der lebendigen von ihm er­Zum vereinzelten Ausdruck kommt dies Empfinden in Werken der einen Nährwert von 76 Wärmeeinheiten, während mageres Rind- schaffenen Kreaturen sich seiner Größe einsam fühlt. Malerei wie der Poesie und Musik. Der tiefe Stand der Natur- fleisch deren 99 aufweist. Außerdem ist es reich an Fetten und Li- Er begehrt liebt die Menschen und Liebe. nach ihrer wissenschaft ließ allerdings kaum mehr als naive religiöie Betrach- poiden, Kohlehydraten, Glykogen- tierische Stärke und Zucker, sowie Es quält ihn, daß selbst die Blüte schönster Menschlichkeit, tung auffommen. Die Herrlichkeit der Gebirgswelt an sich an Nährsalzen. Besonders reich ist es an dem roten Blutfarbstoff, Alfmene, einzig Menschliches, ihr selber Gleiches lieben kann. ben menschlichen Sinnen erstmalig im Spiegel der rhythmischen Sprache dem Hämoglobin, als dem weitaus besten Blutbildungsmittel, wes- Zwischen den farbigen Heiterkeiten erschließen sich auf einmal grüb­erschlossen zu haben, bleibt das Verdienst des schweizerischen Arztes halb man das frische Blut mit Vorliebe von Blutarmen trinfen lerische Perspektiven auf die unausrottbaren Schranken menschlicher und Dichters Albrecht von Haller   in seinem beschreibenden läßt. Dabei ist die Ausnügung des Blutes so gut als die des Natur, die auch ihre Götter schließlich nur als Menschen siebt, in Lehrgedicht" Die Alpen  . Fleisches. Stellt man den Wert an Bluteiweiß jenem des Eiweißes allem, was sie liebt, den Kreis des Menschlichen nicht über­Von dieser Schönheits- Sinfonie in Worten bis zu einer fpezi- im mageren Rindfleisch gleich, so ergibt sich, daß 1 Kilogramm Ei- schreiten kann. fischen Hochgebirgs- Sinfonie in Tönen geht der Weg der Entwicklung weiß im Rindfleisch auch in normalen, billigen Zeiten etwa 5,30 M. des Naturgefühls über Haydn  , Mozart  , vornehmlich Beethoven   auf foftet, für 7 Millionen Kilogramm im weggeschütteten Blut auf unsere Zeit. In Beethovens Sonaten und Sinfonien erfahren die 37,1 Millionen Mart. Man sieht also, es handelt sich hier um eine Naturelemente und die menschliche Kreatur eine so gewaltige als wirtschaftliche Frage, deren Lösung in unserer Zeit der allgemeinen erhebende, befreiende Wirkung im orchestralen Musikgewand. Teuerung von höchster Bedeutung für unser Volkstum ist. Seine Herkunft von den Klassikern verleugnet auch Richard Weshalb hält sich aber das Volt ablehnend gegen die Ver­Strauß nicht. Wie anders hätte er als stärkster Musiker unseres tertung des Blutes, das ja einer der appetitlichsten Stoffe ist? Der modernen Zeitalters Geltung empfangen! Seine Alpenfinfonie" Grund dazu bildet zunächst wohl der naheliegende Gedanke an offenbart seine Bedeutung nach dieser Richtung aufs neue. Nach Wunden, Qualen, Siechtum und Tod, der sich beim Anblick von einer hauptsächlich musikdramatischen Schaffensperiode tritt Strauß frischem Blut dem naiven Beschauer aufdrängt und ihm unwillkürlich wieder als Sinfonifer hervor. Nicht irgend eine mythische oder historische ein leichtes Gefühl von Unbehagen einflößt. Noch viel wichtiger Gestalt wie in seinen programmischen Tondichtungen für großes aber ist der alte Voltsglaube, daß im Blut die Seele des betreffenden Orchester( Don Juan"," Tod und Verklärung  "," Macbeth  "," Eulen- Wesens liege, und diese scheut man sich für sich in Anspruch zu fpiegel", Zarathustra"," Don Quixote"), sondern die Natur der Alpen nehmen. So verbot eine uralte religiöfe Vorschrift den Juden das Deutschland  , der Hort altitalienischer Musik. wurde diesmal zum Helden" erkoren. Man wird dabei an die Verspeisen des Blutes, das als der Sitz der Seele Gott allein zu­Erstlingssinfonie Hoch Italien", die Strauß vor fast dreißig Jahren stehe. Und da das Christentum aus dem Judentum seinen Ursprung Giovanni Tobaldini, der auch über Jtaliens Grenzen hinaus geschrieben hat, denken müssen. Doch nur gegenständlich besteht nahm, so hat die christliche Kirche das Verbot, Blut zu essen, vom bekannte Direktor der Capella di Loreto" wendet sich im Messaggerro" zwischen beiden Werken eine Art sehr entfernter Verwandschaft. Dort fogenannten Apostelfonzil( Apostelgeschichte 15) an übernommen, gegen das von keiner Kunsteinsicht getrübte kulturfeindliche Gebaren wie hier werden die Empfindungen beim Anblick herrlicher Natur- von den Judenchristen auf die Heidenchristen ausgedehnt und der chauvinistischen Lärmbolde, die unter dem Deckmantel der schönheiten als persönliches Erlebnis zum Ausdruck gebracht. Während das ganze Mittelalter hindurch, zum Teil unter Androhung schwerer nationalen Würde mit übel angebrachtem Pathos gegen die deutsche jedoch jene Jugendschöpfung noch die Sinfonit der ersten Epoche und Bußen, festgehalten. Es ist dieselbe Unzweckmägigkeit, die das Volk Musik wüten, ohne eine Ahnung davon zu haben, was Deutschland  die Programmatik der zweiten vereinigt, ist Strauß mit der Alpen  - davor bewahrt, das ausgezeichnet schmeckende Pferdefleisch, das den für die italienische   Kunst und die italienische Musik im be­finfonie über alle Programmatik hinaus gestiegen. Diese Gipfelung alten Germanen das liebste Fleisch überhaupt war, immer noch zu tundige italienische Musiker, auf die reine Freude und das sonderen getan hat. Soll man wirklich", so fragt der fach­heißt schlechtweg: Musit. verschmähen. Als nämlich das Christentum in Deutschland   ein­sei es auch nur für furze Zeit, Das in furzen Kapitelüberschriften festgelegte Programm" weist geführt wurde, verboten die christlichen Priester das Essen von geistige Vergnügen, und die Vorführung der Meistertverke deutscher den Leser bestenfalls auf den Inhalt des Werkes hin. Hernach beim Pferdefleisch als stets mit heidnischen Opfern zusammenhängend. verzichten, Anhören bedarf es defien nicht mehr: so eindringlich, so plastisch Da sie damit nicht durchdrangen, setzten sie schwere Strafen, ja Kunst in dem Hörer auslöst? Ja, weshalb denn? Etwa um uns wirkt das durch wenige und einfache Motive gegliederte Werk auf schließlich die Todesstrafe auf diesen Genuß und flößten mit der den Beifall der Böotier, der Banausen und noch schlimmerer Ge­uns ein. Es bildet eine geschlossene Ganzheit in wenn man will Zeit den Deutschen   einen solchen Widerwillen und Efel vor dem als noffen zu sichern? Nein, ich balte zu denen, die sich nie und um drei Teilen: Anstieg, Aufstieg, Abstieg zwischen Sonnenauf- und unrein verschrieenen Pferdefleisch ein, daß heute noch die Tierschüßer feinen Preis bereitfinden werden, sich ihrer Würde und Selbst­Untergang. Nur ein Musiker wie Strauß, der als Münchner   so und Volksfreunde die allergrößte Mühe haben, dem Volt diesen achtung soweit zu entäußern. Von den Leuten, die den so stürmisch vertraut mit der Hochlandsnatur, als der Aelpler selbst ist, vermochte Abscheu vor dem damals nur als Schreckmittel angegebenen Unrein- geforderten Kunstrepressalien das Wort reden, ist ohne weiteres an diese in der Musilliteratur einzig dastehende Sinfonie zu gestalten. sein des Pferdefleisches wegzunehmen. zunehmen, daß sie selbst nicht das geringste dazu getan um den Italienern die Kenntnis des wahren Die zwischen Schluchten und Klüften fauernde Nacht; die Sonne, Leider ist das Blut als solches viel weniger haltbar als Fleisch, haben, Nur so konnte es geschehen, daß wenn sie sieghaft aus Nebeln emporsteigt; der Hochwald mit feiner weshalb seiner Verwendung im menschlichen Haushalt allerlei Italien   näherzubringen. er jahrhundertelang tieriichen Welt, die bald rauschenden, bald fluckernden Wässerlein, das Leben Schwierigkeiten im Wege stehen. So verwendet man es mit Vor- unfer göttlicher Balestrina, nach den auf der Alm, der gefährliche Weg über Gletscher; die mahlenden, zuckenden liebe als Beigabe zu Suppen, Saucen, Klößen, Frikandellen und vergessen war, für die Welt just durch die Deutschen   wieder entdeckt Winde und Stürme, Gewitterprachi sw.: das alles wird nicht Buddings, neuerdings aber als Zusatz zum Brot, was weitaus das werden konnte. Man sehe sich nur die 33 Bände seiner in Leipzig  orchestral geschildert" nein, von einem Wanderer erlebt, in zweckmäßigste ist. Solches Blutbrot, das bereits in vielen deutschen   erschienenen Gesamtwerke an und höre einmal die herrlichen Auf­tiefste Empfindungen, in tönende Sprache gebannt. An den hierbei Städten erzeugt wird, findet aber vielfach wenig Anklang, da dessen führungen seiner Werke, die feit 40 Jahren jeden Sonntag im tätigen Mufitfaktoren, ob sie nun Metodit, Harmonik, Rhythmik, dunkle Farbe als ein Beweis schlechter Qualität angesehen wird. Regensburger Dom   zu Gehör gebracht wurden! Den Deutschen Kontrapunktit, Dynamit und Instrumentation heißen, mag ermessen Dann ist auch die Gewinnung von Blutspeisemehl, das das Aus- ist es ferner zu danken, daß wir den herrlichen Girolamo werden, welche gewaltige Wegstrecke, rein technisch genommen, von sehen von Stakaopulver hat, sehr zweckmäßig, indem es sehr mannig- Frescobaldi, den als Virtuosen und Orgellomponisten welt­den Klassikern herwärts bis heute überwunden ist. Wunderbare faltige Verwendung gestattet. Es läßt sich mit Roggen- oder Misch- berühmten, im sechzehnten Jahrhundert lebenden Organisten und Peterskirche   in Rom  , überhaupt fennen schätzen Klangschönheiten in Farbensättigung und Fülle hat der Komponist mebl ohne Schwierigkeit zu Brot verbaden, hinterläßt ein lange an­hier ausgegoffen. Stomplere gleichzeitig erflingender Töne Daß weiterhin unfere Opernkomponisten des haltendes Sättigungsgefühl und schmedt belier als gewöhnliches gelernt haben. scheinbar unvereinbare Dissonanzen, fügen fich dem Ohr Brot, weshalb es allgemeine Verbreitung verdient. 16. und 17. Jahrhunderts, von Monteverdi   angefangen bis zu Per­bei horizontalem Hören Gebilden. zu harmonischen golesi, lebendig geblieben sind, ist das Verdienst der Deutschen  , bei Alle Ausdruckmittel sind aufgeboten: außer allen mög­denen ihre Werke stets in besserer Hut gehalten worden sind als bei lichen Streich und Blasinstrumenten Harfen, Drgel, Wind­uns. Was taten wir denn, um die musikalische Seele der Nation, und Donnermaschinen, Glockenspiel, Becken, große und kleine die dem Vaterlande so große Meister gegeben hat, zu behüten und Trommel, Triangel  , Herdengeläute, Tamtam, Baufen, Celesta, zu kräftigen? Was taten wir, um zu verhüten, daß diese Volksseele nicht entartete? Aerophon usw. Eines gewaltigen Apparates benötigt Strauß zur Verdis Bemerkung an Hans von Verdeutlichung seiner Empfindungswelt! Daß jene allesamt zum Bülow: Sie hat sich zum Bastard erniedrigt und droht, Einklang gebändigt sind, beweist wohl des Komponisten genialische zu verkommen", hat uns durchaus nicht zur Ruhe und Ein­Schöpferkraft. fehr befehrt. Dafür haben wir den österreichischen Operetten um so freudiger eine Heimstätte bereitet und uns an deren Trivialitäten ergögt. Man denke nur an die jubelnde Aufnahme, Der Kleistsche Amphitryon ursprünglich als bloße Ueber- die vor noch nicht langer Zeit Franz Lehar  , der Schöpfer der tragung von Molières   spielerisch bunter Amphitryonfomödie geplant Lustigen Witwe  ", in Rom   gefunden hat! Nein, ich bin dafür, daß durchbricht den vorgesteckten Rahmen mit einer seltsam schillern- sich der Boykott, mit dem man die deutsche Musik verfolgt, zu Nuz den Gedankenmystik: einer Mystik, die umbildend ein Moment, das und Frommèn der Reinheit der Kunst ausschließlich, dafür aber um beim Franzoien nur ein wißig pifanter Einfall war, in eine Art von so entschiedener gegen jede künstlerische Banalität wenden möge, metaphysischer Beleuchtung rückt. Molière fand den Stoff in einem gleichviel aus welchem Lande sie kommt; ja auch dann, wenn sie dem verloren gegangenen griechischen Originale nachgebildeten Luft- aus Italien   selbst stammt." Die Verwendung des in unseren Schlachthöfen in ungeheueren spiele des Plautus. Gott Jupiter, dem die griechische Sage so viel Notizen. Mengen täglich abfallenden Blutes bewegt sich in recht engen galante Abenteuer nacherzählt, stattet Alfmene, des Thebanerfürsten Grenzen. Ein Teil vorwiegend Schweineblut dient zur Wurst- Amphitryon schöner Frau, in der Gestalt des Gatten einen nächtlichen Be-- Musikchronit. Am Sonntagabend findet im Blüthner­fabrikation, das übrige aber wird trog feines hohen Nährwertes iuch ab. Das Doppelgängertum des Gottes und des bizigen Königs, der faale der erste diesjährige Wagner Abend des Blüthner­einfach weggeschüttet. Bei einer im Jahre 1911 in den Schlacht- heimgekehrt vom Striege, seinen Platz besetzt findet, wird das orchesters statt, zu dem Cornelis Bronsgeest   seine Mitwirkung zu häusern von 219 Städten vorgenommenen Umfrage: Was geschieht Motiv zu einer Fülle übermütiger Situationen. Am Schlusse gesagt hat. Dirigent: Paul Scheinpflug  . Das zweite Sonntags­mit dem geronnenen Blut?, antworteten 12 mit nichts", 183 wußten gibt der Gott sich zu erkennen und verheißt für die gestohlene fonzert im Charlottenburger   Schiller- Theater findet am 31. Oktober, nur mitzuteilen fommt in den Dünger", wird fortgeipült", läuft Gunst dem Ehemanne herrlichen Entgelt. Alfmene soll ihm den mittags 12 Uhr, statt. Das Programm bringt an Kammermusit­fort", wird vernichtet"," kommt zu den Abfällen" und ähnliches. Herkules den glorreichsten der Helden als göttliches Gefchent ge- werfen Beethovens Cello- Sonate op. 69 in B- dur und Mozarts Nur aus 24 Schlachthäusern wurde von einer teilweisen Verwendung bären. Wobei der Dichter mit leisem Spotte darauf anfpielt, wie Klavierquartett in G- moll.

Der Eindruck des Werkes auf die Hörer war gewaltig. An diesem Erfolg gebührt dem unvergleichlichen Spiel des Dresdener  Hofopernorchesters fein rühmlicher Anteil. Strauß, der sein Wert selbst zum Siege führte, wurde unter Jubel gefeiert.

3]

Schlachtblut und Ernährung.

Die Hochzeit.

Von A. Kuprin.

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Dr. 2. Reinhardt.

Kleines Feuilleton.

Amphithryon" von Kleist   im Theater in der Königgräher Straße.

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Der Schemel ist umgefallen...

"

der

Euer Wohlgeboren" anzureden. In dieser Selbsterhebung Was hat man hinzuzufügen, Zümmel?" brüllt wütend findet Sloskin einen gewissen geheimen Reiz. der Fähnrich.

,, Entschuldigen, Euer Wohlgeboren... Der Schemel

ist umgefallen, Euer Wohlgeboren.

Es war aber auch für Sloskin unerträglich schwer, in Das Gesicht des Burschen drückt tierische Angst aus und zahlreicher Gesellschaft dasigen zu müssen und zu schweigen, eine gespannte Bereitschaft, Schläge zu empfangen. bis die Aufforderung zur Tafel erging. Es ist ihm unfaßbar, Bon dem Schlage zu Mittag und dem Bluten ist seine wie man es fertig bringen kann, sich stundenlang zu unter- Nase blau angelaufen und geschwollen. Sloskin betrachtet den halten, von allen möglichen Dingen zu reden und mit Leichtig: Burschen mit talten, haßerfüllten Blicken. feit tausend Gedanken zu entwickeln. Wenn Sloskin einmal ,, Schemel!" knirscht er heiser, Flegel! Bringe den Sia­spricht, so spricht er nur von sich: davon, daß er im Avance- mowar herein, Protoplasma!"

Und der neunte Pius,

ment stecken geblieben ist, daß er sich eine neue Uniform Er möchte aus Langeweile dem Burschen einen Schlag machen läßt und daß ihn seine Vorgesetzten schlecht behandeln, von hinten versetzen, ist aber zu faul aufzustehen. Und ohne doch auch disse Gespräche führt Sloskin nur beim Schnaps. jede Freude summt er die schon längst überdrüssig gewordene Fremdes Lachen erfreut ihn nicht, ärgert ihn vielmehr, weil Melodie weiter: er immer den Verdacht hat, daß man über ihn lacht. Er be­greift es ja schließlich selbst, daß sein ödes und verächtliches Schweigen in Gesellschaft allen Anwesenden lästig und pein­lich ist, und deshalb bleibt er, als wild- schüchterner, eitler und, trop der äußerlichen Derbheit, innerlich feiger Mensch, jedem Verkehr fern, macht keine Besuche und kommt nur mit zwei, drei unverheirateten Kameraden zusammen, die auch trinken.

Der gelehrte Ca- e- sar war ein tapfrer Held, war ein tapfrer Held, doch für Wein und Weiber

lieg er all sein Geld...

auch der zehnte Leu, auch der zehnte Leu...

Der Bursche bringt den Siamowar. Der Fähnrich trinkt seinen Tee solange, bis in der Teekanne nur noch ein dünnes warmes Wässerchen übrig geblieben ist. Dann schließt er Tee und Zucker ein und sagt zum Burschen:

III.

leuchtet das Städtchen. Hinter dunklen Zäunen bellen die Er tritt auf die Straße. Der volle, glänzende Mond be­Hunde. Irgendwo, weit in der Ferne, erstirbt ein Schellen­geläute. Auf der Eisenbahnbrücke steht ein Wachtposten.

,, Was fängt man nur an?" überlegt Sloskin. Er er­innert sich, daß vor drei Jahren der betrunkene Zeutnant Tiftin zu Fuß bis zu der Grenzsäule vordrang, auf deren einer Seite Rußland  " und auf der anderen Desterreich" geschrieben steht, und daß er, trotz aller Proteste der Wache, die deutsche Inschrift mit Kreide durchstrichen und darüber das Wort Nossia" hingeschrieben hatte.

Das war ein Kerl!" denkt Sloskin lächelnd. Mit einem Federstrich so ein ganzes Reich zu erobern! 3wanzig Tage Hauptwache gab es dafür. Ein flotter Serl! Selbst der Brigade  - General hat gelacht...

Oder, wie wäre es, wenn er zu seiner Kompagnie ginge, Sabt acht!" kommandierte und folgende Rede hielte:

,, Soldaten! Euren Fähnrich haben Juden beleidigt. Jene Juden, die Christus kreuzigten und zu Ostern das Blut christ­Da ist noch etwas nachgeblieben... Rannst es aus- licher Snaben trinken! Wollt Ihr, russische Soldaten, eine trinken." Der Bursche schweigt.

Du! Lümmel!" brüllt ihn Sloskin an. Was hat man zu antworten?"

Im Borzimmer wird die Tür zugeworfen und etwas fällt Frachend zu Boden. Der Bursche tritt mit der Lampe   ein. Er der wendet den Kopf vom Lichte und macht ein ängstliches Gesicht. Was hast Du da umgeschmissen, Kerl?" fragt ihn Slostin böse. Der Bursche steht ängstlich stramm.

den

" Danke gehorsamst, Euer Wohlgeboren," murmelt eilig Soldat und hilft dem Fähnrich in den Mantel. Vergessen? Rrrindvieh! Ich will Dich lehren! Hebe Handschuh auf, Kanaille!"

Seinem Range nach gebührt ihm nur die Anrede: Herr Fähnrich doch er befahl dem Burschen ein für allemal, ihn

solche Beschimpfung der Offiziersuniform dulden? Wir nach! Kein Haus bleibe heil in diesem verdammten Judennest!" Fein wäre das!" denkt Sloskin und seufzt mit tiefemt Bedauern.

Er biegt in die Hauptstraße ein. Eine dichte schwarze Menge wälzt sich ihm mit lautem Zachen und fröhlichen Zu­rufen entgegen.

"

Verdammtes Judenpad!" denkt haßerfüllt der Fähnrich. ( Forts. folgt.)